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Allerneuester Erziehungsplan.
(Beschluß.)
In Erwägung nun *)
1) daß alle
Sittenschulen bisher nur auf den Nach¬
ahmungstrieb gegründet waren, und statt das 5
gute Princip, auf eigenthümliche Weise im Her¬
zen zu entwickeln, nur durch Aufstellung soge¬
nannter guter Beispiele, zu wirken
suchten **);
2) daß diese
Schulen, wie die Erfahrung lehrt,
nichts eben, für den Fortschritt der
Menschheit 10
Bedeutendes und Erkleckliches, hervorgebracht
haben ***);
das Gute aber
3) das sie bewirkt haben, allein von
dem Umstand herzurühren scheint,
daß sie schlecht
waren, und hin und wieder, gegen die Verabre¬15
dung, einige schlechten
Beispiele mitunter liefen;
in Erwägung,
sagen wir, aller dieser Umstände, sind
wir gesonnen, eine sogenannte
Lasterschule, oder
vielmehr
eine gegensätzische Schule, eine Schule
der Tugend durch Laster, zu
errichten †).20
Demnach werden für alle,
einander entgegenste¬
hende Laster, Lehrer angestellt werden, die in bestimm¬
ten Stunden des Tages, nach
der Reihe, auf plan¬
mäßige Art, darin Unterricht ertheilen: in der Reli¬
gionsspötterei sowohl als in der
Bigotterie, im Trotz 25
sowohl als in der Wegwerfung und Kriecherei, und
im
Geiz und in der Furchtsamkeit sowohl, als in der Toll¬
kühnheit und in der
Verschwendung.
Diese Lehrer werden nicht
bloß durch Ermahnun¬
gen, sondern durch Beispiel, durch lebendige Handlung,30
*) Jetzt rückt dieser merkwürdige Pädagog mit seinem neuesten
Erziehungsplan heraus. (Die Redaction.)
**) So! — Als ob die pädagogischen Institute nicht, nach ihrer
natürlichen Anlage, schwache Seiten genug darböten!
(Die Redact.) 35
***) In der That! — — Dieser Philosoph könnte das Jahrhun¬
dert um seinen ganzen Ruhm
bringen. (Die Redact.)
†) Risum teneatis, amici! (Die Redact.)
[ 36 ] 140 durch unmittelbaren praktischen, geselligen Umgang
und Verkehr zu wirken suchen.40
Für Eigennutz, Plattheit,
Geringschätzung alles
Großen und Erhabenen und manche anderen
Untugen¬
den, die man
in Gesellschaften und auf der Straße
lernen kann, wird es nicht nöthig
sein, Lehrer anzu¬
stellen.45
In der Unreinlichkeit und
Unordnung, in der
Zank- und Streitsucht und Verläumdung, wird meine
Frau Unterricht ertheilen.
Liederlichkeit, Spiel,
Trunk, Faulheit und Völle¬
rei, behalte ich mir bevor.50
Der Preis ist der sehr
mäßige von 300 Rthl.
N. S.
Eltern, die uns ihre
Kinder nicht anvertrauen
wollten, aus Furcht, sie in solcher Anstalt,
auf un¬
vermeidliche Weise, verderben zu sehen, würden da¬55
durch an den Tag legen, daß sie ganz
übertriebene
Begriffe von der Macht der Erziehung haben. Die
Welt, die ganze Masse von Objecten, die auf die
Sinne
wirken, hält und regiert, an tausend und wieder tau¬
send Fäden, das junge, die Erde
begrüßende, Kind. 60
Von diesen Fäden, ihm um
die Seele gelegt, ist aller¬
dings die Erziehung Einer, und sogar der wichtigste
und
stärkste; verglichen aber mit der ganzen Totalität,
mit der ganzen
Zusammenfassung der übrigen, verhält
er sich wie ein Zwirnsfaden zu
einem Ankertau; eher 65
drüber als drunter.
