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Berliner Abendblaͤtter.
67tes Blatt. Den 17ten Dezember 1810.
Schreiben aus Berlin.
Sie haben bey Ihrer letzten Anweſenheit in Berlin einen allgemein verbreiteten Antheil an den oͤffentlichen Angelegenheiten wahrgenommen, der ſich vor dem Kriege nur ſchwach und an wenigen Stellen aͤußerte. Auch iſt dies eine der ſchoͤnſten Fruͤchte unſers Ungluͤcks, zumal wenn die inlaͤndiſchen Angelegenheiten und die Veraͤnderungen in der Geſetzgebung, den Gegenſtand dieſes Antheils ausmachen, und nicht gerade die Verhaͤltniſſe, die am wenigſten abzuaͤndern ſind, am emſigſten beſchwazt werden.
Wie aber jenes ſolidere Intereſſe durch die neuerlich emanirten Verordnungen geſteigert worden iſt, muͤßten Sie Selbſt ſehn, um es zu glauben. Wie koͤnnte ſich ein ſolches Intereſſe anders aͤußern als im Streit und in der Lebhaftigkeit des pro und contra? — Fragen Sie mich um die Reſultate dieſes Streites, ſo werde ich Ihnen nur antworten koͤnnen: die Perſoͤnlichkeit des Staatsmanns, den der Koͤnig an die Spitze der Angelegenheiten geſtellt hat, hat das Vertrauen der Nation, und in einem ziemlich reichen Wirkungskreiſe habe ich noch niemand gefunden, der nicht zuletzt um den Preis, dieſen Staatsmann erhalten zu ſehn, jedes Privatopfer geringgeachtet haͤtte.
Was kann auch Vertrauen erwecken, wie jene Reſignation uͤber das perſoͤnliche, angebohrne und 264lang angewoͤhnte Intereſſe ſeines Standes, jene freie und ruͤckſichtsloſe Hingebung eigner Erfahrungen und Meinungen an das Vaterland, welches in einem ſo kritiſchen Moment nur durch außerordentliche Maasregeln, nur durch ganz neue Einrichtungen, welche nicht ſowohl die Erfahrung als vielmehr ein reiner und goͤttlicher Wille bewaͤhren muß, gruͤndlich zu retten iſt.
Es war die erſte Bedingung der Rettung, einen Mann zu finden, der die zerſtreuten Richtungen der Gemuͤther wieder ſammelte, der die Leiden der Nation vollſtaͤndig mitempfinden, und zugleich durch ſeine wohlthuende Gegenwart jenen koͤniglichen Schmerz beſaͤnftigen konnte, uͤber den die Nation alle ihre eigne Leiden vergeſſen hatte. — Dieſe Bedingung war erfuͤllt, durch eine gluͤckliche Schickung ſchon vorher, ehe das traurigſte Beduͤrfniß eintrat.
Alſo, theuerſter Freund, wenn Sie von Verſchiedenheit der Meinungen bei uns hoͤren, ſo ſetzen Sie zuverſichtlich voraus, daß uͤber die Vereinigung der Adminiſtrationszweige in eine Hand, und zwar in dieſe beſtimmte Hand, nur eine Stimme des Beifalls und des Seegens iſt.
Wir leben in einer raͤſonnirenden Zeit: jeder von uns iſt der bisherigen Leiden theilhaftig geweſen, und nach Maasgabe ſeines kleineren oder groͤßeren Geſichtskreiſes hat er ſich ſelbſt eine Heilmethode fuͤr den Staat ausgedacht; dies iſt der Maasſtab ſeines Urtheils; und mit ſolchem engen und unrichtigen Maasſtabe mißt dann die Eigenliebe noch oft ſehr voreilig eine Geſetzgebung, die doch nur theilweiſe erſt ſichtbar iſt. Zuletzt aber, wenn das wirklich gemeinweſentliche angeordnet iſt und in ſeinem ganzen Umfange daſteht, balancirt eines dieſer265 kleinen Urtheile das andre, eine Eigenliebe die andre, und ein hoͤherer Antheil an Vaterland und Koͤnig iſt aller kleinen Feindſeligkeiten unausbleibliche Frucht. Erwarten Sie auch von mir nach Publikation der geſammten Geſetze ein beſcheidenes Urtheil, das gelten moͤge, wenn es aus der Tiefe kommt, oder ſich an andern beſſeren Urtheilen zerſchleifen moͤge.
