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Berliner Abendblaͤtter.
65tes Blatt. Den 14ten December 1810.
Ueber das Marionettentheater.
(Fortſetzung.)
Ich ſagte, daß, ſo geſchickt er auch die Sache ſeiner Paradoxe fuͤhre, er mich doch nimmermehr glauben machen wuͤrde, daß in einem mechaniſchen Gliedermann mehr Anmuth enthalten ſein koͤnne, als in dem Bau des menſchlichen Koͤrpers.
Er verſetzte, daß es dem Menſchen ſchlechthin unmoͤglich waͤre, den Gliedermann darin auch nur zu erreichen. Nur ein Gott koͤnne ſich, auf dieſem Felde, mit der Materie meſſen; und hier ſei der Punct, wo die beiden Enden der ringfoͤrmigen Welt in einander griffen.
Ich erſtaunte immer mehr, und wußte nicht, was ich zu ſo ſonderbaren Behauptungen ſagen ſollte.
Es ſcheine, verſetzte er, indem er eine Priſe Taback nahm, daß ich das dritte Capitel vom erſten Buch Moſes nicht mit Aufmerkſamkeit geleſen; und wer dieſe erſte Periode aller menſchlichen Bildung nicht kennt, mit dem koͤnne man nicht fuͤglich uͤber die folgenden, um wie viel weniger uͤber die letzte, ſprechen.
Ich ſagte, daß ich gar wohl wuͤßte, welche Unordnungen, in der natuͤrlichen Grazie des Menſchen, das Bewußtſein anrichtet. Ein junger Mann von meiner Bekanntſchaft haͤtte, durch eine bloße Bemerkung, gleichſam vor meinen Augen, ſeine Unſchuld verloren, und das Paradies derſelben, trotz 256aller erſinnlichen Bemuͤhungen, nachher niemals wieder gefunden. — Doch, welche Folgerungen, ſetzte ich hinzu, koͤnnen Sie daraus ziehen?
Er fragte mich, welch einen Vorfall ich meine?
Ich badete mich, erzaͤhlte ich, vor etwa drei Jahren, mit einem jungen Mann, uͤber deſſen Bildung damals eine wunderbare Anmuth verbreitet war. Er mogte ohngefaͤhr in ſeinem ſechszehnten Jahre ſtehn, und nur ganz von fern ließen ſich, von der Gunſt der Frauen herbeigerufen, die erſten Spuren von Eitelkeit erblicken. Es traf ſich, daß wir grade kurz zuvor in Paris den Juͤngling geſehen hatten, der ſich einen Splitter aus dem Fuße zieht; der Abguß der Statue iſt bekannt und befindet ſich in den meiſten deutſchen Sammlungen. Ein Blick, den er in dem Augenblick, da er den Fuß auf den Schemel ſetzte, um ihn abzutrocknen, in einen großen Spiegel warf, erinnerte ihn daran; er laͤchelte und ſagte mir, welch’ eine Entdeckung er gemacht habe. In der That hatte ich, in eben dieſem Augenblick, dieſelbe gemacht; doch ſei es, um die Sicherheit der Grazie, die ihm beiwohnte, zu pruͤfen, ſei es, um ſeiner Eitelkeit ein wenig heilſam zu begegnen: ich lachte und erwiederte — er ſaͤhe wohl Geiſter! Er erroͤthete und hob den Fuß zum zweitenmal, um es mir zu zeigen; doch der Verſuch, wie ſich leicht haͤtte vorausſehn laſſen, misgluͤckte. Er hob verwirrt den Fuß zum dritten und vierten, er hob ihn wohl noch zehnmal: umſonſt! er war außer Stand, liest »stand,«. liest »stand,«. dieſelbe Bewegung wieder hervorzubringen — was ſag’ ich? die Bewegungen, die er machte, hatten ein ſo komiſches Element, daß ich Muͤhe hatte, das Gelaͤchter zuruͤckzuhalten: —
Von dieſem Tage, gleichſam von dieſem Augenblick an, ging eine unbegreifliche Veraͤnderung 257mit dem jungen Menſchen vor. Er fieng an, Tage lang vor dem Spiegel zu ſtehen; und immer ein Reiz nach dem anderen verließ ihn. Eine unſichtbare und unbegreifliche Gewalt ſchien ſich, wie ein eiſernes Netz, Netz Netz um das freie Spiel ſeiner Gebaͤhrden zu legen, und als ein Jahr verfloſſen war, war keine Spur mehr von der Lieblichkeit in ihm zu entdecken, die die Augen der Menſchen ſonſt, die ihn umringten, ergoͤtzt hatte. Noch jetzt lebt jemand, der ein Zeuge jenes ſonderbaren und ungluͤcklichen Vorfalls war, und ihn, Wort fuͤr Wort, wie ich ihn erzaͤhlt, beſtaͤtigen koͤnnte. —
(Beſchluß folgt.) folgt) folgt)
Fragmente.
