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Ueber das
Marionettentheater.
(Beſchluß.)
Bei dieſer Gelegenheit, ſagte Herr C...
freund⸗
lich, muß ich Ihnen eine andere
Geſchichte erzaͤhlen,
von der Sie leicht begreifen werden,
wie ſie hier⸗5
her gehoͤrt.
Ich befand mich, auf meiner
Reiſe nach Ruß⸗
land, auf einem Landgut des Hrn. v. G..., ei⸗
nes Lieflaͤndiſchen Edelmanns, deſſen Soͤhne ſich
eben damals ſtark im Fechten uͤbten. Beſonders 10
der Aeltere, der eben
von der Univerſitaͤt zuruͤckge⸗
kommen war, machte
den Virtuoſen, und bot mir,
da ich eines Morgens
anf
auf
liest »auf«.
ſeinem Zimmer war, ein
Rappier
an. Wir fochten; doch es traf ſich, daß
ich ihm uͤberlegen war; Leidenſchaft kam dazu, ihn 15
zu verwirren; faſt jeder Stoß, den ich fuͤhrte, traf,
und ſein Rappier flog zuletzt in den Winkel. Halb
ſcherzend, halb empfindlich,
ſagte er, indem er das
Rappier aufhob, daß er ſeinen
Meiſter gefunden
habe: doch alles auf der Welt finde den
ſeinen, und 20
fortan wolle er mich zu dem meinigen fuͤhren.
Die Bruͤder lachten laut auf, und
riefen: Fort!
fort! In den
Holzſtall herab! und damit nahmen
ſie mich bei der Hand
und fuͤhrten mich zu einem
Baͤren, den Hr. v. G., ihr
Vater, auf dem Hofe 25
auferziehen ließ.
Der Baͤr ſtand, als ich erſtaunt
vor ihn trat,
auf den Hinterfuͤßen, mit dem Ruͤcken an
einem
Pfahl gelehnt, an welchem er angeſchloſſen war,
[ 66 ]
260die rechte Tatze ſchlagfertig
erhoben, und ſah mir 30
ins Auge: das war ſeine
Fechterpoſitur. Ich wuß⸗
te nicht, ob ich traͤumte, da ich mich einem ſolchen
Gegner gegenuͤber ſah; doch ſtoßen Sie! ſtoßen
Sie! ſagte Hr. v. G... und verſuchen Sie, ob
Sie ihm Eins beibringen koͤnnen! Ich fiel, da 35
ich mich ein wenig
von meinem Erſtaunen erholt
hatte, mit dem Rappier auf
ihn aus; der Baͤr
machte eine ganz kurze Bewegung mit der
Tatze
und parirte den Stoß. Ich verſuchte ihn durch
Finten zu verfuͤhren; der Baͤr
ruͤhrte ſich nicht. 40
Ich
fiel wieder, mit einer augenblicklichen Gewand⸗
heit, auf ihn aus, eines Menſchen Bruſt wuͤrde
ich
ohnfehlbar getroffen haben: der Baͤr machte eine
ganz
kurze Bewegung mit der Tatze und parirte
den Stoß. Jetzt war ich faſt in dem Fall des jun⸗45
gen Hr. von G.... Der Ernſt des Baͤren kam
hinzu, mir die Faſſung zu
rauben, Stoͤße und
Finten wechſelten ſich, mir triefte
der Schweiß: um⸗
ſonſt! Nicht bloß, daß der Baͤr, wie der erſte
Fechter der Welt, alle meine Stoͤße parirte; auf 50
Finten (was ihm kein Fechter der Welt nachmacht)
gieng er gar nicht einmal ein: Aug’ in Auge, als
ob er meine Seele darin leſen koͤnnte, ſtand er,
die Tatze ſchlagfertig erhoben, und wenn meine
Stoͤße nicht ernſthaft gemeint waren, ſo ruͤhrte er 55
ſich nicht.
Glauben Sie dieſe
Geſchichte?
