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Das Käthchen von Heilbronn

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1
Das
Kaͤthchen von Heilbronn
oder
die Feuerprobe
ein großes hiſtoriſches Ritterſchauſpiel
von
Heinrich von Kleiſt.
Aufgefuͤhrt auf dem Theater an der Wien
den 17. 18. und 19. Maͤrz 1810.
Berlin, in der Realſchulbuchhandlung,
1810.
2

[Leerseite]

3

Perſonen: Personen.

Der Kaiſer. Gebhardt, Erzbiſchoff von Worms. Friedrich Wetter, Graf vom Strahl. Graͤfin Helena, ſeine Mutter. Eleonore, ihre Nichte. Ritter Flammberg, des Grafen Vaſall. Gottſchalk, ſein Knecht. Brigitte, Haushaͤlterin im graͤflichen Schloß. Kunigunde von Thurneck. Roſalie, ihre Kammerzofe. Theobald Friedeborn, Waffenſchmidt aus Heil⸗
bronn.
Kaͤthchen, ſeine Tochter. Gottfried Friedeborn, ihr Braͤutigam. Maximilian, Burggraf von Freiburg. Georg von Waldſtaͤtten, ſein Freund. Der Rheingraf vom Stein, Verlobter Kuni⸗
gundens.
Friedrich von Herrnſtadt, Eginhardt von der Wart, ſeine Freunde. 4 Graf Otto von der Fluͤhe, Wenzel von Nachtheim, Hans von Baͤrenklau, Raͤthe des Kaisers und
Richter des heimli⸗
chen Gerichts. Gerichts
Jacob Pech, ein Gaſtwirth. Drei Herren von Thurneck. Kunigundens alte Tanten. Ein Koͤhlerjunge. Ein Nachtwaͤchter. Mehrere Ritter. Ein Herold, zwei Koͤhler, Bedienten, Boten,
Haͤſcher, Knechte und Volk.
Die Handlung spielt in Schwaben.
Friedrich Wetter, Graf vom Strahl Graf Otto von der Fluͤhe Theobald Friedeborn Waffenſchmidt aus Heilbronn Wenzel von Nachtheim Rath des Kaiſers und Richter des heimlichen Gerichts Hans von Baͤrenklau Rath des Kaiſers und Richter des heimlichen Gerichts
5

Erſter Act.

Scene: Eine unterirdiſche Hoͤhle, mit den Inſignien des Vehm⸗
gerichts,
von einer Lampe erleuchtet.

Erſter Auftritt.

Graf Otto von der Fluͤhe (als Vorſitzer), Wenzel von 5
Nachtheim, Hans von Baͤrenklau (als Beyſaſſen), meh⸗
rere
Grafen, Ritter und Herren (ſaͤmmtlich vermummt),
Haͤſcher mit Fackeln u. s. w. —
Theobald Friedeborn,
Buͤrger aus Heilbronn (als Klaͤger), Graf Wetter vom
Strahle (als Beklagter, ſtehen vor den Schrauken). Schranken). [liest ›Schranken‹] [liest ›Schranken‹]
10
Graf Otto (ſteht auf).

Wir, Richter des hohen, heimlichen Gerichts, die
wir, die irdiſchen Schergen Gottes, Vorlaͤufer der
gefluͤgelten Heere, die er in ſeinen Wolken muſtert,
den Frevel aufſuchen, da, wo er, in der Hoͤhle der 15
Bruſt, gleich einem Molche verkrochen, vom Arm
weltlicher Gerechtigkeit nicht aufgefunden werden kann:
6 wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrſamer und
vielbekannter Waffenſchmidt aus Heilbronn auf, deine
Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom 20
Strahle; denn dort, auf den erſten Ruf der heiligen
Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit
dem Griff des Gerichtsſchwerdts, an die Thore ſei⸗
ner
Burg, deinem Geſuch gemaͤß, iſt er erſchienen,
und fragt, was du willſt? 25

(er ſetzt ſich).
Theobald Friedeborn.

Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren!
Haͤtte er, auf den ich klage, ſich bei mir ausruͤſten
laſſen — ſetzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder 30
in ſchwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe
von Gold; und haͤtte nachher, wenn ich geſprochen:
Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was
willſt du? Ich bin dir nichts ſchuldig; oder waͤre er
vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und 35
haͤtte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen —
oder waͤre er aus dem Dunkel mitternaͤchtlicher Waͤl⸗
der
herausgebrochen und haͤtte mein Leben mit Schwerdt
und Dolch, angegriffen: ſo wahr mir Gott helfe! ich
glaube, ich haͤtte nicht vor euch geklagt.
Ich erlitt, 40
in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, ſo viel Un⸗
recht,
daß meiner Seele Gefuͤhl nun gegen ſeinen
Stachel wie gepanzert iſt; und waͤhrend ich Waffen
7 ſchmiede, fuͤr Andere, die die Muͤcken ſtechen, ſag ich
ſelbſt zum Skorpion: fort mit dir! und laß ihn fah⸗45
ren.
Friedrich, Graf Wetter vom Strahl, hat mir
mein Kind verfuͤhrt, meine Katharine.
Nehmt ihn,
ihr irdiſchen Schergen Gottes, und uͤberliefert ihn
allen geharniſchten Schaaren, die an den Pforten
der Hoͤlle ſtehen und ihre glutrothen Spieße ſchwen⸗50
ken:
ich klage ihn ſchaͤndlicher Zauberei, aller Kuͤnſte
der ſchwarzen Nacht und der Verbruͤderung mit dem
Satan an!

Graf Otto.

Meiſter Theobald von Heilbronn! Erwaͤge wohl, 55
was du ſagſt. Du bringſt vor, der Graf vom Strahl,
uns vielfaͤltig und von guter Hand bekannt, habe dir
dein Kind verfuͤhrt.
Du klagſt ihn, hoff ich, der
Zauberei nicht an, weil er deines Kindes Herz von
dir abwendig gemacht?
Weil er ein Maͤdchen, voll ra⸗60
ſcher
Einbildungen, mit einer Frage, wer ſie ſey?
oder wohl gar mit dem bloßen Schein ſeiner rothen
Wangen, unter dem Helmſturz hervorgluͤhend, oder
mit irgend einer andern Kunſt des hellen Mittags
ausgeuͤbt auf jedem Jahrmarkt, fuͤr ſich gewonnen 65
hat?

Theobald.

Es iſt wahr, ihr Herren, ich ſah ihn nicht zur
Nachtzeit, an Mooren und ſchilfreichen Geſtaden,
8 oder wo ſonſt des Menſchen Fuß ſelten erſcheint, um⸗70
herwandeln
und mit den Irrlichtern Verkehr treiben.

Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den
Zauberſtab in der Hand, das unſichtbare Reich der
Luft abmeſſen, oder in unterirdiſchen Hoͤhlen, die
kein Strahl erhellt, Beſchwoͤrungsformeln aus dem 75
Staub heraufmurmeln.
Ich ſah den Satan und die
Schaaren, deren Verbruͤderten ich ihn nannte, mit
Hoͤrnern, Schwaͤnzen und Klauen, wie ſie zu Heil⸗
bronn,
uͤber dem Altar abgebildet ſind, an ſeiner
Seite nicht.
Wenn ihr mich gleichwohl reden laſſen 80
wollt, ſo denke ich es durch eine ſchlichte Erzaͤhlung
deſſen, was ſich zugetragen, dahin zu bringen, daß
ihr aufbrecht, und ruft: unſrer ſind dreizehn und der
vierzehnte iſt der Teufel! zu den Thuͤren rennt und
den Wald, der dieſe Hoͤhle umgiebt, auf dreihundert 85
Schritte im Umkreis, mit euren Taftmaͤnteln und
Federhuͤthen beſaͤet.

Graf Otto.

Nun, du alter, wilder Klaͤger! ſo rede!

Theobald.90

Zuvoͤrderſt muͤßt ihr wiſſen, ihr Herren, daß mein
Kaͤthchen Oſtern, die nun verfloſſen, funfzehn funfzehn Spieß hinter ›funfzehn‹. Jahre
alt war; geſund an Leib und Seele, wie die erſten
Menſchen, die gebohren worden ſein moͤgen; ein
Kind recht nach der Luſt Gottes, das heraufging aus 95
9der Wuͤſten, am ſtillen Feierabend meines Lebens,
wie ein gerader Rauch von Myrrhen und Wachhol⸗
dern!
Ein Weſen von zarterer, frommerer und liebe⸗
rer
Art muͤßt ihr euch nicht denken, und kaͤmt ihr,
auf Fluͤgeln der Einbildung, zu den lieben, kleinen 100
Engeln, die, mit hellen Augen, aus den Wolken,
unter Gottes Haͤnden und Fuͤßen hervorgucken.
Ging
ſie in ihrem buͤrgerlichen Schmuck uͤber die Straße,
den Strohhut auf, von gelbem Lack erglaͤnzend, das
ſchwarzſammtene Leibchen, das ihre Bruſt umſchloß, 105
mit feinen Silberkettlein behaͤngt: ſo lief es fluͤſternd
von allen Fenſtern herab: das iſt das Kaͤthchen von
Heilbronn; das Kaͤthchen von Heilbronn, ihr Her⸗
ren,
als ob der Himmel von Schwaben ſie erzeugt,
und von ſeinem Kuß geſchwaͤngert, die Stadt, die 110
unter ihm liegt, ſie gebohren haͤtte.
Vettern und Baſen,
mit welchen die Verwandtſchaft, ſeit drey Menſchenge⸗
ſchlechtern
vergeſſen worden war, nannten ſie, auf Kind⸗
taufen
und Hochzeiten, ihr liebes Muͤhmchen, ihr liebes
Baͤſchen; der ganze Markt, auf dem wir wohnten, er⸗115
ſchien
an ihrem Namenstage, und bedraͤngte ſich und
wetteiferte, ſie zu beſchenken; wer ſie nur einmal, ge⸗
ſehen
und einen Gruß im Voruͤbergehen von ihr em⸗
pfangen
hatte, ſchloß ſie acht folgende Tage lang, als
ob ſie ihn gebeſſert haͤtte, in ſein Gebet ein.
Eigen⸗120
thuͤmerin
eines Landguts, das ihr der Großvater, mit
10Ausſchluß meiner, als einem Goldkinde, dem er ſich
liebreich bezeigen wollte, vermacht hatte, war ſie ſchon
unabhaͤngig von mir, eine der wohlhabendſten Buͤrge⸗
rinnen
der Stadt. Fuͤnf Soͤhne wackerer Buͤrger, 125
bis in den Tod von ihrem Werthe geruͤhrt, hatten
nun ſchon um ſie angehalten; die Ritter, die durch
die Stadt zogen, weinten, daß ſie kein Fraͤulein war;
ach, und waͤre ſie Eines geweſen, das Morgenland
waͤre aufgebrochen, und haͤtte Perlen und Edelge⸗130
ſteine,
von Mohren getragen, zu ihren Fuͤßen gelegt.
Aber ſowohl ihre, als meine Seele, bewahrte der Him⸗
mel
vor Stolz; und weil Gottfried Friedeborn, der
junge Landmann, deſſen Guͤter das ihrige umgraͤnzen,
ſie zum Weibe begehrte, und ſie auf meine Frage: 135
Katharine, willt du ihn? antwortete: Vater! Dein
Wille ſei meiner; ſo ſagte ich: der Herr ſegne euch!
und weinte und jauchzte, und beſchloß, Oſtern, die
kommen, ſie nun zur Kirche zu bringen.
— So war
ſie, ihr Herren, bevor ſie mir dieſer entfuͤhrte.
140

Graf Otto.

Nun? Und wodurch entfuͤhrte er ſie dir? Durch
welche Mittel hat er ſie dir und dem Pfade, auf wel⸗
chen
du ſie gefuͤhrt hatteſt, wieder entriſſen?

Theobald.145

Durch welche Mittel? — Ihr Herren, wenn ich
das ſagen koͤnnte, ſo begriffen es dieſe fuͤnf Sinne,
11und ſo ſtaͤnd ich nicht vor euch und klagte auf alle,
mir unbegreiflichen, Graͤuel der Hoͤlle.
Was ſoll ich
vorbringen, wenn ihr mich fragt, durch welche Mit⸗150
tel?
Hat er ſie am Brunnen getroffen, wenn ſie Waſ⸗
ſer
ſchoͤpfte, und geſagt: Lieb Maͤdel, wer biſt du?
hat er ſich an den Pfeiler geſtellt, wenn ſie aus der
Mette kam, und gefragt: Lieb Maͤdel, wo wohnſt
du? hat er ſich, bei naͤchtlicher Weile, an ihr Fenſter 155
geſchlichen, und, indem er ihr einen Halsſchmuck
umgehaͤngt, geſagt: Lieb Maͤdel, wo ruhſt du?
Ihr
hochheiligen Herren, damit war ſie nicht zu gewin⸗
nen!
Den Judaskuß errieth unſer Heiland nicht ra⸗
ſcher,
als ſie ſolche Kuͤnſte.
Nicht mit Augen, ſeit 160
ſie gebohren ward, hat ſie ihn geſehen; ihren Ruͤcken,
und das Maal darauf, das ſie von ihrer ſeeligen
Mutter erbte, kannte ſie beſſer, als ihn.
(er weint.)

Graf Otto (nach einer Pauſe.)

Und gleichwohl, wenn er ſie verfuͤhrt hat, du 165
wunderlicher Alter, ſo muß es wann und irgendwo
geſchehen ſein?