Und in der That, wie
mißlich würde es mit der
Sittlichkeit aussehen, wenn sie kein tieferes
Funda¬
ment hätte, als
das sogenannte gute Beispiel eines
Vaters oder einer Mutter, und die
platten Ermah¬70
nungen
eines Hofmeisters oder einer französischen
Mamsell. — Aber das Kind ist kein Wachs, das sich, in
eines
Menschen Händen, zu einer beliebigen Gestalt
kneten läßt: es lebt, es
ist frei; es trägt ein unabhän¬
giges und
eigenthümliches
ein eigenthümliches
ein eigenthümliches
Vermögen der Entwickelung, 75
und das Muster aller innerlichen
Gestaltung, in sich.
Ja, gesetzt, eine Mutter
nähme sich vor, ein Kind,
das sie an ihrer Brust trägt, von Grund aus
zu ver¬
derben: so würde
sich ihr auf der Welt dazu kein un¬
fehlbares Mittel darbieten, und, wenn das Kind nur 80
sonst von gewöhnlichen, rechtschaffenen Anlagen ist, das
Unternehmen, vielleicht auf die sonderbarste
nnd
und
über¬
raschendste Art, daran scheitern.
Was sollte auch, in der
That, aus der Welt wer¬
den, wenn den Eltern ein unfehlbares Vermögen bei¬85
141wohnte, ihre Kinder nach Grundsätzen, zu welchen sie
die
Muster sind, zu erziehen: da die Menschheit, wie
bekannt, fortschreiten
soll, und es mithin, selbst dann,
wenn an ihnen nichts auszusetzen
wäre, nicht genug
ist, daß die Kinder werden, wie sie; sondern
besser.90
Wenn demnach die uralte
Erziehung, die uns die
Väter, in ihrer Einfalt, überliefert haben, an
den Na¬
gel gehängt werden
soll: so ist kein Grund, warum
unser Institut nicht, mit allen andern,
die die päda¬
gogische Erfindung, in unsern Tagen, auf die Bahn 95
gebracht hat, in die Schranken treten soll. In unsrer
Schule wird, wie in diesen, gegen je Einen, der darin
zu
Grunde geht, sich ein andrer finden, in dem sich
Tugend und
Sittlichkeit auf gar robuste und tüchtige
Art entwickelt; es wird Alles
in der Welt bleiben, 100
wie es ist; und was die Erfahrung von Pestalozzi und
Zeller und allen andern Virtuosen der neuesten Er¬
ziehungskunst, und
ihren Anstalten sagt, das wird sie
auch von uns und der unsrigen
sagen: „Hilft es nichts,
so schadet es nichts.“105
Rechtenfleck im Holsteinischen,
den 15. Oct. 1810. C. J. Levanus,
Conrector.
Wer ist berufen?
Berufen war ich,
dem Verfasser des Aufsatzes über Kraus
(N. 19 — 21) zu antworten, weil seine Angriffe auf einen Schrift¬110
steller, den er (N. 21)
