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Ueber das
Marionettentheater.
(Fortſetzung.)
Ich ſagte, daß, ſo geſchickt er auch die Sache
ſei⸗
ner Paradoxe fuͤhre, er mich doch
nimmermehr glau⸗
ben machen wuͤrde, daß in einem
mechaniſchen Glie⸗5
dermann mehr Anmuth enthalten ſein koͤnne, als
in dem Bau des menſchlichen Koͤrpers.
Er verſetzte, daß es dem
Menſchen ſchlechthin
unmoͤglich waͤre, den Gliedermann
darin auch nur
zu erreichen. Nur ein Gott koͤnne ſich, auf die⸗10
ſem Felde, mit
der Materie meſſen; und hier ſei
der Punct, wo die beiden
Enden der ringfoͤrmigen
Welt in einander griffen.
Ich erſtaunte immer mehr, und
wußte nicht,
was ich zu ſo ſonderbaren Behauptungen ſagen
15
ſollte.
Es ſcheine, verſetzte er, indem
er eine Priſe
Taback nahm, daß ich das dritte Capitel vom er⸗
ſten Buch
Moſes nicht mit
Aufmerkſamkeit gele⸗
ſen; und wer dieſe erſte
Periode aller menſchlichen 20
Bildung nicht kennt, mit dem
koͤnne man nicht
fuͤglich uͤber die folgenden, um wie
viel weniger
uͤber die letzte, ſprechen.
Ich ſagte, daß ich gar wohl
wuͤßte, welche
Unordnungen, in der natuͤrlichen Grazie
des Men⸗25
ſchen, das Bewußtſein anrichtet. Ein junger Mann
von meiner
Bekanntſchaft haͤtte, durch eine bloße
Bemerkung,
gleichſam vor meinen Augen, ſeine Un⸗
ſchuld
verloren, und das Paradies derſelben, trotz
[ 65 ]
256aller erſinnlichen Bemuͤhungen,
nachher niemals 30
wieder gefunden. — Doch, welche Folgerungen,
ſetzte
ich hinzu, koͤnnen Sie daraus ziehen?
Er fragte mich, welch einen
Vorfall ich meine?
Ich badete mich, erzaͤhlte ich,
vor etwa drei
Jahren, mit einem jungen Mann, uͤber deſſen
Bil⸗35
dung damals eine wunderbare Anmuth
verbreitet
war. Er mogte
ohngefaͤhr in ſeinem ſechszehnten
Jahre ſtehn, und nur
ganz von fern ließen ſich,
von der Gunſt der Frauen
herbeigerufen, die erſten
Spuren von Eitelkeit erblicken.
Es traf ſich, daß 40
wir grade
kurz zuvor in Paris den Juͤngling ge⸗
ſehen
hatten, der ſich einen Splitter aus dem Fuße
zieht; der Abguß der Statue iſt bekannt und be⸗
findet ſich in den meiſten deutſchen Sammlungen.
Ein Blick, den er in dem
Augenblick, da er den 45
Fuß auf den Schemel ſetzte, um ihn
abzutrocknen,
in einen großen Spiegel warf, erinnerte ihn
daran;
er laͤchelte und ſagte mir, welch’ eine Entdeckung
er gemacht habe. In der
That hatte ich, in eben
dieſem Augenblick, dieſelbe
gemacht; doch ſei es, um 50
die Sicherheit der Grazie, die
ihm beiwohnte, zu
pruͤfen, ſei es, um ſeiner Eitelkeit
ein wenig heil⸗
ſam zu begegnen: ich lachte und
erwiederte — er
ſaͤhe wohl Geiſter! Er erroͤthete und hob den Fuß
zum
zweitenmal, um es mir zu zeigen; doch der 55
Verſuch, wie
ſich leicht haͤtte vorausſehn laſſen, mis⸗
gluͤckte. Er hob verwirrt den Fuß zum
dritten und
vierten, er hob ihn wohl noch zehnmal:
umſonſt!
er war außer
Stand,
liest »stand,«.
liest »stand,«.
