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Schreiben aus Berlin.
Sie haben bey Ihrer letzten Anweſenheit in
Berlin einen allgemein verbreiteten Antheil an den
oͤffentlichen Angelegenheiten wahrgenommen, der
ſich vor dem Kriege nur ſchwach und an wenigen 5
Stellen aͤußerte. Auch iſt
dies eine der ſchoͤnſten
Fruͤchte unſers Ungluͤcks, zumal
wenn die inlaͤndi⸗
ſchen Angelegenheiten und die
Veraͤnderungen in
der Geſetzgebung, den Gegenſtand dieſes
Antheils
ausmachen, und nicht gerade die Verhaͤltniſſe,
die 10
am wenigſten abzuaͤndern ſind, am emſigſten be⸗
ſchwazt werden.
Wie aber jenes ſolidere
Intereſſe durch die
neuerlich emanirten Verordnungen geſteigert worden
iſt, muͤßten Sie Selbſt ſehn, um es zu glauben. 15
Wie koͤnnte ſich ein ſolches
Intereſſe anders aͤußern
als im Streit und in der
Lebhaftigkeit des pro
und contra? — Fragen Sie mich um die Reſul⸗
tate dieſes Streites, ſo werde ich Ihnen nur ant⸗
worten koͤnnen: die Perſoͤnlichkeit des Staatsmanns,
20
den der Koͤnig an die Spitze der Angelegenheiten
geſtellt hat, hat das Vertrauen der Nation, und
in
einem ziemlich reichen Wirkungskreiſe habe ich
noch
niemand gefunden, der nicht zuletzt um den
Preis, dieſen
Staatsmann erhalten zu ſehn, jedes 25
Privatopfer
geringgeachtet haͤtte.
Was kann auch Vertrauen
erwecken, wie jene
Reſignation uͤber das perſoͤnliche, angebohrne und
[ 67 ]
264lang angewoͤhnte Intereſſe
ſeines Standes, jene
freie und ruͤckſichtsloſe Hingebung
eigner Erfahrun⸗30
gen und Meinungen an das
Vaterland, welches in
einem ſo kritiſchen Moment nur
durch außerordent⸗
liche Maasregeln, nur durch
ganz neue Einrich⸗
tungen, welche nicht ſowohl die
Erfahrung als viel⸗
mehr ein reiner und
goͤttlicher Wille bewaͤhren muß, 35
gruͤndlich zu retten
iſt.
Es war die erſte Bedingung der
Rettung, ei⸗
nen Mann zu finden, der die
zerſtreuten Richtun⸗
gen der Gemuͤther wieder
ſammelte, der die Leiden
der Nation vollſtaͤndig
mitempfinden, und zugleich 40
durch ſeine wohlthuende
Gegenwart jenen koͤnigli⸗
chen Schmerz
beſaͤnftigen konnte, uͤber den die Na⸗
tion alle
ihre eigne Leiden vergeſſen hatte. —
Dieſe
Bedingung war erfuͤllt, durch
eine gluͤckliche Schik⸗
kung ſchon vorher, ehe das traurigſte Beduͤrfniß 45
eintrat.
Alſo, theuerſter Freund, wenn
Sie von Ver⸗
ſchiedenheit der Meinungen bei uns
hoͤren, ſo ſetzen
Sie zuverſichtlich voraus, daß uͤber
die Vereinigung
der Adminiſtrationszweige in eine Hand, und zwar 50
in dieſe beſtimmte Hand, nur eine Stimme des
Beifalls und des Seegens iſt.
Wir leben in einer
raͤſonnirenden Zeit: jeder
von uns iſt der bisherigen
Leiden theilhaftig gewe⸗
ſen, und nach Maasgabe
ſeines kleineren oder groͤ⸗55
ßeren Geſichtskreiſes
hat er ſich ſelbſt eine Heilme⸗
thode fuͤr den
Staat ausgedacht; dies iſt der Maas⸗
ſtab ſeines
Urtheils; und mit ſolchem engen und un⸗
richtigen
Maasſtabe mißt dann die Eigenliebe noch
oft ſehr voreilig
eine Geſetzgebung, die doch nur 60
theilweiſe erſt ſichtbar
iſt. Zuletzt aber, wenn das
wirklich gemeinweſentliche angeordnet iſt und in ſei⸗
nem ganzen Umfange daſteht, balancirt eines dieſer
265 kleinen
Urtheile das andre, eine Eigenliebe die an⸗
dre,
und ein hoͤherer Antheil an Vaterland und 65
Koͤnig iſt
aller kleinen Feindſeligkeiten unausbleib⸗
liche
Frucht. Erwarten Sie auch von mir nach Pu⸗
blikation der geſammten Geſetze ein beſcheidenes
Urtheil, das
gelten moͤge, wenn es aus der Tiefe
kommt, oder ſich an
andern beſſeren Urtheilen zer⸗70
ſchleifen
moͤge.