gefährlicher, als den Verfasser der Feuerbrände
schilderte (welcher
bekanntlich wegen dieser Feuerbrände zur Festungs¬
strafe verdammt worden) allgemein auf einen
geachteten,
geachteten
kenntni߬
reichen Freund gedeutet wurden, dem die Verläumdung unberu¬
fener Leute schon vielfach
geschadet hat, dem es aber nicht wohlan¬115
gestanden hätte, selbst auf Beschuldigungen der Art zu antwor¬
ten. — Berufen war ich, denn meine
Worte haben die Erklärung
(N. 34) jenes unbekannten Anklägers
herausgepreßt, daß er jenen
Schriftsteller nicht eigentlich dem
Staate, sondern nur der Jugend
als gefährlich hätte darstellen wollen,
ungeachtet er dort von ihm 120
spricht, (N. 21) er sei ein ächter
Feuerbrand, der einen in Preussen
beseitigten Streit wieder aufnehme und sein Vaterland in helle
Flammen setzen könnte, wenn die politischen Verhältnisse seinen Be¬
wohnern nicht täglich
zuriefen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. —
Berufen war ich, weil ich dadurch Gelegenheit bekam, jenem Unge¬125
nannten für seine Kritik
und Staatskenntniß, mit der er in dem
Namen des H. v. Knoblauch
das au in ein o verwandelt hat, mei¬
nen verbindlichsten Dank abzustatten; der Verfasser wird sich erin¬
nern, daß ich gerade über
diese Angelegenheit von ihm Auskunft
(Seite 109) begehrte, also
keinesweges aus Unkenntniß absprechen 130
wollte. — Berufen bin ich noch zum Schlusse, dem Verfasser zu
versichern, daß es nicht unschicklich sei, Männer die ganze Völker be¬
glückt haben, öffentlich zu
nennen, vielmehr ist es die Schuldigkeit
jedes guten Bürgers, das
wahre Verdienst als Vorbild öffentlich
aufzustellen, und zu
öffentlicher Anerkennung zu bringen.135
L. A. v. A.
Korrespondenz und Notizen aus
Paris.
Moden. Den Sommer über
trugen unsere Damen große
Schleier, Roben mit langen Schleppen und
große Schawls. Die¬
sen Herbst sieht man sie alle mit sehr kleinen Schawls, kurzen
Rök¬140
ken und halben Schleiern. Cachemirschawls und
Schleier von 100
Louisd’or werden abgelegt und verkauft, um kleine
Schawl-Fichü,
oder einen Diminutivschleier anzuschaffen. Von dem Kleide wird
gar nicht viel Erwähnung
gethan; lang oder kurz, es gilt Alles
gleich, wenn es nur alle Tage
ein Neues ist. Zu dem Ende arran¬145
girt sich eine Dame mit ihrer Nätherinn; diese
nimmt das Kleid
von gestern zurück, und verkauft es einer Andern, die
es am dritten
Tage wieder eben so, gegen das Kleid einer Vierten
macht: derge¬
stalt
daß eine Boutique de Modes eine Art von Gemeingut der
Pariser Damen und der ganze Handel damit gewissermaßen ein 150
Tauschverkehr (eine Leihanstalt) wird. (Z. f. d. eleg. W.)
Miscellen.
Der Kronprinz von Schweden wird den 31ten seinen Einzug
zu
Pferde in Stockholm halten.
An den Küsten von
Calabrien, Sizilien gegenüber, bleibt ein 155
Truppenkorps von 6000
Mann, um die Angriffe, die der Feind ver¬
suchen könnte, zurückzutreiben, und die Landbatterien zu
vertheidi¬
gen. (L. d. B.)
Man will abermals von
Unterwerfungsanträgeu
Unterwerfungsanträgen
und Unter¬
handlungen der Spanischen Junta wissen. (Rhein. Corresp.)160
Eine beträchtliche
Verstärkung von servischen Truppen, ist an
der Drina angekommen. Man glaubt daher,
daß im Kurzem ent¬
scheidende Vorfälle Statt haben werden.
In Konstantinopel sind, seit geraumer Zeit, alle Couriere
und
Briefe von der türkischen Armee ausgeblieben; dergestalt, daß man
165
schlechten Nachrichten entgegen sieht.
Der Kronprinz von Schweden ist, an die Stelle des
Grafen
Axel von Fersen, zum
Kanzler der Univ. Upsala ernannt worden.
Das Hauptquartier der
Franz. Armee in Deutschland begreift
jetzt 4 Divisionen: die des Gen. Friant (auf dem Marsch nach dem 170
Norden) die des Gen.
Gudin (die von Hannover nach Magdeburg
gegangen ist) die, des Gen.
Morand (in den Hanseestädten) und
die Cuirassier-Division
von La Bruyere (im Hannövrischen).
Polizeiliche
Tages-Mittheilungen.
In Böhmisch-Rixdorf ist der lederne Schlauch von der
dorti¬175
gen Feuersprütze,
nebst anderm Zubehör gestohlen.
Einem Bäcker ist bei
Revision der Backwaaren, für einige
Groschen verbackenes Brod
zerschnitten.