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    • [Engel am Grabe d. Herrn] Anmerkung
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    • Fragmente dramatische Poesie und Kunst
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  • Popularität und Mysticismus

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52

VI. Popularität und Mysticismus.

Frei soll der Geist walten in dieser Zeitschrift: dem einen hat die Natur leichtere
Flügel und ansprechendes Wesen gegeben, den andern reizt Zurückgezogenheit und
tieferes Verständniſs mit auserlesenen Freunden.
Und so möge das Haus eröffnet sein 5
für allerlei Sinn: stille dämmernde Gemächer für das ernste Gespräch und Säle, voller
Licht und Spiegel für solche, die sich am liebsten in bunter Gemeinschaft mit vielen
freuen mögen.
Aber keine Thüre verschlossen, und wie es sich gebührt und wie in
Tempeln der Gebrauch ist, das groſse Portal weder mystisch vermauert, noch allzu⸗
einladend
oder herbeizwingend für den Pöbel, sondern nur zugänglich für alle.
10

Im Namen der Dichter und Critiker, welche sich hier verbunden, sei es gesagt:
Eine weltumfassende Idee populär vorzutragen, kann nichts anderes heiſsen, als sie in
jedem noch so untergeordneten Kreise des Lebens wiederfinden; menschlichen Geist,
in welcher rohen äuſseren Gestalt er sich darbiete, leicht und natürlich an sie an⸗
knüpfen
, den Zusammenhang der ernsten Bedürfnisse jedes Lebens mit jener ernste⸗15
sten
Idee zeigen und so jeden Einzelnen seines Bürgerrechts im Weltreiche der Idee
theilhaftig machen.
Eine schwierige Aufgabe, die ein vollständiges Verständniſs jener,
welche verstehen sollen, voraussetzt. Darum ist Fichten und so vielen andern der
redlichste Vorsatz der Popularität nie gelungen, weil sie nicht vor allen Dingen die
begriffen, welche begreifen sollten.
20

Wenn an einen Autor die Anforderung der Popularität ergeht, so denkt man diese
gewöhnlich als eine Eigenschaft, welche noch der bereits fertigen Darstellung der
53Idee hinzugefügt werden solle. —
Ist denn aber die bloſse Entwicklung einer Idee etwas
anders als unendliches ein unendliches Popularisiren derselben?
Vom ersten Augenblick der Entste⸗
hung
, vom ersten Selbstgespräch, aus dem sie entspringt, durch unendliche Gesprä⸗25
che
der entgegengesetztesten Naturen wandelt sie immer vernehmlicher sprechend,
immer persönlicher, körperlicher, herrschender hindurch.

In jeder neuen gröſseren Sphäre bleibt sie dieselbe, aber sie lebt nur, indem sie
fortschreitend sich popularisirt. Und so ist Popularität, im ächten Sinne, nichts an⸗
dere
s als der nothwendig, und ohne irgend einen Vorsatz, aller wis⸗30
senschaftlichen
und künstlerischen Wirksamkeit inwohnende Geist
der Bewegung und des Fortschreitens.
Bei dem immer miſslingenden,
hochmüthigen Herablassen der Autoren wird nichts begünstigt als gerade der flache
Egoismus der Zeitgenossen, ihr Scheinleben und Scheinwissen. Deshalb habe alles
Wissen eine persönliche Gestalt, ein unabhängiges Leben, Fleisch und Mark — es sei 35
nur von Hause aus gemüthlich, das heiſst kräftig, das heiſst künstlerisch: und es
wird von selbst schon wachsen, und ergreifen und befruchten.
Ein Werk des Gei⸗
stes
wird auf jeder Stufe seiner Ausbildung schon in sich so mystisch oder popular
sein, als es seine stillere oder geselligere Natur gestattet.

Die Wissenschaft, im vollen Bewuſstsein ihrer Zugänglichkeit für alle, darf ihre 40
Lehrlinge unterscheiden nach der Leichtigkeit und der Schwierigkeit des gegenseiti⸗
gen
Verständnisses, Verständisses, in Esoteriker und Exoteriker, wie einst im Pythagorischen Bun⸗
de
; aber sie darf nie vergessen, daſs ihr ganzes Geschäft das allmähliche Vorrücken
und Aufheben der Grenze ist, welche sie zwischen ihnen gezogen. —
Jede Lehre
wird beim höchsten Streben nach Allgemeingültigkeit dennoch in ihrer ersten Erschei⸗45
nung
das Ansehn der Mysterie haben, und ganz durch die Natur ihrer Entwicklung
eine esoterische Sphäre um sich bilden.
Fixirt sich diese Sphäre, so ist nicht blos
die falsche Richtung der Lehre erwiesen, aber ihr Tod ist schon erfolgt; zeigen sich
die Esoteriker hingegen als wahre Mittelgestalten, als ächte Apostel, durch deren ver⸗
schiedenartige
Eigenthümlichkeiten die Verständlichkeit ergänzt, und jede absolute 50
Begrenzung zwischen dem Meister und dem Universum verwischt wird, so hat sie
das ewige Leben ausgedrückt und muſs selbst ewig leben.

Nur dem vorsätzlichen Mystiker kommt mitunter der Vorsatz der Popularität;
nur dem Hochmüthigen kann die Absicht kommen, sich herabzulassen: Falsche My⸗
stik
und falsche Popularität Polularität sind correspondirende, einander bedingende Gebrechen 55
derselben Zeit und derselben der derselben Personen.
Nur dem, der gewöhnlich die Thür seines
Hauses verschlieſst, kann es zuweilen beifallen, sie nun auch wieder allem Pöbel zu
öffnen.

Gedenken wir des unsterblichen Wortes: „des wahren Geheimnisses Eingeweih⸗
ter
ist jeder, der es versteht,“ und so übersetzen wir es den falschen Mystikern unsrer 60
Zeit: Es giebt keine Entweihung des Wahren und Schönen, also ist
auch die Einweihung nicht vonnöthen.

http://ds.ub.uni-bielefeld.de/viewer/image/2104383_001/53
Popularität und Mysticismus

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/phoebus/01/08, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 24.05.2025

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Apparat

Die Transkription folgt der 1924 erschienenen Faksimile-Ausgabe der Phöbus-Erstdrucke:
Kleist, Heinrich v. / Müller, Adam H. (Hrsg.): Phöbus. Ein Journal für die Kunst. München: Meyer & Jessen, 1924. (= Neudrucke Romantischer Seltenheiten Bd. 2 – [Nachdruck in 400 Exemplaren besorgt v. Fritz Strich]).

Überlieferung

Generell zur Transkription des Phöbus: vgl. editorische Bemerkungen zur Textkonstitution des Phöbus.

Der Vergleich mit der [BKA-TK:2000]-Fassung basiert auf den bei ›textkritik.de‹ publizierten Dokumenten zum Phöbus.

 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

[BKA-TK:2000] [4 Abw.]
  • 24unendliches ] ein unendliches
  • 42Verständnisses, ] Verständisses,
  • 55Popularität ] Polularität
  • 56derselben ] der derselben
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