Indeß werden Sie manches hoͤren
von den
Beſchwerden eines Standes, der zunaͤchſt
herbeige⸗
rufen werden muß, wenn das Vaterland
große Op⸗
fer verlangt. Eben weil man das Gemuͤth des 75
Staatskanzlers und ſeine perſoͤnliche Reſignation
kennt
und verehrt, ſo glaubt man, es gaͤbe nur
eine einzige
Stelle, wo er zu weit gehn koͤnne,
nehmlich in der
Strenge gegen die angeborne und
angewoͤhnte Denkungsart
dieſes Standes, weil er 80
ſelbſt zu ihm gehoͤrt und eine
beſondre Zierde deſ⸗
ſelben iſt.
Wer ſich zuerſt dem Allgemeinen
aufopferte,
war der erſte Adliche: die Geſetze haben
einen der
Staͤnde des Staats beſonders mit Mitteln
ausge⸗85
ruͤſtet, und fuͤr alle kommenden
Geſchlechter ausge⸗
ruͤſtet, um zu den großen
Opfern, die das Gemein⸗
weſen in alle Zukunft
verlangen wird faͤhig, nahe
und bereit zu ſeyn. Die Geſetze haben ganze Guͤter⸗
maſſen uͤber allen Wechſel menſchlicher Sinnesart 90
erhoben, an die Erbfolge geknuͤpft — damit der
Staat in der Stunde der Noth beſonders huͤlf⸗
reiche Freunde hat. Wird der Mann, der dieſes
erkennt und empfindet, wie wenige, vergeſſen, daß
auch die Zukunft ſolcher Opfer bedarf? —95
Glauben Sie in dem Winkel der
Monarchie,
iu
in
welchem Sie leben, nicht, daß ſolche Urtheile
hier
im Mittelpuncte die Oberhand haͤtten. Erwar⸗
266ten wir ruhig die Vollendung
des großen Werks, und
glauben wir zuverſichtlich an den
großen Staats⸗100
mann, der vor allen andern, die an
der Verwal⸗
tung dieſes Landes Theil genommen,
uns bis jetzt
niemals getaͤuſcht hat. —
Lange lebe der Koͤnig!
l. v. p.105
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Am 27ſten Nov. war in Petersburg
der Wechſel⸗⸗
Cours 7 à 6¾ Schilling Banko. Dieſer
unglaublich
niedrige Stand des Wechſelcours erinnert an
die
gleiche Lage der Dinge in Oeſtreich. Auf gleiche Weiſe 110
wie dort, hat die Petersburger
Kaufmannſchaft aus
ihrer Mitte eine Committee zu
Unterſuchung der Ur⸗
ſachen niedergeſetzt. Der Finanzminiſter hat dieſe
Maasregel in Vorſchlag gebracht, und Sr.
Majeſtaͤt
der Kaiſer haben ſie
beſtaͤtigt. (Hamb. Corr.)115
In Wien erhalten die Truppen wegen des
niedri⸗
gen Standes der Bankzettel vierfache
Loͤhnung. (ibid)
Sr. Paͤbſtl.
Heiligkeit haben am 12ten Nov. die
Tochter des Generals
Caͤſar Berthier ehelich
einge⸗
ſegnet. (L. d. B.)120
Das Begraͤbniß
des Reichsmarſchall Ferſen iſt in
Stokholm am
4. Dec. mit groͤßtem Gepraͤnge unter
dem Donner von 80
Kanonenſchuͤßen vollzogen wor⸗
den. (Hamb. Corr.)
In dem Maylaͤnder officiellen Blatt werden aus 125
Nizza die fuͤrchterlichen
Fortſchritte der Peſt (nicht
des gelben Fiebers) an der
Suͤdkuͤſte von Spanien
beſchrieben. (ibid.)
Auf dem bevorſtehenden Landtage in Sachſen wer⸗
den Veraͤnderungen
von der groͤßten Wichtigkeit pro⸗130
ponirt werden.
Es wird eine Territorialeintheilung
nach Praͤfecturen ſtatt haben, und der Code
Napoleon
mit einigen Modificationen wird eingefuͤhrt
werden.
(H. neue Zeitung.)
Bei J. E. Hitzig hinter der
katholiſchen Kirche Nr. 3 iſt zu haben: 135
Die eben erſchienene erſte
Abtheilung des neunten Bandes von
Shakeſpears dramatiſchen
Werken, uͤberſetzt von A. W. Schlegel.
8.
Enthaltend Richard den Dritten Schreibpapier 1 thl.
Velinpap. ſauber broch. 1. thl. 12 gr
Desgleichen: Shakeſpears von Schlegel noch
unuͤberſetzte dramati⸗140
ſche Werke uͤberſetzt von mehreren Verfaſſern. Erſten bis drit⸗
ten Bandes. 1s Heft. 8. (Die
Fortſetzung des obigen) 4 thl.