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Kunst-Ausstellung.
(Beschluß.)
Aber auch in Rücksicht der Ausführung darf diesem
Bilde das
gebührende Lob nicht entzogen werden.
Richtige Zeichnung, höchste Sorgfalt im Einzelnen, 5
Ebenmaaß,
Faltenwurf, Farbenreitz und wahre Grazie
werden bei einem unbefangenen
Beschauer ihre Wir¬
kung
nicht verfehlen, so wie das gelungene Unterneh¬
men, im vollen, gradauf fallenden Sonnenlicht zu mah¬
len, für seine Kühnheit schon
Bewunderung verdient. 10
Ausserdem endlich muß
die kräftige, charaktervolle Be¬
handlung des ersten Porträts, die
Zierlichkeit, An¬
muth und
der geistreiche, sinnige Ausdruck des zwei¬
ten und die Vollendung des
fünften mit verdientem
Ruhme
erwähnt werden.15
Wir haben anjetzt erfüllt, was wir uns
vorgenom¬
men hatten.
Veranlaßt durch die diesjährige Kunst-¬
Ausstellung wollten wir im
Allgemeinen unsere Ge¬
danken über das Porträt äußern, als
über denjeni¬
gen Theil
der Mahlerkunst, welche von der gegenwär¬20
tigen Zeit am meisten begünstigt wird und werden
muß. Die Menge leerer und gedankenloser Bilder
machten es uns zur Pflicht, wieder an Charakter und
Bedeutung in der Kunst zu erinnern. Zu dem Ende
haben wir einen
jungen talentvollen, nach Wirkung 25
strebenden Mahler, einem erfahrnen,
strengfleißigen,
bescheidenen Meister entgegengestellt, keinesweges —
wir betheuern es —
um durch die Vergleichung jenen
persönlich zu demüthigen, oder diesen
über die Gebühr
zu erheben, sondern um die unterdrückte Sache der 30
Idee gegen die herrschende Aeußerlichkeit und Manier
[ 17 ] 68 in
der Kunst zu verfechten, um dem Gedanken und
der Absicht wieder zu
ihrem Rechte zu verhelfen, aus
welchem ein inhaltloses Streben nach
Effect sie
ver¬
drängeu
ver¬
drängen
zu wollen scheint.35
Nicht ohne Vorliebe haben wir diese unsere Sache
in diesen Blättern geführt; aber wir sind uns dessen
sehr wohl bewußt; wir haben es absichtlich gethan und
Niemand kann
uns deshalb mißverstehen, wenn wir
nun zum Schlusse noch erklären, daß
wir gar wohl 40
wissen: der Gipfel aller Kunst, also die Kunst selbst,
bestehe, gleich wie die Natur, deren ewiges Gegenbild
sie ist, nur in der vollkommnen Verschmelzung und
Vermählung der Idee
mit der Darstellung, des Cha¬
rakters mit der Schönheit, des Wesens mit der Gestalt.45
L. B.
Theater.
Den 15. Octob. Achilles von Paer.
(Beschluß.)
Achilles ward Hrn. Brizzi zugetheilt dessen schön¬50
ste Töne Bariton waren. Der Meister
kannte die
Vollkommenheiten wie die Schwächen dieses Künstlers,
daher schrieb er viel Noten in die Partie, indem das
Tragen der Stimme Brizzis glänzende
Seite nicht war.
Hrn. Eunickens Mittel-Töne
oder eigentliche Tenor-55
Töne
sind die schönsten und besten in dem ganzen Um¬
fange seiner Stimme; er selbst ist sehr guter Musiker,
weiß daher, was er uns oft zeigt, daß das Tragen der
Stimme die erste Regel des Gesanges ist, die in ihrer
Ausübung das
Gefühl ergreift, und den Beifall rege 60
macht. Wenn daher Hr. Paer, statt für
Brizzi für
Eunicke
componirt hätte, so stehen wir nicht an, zu
glauben, daß er seiner
Feder eine ganz andere Weisung
gegeben hätte. — Indeß hat Hr. Eunicke
mit vielem
Ausdruck und richtiger Declamation (in so fern die 65
Declamation der Musik richtig ist) gesungen und von
neuem sich als ein sinniger Künstler bezeugt, dessen wirk¬
lich große Verdienste oft nicht so anerkannt werden,
als sie es verdienen. Wem Hr. Paer die Parthie des
Patroklus zugedacht hatte, ist unbekannt: jedoch 70
69 scheint es unwahrscheinlich
daß er sich bei dieser interes¬
santen Rolle das musikalische Talent des Hrn. Blume
gedacht hat. Wer diese
Singe-Partie
Singe-Parthie
übernimmt,
übernimmmt,
der
scheue nicht, manche sauere Stunde in Uebung der
Skala zu verleben; sonst wagt er, allein der Freund 75
des
Achilles zu sein, und alle Uebrigen wenig zu be¬
friedigen. Welch einen
Begriff bekömmt man von der
göttlichen Musik des Apollon, wenn ein
solcher Prie¬
ster, als
Hr. Wauer, sie absingt? Doch vielleicht war
dies sein Probe-Gesang, der freilich bei einen
ziem¬80
lich guten Organ
noch vervollkommnet werden kann,
wenn er auf die Töne des Meisters
horcht. Hipoda¬
mia, Mad. Herbst,
sollte der Rolle der Oberpriesterinn
mehr
Bedeutnng
Bedeutung
geben. Der Beurtheilung der Baß-
Parthien in dieser Vorstellung, wollen wir uns
ent¬85
schlagen, da die
Talente dieser Sänger schon öfter ge¬
prüft und hinlänglich beurtheilt
sind. —
sind.