Theobald.

Heiligen Abend vor Pfingſten, da er auf fuͤnf
Minuten in meine Werkſtatt kam, um ſich, wie er 170
ſagte, eine Eiſenſchiene, die ihm zwiſchen Schulter
und Bruſt losgegangen war, wieder zuſammenheften
zu laſſen.

12 Wenzel.

Was!175

Hans.

Am hellen Mittag?

Wenzel.

Da er auf fuͤnf Minuten in deine Werkſtatt kam,
um ſich eine Bruſtſchiene anheften zu laſſen?
180

(Pauſe.)
Graf Otto.

Faſſe dich, Alter, und erzaͤhle den Hergang.

Theobald (indem er ſich die Augen trocknet.)

Es mogte ohngefaͤhr eilf Uhr Morgens ſein, als 185
er, mit einem Troß Reiſiger, vor mein Haus ſprengte,
raſſelnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd ſtieg, und in
meine Werkſtatt trat: das Haupt tief herab neigt’ er,
um mit den Reiherbuͤſchen, die ihm von vom Helm nie⸗
derwankten,
durch die Thuͤr zu kommen.
Meiſter, 190
ſchau her, ſpricht er: dem Pfalzgrafen, der eure Waͤlle
niederreißen will, zieh ich entgegen; die Luſt, ihn zu
treffen, ſprengt mir die Schienen; nimm Eiſen nnd und
Drath, ohne daß ich mich zu entkleiden brauche, und
heft’ ſie mir wieder zuſammen.
Herr! ſag ich: wenn 195
euch die Bruſt ſo die Ruͤſtung zerſchmeißt, ſo laͤßt
der Pfalzgraf unſere Waͤlle ganz; noͤthig’ ihn auf
einen Seſſel, in des Zimmers Mitte nieder, und:
Wein! ruf ich in die Thuͤre, und vom friſchgeraͤu⸗
13cherten
Schinken, zum Imbiß! und ſetz’, einen Sche⸗200
mel,
mit Werkzeugen verſehn, vor ihn, um ihm die
Schiene wieder herzuſtellen.
Und waͤhrend draußen
noch der Streithengſt wiehert, und, mit den Pferden
der Knechte, den Grund zerſtampft, daß der Staub,
als waͤr’ ein Cherub vom Himmel niedergefahren, 205
emporquoll: oͤffnet langſam, ein großes, flaches Sil⸗
bergeſchirr
auf dem Kopf tragend, auf welchem Fla⸗
ſchen,
Glaͤſer und der Imbiß geſtellt waren, das
Maͤdchen die Thuͤre und tritt ein.
Nun ſeht, wenn
mir Gott der Herr aus Wolken erſchiene, ſo wuͤrd 210
ich mich ohngefaͤhr ſo faſſen, wie ſie.
Geſchirr und
Becher und Imbiß, da ſie den Ritter erblickt, laͤßt
ſie fallen; und leichenbleich, mit Haͤnden, wie zur
Anbetung verſchraͤnkt, den Boden mit Bruſt und
Scheiteln kuͤſſend, ſtuͤrzt ſie vor ihm nieder, als ob 215
ſie ein Blitz nieder geſchmettert haͤtte!
Und da ich
ſage: Herr meines Lebens! Was fehlt dem Kind?
und ſie aufhebe: ſchlingt ſie, wie ein Taſchenmeſſer
zuſammenfallend, den Arm um mich, das Antlitz
flammend auf ihn gerichtet, als ob ſie eine Erſchei⸗220
nung
haͤtte.
Der Graf vom Strahl, indem er ihre
Hand nimmt, fragt: weß iſt das Kind?
Geſellen
und Maͤgde ſtroͤmen herbey und jammern: hilf Him⸗
mel!
Was iſt dem Juͤngferlein widerfahren; doch da
ſie ſich, mit einigen ſchuͤchternen Blicken auf ſein 225
14Antlitz, erholt, ſo denk ich, der Anfall iſt wohl auch
voruͤber und gehe, mit Pfriemen und Nadeln, an
mein Geſchaͤft.
Drauf ſag ich: Wohlauf, Herr Ritter!
Nun moͤgt ihr den Pfalzgrafen treffen; die Schiene
iſt eingerenkt, das Herz wird ſie euch nicht mehr zer⸗230
ſprengen.
Der Graf ſteht auf; er ſchaut das Maͤd⸗
chen,
das ihm bis an die Bruſthoͤhle ragt, vom Wir⸗
bel
zur Sohle, gedankenvoll an, und beugt ſich, und
kuͤßt ihr die Stirn und ſpricht: der Herr ſeegne
dich, und behuͤte dich, und ſchenke dir ſeinen Frieden, 235
Amen!
Und da wir an das Fenſter treten: ſchmeißt
ſich das Maͤdchen, in dem Augenblick, da er den
Streithengſt beſteigt, dreißig Fuß hoch, mit aufge⸗
hobenen
Haͤnden, auf das Pflaſter der Straße nie⸗
der:
gleich einer Verlohrenen, die ihrer fuͤnf Sinne 240
beraubt iſt!
Und bricht ſich beide Lenden, ihr heiligen
Herren, beide zarten Lendchen, dicht uͤber des Knie⸗
runds
elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejam⸗
mernswuͤrdiger
Narr, der mein verſinkendes Leben auf
ſie ſtuͤtzen wollte, muß ſie, auf meinen Schultern, wie 245
zu Grabe tragen; indeſſen er dort, den Gott ver⸗
damme!
zu Pferd, unter dem Volk, das herbeiſtroͤmt,
heruͤberruft von hinten, was vorgefallen ſei! —
Hier
liegt ſie nun, auf dem Todbett, in der Glut des
hitzigen Fiebers, ſechs endloſe Wochen, ohne ſich zu 250
regen.
Keinen Laut bringt ſie hervor; auch nicht
15der Wahnſinn, dieſer Dietrich aller Herzen, eroͤffnet
das ihrige; kein Menſch vermag das Geheimniß, das
in ihr waltet, ihr zu entlocken.
Und pruͤft, da ſie
ſich ein wenig erholt hat, den Schritt, und ſchnuͤrt 255
ihr Buͤndel, und tritt, beim Strahl der Morgen⸗
ſonne,
in die Thuͤr: wohin? fragt ſie die Magd;
zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet ſie, und
verſchwindet.

Wenzel.260

Es iſt nicht moͤglich!

Hans.

Verſchwindet?

Wenzel.

Und laͤßt Alles hinter ſich zuruͤck?265

Hans.

Eigenthum, Heimath und den Braͤutigam, dem
ſie verlobt war?

Wenzel.

Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal?

Theobald.270

Verſchwindet, ihr Herren — Verlaͤßt mich und
Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur ſie knuͤpf⸗
ten
— Kuͤßt mir die Augen, die ſchlummernden, und
verſchwindet; ich wollte, ſie haͤtte ſie mir zugedruͤckt.

Wenzel.275

Beim Himmel! Ein ſeltſamer Vorfall. —

16 Theobald.

Seit jenem Tage folgt ſie ihm nun, gleich einer
Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; ge⸗
fuͤhrt
am Strahl ſeines Angeſichts, fuͤnfdraͤthig, wie 280
einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem
Kieſel ausgeſetzten, Fuͤßen, das kurze Roͤckchen, das
ihre Huͤfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den
Strohhut auf, ſie gegen der Sonne Stich, oder den
Grimm empoͤrter Witterung zu ſchuͤtzen.
Wohin ſein 285
Fuß, im Lauf ſeiner Abentheuer, ſich wendet: durch
den Dampf der Kluͤfte, durch die Wuͤſte, die der
Mittag verſengt, durch die Nacht verwachſener Waͤl⸗
der:
wie ein Hund, der von ſeines Herren Schweiß
gekoſtet, ſchreitet ſie hinter ihm her; und die gewohnt 290
war, auf weichen Kiſſen zu ruhen, und das Knoͤt⸗
lein
ſpuͤrte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand
unachtſam darin eingeſponnen hatte: die liegt jetzt,
einer Magd gleich, in ſeinen Staͤllen, und ſinkt,
wenn die Nacht koͤmmt, ermuͤdet auf die Streu nie⸗295
der,
die ſeinen ſtolzen Roſſen untergeworfen wird.

Graf Otto.

Graf Wetter vom Strahl! Iſt dies gegruͤndet?

Der Graf vom Strahl.

Wahr iſts, ihr Herren; ſie geht auf der Spur, 300
die hinter mir zuruͤckbleibt.
Wenn ich mich umſehe,
erblick’ ich zwei Dinge: meinen Schatten und ſie.

Graf

17 Graf Otto.

Und wie erklaͤrt ihr euch dieſen ſonderbaren Um⸗
ſtand?
305

Der Graf vom Strahl.

Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der
Teufel ſein Spiel mit ihr treibt, ſo braucht er mich
dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm
will ich ſein, holt er den Nußkern fuͤr mich.
Wollt 310
ihr meinem Wort ſchlechthin, wies die heilige Schrift
vorſchreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut!
Wo
nicht, ſo will ich nach Worms, und den Kaiſer bit⸗
ten,
daß er den Theobald ordinire.
Hier werf’ ich
ihm vorlaͤufig meinen Handſchuh hin!
315

Graf Otto.

Ihr ſollt hier Rede ſtehn, auf unſre Frage!
Womit rechtfertigt ihr, daß ſie unter eurem Dache
ſchlaͤft?
Sie, die in das Haus hingehoͤrt, wo ſie ge⸗
bohren
und erzogen ward?
320

Der Graf vom Strahl.

Ich war, es moͤgen ohngefaͤhr zwoͤlf Wochen ſein,
auf einer Reiſe, die mich nach Straßburg fuͤhrte,
ermuͤdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand,
eingeſchlafen — nicht im Traum gedacht ich des Maͤd⸗325
chens
mehr, das in Heilbronn aus dem Fenſter ge⸗
ſtuͤrzt
war — da liegt ſie mir, wie ich erwache, gleich
einer Roſe, entſchlummert zu Fuͤßen; als ob ſie vom
[ 2 ] 18Himmel herabgeſchneit waͤre!
Und da ich zu den
Knechten, die im Graſe herumliegen, ſage: Ei, was 330
der Teufel!
Das iſt ja das Kaͤthchen von Heilbronn!
ſchlaͤgt ſie die Augen auf, und bindet ſich das Huͤt⸗
lein
zuſammen, das ihr ſchlafend vom Haupt herab⸗
gerutſcht
war.
Katharine! ruf ich: Maͤdel! Wo
koͤmmſt auch her?
Auf funfzehn Meilen von Heil⸗335
bronn,
fernab am Geſtade des Rheins?
„Hab’ ein
Geſchaͤft, geſtrenger Herr,“ antwortet ſie, „das mich
gen Straßburg fuͤhrt; ſchauert mich im Wald ſo ein⸗
ſam
zu wandern, und ſchlug mich zu euch.“
Drauf laß
ich ihr zur Erfriſchung reichen, was mir Gottſchalk, 340
der Knecht, mit ſich fuͤhrt, und erkundige mich: wie
der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht?

Und was ſie in Straßburg zu erſchaffen denke? Doch
da ſie nicht freiherzig mit der Sprache herausruͤckt:
was auch gehts dich an, denk’ ich; ding’ ihr einen 345
Boten, der ſie durch deu den Wald fuͤhre, ſchwing mich
auf den Rappen, und reite ab.
Abends, in der Her⸗
berg,
an der Straßburger Straß, will ich mich eben
zur Ruh niederlegen: da kommt Gottſchalk, der Knecht,
und ſpricht: das Maͤdchen ſei unten und begehre in 350
meinen Staͤllen zu uͤbernachten.
Bei den Pferden?
frag’ ich.
Ich ſage: wenn’s ihr weich genug iſt, mich
wird’s nicht druͤcken.
Und fuͤge noch, indem ich mich
im Bett wende, hinzu: magſt ihr wohl eine Streu
19unterlegen, Gottſchalk, und ſorgen, daß ihr Nichts 355
widerfahre.
Drauf, wandert ſie, kommenden Tages
fruͤher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heer⸗
ſtraße,
und lagert ſich wieder in meinen Staͤllen, und
lagert ſich Nacht fuͤr Nacht, ſo wie mir der Streif⸗
zug
fortſchreitet, darin, als ob ſie zu meinem Troß 360
gehoͤrte.
Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes
grauen, unwirrſchen Alten willen, der mich jetzt darum
ſtraft; denn der Gottſchalk, in ſeiner Wunderlichkeit,
hatte das Maͤdchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer,
in der That, als ſeiner Tochter; fuͤhrt dich die Reiſe 365
einſt, dacht’ ich, durch Heilbronn, ſo wird der Alte
dirs danken.
Doch da ſie ſich auch in Straßburg,
in der erzbiſchoͤflichen Burg, wieder bei mir einfindet,
und ich gleichwohl ſpuͤre, daß ſie nichts im Orte er⸗
ſchafft:
denn mir hatte ſie ſich ganz und gar geweiht, 370
und wuſch und flickte, als ob es ſonſt am Rhein
nicht zu haben waͤre: ſo trete ich eines Tages, da ich
ſie auf der Stallſchwelle finde, zu ihr und frage:
was fuͤr ein Geſchaͤft ſie in Straßburg betreibe?
Ei,
ſpricht ſie geſtrenger Herr, und eine Roͤthe, daß ich 375
denke, ihre Schuͤrze wird angehen, flammt uͤber ihr
Antlitz empor: „was fragt ihr doch? ihr wißts ja!“

— Holla! denk ich, ſteht es ſo mit dir? und ſende
einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu,
mit folgender Meldung: das Kaͤthchen ſei bei mir; 380
20ich huͤtete ſeiner; in kurzem koͤnne er es, vom Schloſſe
zu Strahl, wohin ich es zuruͤckbringen wuͤrde, ab⸗
holen.