dieſelbe Bewegung wieder
hervorzubringen — was
ſag’ ich? die Bewegungen, 60
die er machte, hatten ein ſo
komiſches Element, daß
ich Muͤhe hatte,
das Gelaͤchter zuruͤckzuhalten: —
Von dieſem Tage, gleichſam von
dieſem Au⸗
genblick an, ging eine unbegreifliche
Veraͤnderung
257mit dem jungen Menſchen vor. Er fieng an,
Tage 65
lang vor dem
Siegel
Spiegel
zu ſtehen; und immer ein
Reiz nach dem anderen
verließ ihn. Eine unſicht⸗
bare und unbegreifliche Gewalt ſchien ſich, wie
ein eiſernes
Netz,
Netz
Netz
um das freie Spiel ſeiner Ge⸗
baͤhrden zu
legen, und als ein Jahr verfloſſen 70
war, war keine Spur
mehr von der Lieblichkeit
in ihm zu entdecken, die die
Augen der Menſchen
ſonſt, die ihn umringten, ergoͤtzt
hatte. Noch jetzt
lebt
jemand, der ein Zeuge jenes ſonderbaren und
ungluͤcklichen Vorfalls war, und ihn, Wort fuͤr Wort, 75
wie ich ihn erzaͤhlt, beſtaͤtigen koͤnnte. —
(Beſchluß
folgt.)
folgt)
folgt)
Fragmente.
1.
Die Herzhaftigkeit, alles
herauszuſagen, was 80
einem einfaͤllt, hat ſchon ſo manchem
den Ruhm
erworben, daß er die artigſten Einfaͤlle habe. Aber
das Sinnreiche und das Unſinnige haben die
Aehnlichkeit unter ſich, daß beides einem andern nicht
ſo leicht eingefallen waͤre; und daher wird oft eins
85
fuͤr das andere genommen.
2.
Soll dich die Welt fuͤr einen
weiſen Mann
halten, ſo geh tiefſinnig einher, ſprich
nichts, oder
nur mit geheimnißvoller Dunkelheit, um andre
zu 90
verkleinern, ſage niemals dein Urtheil, ſondern
laͤchle nur, und habe keine Freude.
Fr.
Sch.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
London den
27ten Nov.95
Von Lord Wellington ſind
Depeſchen, datirt
Porto⸗
Pero⸗
Negro, den 10. Nov. angekommen. Nach denſelben iſt
ſeit dem 3. nichts von Wichtigkeit vorgefallen. Am 5.
wollte ſich der Feind der zu
Villa Velha befindlichen
Tajobruͤcke
bemaͤchtigen; fand ſie aber zerſtoͤrt und 100
kehrte nach
Formoſa zuruͤck.
Privatbriefe aus Liſſabon melden,
daß man glau⸗
be, Maſſena werde, waͤhrend des Winters, der ſich ein⸗
ſtellt, keine Bewegung vornehmen; wenigſtens
wenn
wir ihn nicht zuruͤcktreiben. Es ſcheint, daß er Werke 105
anlegen
laſſe, um ſich im Nothfall zu vertheidigen.
Seine Poſition iſt ſehr ſtark.
Die merkwuͤrdigſte Nachricht, die man im Lager
Lord
Wellingtons hatte, war die Gefangennehmung
Mascarachas, der als Courier an Napoleon geſandt 110
war.
Dieſer Menſch war Adjutant bei Junot; man
verhaftete
ihn zu Bobadele und fand ſeine
Depeſchen
in ſeinen Stiefeln. (Mon.)
Liſſabon, den 14. Nov.
Nach Briefen vom 8. herrſcht die Seuche auch zu 115
Cadix. Sie rafft daſelbſt
taͤglich 50 Menſchen weg.
(Mon.)
Paris den 3ten Dec.
Das Befinden des Koͤnigs von
Englang
England
iſt fort⸗
daurend
bedenklich. Nach neueren Nachrichten ſoll
daß
das
120
Parlament nicht wieder ajournirt ſein; man ſpricht
ſtark von einer Regentſchaft. (L. d. B.)
Hamburg den
11ten Dec.
Bei der Armee in Portugal war bis
zum 14ten
Nov. nichts Neues vorgefallen. (L. d. B.)125
Bei J. E. Hitzig hinter der
katholiſchen Kirche Nr. 3.
iſt eben angekommen:
Halle und Jeruſalem.
Studentenſpiel und Pil⸗
gerabentheuer, von Ludwig Achim von Arnim
Mit einer ſchoͤnen Titel⸗Vignette. 8.
Heidelberg, 130
bei Mohr und
Zimmer.
liest »Zimmer«.
liest »Zimmer«.
1 thl. 16 gr.