1.
Die Herzhaftigkeit, alles herauszuſagen, was einem einfaͤllt, hat ſchon ſo manchem den Ruhm erworben, daß er die artigſten Einfaͤlle habe. Aber das Sinnreiche und das Unſinnige haben die Aehnlichkeit unter ſich, daß beides einem andern nicht ſo leicht eingefallen waͤre; und daher wird oft eins fuͤr das andere genommen.
2.
Soll dich die Welt fuͤr einen weiſen Mann halten, ſo geh tiefſinnig einher, ſprich nichts, oder nur mit geheimnißvoller Dunkelheit, um andre zu verkleinern, ſage niemals dein Urtheil, ſondern laͤchle nur, und habe keine Freude.
Fr. Sch.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
London den 27ten Nov.
Von Lord Wellington ſind Depeſchen, datirt Pero⸗ Negro, den 10. Nov. angekommen. Nach denſelben iſt ſeit dem 3. nichts von Wichtigkeit vorgefallen. Am 5. wollte ſich der Feind der zu Villa Velha befindlichen Tajobruͤcke bemaͤchtigen; fand ſie aber zerſtoͤrt und kehrte nach Formoſa zuruͤck.
Privatbriefe aus Liſſabon melden, daß man glaube, Maſſena werde, waͤhrend des Winters, der ſich einſtellt, keine Bewegung vornehmen; wenigſtens wenn wir ihn nicht zuruͤcktreiben. Es ſcheint, daß er Werke anlegen laſſe, um ſich im Nothfall zu vertheidigen. Seine Poſition iſt ſehr ſtark.
Die merkwuͤrdigſte Nachricht, die man im Lager Lord Wellingtons hatte, war die Gefangennehmung Mascarachas, der als Courier an Napoleon geſandt war. Dieſer Menſch war Adjutant bei Junot; man verhaftete ihn zu Bobadele und fand ſeine Depeſchen in ſeinen Stiefeln. (Mon.)
Liſſabon, den 14. Nov.
Nach Briefen vom 8. herrſcht die Seuche auch zu Cadix. Sie rafft daſelbſt taͤglich 50 Menſchen weg.
(Mon.)
Paris den 3ten Dec.
Das Befinden des Koͤnigs von England iſt fortdaurend bedenklich. Nach neueren Nachrichten ſoll das Parlament nicht wieder ajournirt ſein; man ſpricht ſtark von einer Regentſchaft. (L. d. B.)
Hamburg den 11ten Dec.
Bei der Armee in Portugal war bis zum 14ten Nov. nichts Neues vorgefallen. (L. d. B.)
Bei J. E. Hitzig hinter der katholiſchen Kirche Nr. 3. iſt eben angekommen:
Halle und Jeruſalem. Studentenſpiel und Pilgerabentheuer, von Ludwig Achim von Arnim Mit einer ſchoͤnen Titel⸗Vignette. 8. Heidelberg, bei Mohr und Zimmer. liest »Zimmer«. liest »Zimmer«. 1 thl. 16 gr.