In welcher
Sprache die Chöre gegeben
sind, ist bisjetzt noch unbe¬
kannt. — Den Unkundigen müssen sich noch, bei
dieser
Vorstellung, unwillkührlich einige Fragen aufdringen: 90
einmal ob es Agamemnons Liebhaberei war, einen
weißen
Adler auf dem Schilde zu tragen: und dann,
ob die Brücken in
Griechenland mit seidnen Umhän¬
gen verziert waren, welche eine alte Baumstange zu¬
sammenhielt?95
v. M.
Der Branntweinsäufer und die
Berliner
Glocken.
(Eine
Anekdote.)
Ein Soldat vom ehemaligen
Regiment Lignowsky, ein heillo¬100
ser und unverbesserlicher Säufer, versprach nach unendlichen Schlä¬
gen, die er deshalb bekam,
daß er seine
Aufführnng
Aufführung
[liest ›Aufführung‹]
bessern und sich
des
Braunteweins
Brannteweins
[liest ›Brannteweins‹]
enthalten wolle. Er hielt auch, in der That,
Wort, während drei Tage: ward aber am Vierten wieder besoffen
in einem Rennstein gefunden, und, von einem Unterofficier, in Arrest 105
gebracht. Im Verhör befragte man ihn, warum er,
seines Vorsatzes
uneingedenk, sich von Neuem dem Laster des Trunks
ergeben habe?
„Herr Hauptmann!“ antwortete
er; „es ist nicht meine Schuld.
Ich ging in
Geschäften eines Kaufmanns, mit einer Kiste Färbholz,
über den
Lustgarten; da läuteten vom Dom herab die Glocken: 110
„Pommeranzen! Pommeranzen! Pommeranzen!“ Läut, Teu¬
fel, läut! sprach ich, und gedachte meines Vorsatzes und trank nichts.
70In
der Königsstraße, wo ich die Kiste abgeben
sollte, steh ich einen
Augenblick, um mich
anszuruhen,
auszuruhen,
[liest ›auszuruhen,‹]
vor dem Rathhaus still: da
bimmelt es vom Thurm herab: „Kümmel! Kümmel! Kümmel! — 115
Kümmel! Kümmel! Kümmel!“ Ich sage zum Thurm: bimmle du,
daß die Wolken reißen — und gedenke, mein Seel, gedenke meines
Vorsatzes, ob ich gleich durstig war, und trinke nichts. Drauf führt
mich der Teufel, auf dem Rückweg, über
den Spittelmarkt; und da
ich eben vor einer Kneipe wo mehr denn dreißig Gäste beisammen 120
waren, stehe, geht es, vom Spittelthurm herab: „Anisette! Ani¬
sette! Anisette!“ Was kostet das
Glas, frag’ ich? Der Wirth
spricht: Sechs
Pfennige. Geb’ er her, sag’ ich — und was weiter
aus mir geworden ist, das weiß ich nicht.
xyz.125
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Ein Zimmergesell war vorgestern bei einem Bau
in der Behrenstraße
beschäftiget, mit einem seiner Ka¬
meraden einen Balken aus dem Hause zu tragen. Ein
noch nicht ausgemittelter Fuhrmann fuhr mit seinem 130
Wagen so heftig gegen den Balken, daß dieser den
Zimmergesellen
umwarf und auf der Stelle todtschlug.
Auf dem Gensd’armen-Markt sind zweien Bauern,
einem Jeden eine
ungestempelte Metze konfiszirt und
2 Rthlr. Strafe eingezogen
worden.135
Auf dem Spittelmarkt hat eine Gärtnerin sich
verbotwidrig über
einen offenen Kohlentopf gesetzt, wel¬
cher in Beschlag genommen worden ist.
Einem Bäcker ist für 6 Gr. zu leichtes Brod
kon¬
fiszirt.140
Einem Schlächter eine unrichtige Waage. Die
Schaale auf welcher das Fleisch gelegt wurde,
war um
2 Loth schwerer, als die Schaale zu den Gewichten.
An einem Haufen Torf, den ein hiesiger
Einwoh¬
ner von einem
Schiffer gekauft hat, fehlten bei der 145
Revision 26½ Kiepen, weshalb
eine Untersuchung ein¬
geleitet ist.