Graf Otto.

Nun? Und hierauf?385

Wenzel.

Der Alte holte die Jungfrau nicht ab?

Der Graf vom Strahl.

Drauf, da er am zwanzigſten Tage, um ſie ab⸗
zuholen,
bei mir erſcheint, und ich ihn in meiner Vaͤ⸗390
ter
Saal fuͤhre: erſchau ich mit Befremden, daß er,
beim Eintritt in die Thuͤr, die Hand in den Weih⸗
keſſel
ſteckt, und mich mit dem Waſſer, das darin
befindlich iſt, beſprengt.
Ich arglos, wie ich von
Natur bin, noͤth’ge ihn auf einen Stuhl nieder; er⸗395
zaͤhle
ihm, mit Offenherzigkeit, Alles, was vorgefal⸗
len;
eroͤffne ihm auch, in meiner Theilnahme, die
Mittel, wie er die Sache, ſeinen Wuͤnſchen gemaͤß,
wieder in’s Geleis ruͤcken koͤnne; und troͤſte ihn und
fuͤhr ihn, um ihn ihm das Maͤdchen zu uͤbergeben, in den 400
Stall hinunter, wo ſie ſteht, und mir eine Waffe von
Roſt ſaͤubert.
So wie er in die Thuͤr tritt, und die
Arme mit thraͤnenvollen Augen oͤffnet, ſie zu em⸗
pfangen,
ſtuͤrzt mir das Maͤdchen leichenbleich zu Fuͤ⸗
ßen,
alle Heiligen anrufend, daß ich ſie vor ihm ſchuͤtze.
405
Gleich einer Salzſaͤule ſteht er, bei dieſem Anblick,
21da; und ehe ich mich noch gefaßt habe, ſpricht er
ſchon, das entſetzensvolle Antlitz auf mich gerichtet:
das iſt der leibhaftige Satan! und ſchmeißt mir den
Hut, den er in der Hand haͤlt, in’s Geſicht, als 410
wollt’ er ein Graͤuelbild verſchwinden machen, und
laͤuft, als ſetzte die ganze Hoͤlle ihm nach, nach Heil⸗
bronn
zuruͤck.

Graf Otto.

Du wunderlicher Alter! Was haſt du fuͤr Ein⸗415
bildungen?

Wenzel.

Was war in dem Verfahren des Ritters, das Ta⸗
del
verdient?
Kann er dafuͤr, wenn ſich das Herz
deines thoͤrichten Maͤdchens ihm zuwendet?
420

Hans.

Was iſt in dieſem ganzen Vorfall, das ihn an⸗
klagt?

Theobald.

Was ihn anklagt? O du — Menſch, entſetzlicher, 425
als Worte faſſen, und der Gedanke ermißt: ſtehſt du
nicht rein da, als haͤtten die Cherubim ſich entkleidet,
und ihren Glanz dir, funkelnd wie Mailicht, um die
Seele gelegt! —
Mußt’ ich vor dem Menſchen nicht
erbeben, der die Natur, in dem reinſten Herzen, das 430
je geſchaffen ward, dergeſtalt umgekehrt hat, daß ſie
vor dem Vater, zu ihr gekommen, ſeiner Liebe Bruſt
22ihren Lippen zu reichen, kreideweißen Antlitzes ent⸗
weicht,
wie vor dem Wolfe, der ſie zerreißen will?

Nun denn, ſo walte, Hekate, Fuͤrſtinn des Zaubers, 435
moorduftige Koͤniginn der Nacht!
Sproßt, ihr daͤmo⸗
niſchen
Kraͤfte, die die menſchliche Satzung ſonſt aus⸗
zujaͤten
bemuͤht war, bluͤht auf, unter dem Athem
der Hexen, und ſchoßt zu Waͤldern empor, daß die
Wipfel ſich zerſchlagen, und die Pflanze des Himmels, 440
die am Boden keimt, verweſe; rinnt, ihr Saͤfte der
Hoͤlle, troͤpfelnd aus Staͤmmen und Stielen gezo⸗
gen,
fallt, wie ein Katarakt, ins Land, daß der
erſtickende Peſtqualm zu den Wolken empordampft;
fließt und ergießt euch durch alle Roͤhren des Lebens, 445
und ſchwemmt, in allgemeiner Suͤndfluth, Unſchuld
und Tugend hinweg!

Graf Otto.

Hat er ihr Gift eingefloͤßt?

Wenzel.450

Meinſt du, daß er ihr verzauberte Traͤnke gereicht?

Hans.

Opiate, die des Menſchen Herz, der ſie genießt,
mit geheimnißvoller Gewalt umſtricken?

Theobald.455

Gift? Opiate? Ihr hohen Herren, was fragt
ihr mich? Ich habe die Flaſchen nicht gepfropft, von
welchen er ihr, an der Wand des Felſens, zur Erfri⸗
23ſchung
reichte; ich ſtand nicht dabei, als ſie in der
Herberge, Nacht fuͤr Nacht, in ſeinen Staͤllen ſchlief.
460
Wie ſoll ich wiſſen, ob er ihr Gift eingefloͤßt? habt
neun Monate Geduld; alsdann ſollt ihr ſehen, wies
ihrem jungen Leibe bekommen, bekommen iſt.

Der Graf vom Strahl.

Der alte Eſel, der! Dem entgegn’ ich nichts, als 465
meinen Namen!
Ruft ſie herein; und wenn ſie ein
Wort ſagt, auch nur von fern duftend, wie dieſe
Gedanken, ſo nennt mich den Grafen von der ſtin⸗
kenden
Pfuͤtze, oder wie es ſonſt eurem gerechten Un⸗
willen
beliebt.
470

Zweiter Auftritt.

Kaͤthchen (mit verbundenen Augen, gefuͤhrt von) zwei Haͤ⸗
ſchern
— Die Haͤſcher (nehmen ihr das Tuch ab, und
gehen wieder fort).
— Die Vorigen.
Kaͤthchen (ſieht ſich in der Verſammlung um, und beugt, 475
da ſie den Grafen erblickt eine erblickt, ein Knie vor ihm).

Mein hoher Herr!
Der Graf vom Strahl.
Was willſt du?
Kaͤthchen.480
Vor meinen Richter hat man mich gerufen.
24 Der Graf vom Strahl.
Dein Richter bin nicht ich. Steh auf, dort ſitzt er;
Hier ſteh ich, ein Verklagter, ſo wie du.
Kaͤthchen.485
Mein hoher Herr! Du ſpotteſt.
Der Graf vom Strahl.
Nein! Du hoͤrſt!
Was neigſt du mir dein Angeſicht in Staub?
Ein Zaubrer bin ich, und geſtand es ſchon,490
Und laß, aus jedem Band, das ich dir wirkte,
Jetzt deine junge Seele los.
(er erhebt ſie).
Graf Otto.
Hier Jungfrau, wenn’s beliebt; hier iſt die Schranke!495
Hans.
Hier ſitzen deine Richter!
Kaͤthchen (ſieht ſich um).
Ihr verſucht mich.
Wenzel.500
Hier tritt heran! Hier ſollſt du Rede ſtehn.
Kaͤthchen (ſtellt ſich neben den Grafen vom Strahl,
und ſieht die Richter an).

Graf Otto.
Nun?505
Wenzel.
Wirds?
25 Hans.
Wirſt du gefaͤllig dich bemuͤhn?
Graf Otto.510
Wirſt dem Gebot dich deiner Richter fuͤgen?
Kaͤthchen (fuͤr ſich).
Sie rufen mich.
Wenzel.
Nun, ja!515
Hans.
Was ſagte ſie?
Graf Otto (befremdet).
Ihr Herrn, was fehlt dem ſonderbaren Weſen?
(ſie ſehen ſich an)520
Kaͤthchen (fuͤr ſich).
Vermummt von Kopf zu Fuͤßen ſitzen ſie,
Wie das Gericht, am juͤngſten Tage, da!
Der Graf vom Strahl (ſie aufweckend).
Du wunderliche Maid! Was traͤumſt, was treibſt 525
du?
Du ſtehſt hier vor dem heimlichen Gericht!
Auf jene boͤſe Kunſt bin ich verklagt,
Mit der ich mir, du weißt, dein Herz gewann,
Geh hin, und melde jetzo, was geſchehn!530
Kaͤthchen (ſieht ihn an und legt ihre Haͤnde auf die Bruſt).
— Du quaͤlſt mich grauſam, das daß ich weinen
moͤgte!
26 Belehre deine Magd, mein edler Herr,
Wie ſoll ich mich in dieſem Falle faſſen?535
Graf Otto (ungeduldig).
Belehren — was!
Hans.
Bei Gott! Iſt es erhoͤrt?
Der Graf vom Strahl (mit noch milder Strenge).540
Du ſollſt ſogleich vor jene Schranke treten,
Und Rede ſtehn, auf was man fragen wird!
Kaͤthchen.
Nein, ſprich! Du biſt verklagt?
Der Graf vom Strahl.545
Du hoͤrſt.
Kaͤthchen.
Und jene Maͤnner dort ſind deine Richter?
Der Graf vom Strahl.
So iſt’s.550
Kaͤthchen (zur Schranke tretend).
Ihr wuͤrd’gen Herrn, wer ihr auch ſein moͤgt
dort,
Steht gleich vom Richtſtuhl auf und raͤumt ihn dieſem!
Denn, beim lebend’gen Gott, ich ſag’ es euch,555
Rein, wie ſein Harniſch iſt ſein Herz, und eures
Verglichen ihm, und meins, wie eure Maͤntel.
Wenn hier geſuͤndigt ward, iſt er der Richter,
Und ihr ſollt zitternd vor der Schranke ſtehn!
27 Graf Otto.560
Du, Naͤrrinn, juͤngſt der Nabelſchnur entlau⸗
fen,

Woher kommt die prophet’ſche Kunde dir?
Welch ein Apoſtel hat dir das vertraut?
Theobald.565
Seht die Unſeelige!
Kaͤthchen (da ſie den Vater erblickt, auf ihn zugehend).
Mein theurer Vater!
(ſie will ſeine Hand ergreifen).
Theobald (ſtreng).570
Dort iſt der Ort jetzt, wo du hingehoͤrſt!
Kaͤthchen.
Weis’ mich nicht von dir.
(ſie faßt ſeine Hand und kuͤßt ſie).
Theobald.575
— Kennſt du das Haar noch wieder,
Das deine Flucht mir juͤngſthin grau gefaͤrbt?
Kaͤthchen.
Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte,
Wie ſeine Locken fallen. Sei geduldig,580
Und gieb dich nicht unmaͤß’gem Grame Preis:
Wenn Freude Locken wieder dunkeln kann,
So ſollſt du wieder wie ein Juͤngling bluͤhn.
Graf Otto.
Ihr Haͤſcher dort! ergreift ſie! bringt ſie her!585
28 Theobald.
Geh’ hin, wo man dich ruft.
Kaͤthchen (zu den Richtern, da ſich ihr die Haͤſcher naͤhern).
Was wollt ihr mir?
Wenzel.590
Saht ihr ein Kind, ſo ſtoͤrrig je, als dies?
Graf Otto (da ſie vor der Schranke ſteht).
Du ſollſt hier Antwort geben, kurz und buͤndig,
Auf unſre Fragen! Denn wir, von unſere[m] unſerem Das ›m‹ ist kopfstehend montiert.
Gewiſſen eingeſetzt, ſind deine Richter,595
Und an der Strafe, wenn du frevelteſt,
Wird’s deine uͤbermuͤth’ge Seele fuͤhlen.
Kaͤthchen.
Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wiſſen?
Graf Otto.600
Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erſchien,
In deines Vaters Haus, biſt du zu Fuͤßen,
Wie man vor Gott thut, nieder ihm geſtuͤrzt?
Warum warfſt du, als er von dannen ritt,
Dich aus dem Fenſter ſinnlos auf die Straße,605
Und folgteſt ihm, da kaum dein Bein vernarbt,
Von Ort zu Ort, durch Nacht und Graus und
Nebel,
Wohin ſein Roß den Fußtritt wendete?
Kaͤthchen (hochroth zum Grafen).610
Das ſoll ich hier vor dieſen Maͤnnern ſagen?
29 Der Graf vom Strahl.
Die Naͤrrin, die verwuͤnſchte, ſinnverwirrte,
Was fragt ſie mich? Iſts nicht an jener Maͤnner
Gebot, die Sache darzuthun, genug?615
Kaͤthchen (in Staub niederfallend).
Nimm mir, o Herr, das Leben, wenn ich fehlte!
Was in des Buſens ſtillem Reich geſchehn,
Und Gott nicht ſtraft, das braucht kein Menſch zu
wiſſen;620
Den nenn’ ich grauſam, der mich darum fragt!
Wenn du es wiſſen willſt, wohlan, ſo rede,
Denn dir liegt meine Seele offen da!
Hans Hans.
Ward, ſeit die Welt ſteht, ſo etwas erlebt?625
Wenzel.
Im Staub liegt ſie vor ihm —
Hans.
Geſtuͤrzt auf Knieen —
Wenzel.630
Wie wir vor dem Erloͤſer hingeſtreckt!
Der Graf vom Strahl (zu den Richtern).
Ihr wuͤrd’gen Herrn, ihr rechnet hoff ich, mir
Nicht dieſes Maͤdchens Thorheit an! Daß ſie
Ein Wahn bethoͤrt, iſt klar, wenn euer Sinn635
Auch gleich, wie meiner, noch nicht einſieht, welcher?
Erlaubt ihr mir, ſo frag ich ſie darum:
30 Ihr moͤgt, aus meinen Wendungen entnehmen,
Ob meine Seele ſchuldig iſt, ob nicht?
Graf Otto (ihn forſchend anſehend).640
Es ſei! Verſuchts einmal, Herr Graf, und fragt
ſie.
Der Graf vom Strahl (wendet ſich zu Kaͤthchen,
die noch immer auf Knieen liegt).

