[91] An Karl von Stein zum Altenstein, 13. November 1805
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Hochwohlgebohrner Freiherr, Hochzuverehrender Herr geheimer Finanzrath,
Verzeihen Sie mir, wenn ich es wage, mich Ihnen auf eine kurze Stunde wieder in ehrerbietiger Herzlichkeit zu nahn. [MP:1936] S. 139 Vielleicht wäre es meine Pflicht, vor dem zudringlichen Augenblick, in welchem wir leben, zurückzutreten, und von meinem eignen Schickſal zu ſchweigen, während das Schickſal Ihres ganzen Vaterlandes Sie in Anſpruch nimt. Doch die Zeit iſt, bis zu meiner Abreiſe, ein wenig dringend, und ich mögte ſo gern noch, was meine künftige Beſtimmung betrifft, einige Anweiſungen von Ihnen erhalten.
[BKA IV/2 381]Ich habe dieſen ganzen Herbſt wieder gekränkelt: ewige [DKV IV 349] Beſchwerden im Unterleibe, die mein Browniſcher browniſcher Arzt wohl dämpfen, aber nicht überwinden kann. Dieſe wunderbare Verknüpfung eines Geiſtes mit einem Convolut von Gedärmen und Eingeweiden. Es iſt, als ob ich von der Uhr abhängig wäre, die ich in meiner Taſche trage. Nun, die Welt iſt groß, man kann ſich darin wohl vergeſſen. Es giebt eine gute Arznei, ſie heißt Verſenkung, grundloſe, in Beſchäfftigung und Wiſſenſchafft. Wer nur erſt die ganze Schule, aber nicht ohne etwas gethan zu haben, durchgangen durchgegangenen wäre. Denn es iſt doch nicht, um etwas zu erwerben, daß wir hier leben: Ruhm und alle Güter der Welt, ſie bleiben ja bei unſerem Staube.
[BKA IV/2 382]Doch ich komme zu meinem Gegenſtand. Ich habe mich nun im Domainenfach ein wenig umgeſehen, auch im Fache [MA II 844] der Gewerksſachen, und würde es auch in Militairſachen gethan haben, wenn nicht dieſe Geſchäffte jetzt einer eignen Commiſſion übergeben wären, zu der mir der Zutritt verſagt war. Nun werde ich [SE:1993 II 759] dies zwar nicht verſäumen, ſobald mit dem Austritt der Truppen aus der Provinz dieſe Commiſſion wieder zu dem Collegium zurückkehren wird. Allein ich wünſchte, mein verehrungswürdigſter Freund, zu wiſſen, für welche ſpecielle Branche der Geſchäffte ich vor[Heimböckel:1999 (Reclam) 359] zugsweiſe in Franken beſtimmt ſein dürfte. Denn da es in einer ſo kurzen Zeit wohl kaum möglich war, mich in der ganzen [BKA IV/2 383] Mannichfaltigkeit kameraliſtiſcher [MP:1936] S. 140 Arbeiten gehörig zu verſuchen, ſo iſt der Wunſch wohl verzeihlich, mich für die letzten Monate meines Hierſeins ausſchließlich auf eine Geſchäfftsart legen zu dürfen, um bei einer künftigen Anſtellung wenigſtens nicht ohne Beifall debütiren zu können. Wenn mir die Wahl gelaſſen würde, ſo würde ich mir zwar das Gewerksfach wählen; aber auch jede andere Beſtimmung iſt mir willkommen, und ich erwarte bloß Ihre Befehle.
Dies, und daß ich Ihren ſchätzbaren Auftrag an den Doctor Kelch richtig vollzogen habe, war es, was ich Ihnen gehorſamſt zu melden hatte. Er hat Ihren ſchriftlichen Dank für den Elendskopf empfangen, und iſt noch, wie er [DKV IV 350] ſagte, im Beſitz mehrerer Foſſile, mit welchen er Ihr Cabinet bereichern würde, wenn er Gelegenheit hätte, ſie Ihnen zuzufertigen.
Erfreuen Sie mich bald mit Ihren gütigen Befehlen, und überzeugen Sie ſich von der innigſten Verehrung, mit welcher ich beharre,
Ew. Hochwohlgebohren ergebenſter Königsberg, d. 13t Novmbr, 1805. H. v v. Kleiſt.