Indeß werden Sie manches hoͤren von den Beſchwerden eines Standes, der zunaͤchſt herbeigerufen werden muß, wenn das Vaterland große Opfer verlangt. Eben weil man das Gemuͤth des Staatskanzlers und ſeine perſoͤnliche Reſignation kennt und verehrt, ſo glaubt man, es gaͤbe nur eine einzige Stelle, wo er zu weit gehn koͤnne, nehmlich in der Strenge gegen die angeborne und angewoͤhnte Denkungsart dieſes Standes, weil er ſelbſt zu ihm gehoͤrt und eine beſondre Zierde deſſelben iſt.
Wer ſich zuerſt dem Allgemeinen aufopferte, war der erſte Adliche: die Geſetze haben einen der Staͤnde des Staats beſonders mit Mitteln ausgeruͤſtet, und fuͤr alle kommenden Geſchlechter ausgeruͤſtet, um zu den großen Opfern, die das Gemeinweſen in alle Zukunft verlangen wird faͤhig, nahe und bereit zu ſeyn. Die Geſetze haben ganze Guͤtermaſſen uͤber allen Wechſel menſchlicher Sinnesart erhoben, an die Erbfolge geknuͤpft — damit der Staat in der Stunde der Noth beſonders huͤlfreiche Freunde hat. Wird der Mann, der dieſes erkennt und empfindet, wie wenige, vergeſſen, daß auch die Zukunft ſolcher Opfer bedarf? —
Glauben Sie in dem Winkel der Monarchie, in welchem Sie leben, nicht, daß ſolche Urtheile hier im Mittelpuncte die Oberhand haͤtten. Erwar266ten wir ruhig die Vollendung des großen Werks, und glauben wir zuverſichtlich an den großen Staatsmann, der vor allen andern, die an der Verwaltung dieſes Landes Theil genommen, uns bis jetzt niemals getaͤuſcht hat. — Lange lebe der Koͤnig!
l. v. p.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Am 27ſten Nov. war in Petersburg der Wechſel⸗Cours 7 à 6¾ Schilling Banko. Dieſer unglaublich niedrige Stand des Wechſelcours erinnert an die gleiche Lage der Dinge in Oeſtreich. Auf gleiche Weiſe wie dort, hat die Petersburger Kaufmannſchaft aus ihrer Mitte eine Committee zu Unterſuchung der Urſachen niedergeſetzt. Der Finanzminiſter hat dieſe Maasregel in Vorſchlag gebracht, und Sr. Majeſtaͤt der Kaiſer haben ſie beſtaͤtigt. (Hamb. Corr.)
In Wien erhalten die Truppen wegen des niedrigen Standes der Bankzettel vierfache Loͤhnung. (ibid) Sr. Paͤbſtl. Heiligkeit haben am 12ten Nov. die Tochter des Generals Caͤſar Berthier ehelich eingeſegnet. (L. d. B.)
Das Begraͤbniß des Reichsmarſchall Ferſen iſt in Stokholm am 4. Dec. mit groͤßtem Gepraͤnge unter dem Donner von 80 Kanonenſchuͤßen vollzogen worden. (Hamb. Corr.)
In dem Maylaͤnder officiellen Blatt werden aus Nizza die fuͤrchterlichen Fortſchritte der Peſt (nicht des gelben Fiebers) an der Suͤdkuͤſte von Spanien beſchrieben. (ibid.)
Auf dem bevorſtehenden Landtage in Sachſen werden Veraͤnderungen von der groͤßten Wichtigkeit proponirt werden. Es wird eine Territorialeintheilung nach Praͤfecturen ſtatt haben, und der Code Napoleon mit einigen Modificationen wird eingefuͤhrt werden.
(H. neue Zeitung.)
Bei J. E. Hitzig hinter der katholiſchen Kirche Nr. 3 iſt zu haben: Die eben erſchienene erſte Abtheilung des neunten Bandes von Shakeſpears dramatiſchen Werken, uͤberſetzt von A. W. Schlegel. 8. Enthaltend Richard den Dritten Schreibpapier 1 thl. Velinpap. ſauber broch. 1. thl. 12 gr
Desgleichen: Shakeſpears von Schlegel noch unuͤberſetzte dramatiſche Werke uͤberſetzt von mehreren Verfaſſern. Erſten bis dritten Bandes. 1s Heft. 8. (Die Fortſetzung des obigen) 4 thl.