[156] An Ulrike v. Kleist, d. 17. Juli 1809
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Noch niemals, meine theuerste]teuerste Ulrike, bin ich so erschüttert gewesen, wie jetzt. Nicht sowohl über die Zeit — denn das, was eingetreten ist, ließ sich, auf gewisse Weise, vorhersehen; als darüber, daß ich bestimmt war, es zu überleben. Ich gieng ging ging ]ging aus D... D[resden] ]D[resden] weg, wie du]Du weißt, in der Absicht, mich mittelbar oder unmittelbar, in den Strom der Begebenheiten hinein zu werfen; doch in allen Schritten, die ich dazu that]tat, auf die seltsamste Weise, contrecarrirt]konterkariert, war ich genöthigt,]genötigt, hier in Prag, wohin meine Wünsche gar nicht giengen]gingen, meinen Aufenthalt zu nehmen. Gleichwohl schien sich hier, durch B..., B[uol], ]B[uol], und durch die Bekanntschafften,]Bekanntschaften, die er mir verschaffte, ein Wirkungskreis für mich eröffnen zu wollen. Es war die schöne Zeit nach dem 21t ]21. u. und ]und 22t ]22. Mai, und ich fand Gelegenheit, einige Aufsätze, die ich für ein patriotisches Wochenblatt bestimmt hatte, im Hause des [2] Grf. v. Kollowrat, vorzulesen. Man faßte die Idee, dieses Wochenblatt zu]zustande Stande][] zu bringen, lebhaft auf, Andere]andere übernahmen es, statt meiner, den Verleger herbeizuschaffen, und nichts fehlte, als eine höhere Bewilligung, wegen welcher man geglaubt hatte, einkommen zu müssen. So lange ich lebe, vereinigte sich noch nicht soviel, um mir eine frohe Zukunft hoffen zu lassen; und nun vernichten die letzten Vorfälle nicht nur diese Unternehmung — sie vernichten meine ganze Thätigkeit]Tätigkeit überhaupt.
Ich bin gänzlich außer]außerstand Stand][] zu sagen, wie ich mich jetzt fassen werde. Ich habe Gleißenberg geschrieben, ein Paar]paar ältere Manuscripte]Manuskripte zu verkaufen; doch das eine wird, wegen seiner Beziehung auf die Zeit, schwerlich einen Verleger, und das andere, weil es keine solche Beziehung hat, wenig Interesse finden. Kurz, meine theuerste]teuerste Ulrike, das ganze Geschäfft]Geschäft des Dichtens ist mir gelegt; denn ich bin, wie ich [3] mich auch stelle, in der Alternative, die ich dir]Dir so]soeben eben][] angegeben habe.
Die
große
Noth]Not,
in
der
ich
mich
nun
befinde,
zwingt
mich, so
ungern
ich
es
thue]tue,
den
Kaufmann
Ascher
in
Dreßden]Dresden,
dem
ich
zu
Johannÿ
Johanny
]Johanni
mit
einer
Schuld
verfallen
bin, um
Prolongation
des
Termins
zu
bitten.
Es
bleibt
mir
nichts
Anderes]anderes
übrig, wenn
ich
mir
auch
nur, bis
ich
wieder
etwas
ergriffen
habe, meine
Existenz
fristen
will.
In
Verfolg
dieser
Maasregel]Maßregel
bitte
ich
dich]Dich,
mir
die
272
rh,
Rth.,
]Rth.,
oder
was
aus
den
Pfandbriefen
der
Tante
Massow
herauskommen
mag,
in
Conv.
Conv[entions]
]Konv.
Münze, nach
Prag
zu
schicken.
Ich
bitte
dich]Dich,
es
sobald
als
möglich
ist, zu
thun]tun,
um
mich
aus
Prag,
wo
ich
sonst
gar
nicht
fort
könnte,
frei
zu
machen.
Was
ich
ergreifen
werde, wie
gesagt, weiß
ich
nicht; denn
wenn
es
auch
ein
Handwerk
wäre, so
würde, bei
dem, was
nun
die
Welt
erfahren
wird, nichts
herauskommen.
Aber
Hoffnung
muß
bei
den
Lebenden
sein. —
[4]
Vielleicht, daß
die
Bekanntschafften]Bekanntschaften,
die
ich
hier
habe, mir
zu
irgend
etwas
behülflich
sein
können. —
Adieu, lebe
wohl, und
erfreue
bald
mit
einer
Antwort
deinen]Deinen
Bruder
HeinrichvKl.
Heinrich v. Kl.
]Heinrich v. Kl.
Prag,
d.]den
17t
]17.
Juli,
]Juli
1809.
]1809
Kleine
Seite, Brückengasse,
]Brückengasse
Nmr. 39.
]Nr. 39