Willt den geheimſten der Gedanken mir,645
Kathrina, der dir irgend, faſs mich wohl,
Im Winkel wo des Herzens ſchlummert, geben?
Kaͤthchen.
Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es,
So biſt du ſicher deß, was darin wohnt.650
Der Graf vom Strahl.
Was iſts, mit einem Wort, mir rund geſagt,
Das dich aus deines Vaters Hauſe trieb?
Was feſſelt dich an meine Schritte an?
Kaͤthchen.655
Mein hoher Herr! Da fragſt du mich zuviel.
Und laͤg’ ich ſo, wie ich vor dir jetzt liege,
Vor meinem eigenen Bewuſtſein da:
Auf einem goldnen Richtſtuhl laß es thronen,
Und alle Schrecken des Gewiſſens ihm,660
Im In Flammenruͤſtungen, zur Seite ſtehn;
So ſpraͤche jeglicher Gedanke noch,
Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht.
31 Der Graf vom Strahl.
Du luͤgſt mir, Jungfrau? Willſt mein Wiſſen taͤuſchen?665
Mir, der doch das Gefuͤhl dir ganz umſtrickt;
Mir, deſſen Blick du da liegſt, wie die Roſe,
Die ihren jungen Kelch dem Licht erſchloß? —
Was hab ich dir einmal, du weißt, gethan?
Was iſt an Leib und Seel’ dir widerfahren?670
Kaͤthchen.
Wo?
Der Graf vom Strahl.
Da oder dort.
Kaͤthchen.675
Wann?
Der Graf vom Strahl.
Juͤngſt oder fruͤherhin.
Kaͤthchen.
Hilf mir, mein hoher Herr.680
Der Graf vom Strahl.
Ja, ich dir helfen,
Du wunderliches Ding. —
(er haͤlt inne).
Beſinnſt du dich auf nichts?685
Kaͤthchen (ſieht vor ſich nieder).
Der Graf vom Strahl.
Was fuͤr ein Ort, wo du mich je geſehen,
Iſt dir im Geiſt, vor Andern, gegenwaͤrtig.
32 Kaͤthchen.690
Der Rhein iſt mir vor allen gegenwaͤrtig.
Der Graf vom Strahl.
Ganz recht. Da eben wars. Das wollt ich
wiſſen.
Der Felſen am Geſtad’ des Rheins, wo wir695
Zuſammen ruhten, in der Mittagshitze.
— Und du gedenkſt nicht, was dir da geſchehn?
Kaͤthchen.
Nein, mein verehrter Herr, Herr.
Der Graf vom Strahl.700
Nicht? Nicht?
— Was reicht’ ich deiner Lippe zur Erfriſchung?
Kaͤthchen.
Du ſandteſt, weil ich deines Weins verſchmaͤhte,
Den Gottſchalk, deinen treuen Knecht, und ließeſt705
Ihn einen Trunk mir, aus der Grotte ſchoͤpfen.
Der Graf vom Strahl.
Ich aber nahm dich bei der Hand, und reichte
Sonſt deiner Lippe — nicht? Was ſtockſt du da?
Kaͤthchen.710
Wann?
Der Graf vom Strahl.
Eben damals.
Kaͤthchen.
Nein, mein hoher Herr.715
Der 33 Der Graf vom Strahl.
Jedoch nachher.
Kaͤthchen.
In Straßburg?
Der Graf vom Strahl.720
Oder fruͤher.
Kaͤthchen.
Du haſt mich niemals bei der Hand genommen.
Der Graf vom Strahl.
Kathrina!725
Kaͤthchen (erroͤthend).
Ach vergieb mir; in Heilbronn!
Der Graf vom Strahl.
Wann?
Kaͤthchen.730
Als der Vater dir am Harniſch wirkte.
Der Graf vom Strahl.
Und ſonſt nicht?
Kaͤthchen.
Nein, mein hoher Herr.735
Der Graf vom Strahl.
Kathrina!
Kaͤthchen.
Mich bei der Hand?
Der Graf vom Strahl.740
Ja, oder ſonſt, was weiß ich.
[ 3 ] 34 Kaͤthchen (beſinnt ſich).
In Straßburg einſt, erinnr’ ich mich, beim Kinn.
Der Graf vom Strahl.
Wann?745
Kaͤthchen.
Als ich auf der Schwelle ſaß und weinte,
Und dir auf was du ſprachſt, nicht Rede ſtand.
Der Graf vom Strahl.
Warum nicht ſtandſt du Red’?750
Kaͤthchen.
Ich ſchaͤmte mich.
Der Graf vom Strahl.
Du ſchaͤmteſt dich? Ganz recht. Auf meinen
Antrag.755
Du wardſt gluthroth bis an den Hals hinab.
Welch einen Antrag macht’ ich dir?
Kaͤthchen.
Der Vater,
Der wuͤrd’, ſprachſt du, daheim im Schwabenland’,760
Um mich ſich haͤrmen, und befragteſt mich,
Ob ich mit Pferden, die du ſenden wollteſt,
Nicht nach Heilbronn zu ihm zuruͤck begehrte?
Der Graf vom Strahl (kalt).
Davon iſt nicht die Rede! — Nun, wo auch,765
Wo hab’ ich ſonſt im Leben dich getroffen?
— Ich hab’ im Stall zuweilen dich beſucht.
35 Kaͤthchen.
Nein, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl.770
Nicht? Katharina!
Kaͤthchen.
Du haſt mich niemals in dem Stall beſucht,
Und noch viel wen’ger ruͤhrteſt du mich an.
Der Graf vom Strahl.775
Was! Niemals?
Kaͤthchen.
Nein, mein hoher Herr.
Der Graf vom Strahl.
Kathrina!780
Kaͤthchen (mit Affect).
Niemals, mein hochverehrter Herr, niemals.
Der Graf vom Strahl.
Nun ſeht, bei meiner Treu, die Luͤgnerinn!
Kaͤthchen.785
Ich will nicht ſeelig ſeyn, ich will verderben,
Wenn du mich je —!
Der Graf vom Strahl (mit dem Schein der
Heftigkeit).

Da ſchwoͤrt ſie und verflucht790
Sich, die leichtfert’ge Dirne, noch und meint,
Gott werd’ es ihrem jungen Blut vergeben!
— Was iſt geſchehn, fuͤnf Tag’, emendiert in ›Tag’‹ emendiert in ›Tag’‹ von hier, am Abend,
36 In meinem Stall, als es ſchon dunkelte,
Und ich den Gottſchalk hieß, ſich zu entfernen?795
Kaͤthchen.
O! Jeſus! Ich bedacht’ es nicht! —
Im Stall zu Strahl, da haſt du mich beſucht.
Der Graf vom Strahl.
Nun denn! Da iſt’s heraus! Da hat ſie nun800
Der Seelen Seeligkeit ſich weggeſchworen!
Im Stall zu Strahl, da hab’ ich ſie beſucht!
Kaͤthchen (weint).
(Pauſe).
Graf Otto.805
Ihr quaͤlt das Kind zu ſehr.
Theobald (naͤhert ſich ihr geruͤhrt).
Komm, meine Tochter.
(Er will ſie an ſeine Bruſt heben).
Kaͤthchen.810
Laß, laß!
Wenzel.
Das nenn’ ich menſchlich nicht verfahren.
Graf Otto.
Zuletzt iſt nichts im Stall zu Strahl geſchehen.815
Der Graf vom Strahl (ſieht ſie an).
Bei Gott, ihr Herrn, wenn ihr des Glaubens
ſeid:
Ich bin’s! Befehlt, ſo gehn wir aus einander.
37 Graf Otto.820
Ihr ſollt das Kind befragen, iſt die Meinung,
Nicht mit barbariſchem Triumph verhoͤhnen.
Sei’s, daß Natur euch ſolche Macht verliehen:
Geuͤbt wie ihr’s thut, iſt ſie haſſenswuͤrd’ger,
Als ſelbſt die Hoͤllenkunſt, der man euch zeiht.825
Der Graf vom Strahl (erhebt das Kaͤthchen vom Boden).
Ihr Herrn, was ich gethan, das that ich nur,
Sie mit Triumph hier vor euch zu erheben!
Statt meiner —
(auf den Boden hinzeigend).830
ſteht mein Handſchuh vor Gericht!
Glaubt ihr von Schuld ſie rein, wie ſie es iſt,
Wohl, ſo erlaubt denn, daß ſie ſich entferne.
Wenzel.
Es ſcheint ihr habt viel Gruͤnde, das zu wuͤn⸗835
ſchen?

Der Graf vom Strahl.
Ich? Gruͤnd’? Entſcheidende! Ihr wollt ſie, hoff’
ich,
Nicht mit barbarſchem Uebermuth verhoͤhnen?840
Wenzel (mit Bedeutung).
Wir wuͤnſchen doch, erlaubt ihrs, noch zu hoͤren,
Was in dem Stall damals zu Strahl geſchehn.
Der Graf vom Strahl.
Das wollt ihr Herrn noch —?845
38 Wenzel.
Allerdings!
Der Graf vom Strahl (glutroth, indem er ſich
zum Kaͤthchen wendet).

Knie’ nieder!850
Kaͤthchen (laͤßt ſich auf Knieen vor ihm nieder).
Graf Otto.
Ihr ſeid ſehr dreiſt, Herr Friedrich Graf vom
Strahl!
Der Graf vom Strahl (zum Kaͤthchen).855
So! Recht! Mir giebſt du Antwort und ſonſt
keinem.
Hans.
Erlaubt! Wir werden ſie —
Der Graf vom Strahl (eben ſo).860
Du ruͤhrſt dich nicht!
Hier ſoll dich keiner richten, als nur der,
Dem deine Seele frei ſich unterwirft.
Wenzel.
Herr Graf, man wird hier Mittel —865
Der Graf vom Strahl (mit unterdruͤckter Heftigkeit).
Ich ſage, nein!
Der Teufel ſoll mich holen, zwingt ihr ſie! —
Was wollt ihr wiſſen, ihr verehrten Herrn?
Hans (auffahrend).870
Beim Himmel!
39 Wenzel.
Solch ein Trotz ſoll —!
Hans.
He! Die Haͤſcher!875
Graf Otto (halblaut).
Laßt, Freunde, laßt! Vergeßt nicht, wer er iſt.
Erſter Richter.
Er hat nicht eben, druͤckt Verſchuldung ihn,
Mit Liſt ſie uͤberhoͤrt.880
Zweiter Richter.
Das ſag’ ich auch!
Man kann ihm das Geſchaͤft wohl uͤberlaſſen.
Graf Otto (zum Grafen vom Strahl).
Befragt ſie, was geſchehn, fuͤnf Tag’ von hier,885
Im Stall zu Strahl, als es ſchon dunkelte,
Und ihr den Gottſchalk hießt, ſich zu entfernen?
Der Graf vom Strahl (zum Kaͤthchen).
Was iſt geſchehn, fuͤnf Tage von hier, am Abend,
Im Stall zu Strahl, als es ſchon dunkelte,890
Und ich den Gottſchalk hieß, ſich zu entfernen?
Kaͤthchen.
Mein hoher Herr! Vergieb mir, wenn ich fehlte;
Jetzt leg’ ich Alles, Punkt fuͤr Punkt, dir dar.
Der Graf vom Strahl.895
Gut. — — Da beruͤhrt’ ich dich und zwar —
nicht? Freilich!
Das ſchon geſtand’ſt du?
40 Kaͤthchen.
Ja, mein verehrter Herr.900
Der Graf vom Strahl.
Nun?
Kaͤthchen.
Mein verehrter Herr?
Der Graf vom Strahl.905
Was will ich wiſſen?
Kaͤthchen.
Was du willſt wiſſen?
Der Graf vom Strahl.
Heraus damit! Was ſtockſt du?910
Ich nahm, und herzte dich, und kuͤßte dich,
Und ſchlug den Arm dir —?
Kaͤthchen.
Nein, mein hoher Herr.
Der Graf vom Strahl.915
Was ſonſt?
Kaͤthchen.
Du ſtießeſt mich mit Fuͤßen von dir.
Der Graf vom Strahl.
Mit Fuͤßen? Nein! Das thu’ ich keinem Hund.920
Warum? Weshalb? Was hatt’ſt du mir gethan?
Kaͤthchen.
Weil ich dem Vater, der voll Huld und Guͤte,
Gekommen war, mit Pferden, mich zu holen,
41 Den Ruͤcken, voller Schrecken, wendete,925
Und mit der Bitte, mich vor ihm zu ſchuͤtzen
Im Staub vor dir bewuſtlos nieder ſank.
Der Graf vom Strahl.
Da haͤtt’ ich dich mit Fuͤßen weggeſtoßen?
Kaͤthchen.930
Ja, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl.
Ei, Poſſen, was!
Das war nur Schelmerei, des Vaters wegen.
Du bliebſt doch nach wie vor im Schloß zu Strahl.935
Kaͤthchen.
Nein, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl.
Nicht? Wo auch ſonſt?
Kaͤthchen.940
Als du die Peitſche, flammenden Geſichts,
Herab vom Riegel nahmſt, ging ich hinaus,
Vor das bemoos’te Thor, und lagerte
Mich draußen, am zerfallnen Mauernring
Wo in ſuͤßduftenden Hollunderbuͤſchen945
Ein Zeiſig zwitſchernd ſich das Neſt gebaut.
Der Graf vom Strahl.
Hier aber jagt’ ich dich mit Hunden weg?
Kaͤthchen.
Nein, mein verehrter Herr.950
42 Der Graf vom Strahl.
Und als du wichſt,
Verfolgt vom Hundgeklaff, von meiner Grenze,
Rief ich den Nachbar auf, dich zu verfolgen?
Kaͤthchen.955
Nein, mein verehrter Herr! Was ſprichſt du da?
Der Graf vom Strahl.
Nicht? Nicht? — Das werden dieſe Herren ta⸗
deln.

