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Berliner Abendblaͤtter.
66tes Blatt. Den 15ten Dezember 1810.
Ueber das Marionettentheater.
(Beſchluß.)
Bei dieſer Gelegenheit, ſagte Herr C... freundlich, muß ich Ihnen eine andere Geſchichte erzaͤhlen, von der Sie leicht begreifen werden, wie ſie hierher gehoͤrt.
Ich befand mich, auf meiner Reiſe nach Rußland, auf einem Landgut des Hrn. v. G..., eines Lieflaͤndiſchen Edelmanns, deſſen Soͤhne ſich eben damals ſtark im Fechten uͤbten. Beſonders der Aeltere, der eben von der Univerſitaͤt zuruͤckgekommen war, machte den Virtuoſen, und bot mir, da ich eines Morgens auf liest »auf«. ſeinem Zimmer war, ein Rappier an. Wir fochten; doch es traf ſich, daß ich ihm uͤberlegen war; Leidenſchaft kam dazu, ihn zu verwirren; faſt jeder Stoß, den ich fuͤhrte, traf, und ſein Rappier flog zuletzt in den Winkel. Halb ſcherzend, halb empfindlich, ſagte er, indem er das Rappier aufhob, daß er ſeinen Meiſter gefunden habe: doch alles auf der Welt finde den ſeinen, und fortan wolle er mich zu dem meinigen fuͤhren. Die Bruͤder lachten laut auf, und riefen: Fort! fort! In den Holzſtall herab! und damit nahmen ſie mich bei der Hand und fuͤhrten mich zu einem Baͤren, den Hr. v. G., ihr Vater, auf dem Hofe auferziehen ließ.
Der Baͤr ſtand, als ich erſtaunt vor ihn trat, auf den Hinterfuͤßen, mit dem Ruͤcken an einem Pfahl gelehnt, an welchem er angeſchloſſen war, 260die rechte Tatze ſchlagfertig erhoben, und ſah mir ins Auge: das war ſeine Fechterpoſitur. Ich wußte nicht, ob ich traͤumte, da ich mich einem ſolchen Gegner gegenuͤber ſah; doch ſtoßen Sie! ſtoßen Sie! ſagte Hr. v. G... und verſuchen Sie, ob Sie ihm Eins beibringen koͤnnen! Ich fiel, da ich mich ein wenig von meinem Erſtaunen erholt hatte, mit dem Rappier auf ihn aus; der Baͤr machte eine ganz kurze Bewegung mit der Tatze und parirte den Stoß. Ich verſuchte ihn durch Finten zu verfuͤhren; der Baͤr ruͤhrte ſich nicht. Ich fiel wieder, mit einer augenblicklichen Gewandheit, auf ihn aus, eines Menſchen Bruſt wuͤrde ich ohnfehlbar getroffen haben: der Baͤr machte eine ganz kurze Bewegung mit der Tatze und parirte den Stoß. Jetzt war ich faſt in dem Fall des jungen Hr. von G.... Der Ernſt des Baͤren kam hinzu, mir die Faſſung zu rauben, Stoͤße und Finten wechſelten ſich, mir triefte der Schweiß: umſonſt! Nicht bloß, daß der Baͤr, wie der erſte Fechter der Welt, alle meine Stoͤße parirte; auf Finten (was ihm kein Fechter der Welt nachmacht) gieng er gar nicht einmal ein: Aug’ in Auge, als ob er meine Seele darin leſen koͤnnte, ſtand er, die Tatze ſchlagfertig erhoben, und wenn meine Stoͤße nicht ernſthaft gemeint waren, ſo ruͤhrte er ſich nicht.
Glauben Sie dieſe Geſchichte?
Vollkommen! rief ich, mit freudigem Beifall; jedwedem Fremden, ſo wahrſcheinlich iſt ſie: um wie viel mehr Ihnen!
