Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Kunst-Ausstellung.
(Fortsetzung.)
Dieses im Allgemeinen vorauszuschicken, schien um
deswillen nöthig,
damit die tiefsinnigen und gehaltrei¬
chen Büryschen Bilder
überhaupt verstanden und mit 5
der Menge flacher und gedankenloser
Gemählde nicht
verwechselt werden möchten, von denen es heut zu Tage
überall und auch auf der diesjährigen Ausstellung wim¬
melt. Dem,
vornehmlich durch Mengs, verbreiteten
Glauben, als könne das Gebiet der Kunst von aussen 10
gleichsam Provinzen weise zusammen erobert werden,
ist der
gegenwärtige Zustand der Mahlerei unter uns,
ihre Leere,
Bedeutungslosigkeit und
Allerwelts-Manier
[liest ›Allerwelts Manier‹]
hauptsächlich
zuzuschreiben. Um so erfreulicher ist es
daher, einen Künstler anzutreffen, der es unternimmt, 15
den Gedanken
und die Idee, als den Kern und das
Wesen der Kunst, wieder in ihr
gebührendes Recht ein¬
zusetzen, sollte es auch auf die Gefahr geschehen, daß
seinen Werken dagegen ein Uebergewicht der Idee über
die Darstellung
vorgeworfen würde. Doppelte Freude 20
aber
verschafft es, wenn man gewahr wird, daß durch
dieses sinnvolle Streben
nach Inhalt und Bedeutung,
welches überhaupt der eigenthümliche
Charakter Deut¬
scher
Art und Kunst ist, dieser Künstler den großen
Deutschen Meistern der
Vorzeit verwandt wird, als 25
welche in ihren Bildern ebenfalls durchaus
nichts zu¬
fälliges
oder unbedeutendes
verstatteteten,
verstatteten,
sondern al¬
lenthalben, selbst im geringfügigsten Détail, überlegt,
sinnreich und beziehungsvoll erschienen.
Unter den fünf Porträten des Herrn Büry, die 30
anjetzt nach der Stufenfolge ihrer Behandlungsarten
[ 15 ] 60
genannt werden sollen, muß aber zuvörderst ein we¬
sentlicher Unterschied nicht übersehen werden.
Zwei
derselben sind die Porträte von
Privatpersonen, näm¬
lich:
die Brustbilder 1) des Mahlers Herrn Genelli 35
und 2) der jungen Frau Gräfinn von
Voß; die drei
anderen hingegen sind die Porträte Fürstlicher Perso¬
nen, nehmlich: die Bilder in Lebensgröße 3) des jun¬
gen Prinzen von Hessen 4) Ihrer Königl. Hoheiten,
der Prinzessinnen von
Oranien und von Hessen, nebst
40
der jüngsten Tochter der letzteren und 5) das Brust¬
bild der Prinzessinn von Hessen. Wenn daher an die
beiden ersteren keine anderen
Ansprüche gemacht wer¬
den
können, als welche überhaupt das Charakterbild
zu befriedigen im Stande
ist, und denen in den beiden 45
genannten Bildern ein so vorzügliches
Genüge geschieht;
so machen dagegen die drei letzteren, als die
Bildnisse
öffentlicher Charaktere und historischer Personen, eine
ganz andere, beziehungsvollere und ideenreichere Be¬
handlung von Nöthen.50
Ehe aber von diesen Bildern im Einzelnen
gere¬
det wird,
konnen
können
[liest ›können‹]
[liest ›können‹]
wir nicht verschweigen, wie wunder¬
bar wir in den drei letzten Porträten Bürys an Van
Dyck erinnert worden sind,
keinesweges durch Aehn¬
lichkeit der Behandlung oder durch irgend eine andere 55
Uebereinstimmung, sondern einzig und allein durch
den Umstand, daß
Van Dyck zu seiner Zeit der Mah¬
ler der Stuarts gewesen
ist.
(Wird
fortgesetzt.)
Theater.60
Unmaßgebliche
Bemerkung.
Wenn man fragt,
warum die Werke Göthe’s so
selten auf der Bühne gegeben werden, so ist die Ant¬
wort gemeinhin, daß diese Stücke, so vortrefflich sie
auch sein
mogen,
mögen,
[liest ›mögen‹]
[liest ›mögen‹]
der Casse nur, nach einer häufig wie¬65
derholten Erfahrung, von unbedeutendem Vortheil
sind
sind.
Punkt ist im Druck nicht erkennbar. Das vorhandene
größere Spatium spricht aber für ein Vorhandensein in der Druckform.