Kaͤthchen.960
Du kuͤmmerſt dich um dieſe Herren nicht.
Du ſandteſt Gottſchalk mir am dritten Tage,
Daß er mir ſag’: dein liebes Kaͤthchen waͤr’ ich;
Vernuͤnftig aber moͤgt’ ich ſein, und gehn.
Der Graf vom Strahl.965
Und was entgegneteſt du dem?
Kaͤthchen.
Ich ſagte,
Den Zeiſig litteſt du, den zwitſchernden,
In den ſuͤßduftenden Hollunderbuͤſchen:970
Moͤgt’ſt denn das Kaͤthchen von Heilbronn auch
leiden.
Der Graf vom Strahl (erhebt das Kaͤthchen).
Nun dann, ſo nehmt ſie hin, ihr Herrn der Vehme,
Und macht mit ihr und mir jetzt, was ihr wollt.975
(Pauſe).
43 Graf Otto (unwillig).
Der aberwitz’ge Traͤumer, unbekannt
Mit dem gemeinen Zauber der Natur! —
Wenn euer Urtheil reif, wie meins, ihr Herrn,980
Geh’ ich zum Schluß, und laß die Stimmen ſammeln.
Wenzel.
Zum Schluß!
Hans.
Die Stimmen!985
Alle.
Sammelt ſie!
Ein Richter.
Der Narr, der!
Der Fall iſt klar. Es iſt hier nichts zu richten.990
Graf Otto.
Vehm-Herold nimm den Helm und ſammle ſie.
Vehm-Herold (ſammelt die Kugeln und bringt den
Helm, worin ſie liegen, dem Grafen).

Graf Otto (ſteht auf)995
Herr Friedrich Wetter Graf vom Strahl, du biſt
Einſtimmig von der Vehme losgeſprochen,
Und dir dort, Theobald, dir geb’ ich auf,
Nicht fuͤrder mit der Klage zu erſcheinen,
Bis du kannſt beſſere Beweiſe bringen.1000
(zu den Richtern)
Steht auf, ihr Herrn! die Sitzung iſt geſchloſſen.
44 Die Richter (erheben ſich).
Theobald.
Ihr hochverehrten Herrn, ihr ſprecht ihn ſchuldlos?1005
Gott ſagt ihr, hat die Welt aus nichts gemacht;
Und er, der ſie durch nichts und wieder nichts
Vernichtet, in das erſte Chaos ſtuͤrzt,
Der ſollte nicht der leid’ge Satan ſein?
Graf Otto.1010
Schweig, alter, grauer Thor! Wir ſind nicht da,
Dir die verruͤckten Sinnen einzurenken.
Vehm-Haͤſcher, an dein Amt! Blend’ ihm die Au⸗
gen,

Und fuͤhr’ ihn wieder auf das Feld hinaus.1015
Theobald.
Was! Auf das Feld? Mich hilflos greiſen Alten?
Und dies mein einzig liebes Kind, — ?
Graf Otto.
Herr Graf,1020
Das uͤberlaͤßt die Vehme euch! Ihr zeigtet
Von der Gewalt, die ihr hier uͤbt, ſo manche
Beſondre Probe uns; laßt uns noch eine,
Die groͤßeſte, bevor wir ſcheiden ſcheiden, ſehn,
Und gebt ſie ihrem alten Vater wieder.1025
Der Graf vom Strahl.
Ihr Herrn, was ich thun kann, ſoll geſchehn. —
Jungfrau!
45 Kaͤthchen.
Mein hoher Herr!1030
Der Graf vom Strahl.
Du liebſt mich?
Kaͤthchen.
Herzlich!
Der Graf vom Strahl.1035
So thu mir was zu Lieb’.
Kaͤthchen.
Was willſt du? Sprich.
Der Graf vom Strahl.
Verfolg’ mich nicht. Geh nach Heilbronn zuruͤck.1040
— Willſt du das thun?
Kaͤthchen.
Ich hab es dir verſprochen.
(ſie faͤllt in Ohnmacht).
Theobald (empfaͤngt ſie).1045
Mein Kind! Mein Einziges! Hilf, Gott im
Himmel!
Der Graf vom Strahl (wendet ſich).
Dein Tuch her, Haͤſcher!
(er verbindet ſich die Augen).1050
Theobald.
O verflucht ſei,
Mordſchaunder Baſiliſkengeiſt! Mußt’ ich
Auch dieſe Probe deiner Kunſt noch ſehn?
46 Graf Otto (vom Richtſtuhl herabſteigend).1055
Was iſt geſchehn, ihr Herrn?
Wenzel.
Sie ſank zu Boden.
(Sie betrachten ſie).
Graf vom Strahl (zu den Haͤſchern).1060
Fuͤhrt mich hinweg!
Theobald.
Der Hoͤlle zu, du Satan!
Laß ihre ſchlangenhaar’gen Pfoͤrtner dich
An ihrem Eingang, Zauberer, ergreifen,1065
Und dich zehntauſend Klafter tiefer noch,
Als ihr ihre wildſten wild’ſten [nicht emendiert] [nicht emendiert] Flammen lodern, ſchleudern!
Graf Ottto. Otto.
Schweig Alter, ſchweig!
Theobald. (weint).1070
Mein Kind! Mein Kaͤthchen!
Kaͤthchen.
Ach!
Wenzel Wenzel. (freudig).
Sie ſchlaͤgt die Augen auf!1075
Hans.
Sie wird ſich faſſen.
Graf Otto.
Bringt in des Pfoͤrtners Wohnung ſie! Hinweg!
(Alle ab).1080
47

Zweiter Act.

Scene. Wald vor der Hoͤhle des heimlichen Gerichts.

Erſter Auftritt.

Der Graf vom Strahl (tritt auf, mit verbundenen Augen,
gefuͤhrt von zwei Haͤſchern, die ihm die Augen aufbinden, und 1085
alsdann in die Hoͤhle zuruͤckkehren —
Er wirft ſich auf den
Boden nieder und weint).

Nun will ich hier, wie ein Schaͤfer liegen und kla⸗
gen.
Die Sonne ſcheint noch roͤthlich durch die Staͤm⸗
me,
auf welchen die Wipfel des Waldes ruhn; und 1090
wenn ich, nach einer kurzen Viertelſtunde, ſo bald ſie
hinter den Huͤgel geſunken iſt, aufſitze, und mich im
Blachfelde, wo der Weg eben iſt, ein wenig daran
halte, ſo komme ich noch nach Schloß Wetterſtrahl,
ehe die Lichter darin erloſchen ſind.
Ich will mir ein⸗1095
bilden,
meine Pferde dort unten, wo die Quelle rie⸗
ſelt,
waͤren Schaafe und Ziegen, die an dem Felſen
kletterten, und an Graͤſern und bittern Geſtraͤuchen
riſſen; ein leichtes weißes linnenes Zeug bedeckte mich,
mit rothen Baͤndern zuſammengebunden, und um 1100
48mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die
Senfzer, Seufzer, die meiner, von Gram ſehr gepreßten, Bruſt
entquillen, gradaus zu der guten Goͤtter Ohr empor
zu tragen.
Wirklich und wahrhaftig! Ich will meine
Mutterſprache durchblaͤttern, und das ganze, reiche 1105
Kapitel, das dieſe Ueberſchrift fuͤhrt: Empfindung,
dergeſtalt pluͤndern, daß kein Reimſchmidt mehr, auf
eine neue Art, ſoll ſagen koͤnnen: ich bin betruͤbt.

Alles, was die Wehmuth Ruͤhrendes hat, will ich auf⸗
bieten,
Luſt und in den Tod gehende Betruͤbniß ſollen 1110
ſich abwechſeln, und meine Stimme, wie einen ſchoͤnen
Taͤnzer, durch alle Beugungen hindurch fuͤhren, die
die Seele bezaubern; und wenn die Baͤume nicht in
der That bewegt werden, und ihren milden Thau, als
ob es geregnet haͤtte, herabtraͤufeln laſſen, ſo ſind ſie 1115
von Holz, und Alles, was uns die Dichter von ihnen
ſagen, ein bloßes liebliches Maͤhrchen.
O du — — —
wie nenn ich dich?
Kaͤthchen! Warum kann ich dich
nicht mein nennen?
Kaͤthchen, Maͤdchen, Kaͤthchen!
Warum kann ich dich nicht mein nennen? Warum 1120
kann ich dich nicht aufheben, und in das duftende
Himmelbett tragen, das mir die Mutter, daheim im
Prunkgemach, aufgerichtet hat?
Kaͤthchen, Kaͤthchen,
Kaͤthchen!
Du, deren junge Seele, als ſie heut nackt
vor mir ſtand, von wolluͤſtiger Schoͤnheit gaͤnzlich 1125
triefte, wie die mit Oelen geſalbte Braut eines Per⸗
ſer-49ſerkoͤnigs,
wenn ſie, auf alle Teppiche niederregnend,
in ſein Gemach gefuͤhrt wird!
Kaͤthchen, Maͤdchen,
Kaͤthchen!
Warum kann ich es nicht? Du Schoͤnere,
als ich ſingen kann, ich will eine eigene Kunſt erfinden, 1130
und dich weinen.
Alle Phiolen der Empfindung, himm⸗
liſche
und irdiſche, will ich eroͤffnen, und eine ſolche
Miſchung von Thraͤnen, einen Erguß ſo eigenthuͤm⸗
licher
Art, ſo heilig zugleich und uͤppig, zuſammen⸗
ſchuͤtten,
daß jeder Menſch gleich, an deſſen Hals 1135
ich ſie weine, ſagen ſoll: ſie fließen dem Kaͤthchen
von Heilbronn! — — —
Ihr grauen, baͤrtigen Alten. Alten,
was wollt ihr?
Warum verlaßt ihr eure goldnen
Rahmen, ihr Bilder meiner geharniſchten, Vaͤter geharniſchten Vaͤter, die
meinen Ruͤſtſaal bevoͤlkern, und tretet, in unruhiger 1140
Verſammlung, hier um mich herum, eure ehrwuͤrdi⸗
gen
Locken ſchuͤttelnd?
Nein, nein, nein! Zum Weibe,
wenn ich ſie gleich liebe, begehr’ ich ſie nicht; eurem
ſtolzen Reigen will ich mich anſchließen: das war be⸗
ſchloſſne
Sache, noch ehe ihr kamt.
Dich aber, Win⸗1145
fried,
der ihn fuͤhrt, du Erſter meines Namens, Goͤtt⸗
licher
mit der Scheitel des Zevs, dich frag’ ich, ob
die Mutter meines Geſchlechts war, wie dieſe: von
jeder frommen Jugend ſtrahlender, makelloſer an Leib
und Seele, mit jedem Liebreiz geſchmuͤckter, als ſie?
1150
O Winfried! Grauer Alter! Ich kuͤſſe dir die Hand,
und danke dir, daß ich bin; doch haͤtteſt du ſie an
[ 4 ]50die ſtaͤhlerne Bruſt gedruͤckt, du haͤtteſt ein Geſchlecht
von Koͤnigen erzeugt, und Wetter vom Strahl hieße
jedes Gebot auf Erden!
Ich weiß, daß ich mich faſ⸗1155
ſen
und dieſe Wunde vernarben werde: denn welche
Wunde vernarbte nicht der Menſch?
Doch wenn ich
jemals ein Weib finde, Kaͤthchen, dir gleich: ſo will
ich die Laͤnder durchreiſen, und die Sprachen der
Welt lernen, und Gott preiſen in jeder Zunge, die 1160
geredet wird. — Gottſchalk!

Zweiter Auftritt.

Gottſchalk. Der Graf vom Strahl.
Gottſchalk (draußen).

Heda! Herr Graf vom Strahl!1165

Graf vom Strahl.

Was giebts?

Gottſchalk.

Was zum Henker! — — Ein Bote iſt angekom⸗
men
von eurer Mutter.
1170

Der Graf vom Strahl.

Ein Bote?

Gottſchalk.