Vollkommen! rief ich, mit
freudigem Beifall;
jedwedem Fremden, ſo wahrſcheinlich
iſt ſie: um
wie viel mehr Ihnen!60
Nun, mein vortrefflicher Freund,
ſagte Herr
C..., ſo ſind Sie im Beſitz von Allem, was
noͤ⸗
thig iſt, um mich zu begreifen. Wir
ſehen, daß in
dem Maaße, als, in der organiſchen Welt,
die Re⸗
261flexion dunkler und ſchwaͤcher wird, die Grazie 65
darin immer ſtrahlender und herrſchender hervor⸗
tritt. — Doch ſo,
wie ſich der Durchſchnitt zweier
Linien, auf der einen
Seite eines Puncts, nach dem
Durchgang durch das
Unendliche, ploͤtzlich wieder
auf der andern Seite
einfindet, oder das Bild des 70
Hohlſpiegels, nachdem es
ſich in das Unendliche
entfernt hat, ploͤtzlich wieder
dicht vor uns tritt:
ſo findet ſich auch, wenn die
Erkenntniß gleichſam
durch ein Unendliches gegangen iſt,
die Grazie wie⸗
der ein; ſo, daß ſie, zu gleicher
Zeit, in demjeni⸗75
gen menſchlichen Koͤrperbau am
Reinſten erſcheint,
der entweder gar keins, oder ein
unendliches Be⸗
wußtſein hat, d. h. in dem
Gliedermann, oder in
dem Gott.
Mithin, ſagte ich ein wenig
zerſtreut, muͤßten 80
wir wieder von dem Baum der Erkenntniß
eſſen,
um in den Stand der Unſchuld
zuruͤckzufallen?
Allerdings, antwortete er; das
iſt das letzte
Capitel von der Geſchichte der
Welt.
H. v.
K.85
Aus einem Schreiben aus
Potsdam
vom 12. d. M.
Es befremdet uns zwar nicht, denn wir ſind es
zu
gewohnt, wenn wir den edlen Koͤnig in unſrer
Mitte perſoͤnlich Segen
verbreiten ſehen; aber es iſt 90
doch auch fuͤr Andre,
welche dies ſchoͤne vaͤterliche
Wirken nicht vor eignen
Augen haben, erhebend und
erfreulich, aus dem Vielen, was
man mittheilen
koͤnnte, auch nur einen beſonderen Zug
hiervon zu er⸗
fahren. So beſuchte Sr. Majeſtaͤt in der vorigen 95
Woche das hieſige große Waiſenhaus, beſah und pruͤfte
alles, und um den Kindern eine Freude zu machen
262 (und welche haͤtte
zweckmaͤßiger fuͤr dieſen Augenblick
ſein koͤnnen?) wurde
befohlen, von einem
nahgelegenen
liest »nahegelegenen«.
Schiffe eine ganze Fuhre Aepfel herbei zu ſchaffen, 100
und ſie ſogleich unter die Kinder zu vertheilen. Ihr
guten Kinder, waͤhrend ihr
vergnuͤgt eure Aepfel in
Haͤnden hieltet, gab euch euer
erhabner Erhalter mehr.
Eine ſehr betraͤchtliche Summe in Golde ließ Er dem
Inſtitut ſenden, um es zu etwanigen beſſern Einrich⸗105
tungen zu verwenden, denn fuͤr das Nothwendige iſt
ja ſchon geſorgt. Auch
hatte, waͤhrend der Eſſenszeit
im Waiſenhauſe, Sr.
Majeſtaͤt befohlen, man ſolle
ihnen von der Suppe
ſchicken, welche die Kinder eben
verzehrten; ſolche
wurde durch denſelben Knaben uͤber⸗110
bracht,
welcher fruͤher ſchon eine Anrede an Jhro Ma⸗
jeſtaͤten gehalten hatte. Der edle Monarch
befragte
nach manchem den Knaben, woruͤber derſelbe
ordent⸗
liche Auskunft gab; zum fernern Fleiß
und zur Tu⸗
gend ermahnt und beſchenkt, wurde der
Gluͤckliche ent⸗115
laſſen. — Und wohl uns, daß wir ſolche Zuͤge von
unſerm geliebten Koͤnige, den Gott lange dem Volk
erhalten moͤge, im Herzen bewahren koͤnnen.
W.
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.120
In dem Hauſe eines Baͤckermeiſters entzuͤndete
ſich
heute Morgen um drei Uhr der Schornſtein, und
es
entſtand hierauf Feuerlaͤrm. Durch die getroffnen
zweckmaͤßigen
Auſtalten
Anſtalten
wurde das Feuer, nachdem
eine Spritze
herbeigeeilt war, ſogleich geloͤſcht.125