Nun geht zwar, ich gestehe es, eine Theater Di¬
rection, die, bei der Auswahl
ihrer Stücke, auf nichts,
61
als das Mittel sieht, wie sie besteht, auf gar einfachem
und
natürlichem Wege, zu dem Ziel, der Nation ein 70
gutes Theater zu Stande
zu bringen. Denn so wie,
nach Adam Smith, der Bäcker, ohne weitere chemische
Einsicht in die Ursachen, schließen kann, daß seine
Seṁel
[liest ›Semel‹]
[liest ›Semel‹]
gut sei, wenn sie fleißig gekauft wird: so
kann die Direc¬
tion,
ohne sich im Mindesten mit der Kritik zu befassen, 75
auf ganz unfehlbare
Weise, schließen, daß sie gute Stücke
auf die Bühne bringt, wenn Logen
und Bänke immer,
bei ihren Darstellungen, von Menschen wacker erfüllt
sind. Aber dieser Grundsatz ist nur wahr, wo
das Ge¬
werbe frei, und
eine uneingeschränkte Concurrenz der 80
Bühnen eröffnet ist. In einer Stadt, in welcher meh¬
rere Theater nebeneinander bestehn, wird allerdings,
sobald auf irgend einem derselben, durch das einseitige
Bestreben, Geld in die Casse zu locken, das Schauspiel
entarten
sollte, die Betriebsamkeit eines andern Thea¬85
terunternehmers, unterstützt von dem
Kunstsinn des
besseren Theils der Nation, auf den Einfall gerathen,
die Gattung, in ihrer ursprünglichen Reinheit, wieder
festzuhalten. Wo aber das Theater ein ausschließen¬
des Privilegium hat, da
könnte uns, durch die Anwen¬90
dung eines solchen Grundsatzes, das Schauspiel ganz
und
gar abhanden kommen. Eine Direction, die einer
solchen Anstalt vorsteht, hat eine Verpflichtung sich mit
der Kritik zu befassen, und bedarf wegen ihres natür¬
lichen Hanges, der Menge zu schmeicheln,
schlechthin 95
einer höhern Aufsicht des Staats. Und in der That,
wenn auf einem Theater, wie das
Berliner, mit Ver¬
nachlässigung aller anderen Rücksichten, das
höchste Ge¬
setz, die
Füllung der Casse wäre: so wäre die Scene un¬
mittelbar, den spanischen Reutern, Taschenspielern und 100
Faxenmachern einzuräumen: ein Specktakel, bei wel¬
chem die Casse, ohne Zweifel, bei weitem
erwünschtere
Rechnung finden wird, als bei den göthischen Stük¬
ken. Parodieen hat man schon, vor einiger Zeit, auf
der
Buhne
Bühne
gesehen; und wenn ein hinreichender Auf¬105
wand von Witz, an
welchen
[emendiert in ›welchem‹]
es diesen Producten zum
Glück gänzlich gebrach, an ihre
Erfindung gesetzt
wor¬
der
wor¬
den
wäre, so
wurde
würde
[liest ›würde‹]
[liest ›würde‹]
es, bei der Frivolität der Gemü¬
ther, ein Leichtes gewesen sein, das Drama vermittelst
ihrer, ganz und gar zu
verdrängen.
vedrängen.
Ja, gesetzt, die 110
Direction käme auf
den Einfall, die göthischen Stücke
so zu geben, daß die Männer die
Weiber- und die
Weiber die Männerrollen spielten: falls
irgeud
irgend
auf
Costüme und zweckmäßige Carrikatur einige Sorgfalt
verwendet ist, so wette ich, man schlägt sich an der Casse 115
62 um die Billets, das Stück muß
drei Wochen hinter
einander wiederholt werden, und die Direction ist
mit
einemmal wieder solvent. — Welches
Erinnerungen sind,
werth, wie uns dünkt, daß man sie beherzige.
H. v. K.120
An
die Nachtigall.
(Als Mammsell
Schmalz die Camilla sang.)
Nachtigall, sprich, wo birgst du dich doch, wenn der
tobende Herbstwind
Rauscht? — In der Kehle der Schmalz überwin¬125
tere ich.
Vx.
Miscellen.
Nach einem Briefe aus
Fontainebleau in der Liste der Bör¬
senhalle ist am 31 September
die Schwangerschaft Ihrer Majestät 130
der Kaiserinn dem diplomatischen Korps officiel
angezeigt, auch der
Reichserzkanzler nach Paris abgefertigt
worden um dem Senate
diese erfreuliche Mittheilung zu machen.
Die Miszellen der
neuesten Weltkunde vom 3 Oktober (ein
auswärtiges, in der Schweiz erscheinendes Blatt) enthalten 135
eine
Rechtfertigung des glorreichen Andenkens König Friedrich
Wilhelms II von Preussen gegen die Angriffe der
topographischen
Chronik von Breslau.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einem Lieutenant
von
[emdendiert in ›vom‹]
Brandenburgschen Husaren-140
Regiment sind aus einer verschlossenen Stube mehrere
Uniformstücke gestohlen, und
einem
Schiffer aus seinem Kahne hinter dem
Stralauer Kohlenmarkt durch Erbrechung der Kajüte
und
eines darin befindlichen Schrankes 150 Thlr. in 145
verschiedenen
Münzsorten.
Ein Hausknecht
ist, durch einen herabgestürzten
Dachstein, fast tödlich am Kopf
verwundet.
Ein
Dienstmädchen ist beim Messerputzen plötzlich
an einem Blutsturz
gestorben.150
Freitag früh
sprang in einer hiesigen Brennerei
der Blasenkopf ab. Vier Kinder von resp. 14 und 11
Jahren, welche in
der Brennerei waren, um sich zu
wärmen, sind durch die heiße Masse
verbrüht
verbrüht.
Punkt ist im Druck nicht erkennbar. Das vorhandene
größere Spatium spricht aber für ein Vorhandensein in der Druckform.
[liest ›verbrüht.‹]
Indeß
ist die Beschädigung nicht
lebensgefährlich, und vom 155
sogleich herbeigerufenen Arzt sind
Heilmittel ange¬
ordnet.