Geſtreckten Laufs, keuchend, mit verhaͤngtem Zuͤ⸗
gel;
mein Seel, wenn euer Schloß ein eiſerner Bo⸗1175
51gen
und er ein Pfeil geweſen waͤre, er haͤtte nicht
raſcher herangeſchoſſen werden koͤnnen.

Der Graf vom Strahl.

Was hat er mir zu ſagen?

Gottſchalk.1180

He! Ritter Franz!

Dritter Auftritt.

Ritter Flammberg (tritt auf). Die Vorigen.
Der Graf vom Strahl.

Flammberg! — Was fuͤhrt dich ſo eilig zu mir her?1185

Flammberg.

Gnaͤdigſter Herr! eurer Mutter, der Graͤfin, Ge⸗
bot;
ſie befahl mir den beſten Renner zu nehmen,
und euch entgegen zu reiten!

Der Graf vom Strahl.1190

Nun? Und was bringſt du mir?

Flammberg.

Krieg, bei meinem Eid, Krieg! Ein Aufgebot zu
neuer Fehde, warm, wie ſie es eben von des Herolds
Lippen empfangen hat.
1195

Graf vom Strahl (betreten).

Weſſen? — Doch nicht des Burggrafen, mit dem
ich eben den Frieden abſchloß?

(er ſetzt ſich den Helm auf).
52 Flammberg.1200

Des Rheingrafen, des Junkers vom Stein, der
unten am weinumbluͤhten Neckar ſeinen Sitz hat.

Der Graf vom Strahl.

Des Rheingrafen! — Was hab ich mit dem Rhein⸗
grafen
zu ſchaffen, Flammberg?
1205

Flammberg.

Mein Seel! Was hattet ihr mit dem Burggrafen
zu ſchaffen?
Und was wollte ſo mancher Andere von
euch, ehe ihr mit dem Burggrafen zu ſchaffen kriegtet?

Wenn ihr den kleinen griechiſchen Feuerfunken nicht 1210
austretet, der dieſe Kriege veranlaßt, ſo ſollt ihr noch
das ganze Schwabengebirge wider euch auflodern ſehen,
und die Alpen und den Hundsruͤck obenein.

Der Graf vom Strahl.

Es iſt nicht moͤglich! Fraͤulein Kunigunde —1215

Flammberg.

Der Rheingraf fordert, im Namen Fraͤulein Kuni⸗
gundens
von Thurneck, den Wiederkauf eurer Herr⸗
ſchaft
Stauffen; jener drei Staͤdtlein und ſiebzehn
Doͤrfer und Vorwerker, eurem Vorfahren Otto, von 1220
Peter, dem ihrigen, unter der beſagten Clauſel, kaͤuf⸗
lich
abgetreten; grade ſo, wie dies der Burggraf von
Freiburg, und, in fruͤheren Zeiten ſchon ihre Vettern,
in ihrem Namen gethan haben.

Der Graf vom Strahl (ſteht auf).1225

Die raſende Megaͤre! Iſt das nicht der dritte
53Reichsritter, den ſie mir, einem Hund’ gleich, auf
den Hals hetzt, um mir dieſe Landſchaft abzujagen!

Ich glaube, das ganze Reich frißt ihr aus der Hand.
Kleopatra fand Einen, und als der ſich den Kopf zer⸗1230
ſchellt
hatte, ſchauten die Anderen; doch ihr dient
Alles, was eine Ribbe weniger hat, als ſie, und fuͤr
jeden Einzelnen, den ich ihr zerzauſ’t zuruͤckſende, ſte⸗
hen
zehn Andere wider mich auf — Was fuͤhrt’ er
fuͤr Gruͤnde an?
1235

Flammberg.

Wer? Der Herold?

Graf vom Strahl.

Was fuͤhrt’ er fuͤr Gruͤnde an?

Flammberg.1240

Ei, geſtrenger Herr, da haͤtt’ er ja roth werden
muͤſſen.

Der Graf vom Strahl.

Er ſprach von Peter von Thurneck — nicht?
Und von der Landſchaft unguͤltigem Verkauf?1245

Flammberg.

Allerdings. Und von den ſchwaͤbiſchen Geſetzen;
miſchte Pflicht und Gewiſſen bei jedem dritten Wort,
in die Rede, und rief Gott zum Zeugen an, daß
nichts als die reinſten Abſichten ſeinen Herrn, den 1250
Rheingrafen, vermoͤgten, des Fraͤuleins Sache zu
ergreifen.

54 Der Graf vom Strahl.

Aber die rothen Wangen der Dame behielt er
fuͤr ſich?
1255

Flammberg.

Davon hat er kein Wort geſagt.

Der Graf vom Strahl.

Daß ſie die Pocken kriegte! Ich wollte, ich koͤnnte
den Nachtthau in Eimern auffaſſen, und uͤber ihren 1260
weißen Hals ausgießen!
Ihr kleines verwuͤnſchtes
Geſicht iſt der letzte Grund aller dieſer Kriege wider
mich; und ſo lange ich den Maͤrzſchnee nicht vergif⸗
ten
kann, mit welchem ſie ſich waͤſcht, hab’ ich auch
vor den Rittern des Landes keine Ruhe.
Aber Ge⸗1265
duld
nur! —
Wo haͤlt ſie ſich jetzt auf?

Flammberg.

Auf der Burg zum Stein, wo ihr ſchon ſeit drei
Tagen Prunkgelage gefeiert werden, daß die Feſte
des Himmels erkracht, und Sonne, Mond und Sterne 1270
nicht mehr angeſehen werden.
Der Burggraf, den
ſie verabſchiedet hat, ſoll Rache kochen, und wenn
ihr einen Boten an ihn abſendet, ſo zweifl’ ich nicht,
er zieht mit euch gegen den Rheingrafen zu Felde.

Graf vom Strahl.1275

Wohlan! Fuͤhrt mir die Pferde vor, ich will rei⸗
ten.
—
Ich habe dieſer jungen Aufwieglerin verſpro⸗
chen,
wenn ſie die Waffen ihres kleinen ſchelmiſchen
55Angeſichts nicht ruhen ließe wider mich, ſo wuͤrd’
ich ihr einen Poſſen zu ſpielen wiſſen, daß ſie es ewig 1280
in einer Scheide tragen ſollte; und ſo wahr ich dieſe
Rechte aufhebe, ich halte Wort! —
Folgt mir, meine
Freunde!

(Alle ab).

Scene. Koͤhlerhuͤtte im Gebirg. Nacht, Donner und Blitz.1285

Vierter Auftritt.

Burggraf von Freiburg und Georg von Wald⸗
ſtaͤdten
[emendiert in ›Waldstätten‹] [emendiert in ›Waldstätten‹]
(treten auf).

Freiburg (in die Scene rufend).

Hebt ſie vom Pferd’ herunter! — (Blitz und Donner⸗1290
ſchlag).
— Ei, ſo ſchlag’ ein wo du willſt; nur nicht
auf die Scheitel, belegt mit Kreide, meiner lieben
Braut, der Kunigunde von Thurneck!

Eine Stimme (außerhalb)

He! Wo ſeid ihr?1295

Freiburg.

Hier!

Georg.

Habt ihr jemals eine ſolche Nacht erlebt?

Freiburg.1300

Das gießt vom Himmel herab, Wipfel und Berg⸗
56ſpitzen
erſaͤufend, als ob eine zweite Suͤndfluth heran⸗
braͤche.
— Hebt ſie vom Pferd’ herunter!

Eine Stimme (außerhalb).

Sie ruͤhrt ſich nicht.1305

Eine Andere.

Sie liegt, wie todt, zu des Pferdes Fuͤßen da.

Freiburg.

Ei, Poſſen! Da Das thut ſie bloß, um ihre falſchen
Zaͤhne nicht zu verlieren.
Sagt ihr, ich waͤre der 1310
Burggraf von Freiburg und die aͤchten, die ſie im
Mund’ haͤtte, haͤtte ich gezaͤhlt. —
So! bringt ſie her.

Ritter Schauermann (erſcheint) das Fraͤulein von
Thurneck (auf der Schulter tragend).

Georg.1315

Dort iſt eine Koͤhlerhuͤtte.

Fuͤnfter Auftritt.

Ritter Schauermann mit dem Fraͤulein, Ritter Wetzlaf
und die Reiſigen des Burggrafen.
Zwei Koͤhler.
Die Vorigen.1320
Freiburg (an die Koͤhlerhuͤtte klopfend).

Heda!

Der erſte Koͤhler (drinnen).

Wer klopfet?

57 Freiburg.1325

Frag’ nicht, du Schlingel, und mach’ auf.

Der zweite Koͤhler (eben ſo).

Holla! Nicht eher bis ich den Schluͤſſel umgekehrt
habe.
Wird doch der Kaiſer nicht vor der Thuͤr ſein?

Freiburg.1330

Hallunke! Wenn nicht der, doch Einer, der hier
regiert, und den Scepter gleich vom Aſt brechen wird,
um’s dir zu zeigen.

Der erſte Koͤhler (auftretend, eine Laterne in der Hand).

Wer ſeid ihr? Was wollt ihr?1335

Freiburg.

Ein Rittersmann bin ich; und dieſe Dame, die
hier todtkrank herangetragen wird, das iſt —

Schauermann (von hinten).

Das Licht weg!1340

Wetzlaf.

Schmeißt ihm die Laterne aus der Hand!

Freiburg (indem er ihm die Laterne wegnimmt).

Spitzbube! Du willſt hier leuchten?

Der erſte Koͤhler.1345

Ihr Herren, ich will hoffen, der Groͤßeſte unter
euch bin ich!
Warum nehmt ihr mir die Laterne
weg?

Der zweite Koͤhler.

Wer ſeid ihr? Und was wollt ihr?1350

58 Freiburg.

Rittersleute, du Flegel, hab ich dir ſchon geſagt!

Georg.

Wir ſind reiſende Ritter, ihr guten Leute, die das
Unwetter uͤberraſcht hat.
1355

Freiburg. (unterbricht ihn).

Kriegsmaͤnner, die von Jeruſalem kommen, und
in ihre Heimath ziehen; und jene Dame dort, die
herangetragen wird, von Kopf zu Fuß in einem Man⸗
tel
eingewickelt, das iſt —
1360

(Ein Gewitterſchlag).
Der erſte Koͤhler.

Ei, ſo plaͤrr’ du, daß die Wolken reißen! — Von
Jeruſalem, ſagt ihr?

Der zweite Koͤhler.1365

Man kann vor dem breitmaͤuligen Donner kein
Wort verſtehen.

Freiburg.

Von Jeruſalem, ja.

Der zweite Koͤhler.1370

Und das Weibſen, das herangetragen wird — ?

Georg (auf den Burggrafen zeigend).

Das iſt des Herren kranke Schweſter, ihr ehrlichen
Leute, und begehrt —

Freiburg (unterbricht ihn).1375

Das iſt jenes Schweſter, du Schuft, und meine
59Gemahlin; todtkrank, wie du ſiehſt, von Schloſ⸗
ſen
und Hagel halb erſchlagen, ſo daß ſie kein Wort
vorbringen kann: die begehrt eines Platzes in deiner
Huͤtte, bis das Ungewitter voruͤber und der Tag an⸗1380
gebrochen
iſt.

Der erſte Koͤhler.

Die begehrt einen Platz in meiner Huͤtte?

Georg.

Ja, ihr guten Koͤhler; bis das Gewitter voruͤber 1385
iſt, und wir unſre Reiſe fortſetzen koͤnnen.

Der zweite Koͤhler.

Mein Seel, da habt ihr Worte geſagt, die waren
den Lungenodem nicht werth, womit ihr ſie ausge⸗
ſtoßen.
1390

Der erſte Koͤhler.

Iſaak!

Freiburg.

Du willſt das thun?

Der zweite Koͤhler.1395

Des Kaiſers Hunden, ihr Herrn, wenn ſie vor
meiner Thuͤr darum heulten. —
Iſaak! Schlingel!
hoͤrſt nicht?

Junge (in der Huͤtte).

He! ſag’ ich. Was giebts?1400

Der zweite Koͤhler.

Das Stroh ſchuͤttle auf, Schlingel, und die De⸗
60cken
druͤberhin; ein krank Weibſen wird kommen und
Platz nehmen, in der Huͤtten!
Hoͤrst du?

Freiburg.1405

Wer ſpricht drin?

Der erſte Koͤhler.

Ei, ein Flachskopf von zehn Jahren, der uns an
die Hand geht.

Freiburg.1410

Gut. — Tritt heran, Schauermann! hier iſt ein
Knebel losgegangen.

Schauermann.

Wo?

Freiburg.1415

Gleichviel! — In den Winkel mit ihr hin, dort!
— — Wenn der Tag anbricht, werd ich dich rufen.

(Schauermann traͤgt das Fraͤulein in die Huͤtte).

Sechſter Auftritt.

Die Vorigen (ohne Schauermann und das Fraͤulein.)1420
Freiburg.

Nun, Georg, alle Saiten des Jubels ſchlag ich
an: wir haben ſie; wir haben dieſe Kunigunde von
Thurneck!
So wahr ich nach meinem Vater getauft
61bin, nicht um den ganzen Himmel, um den meine 1425
Jugend gebetet hat, geb’ ich die Luſt weg, die mir be⸗
ſcheert
iſt, wenn der morgende Tag anbricht! —.

Warum kamſt du nicht fruͤher von Waldſtaͤdten emendiert in ›Waldstätten‹ emendiert in ›Waldstätten‹ herab?

