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Berliner Abendblätter.
6tes Blatt. Den 6ten October 1810.
Kunſt⸗Ausſtellung.
Geſtern endlich iſt auch das Portraͤt der hochſeeligen Koͤniginn vom Herrn Wilhelm Schadow auf die Ausſtellung gebracht worden.
Bey Lebzeiten Ihrer Majeſtät iſt es keinem Mahler gelungen, ein nur einigermaaßen aͤhnliches Bild von Ihr hervorzubringen. Wer haͤtte es auch wagen duͤrfen, dieſe erhabene und doch ſo heitere Schoͤnheit, die lebendige, bewegliche, geiſtreiche, holdſelige Freundlichkeit und den ganzen, unendlichen, immer neuen Liebreitz Ihres Weſens neben dem Ausdrucke des ſinnigen Ernſtes und der wuͤrdevollen Hoheit in dieſer koͤniglichen Frau feſthalten oder gar wiedergeben zu wollen? Erſt nachdem Sie ſelbſt hinweggenommen worden iſt, und die niederſchlagende Vergleichung mit dem unerreichbaren Originale nicht mehr Statt finden kann, ſcheint die begeiſterte Trauer, womit um ſie geklagt wird, Ihr Bild treuer ergriffen zu haben.
Seine Majeſtaͤt, der Koͤnig, hat das Schadowſche Portraͤt fuͤr das aͤhnlichere erklaͤrt und dadurch den Werth deſſelben in dieſer Ruͤckſicht beſtimmt. Denn wo gaͤbe es einen ſicherern Maaßſtab dafuͤr, wo ein lebendigeres und vollſtaͤndigeres Bild der verewigten Monarchinn als in der treuen traurenden Erinnerung des erhabenen Wittwers? Der Koͤnig findet das Bild aͤhnlich; Er billigt es; mehr bedarf es nicht, um demſelben alle Stimmen zuzuwenden. Daß Sein heiliger Schmerz ohne Wider24willen und Stoͤrung bei dieſen Zuͤgen verweilen kann, dadurch wird dies Bild geadelt und weit hinausgehoben uͤber jede Verantwortlichkeit gegen Wuͤnſche, Forderungen und Anſpruͤche, die daran von Liebhabern, Liebhabern, [emendiert ohne Hinweis im Kommentar] Kennern und Kuͤnſtlern anderweitig erhoben werden koͤnnten.
Ueberdem ſcheint daſſelbe noch nicht ganz fertig gemahlt zu ſeyn, und kann auch aus dieſem Grunde einer vollſtaͤndigen Beurtheilung noch nicht unterworfen werden. Indeſſen iſt es nicht unbillig, daß die Kritik, mit je groͤßerem Rechte dieſes Bild des jungen Mahlers ſich derſelben entzieht, um deſto ſtrenger in der Beurtheilung der uͤbrigen Portraͤte verfahre, womit derſelbe die Ausſtellung hat zieren wollen.
(Wird fortgeſetzt.)
Anekdote aus dem letzten preußiſchen Kriege.
In einem bei Jena liegenden Dorf, erzaͤhlte mir, auf einer Reiſe nach Frankfurt, der Gaſtwirth, daß ſich mehrere Stunden nach der Schlacht, um die Zeit, da das Dorf ſchon ganz von der Armee des Prinzen von Hohenlohe verlaſſen und von Franzoſen, die es fuͤr beſetzt gehalten, umringt geweſen waͤre, ein einzelner preußiſcher Reiter darin gezeigt haͤtte; und verſicherte mir, daß wenn alle Soldaten, die an dieſem Tage mitgefochten, ſo tapfer geweſen waͤren, wie dieſer, die Franzoſen haͤtten geſchlagen werden muͤſſen, waͤren ſie auch noch dreimal ſtaͤrker geweſen, als ſie in der That waren. Dieſer Kerl, ſprach der Wirth, ſprengte, ganz von Staub bedeckt, vor meinen Gaſthof, und rief: „Herr Wirth!“ und da ich frage: was giebt’s? „ein Glas Branntewein!“ antwortet er, indem er ſein Schwerdt in die Scheide wirft: „mich duͤrſtet.“ Gott im Himmel! ſag’ ich: will er machen, Freund, daß er wegkoͤmmt? Die Franzoſen ſind ja dicht vor dem Dorf! „Ei, was!“ ſpricht er, indem er dem Pferde den Zuͤgel uͤber den Hals legt. „Ich habe den ganzen Tag nichts genoſſen!“ Nun er iſt, glaub’ ich, vom Satan beſeſſen — ! He! Lieſe! rief ich, und ſchaff’ ihm eine Flaſche Danziger herbei, und ſage: da! und will ihm die ganze Flaſche in die Hand druͤcken, drucken, [nicht emendiert] drucken, [nicht emendiert] damit er nur reite. „Ach, was!“ ſpricht er, indem er die Flaſche wegſtoͤßt, und ſich den Hut abnimmt: „wo ſoll ich mit dem Quark hin?“ Und: „ſchenk’ er ein!“ ſpricht er, indem 25er ſich den Schweiß von der Stirn abtrocknet: „denn ich habe keine Zeit!“ Nun er iſt ein Kind des Todes, ſag’ ich. Da! ſag’ sag sag ich, und ſchenk’ ihm ein; da! trink’ er und reit’ er! Wohl mag’s ihm bekommen: „Noch Eins!