Nun, mein vortrefflicher Freund, ſagte Herr C..., ſo ſind Sie im Beſitz von Allem, was noͤthig iſt, um mich zu begreifen. Wir ſehen, daß in dem Maaße, als, in der organiſchen Welt, die Re261flexion dunkler und ſchwaͤcher wird, die Grazie darin immer ſtrahlender und herrſchender hervortritt. — Doch ſo, wie ſich der Durchſchnitt zweier Linien, auf der einen Seite eines Puncts, nach dem Durchgang durch das Unendliche, ploͤtzlich wieder auf der andern Seite einfindet, oder das Bild des Hohlſpiegels, nachdem es ſich in das Unendliche entfernt hat, ploͤtzlich wieder dicht vor uns tritt: ſo findet ſich auch, wenn die Erkenntniß gleichſam durch ein Unendliches gegangen iſt, die Grazie wieder ein; ſo, daß ſie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menſchlichen Koͤrperbau am Reinſten erſcheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewußtſein hat, d. h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott.
Mithin, ſagte ich ein wenig zerſtreut, muͤßten wir wieder von dem Baum der Erkenntniß eſſen, um in den Stand der Unſchuld zuruͤckzufallen?
Allerdings, antwortete er; das iſt das letzte Capitel von der Geſchichte der Welt.
H. v. K.
Aus einem Schreiben aus Potsdam vom 12. d. M.
Es befremdet uns zwar nicht, denn wir ſind es zu gewohnt, wenn wir den edlen Koͤnig in unſrer Mitte perſoͤnlich Segen verbreiten ſehen; aber es iſt doch auch fuͤr Andre, welche dies ſchoͤne vaͤterliche Wirken nicht vor eignen Augen haben, erhebend und erfreulich, aus dem Vielen, was man mittheilen koͤnnte, auch nur einen beſonderen Zug hiervon zu erfahren. So beſuchte Sr. Majeſtaͤt in der vorigen Woche das hieſige große Waiſenhaus, beſah und pruͤfte alles, und um den Kindern eine Freude zu machen 262 (und welche haͤtte zweckmaͤßiger fuͤr dieſen Augenblick ſein koͤnnen?) wurde befohlen, von einem nahgelegenen liest »nahegelegenen«. Schiffe eine ganze Fuhre Aepfel herbei zu ſchaffen, und ſie ſogleich unter die Kinder zu vertheilen. Ihr guten Kinder, waͤhrend ihr vergnuͤgt eure Aepfel in Haͤnden hieltet, gab euch euer erhabner Erhalter mehr. Eine ſehr betraͤchtliche Summe in Golde ließ Er dem Inſtitut ſenden, um es zu etwanigen beſſern Einrichtungen zu verwenden, denn fuͤr das Nothwendige iſt ja ſchon geſorgt. Auch hatte, waͤhrend der Eſſenszeit im Waiſenhauſe, Sr. Majeſtaͤt befohlen, man ſolle ihnen von der Suppe ſchicken, welche die Kinder eben verzehrten; ſolche wurde durch denſelben Knaben uͤberbracht, welcher fruͤher ſchon eine Anrede an Jhro Majeſtaͤten gehalten hatte. Der edle Monarch befragte nach manchem den Knaben, woruͤber derſelbe ordentliche Auskunft gab; zum fernern Fleiß und zur Tugend ermahnt und beſchenkt, wurde der Gluͤckliche entlaſſen. — Und wohl uns, daß wir ſolche Zuͤge von unſerm geliebten Koͤnige, den Gott lange dem Volk erhalten moͤge, im Herzen bewahren koͤnnen.
W.
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
In dem Hauſe eines Baͤckermeiſters entzuͤndete ſich heute Morgen um drei Uhr der Schornſtein, und es entſtand hierauf Feuerlaͤrm. Durch die getroffnen zweckmaͤßigen Anſtalten wurde das Feuer, nachdem eine Spritze herbeigeeilt war, ſogleich geloͤſcht.