Georg.

Weil du mich nicht fruͤher rufen ließeſt.1430

Freiburg.

O, Georg! Du haͤtteſt ſie ſehen ſollen, wie ſie
daher geritten kam, einer Fabel gleich, von den Rit⸗
tern
des Landes umringt, gleich einer Sonne, unter
ihren Planeten!
Wars nicht, als ob ſie zu den Kie⸗1435
ſeln
ſagte, die unter ihr Funken ſpruͤhten: ihr muͤßt
mir ſchmelzen, wenn ihr mich ſeht?
Thaleſtris, die
Koͤnigin der Amazonen, als ſie herabzog vom Kauka⸗
ſus,
Alexander den Großen zu bitten, daß er ſie kuͤſſe:
ſie war nicht reizender und goͤttlicher, als ſie.
1440

Georg.

Wo fingſt du ſie?

Freiburg.

Fuͤnf Stunden, Georg, fuͤnf Stunden von der
Steinburg, wo ihr der Rheingraf, durch drei Tage, 1445
ſchallende Jubelfeſte gefeiert hatte.
Die Ritter, die
ſie begleiteten, hatten ſie kaum verlaſſen, da werf’ ich
ihren Vetter Iſidor, der bey ihr geblieben war, in
den Sand, und auf den Rappen mit ihr, und auf
und davon.
1450

62 Georg.

Aber, Max! Max! Was haſt du —?

Freiburg.

Ich will dir ſagen, Freund —

Georg.1455

Was bereiteſt du dir, mit allen dieſen ungeheuren
Anſtalten, vor?

Freiburg.

Lieber! Guter! Wunderlicher! Honig von Hybla,
fuͤr dieſe vom Durſt der Rache zu Holz vertrocknete 1460
Bruſt.
Warum ſoll dies weſenloſe Bild laͤnger, einer
olympiſchen Goͤttin gleich, auf dem Fußgeſtell pran⸗
gen,
die Hallen der chriſtlichen Kirchen von uns und
unſers Gleichen entvoͤlkernd?
Lieber angefaßt, und
auf den Schutt hinaus, das Oberſte zu Unterſt, damit 1465
mit Augen erſchaut wird, daß kein Gott in ihm wohnt.

Georg.

Aber in aller Welt, ſag’ mir, was iſt’s, das dich
mit ſo raſendem Haß gegen ſie erfuͤllt?

Freiburg.1470

O Georg! Der Menſch wirft Alles, was er ſein
nennt, in eine Pfuͤtze, aber kein Gefuͤhl.
Georg, ich
liebte ſie, und ſie war deſſen nicht werth.
Ich liebte
ſie und ward verſchmaͤht, Georg; und ſie war mei⸗
ner
Liebe nicht werth.
Ich will dir was ſagen — 1475
Aber es macht mich blaß, wenn ich daran denke. Ge⸗
63org!
Georg! Wenn die Teufel um eine Erfindung
verlegen ſind; ſo muͤſſen ſie einen Hahn fragen der
ſich vergebens um eine Henne gedreht hat, und hin⸗
terher
ſieht, daß ſie, vom Ausſatz zerfreſſen, zu ſeinem 1480
Spaße nicht taugt.

Georg.

Du wirſt keine unritterliche Rache an ihr aus⸗
uͤben?

Freiburg.1485

Nein; Gott behuͤt’ mich! Keinem Knecht muth’
ich zu, ſie an ihr zu vollziehn. —
Ich bringe ſie nach
der Steinburg zum Rheingrafen zuruͤck, wo ich nichts
thun will, als ihr das Halstuch abnehmen: das ſoll
meine ganze Rache ſein!
1490

Georg.

Was! Das Halstuch abnehmen?

Freiburg.

Ja Georg; und das Volk zuſammen rufen.

Georg.1495

Nun, und wenn das geſchehn iſt, da willſt du —?

Freiburg.

Ei, da will ich uͤber ſie philoſophiren. Da will
ich euch einen metaphyſiſchen Satz uͤber ſie geben,
wie Platon, und meinen Satz nachher erlaͤutern, wie 1500
der luſtige Diogenes gethan.
Der Menſch iſt — —
Aber ſtill: (er horcht).

64 Georg.

Nun! Der Menſch iſt? —

Freiburg.1505

Der Menſch iſt, nach Platon, ein zweibeinigtes,
ungefiedertes Thier; du weißt, wie Diogenes dies
bewieſen; einen Hahn, glaub’ ich, rupft er, und warf
ihn unter das Volk. —
Und dieſe Kunigunde, Freund,
dieſe Kunigunde von Thurneck, die iſt nach mir — 1510
— —
Aber ſtill! So wahr ich ein Mann bin: dort
ſteigt jemand vom Pferd!

Siebenter Auftritt.

Der Graf vom Strahl und Ritter Flammberg
(treten auf. Nachher) Gottſchalk. —
Die Vorigen. 1515
Der Graf vom Strahl (an die Huͤtte klopfend).

Heda! Ihr wackern Koͤhlersleute!

Flammberg.

Das iſt eine Nacht, die Woͤlfe in den Kluͤften
um ein Unterkommen anzuſprechen.
1520

Graf vom Strahl.

Iſts erlaubt, einzutreten?

Freiburg (ihm in den Weg).

Erlaubt, ihr Herrn! Wer ihr auch ſein moͤgt dort —

Georg.1525

Ihr koͤnnt hier nicht einkehren.

Graf 65 Graf vom Strahl.

Nicht? Warum nicht?

Freiburg.

Weil kein Raum drin iſt, weder fuͤr euch noch fuͤr 1530
uns.
Meine Frau liegt darin todtkrank, den einzi⸗
gen
Winkel der leer iſt mit ihrer Bedienung erfuͤl⸗
lend:
ihr werdet ſie nicht daraus vertreiben wollen.

Graf vom Strahl.

Nein, bei meinem Eid! Vielmehr wuͤnſche ich, 1535
daß ſie ſich bald darin erholen moͤge. —
Gottſchalk!

Flammberg.

So muͤſſen wir beim Gaſtwirth zum blauen Him⸗
mel
uͤbernachten.

Graf vom Strahl.1540

Gottſchalk ſag’ ich!

Gottſchalk (draußen).

Hier!

Graf vom Strahl.

Schaff die Decken her! Wir wollen uns hier ein 1545
Lager bereiten, unter den Zweigen.

Gottſchalk und der Koͤhlerjunge (treten auf).
Gottſchalk (indem er ihnen die Decken bringt).

Das weiß der Teufel, was das hier fuͤr eine Wirth⸗
ſchaft
iſt.
Der Junge ſagt, drinnen waͤre ein gehar⸗1550
niſchter
Mann, der ein Fraͤulein bewachte: das laͤge
[ 5 ]66geknebelt und mit verſtopftem Munde da, wie ein
Kalb, das man zur Schlachtbank bringen will.

Graf vom Strahl.

Was ſagſt du? Ein Fraͤulein? Geknebelt und mit 1555
verſtopftem Munde? —
Wer hat dir das geſagt?

Flammberg.

Jung’! Woher weißt du das?

Koͤhlerjunge (erſchrocken).

St! — Um aller Heiligen willen! Ihr Herren, 1560
was macht ihr?

Graf vom Strahl.

Komm her.

Koͤhlerjunge.

Ich ſage: St!1565

Flammberg.

Jung’! Wer hat dir das geſagt? So ſprich.

Koͤhlerjunge (heimlich nachdem er ſich umgeſehen).

Hab’s geſchaut, ihr Herren. Lag auf dem Stroh,
als ſie ſie hineintrugen, und ſprachen, ſie ſei krank. 1570
Kehrt’ ihr die Lampe zu und erſchaut; daß ſie geſund
war, und Wangen hatt’ als wie unſre Lore.
Und wim⸗
mert’
und druckt mir die Haͤnd’ und blinzelte, und
sprach ſo vernehmlich, wie ein kluger Hund: mach
mich los, lieb Buͤbel, mach’ mich los! daß ich’s mit 1575
Augen hoͤrt’ und mit den Fingern verſtand.

Graf vom Strahl.

Jung’, du flachskoͤpfiger; ſo thu’s!

67 Flammberg.

Was ſaͤumſt du? Was machſt du?1580

Graf vom Strahl.

Bind’ ſie los und ſchick ſie her!

Koͤhlerjunge (ſchuͤchtern).

St! ſag’ ich. — Ich wollt, daß ihr zu Fiſchen
wuͤrdet! —
Da erheben ſich ihrer drei ſchon und kom⸗1585
men
her, und ſehen, was es giebt?

(er blaͤſ’t ſeine Laterne aus).
Graf vom Strahl.

Nichts, du wackrer Junge, nichts.

Flammberg.1590

Sie haben nichts davon gehoͤrt.

Graf vom Strahl.

Sie wechſeln bloß um des Regens willen ihre
Plaͤtze.

Koͤhlerjunge (ſieht ſich um).1595

Wollt ihr mich ſchuͤtzen?

Graf vom Strahl Strahl.

Ja, ſo wahr ich ein Ritter bin; das will ich.

Flammberg.

Darauf kannſt du dich verlaſſen.1600

Koͤhlerjunge.

Wohlan! Ich will’s dem Vater ſagen. — Schaut
was ich thue, und ob ich in die Huͤtte gehe, oder nicht?

(er ſpricht mit den Alten, die hinten am Feuer ſtehen, und
verliert ſich nachher in die Huͤtte Huͤtte).
1605
68 Flammberg.

Sind das ſolche Kauze? Beelzebubs-Ritter, deren
Ordensmantel die Nacht iſt?
Eheleute, auf der Land⸗
ſtraße
mit Stricken und Banden an einander ge⸗
traut?
1610

Graf vom Strahl.

Krank, ſagten ſie!

Flammberg.

Todtkrank, und dankten fuͤr alle Huͤlfe!

Gottſchalk.1615

Nun wart’! Wir wollen ſie ſcheiden.

(Pauſe.) (Pauſe). [liest ›Panse.)‹]
Schauermann (in der Huͤtte).

He! holla! Die Beſtie!

Graf vom Strahl.1620

Auf, Flammberg; erhebe dich!

(ſie ſtehen auf).
Freiburg.

Was giebt’s?

(Die Parthei des Burggrafen erhebt ſich).1625
Schauermann.

Ich bin angebunden! Ich bin angebunden!

(Das Fraͤulein erſcheint.)
Freiburg.

Ihr Goͤtter! Was erblick’ ich?1630

69

Achter Auftritt.

Fraͤulein Kunigunde von Thurneck (im Reiſekleide, mit
entfeſſelten Haaren).
— Die Vorigen.
Kunigunde (wirft ſich vor dem Grafen vom
Strahl nieder)
1635
Mein Retter! Wer ihr immer ſeid! Nehmt einer
Vielfach geſchmaͤhten und geſchaͤndeten
Jungfrau euch an! Wenn euer ritterlicher Eid
Den Schutz der Unſchuld euch empfiehlt; hier liegt ſie
In Staub geſtreckt, die jetzt ihn von euch fordert!1640
Freiburg.
Reißt ſie hinweg, ihr Maͤnner!
Georg (ihn zuruͤckhaltend)
Max! hoͤr mich an.
Freiburg.1645
Reißt ſie hinweg, ſag’ ich; laßt ſie nicht reden!
Graf vom Strahl.
Halt dort ihr Herrn! Was wollt ihr!
Freiburg.
Was wir wollen?1650
Mein Weib will ich, zum Henker! — Auf! ergreift ſie!
Kunigunde.
Dein Weib? Du Luͤgnerherz!
70 Graf vom Strahl (ſtreng).
Beruͤhr’ ſie nicht!1655
Wenn du von dieſer Dame was verlangſt,
So ſagſt du’s mir! Denn mir gehoͤrt ſie jetzt,
Weil ſie ſich meinem Schutze anvertraut.
(er erhebt ſie).
Freiburg.1660
Wer biſt du, Uebermuͤthiger, daß du
Dich zwiſchen zwey Vermaͤhlte draͤngſt? Wer giebt
Das Recht dir, mir die Gattin zu verweigern?
Kunigunde.
Die Gattin? Boͤſewicht! Das bin ich nicht!1665
Graf vom Strahl.
Und wer biſt du, Nichtswuͤrdiger, daß du
Sie deine Gattin ſagſt, verfluchter Bube,
Daß du ſie dein nennſt, geiler Maͤdchenraͤuber,
Die Jungfrau, dir vom Teufel in der Hoͤlle,1670
Mit Knebeln und mit Banden angetraut?
Freiburg.
Wie? Was? Wer?
Georg.
Max, ich bitte dich.1675
Graf vom Strahl.
Wer biſt du?
Freiburg.
Ihr Herrn, ihr irrt euch ſehr —
71 Graf vom Strahl.1680
Wer biſt du, frag’ ich?
Freiburg.
Ihr Herren, wenn ihr glaubt, daß ich —
Graf vom Strahl.
Schafft Licht her!1685
Freiburg.
Dies Weib hier, das ich mitgebracht, das iſt —
Graf vom Strahl.
Ich ſage Licht herbeigeſchafft!
Gottſchalk und die Koͤhler (kommen mit 1690
Fakeln und Feuerhacken).