“ ſpricht der Kerl; waͤhrend die Schuͤſſe ſchon von allen Seiten ins Dorf praſſeln. Ich ſage: noch Eins? Plagt ihn — ! „Noch Eins!“ ſpricht er, und ſtreckt mir das Glas hin — „Und gut gemeſſen“ gemessen,“ ſpricht er, indem er ſich den Bart wiſcht, und ſich vom Pferde herab ſchneuzt: denn „denn es wird baar bezahlt!“ Ei, mein Seel, ſo wollt ich doch, daß ihn — ! Da! ſag’ ich, und ſchenk’ ihm noch, wie er verlangt, ein Zweites, und ſchenk’ ihm, da er getrunken, noch ein Drittes ein, und frage: iſt er nun zufrieden? „Ach! „Ach!“ — ſchuͤttelt ſich der Kerl. „Der Schnaps iſt gut! — Na!“ ſpricht er, und ſetzt ſich den Hut auf: „was bin ich ſchuldig?“ Nichts! nichts! verſetz’ ich. Pack’ er ſich, ins Teufelsnamen; die Franzoſen ziehen augenblicklich ins Dorf! „Na!“ ſagt er, indem er in ſeinen Stiefel greift: „ſo ſolls ihm Gott lohnen,“ und Und [wird nicht emendiert] Und [wird nicht emendiert] holt, aus dem Stiefel, einen Pfeifenstummel hervor, und ſpricht, nachdem er den Kopf ausgeblaſen: „ſchaff’ er mir Feuer!“ Feuer? Feuer Feuer ſag’ sag sag sag ich: plagt ihn — ? „Feuer, ja!“ ſpricht er: „denn ich will mir eine Pfeife Taback anmachen.“ Ei, den Kerl reiten Legionen — ! He, Lieſe, ruf ich das Maͤdchen! und waͤhrend der Kerl ſich die Pfeife ſtopft, ſchafft das Menſch ihm Feuer. „Na!“ ſagt der Kerl, die Pfeife, die er ſich angeſchmaucht, im Maul: „nun ſollen doch die Franzoſen die Schwerenoth kriegen!“ Und damit, indem er ſich den Hut in die Augen druͤckt, und zum Zuͤgel greift, wendet er das Pferd und zieht von Leder. Ein Mordkerl! ſag’ ich; ein verfluchter, verwetterter Galgenſtrick! Will er ſich ins Henkers Namen ſcheeren, wo er hingehoͤrt? Drei Chaſſeurs — ſieht er nicht? halten ja ſchon vor dem Thor? „Ei was! „Ei was!“ ſpricht er, indem er ausſpuckt; und faßt die drei Kerls blitzend ins Auge. „Wenn ihrer zehen waͤren, ich fuͤrcht mich nicht.“ Und in dem Augenblick reiten auch die drei Franzoſen ſchon ins Dorf. „Baſſa Manelka! „Bassa Manelka!“ ruft der Kerl, und giebt ſeinem Pferde die Sporen und ſprengt auf ſie ein; ſprengt, ſo wahr Gott lebt, auf ſie ein, und greift ſie, als ob er das ganze Hohenlohiſche Corps hinter ſich haͤtte, an; dergeſtalt, daß, da die Chaſſeurs, ungewiß, ob nicht noch mehr Deutſche im Dorf ſein moͤgen, einen Augenblick, wider ihre Gewohnheit, ſtutzen, er, mein Seel’, ehe man noch eine Hand umkehrt, alle drei vom Sattel haut, die Pferde, die auf dem Platz herumlaufen, aufgreift, damit bei mir vorbeiſprengt, und: „Baſſa Teremtetem!“ ruft, und: „Sieht er wohl, Herr Wirth?“ und „Adies!“ und „auf Wiederſehn!“ und: „hoho! hoho! hoho!“ — — So einen Kerl, ſprach der Wirth, habe ich Zeit meines Lebens nicht geſehen.
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
Der Poſamentier⸗Meiſter Martin Friedrich Kruͤger, in der Frankfurter Straße Nr. 45, hat ſich geſtern, aus Melancholie, an ſeinen Arbeitsſtuhl erhenkt.
Dem Fraͤulein v. d. Marwitz ſind Vormittags zwiſchen 9 und 10 Uhr, aus einer verſchloſſenen Stube, mittelſt Nachſchluͤſſel, 2 Uhren, 5 Thalerſtuͤcke und einige Groſchen Muͤnze geſtohlen. Nachmittags dem unter den Linden wohnenden Muſikus Hamburg ein brauner Ueberrock.
Dem Kleidermacher Pahlert in der Canonierſtraße Nr. 14, aus einer verſchloſſenen Commode, 8 Thaler Saͤchſiſch Courant.
Zwei Kohlentraͤger ſind, wegen Tabackrauchens bei den Kohlen, verhaftet.
Geruͤchte.
Ein Schulmeiſter ſoll den originellen Vorſchlag gemacht haben, den, wegen Mordbrennerei verhafteten Delinquenten Schwarz — der ſich, nach einem andern im Publico courſirenden Geruͤcht, im Gefaͤngniß erhenkt haben ſoll — zum Beſten der in Schoͤnberg und Steglitz Abgebrannten, oͤffentlich fuͤr Geld ſehen zu laſſen.
Intereſſante Schriften, welche in der Buchhandlung von J. E. Hitzig zu haben ſind.
J. C. F. Meiſter, Ueber den Eid nach reinen Vernunftbegriffen. Eine von den hohen Curatoren des Stolpeſchen Legats auf der weltberuͤhmten Univerſitaͤt Leyden gekroͤnte Preisſchrift, nach dem lateiniſchen Originale in freyer deutſcher Bearbeitung fuͤr das liebe Deutſche Vaterland. 13 gr.