Freiburg.
Ich bin —
Georg (heimlich).
Ein Raſender biſt du! Fort! Gleich hinweg!1695
Willſt du auf ewig nicht dein Wappen ſchaͤnden.
Graf vom Strahl.
So, meine wackern Koͤhler; leuchtet mir!
Freiburg. (ſchließt ſein Viſir).
Graf vom Strahl.1700
Wer biſt du jetzt, frag’ ich? Oeffn’ das Viſir.
Freiburg.
Ihr Herrn, ich bin —
Graf vom Strahl.
Oeffn’ das Viſir.1705
72 Freiburg.
Ihr hoͤrt.
Graf vom Strahl.
Meinſt du, leichtfert’ger Bube, ungeſtraft
Die Antwort mir zu weigern, wie ich dir?1710
(er reißt ihm den Helm vom Haupt, der Burggraf
taumelt).

Schauermann.
Schmeißt den Verwegenen doch gleich zu Boden!
Wetzlaf.1715
Auf! Zieht!
Freiburg.
Du Raſender, welch eine That!
(er erhebt ſich, zieht und haut nach dem Grafen, der
weicht aus).
1720
Graf vom Strahl.
Du wehrſt dich mir, du Afterbraͤutigam?
(er haut ihn nieder).
So fahr’ zur Hoͤlle hin, woher du kamſt,
Und feire deine Flitterwochen drin!1725
Wetzlaf.
Entſetzen! Schaut! Er ſtuͤrzt, er wankt, er faͤllt!
Flammberg (dringt vor).
Auf jetzt, ihr Freunde!
Schauermann.1730
Fort! Entflieht!
73 Flammberg.
Schlagt drein!
Jagt das Geſindel voͤllig in die Flucht!
(Die Burggraͤflichen entweichen; niemand bleibt als 1735
Georg, der uͤber den Burggrafen beſchaͤftigt iſt).

Graf vom Strahl (zum Burggrafen).
Freiburg! Was ſeh ich? Ihr allmaͤcht’gen Goͤtter!
Du biſt’s?
Kunigunde (unterdruͤckt).1740
Der undankbare Hoͤllenfuchs!
Graf vom Strahl.
Was galt dir dieſe Jungfrau, du Unſel’ger?
Was wollteſt du mit ihr?
Georg.1745
— Er kann nicht reden.
Blut fuͤllt, vom Scheitel quellend, ihm den Mund.
Kunigunde.
Laßt ihn erſticken drin!
Graf vom Strahl.1750
Ein Traum erſcheint mir’s!
Ein Menſch wie der, ſo wacker ſonſt, und gut.
— Kommt ihm zu Huͤlf’, ihr Leute!
Flammberg.
Auf! Greift an!1755
Und tragt ihn dort in jener Huͤtte Raum.
Kunigunde.
Ins Grab! Die Schaufeln her! Er ſei geweſen!
74 Graf vom Strahl.
Beruhigt euch! — Wie er darnieder liegt,1760
Wird er auch unbeerdigt euch nicht ſchaden.
Kunigunde.
Ich bitt’ um Waſſer!
Graf vom Strahl.
Fuͤhlt ihr euch nicht wohl?1765
Kunigunde.
Nichts, nichts — Es iſt — Wer hilft? — Iſt
hier kein Sitz?
— Weh mir! (ſie wankt).
Graf vom Strahl.1770
Ihr Himmliſchen! He! Gottſchalk! hilf!
Gottſchalk.
Die Fakeln her!
Kunigunde.
Laßt, Laßt!1775
Graf vom Strahl (hat ſie auf einen Sitz gefuͤhrt).
Es geht voruͤber?
Kunigunde.
Das Licht kehrt meinen truͤben Augen wieder. —
Graf vom Strahl.1780
Was war’s, das ſo urploͤtzlich euch ergriff?
Kunigunde.
Ach, mein großmuͤth’ger Retter und Befreier,
Wie nenn’ ich das? Welch ein entſetzensvoller,
75 Unmenſchlicher Frevel war mir zugedacht?1785
Denk’ ich, was ohne euch, vielleicht ſchon jetzt,
Mir widerfuhr, hebt ſich mein Haar empor,
Und meiner Glieder jegliches erſtarrt.
Graf vom Strahl.
Wer ſeid ihr? Sprecht! Was iſt euch widerfah⸗1790
ren?

Kunigunde.
O Seligkeit, euch dies jetzt zu entdecken!
Die That, die euer Arm vollbracht, iſt keiner
Unwuͤrdigen geſchehen; Kunigunde,1795
Freifrau von Thurneck, bin ich, daß ihr’s wißt;
Das ſuͤße Leben, das ihr mir erhieltet,
Wird, außer mir, in Thurneck, dankbar noch
Ein ganz Geſchlecht euch von Verwandten lohnen.
Graf vom Strahl.1800
Ihr ſeid? — Es iſt nicht moͤglich? Kunigunde
Von Thurneck? —
Kunigunde.
Ja, ſo ſagt’ ich! Was erſtaunt ihr?
Graf vom Strahl (ſteht auf).1805
Nun denn, bei meinem Eid, es thut mir Leid,
So kamt ihr aus dem Regen in die Traufe:
Denn ich bin Friedrich Wetter Graf vom Strahl!
Kunigunde.
Was! Euer Name? — Der Name meines Retters? —1810
76 Graf vom Strahl.
Iſt Friedrich Strahl, ihr hoͤrt’s. Es thut mir Leid,
Daß ich euch keinen beſſern nennen kann.
Kunigunde (ſteht auf).
Ihr Himmliſchen! Wie pruͤft ihr dieſes Herz?1815
Gottſchalk (heimlich).
Die Thurneck? hoͤrt’ ich recht?
Flammberg (erſtaunt).
Bei Gott! Sie iſt’s!
(Pauſe).1820
Kunigunde.
Es ſei. Es ſoll mir das Gefuͤhl, das hier
In dieſem Buſen ſich entflammt, nicht ſtoͤren.
Ich will nichts denken, fuͤhlen will ich nichts,
Als Unſchuld, Ehre, Leben, Rettung — Schutz1825
Vor dieſem Wolf, der hier am Boden liegt. —
Komm her, du lieber, goldner Knabe, du,
Der mich befreit, nimm dieſen Ring von mir,
Es iſt jetzt Alles, was ich geben kann:
Einſt lohn’ ich wuͤrdiger, du junger Held,1830
Die That dir, die mein Band geloͤſ’t, die muthige,
Die mich vor Schmach bewahrt, die mich errettet,
Die That, die mich zur Seeligen gemacht!
(ſie wendet ſich zum Grafen).
Euch, mein Gebieter — Euer nenn’ ich Alles,1835
77 Was mein iſt! Sprecht! Was habt ihr uͤber mich
beſchloſſen?
In eurer Macht bin ich; was muß geſchehn?
Muß ich nach eurem Ritterſitz euch folgen?
Graf vom Strahl (nicht ohne Verlegenheit).1840
Mein Fraͤulein — es iſt nicht eben allzuweit.
Wenn ihr ein Pferd beſteigt, ſo koͤnnt ihr bei
Der Graͤfin, meiner Mutter, uͤbernachten.
Kunigunde.
Fuͤhrt mir das Pferd vor!1845
Graf vom Strahl (nach einer Pauſe).
Ihr vergebt mir,
Wenn die Verhaͤltniſſe, in welchen wir —
Kunigunde.
Nichts, Nichts! Ich bitt euch ſehr! Beſchaͤmt 1850
mich nicht!
In eure Kerker klaglos wuͤrd’ ich wandern.
Graf vom Strahl.
In meinen Kerker! Was! Ihr uͤberzeugt euch —
Kunigunde (unterbricht ihn).1855
Druͤckt mich mit eurer Großmuth nicht zu Bo⸗
den!
—
Ich bitt’ um eure Hand!
Der Graf vom Strahl.
He! Fackeln! Leuchtet!1860
(ab).
78

Scene. Schloß Wetterſtrahl. Ein Gemach in der Burg.

Neunter Auftritt.

Kunigunde (in einem halb vollendeten, romantiſchen Anzuge,
tritt auf, und ſetzt ſich vor einer Toilette nieder. Hinter ihr ihr)
1865
Roſalie und die alte Brigitte.

Roſalie (zu Brigitten).

Hier, Muͤtterchen, ſetz dich! Der Graf vom Strahl
hat ſich bei meinem Fraͤulein anmelden laſſen; ſie laͤßt
ſich nur noch die Haare von mir zurecht legen, und 1870
mag gern dein Geſchwaͤtz hoͤren.

Brigitte (die ſich geſetzt).

Alſo ihr ſeid Fraͤulein Kunigunde von Thurneck?

Kunigunde.

Ja Muͤtterchen; das bin ich.1875

Brigitte.

Und nennt euch eine Tochter des Kaiſers?

Kunigunde.

Des Kaiſers? Nein; wer ſagt dir das? Der jetzt
lebende Kaiſer iſt mir fremd; die Urenkelin eines der 1880
vorigen Kaiſer bin ich, die in verfloſſenen Jahrhun⸗
derten,
auf dem deutſchen Thron ſaßen.

Brigitte.
O Herr! Es iſt nicht moͤglich? Die Urenkeltochter —
Kunigunde.1885
Nun ja!
79 Roſalie.

Hab ich es dir nicht geſagt?

Brigitte.

Nun, bei meiner Treu, ſo kann ich mich ins 1890
Grab legen: der Traum des Grafen vom Strahl
iſt aus!

Kunigunde.

Welch ein Traum?

Roſalie.1895

Hoͤrt nur, hoͤrt! Es iſt die wunderlichſte Ge⸗
ſchichte
von der Welt! — —
Aber ſei buͤndig, Muͤt⸗
terchen,
und ſpare den Eingang; denn die Zeit, wie
ich dir ſchon geſagt, iſt kurz.

Brigitte.1900

Der Graf war gegen das Ende des vorletzten Jah⸗
res,
nach einer ſeltſamen Schwermuth, von welcher
kein Menſch die Urſache ergruͤnden konnte, erkrankt;
matt lag er da, mit glutrothem Antlitz und phanta⸗
ſirte;
die Aerzte, die ihre Mittel erſchoͤpft hatten, 1905
ſprachen, er ſei nicht zu retten.
Alles, was in ſeinem
Herzen verſchloſſen war, lag nun, im Wahnſin des
Fiebers, auf ſeiner Zunge: er ſcheide gern, ſprach er ſprach er,
von hinnen; das Maͤdchen, das faͤhig waͤre, ihn zu
lieben, ſei nicht vorhanden; Leben aber ohne Liebe ſei 1910
Tod; die Welt nannt’ er ein Grab, und das Grab eine
Wiege, und meinte, er wuͤrde nun erſt gebohren wer⸗
80den.
— Drei hintereinander folgende Naͤchte, waͤh⸗
rend
welcher ſeine Mutter nicht von ſeinem Bette
wich, erzaͤhlte er ihr, ihm ſei ein Engel erſchienen 1915
und habe ihm zugerufen: Vertraue, vertraue, ver⸗
traue!
Auf der Graͤfin Frage: ob ſein Herz ſich, durch
dieſen Zuruf des Himmliſchen, nicht geſtaͤrkt fuͤhle?
antwortete er: Geſtaͤrkt? Nein! — und mit einem
Seufzer ſetzte er hinzu: „doch! doch, Mutter! Wenn 1920
ich ſie werde geſehen haben!“ —
Die Graͤfin fragt:
und wirſt du ſie ſehen?
„Gewiß!“ antwortet er.
Wann? fragt ſie.
Wo? — In der Sylveſternacht,
wenn das neue Jahr eintritt; da wird er mich zu ihr
fuͤhren.
Wer? fragt ſie, Lieber; zu wem? Der Engel, 1925
ſpricht er, zu meinem Maͤdchen — wendet ſich und
ſchlaͤft ein.

Kunigunde.

Geſchwaͤtz!

Roſalie.1930

Hoͤrt ſie nur weiter. — Nun?

Brigitte.

Drauf in der Sylveſternacht, in dem Augenblick,
da eben das Jahr wechſelt, hebt er ſich halb vom La⸗
ger
empor, ſtarrt, als ob er eine Erſcheinung haͤtte, ins 1935
Zimmer hinein, und, indem er mit der Hand zeigt:
„Mutter! Mutter! Mutter!“ ſpricht er.
Was giebt’s?
fragt ſie.
„Dort! Dort!“ Wo? „Geſchwind!“
ſpricht81ſpricht er —
Was? — „Den Helm! Den Harniſch!
Das Schwerdt!“ — Wo willſt du hin? fragt die Mut⸗1940
ter.
„Zu ihr,“ ſpricht er; „zu ihr! So! ſo! ſo!“
und ſinkt zuruͤck; „Ade, Mutter Ade!“ ſtreckt alle
Glieder von ſich, und liegt wie todt.

Kunigunde.

Todt?1945

Roſalie.

Todt, ja!

Kunigunde.

Sie meint, einem Todten gleich.

Roſalie.1950

Sie ſagt, todt! Stoͤrt ſie nicht. — Nun?

Brigitte.

Wir horchten an ſeiner Bruſt: es war ſo ſtill
darin, wie in einer leeren Kammer.
Eine Feder ward
ihm vorgehalten, ſeinen Athem zu pruͤfen: ſie ruͤhrte 1955
ſich nicht.
Der Arzt meinte in der That, ſein Geiſt
habe ihn verlaſſen; rief ihm aͤngſtlich ſeinen Namen
ins Ohr; reizt’ ihn, um ihn zu erwecken, mit Geruͤ⸗
chen;
reizt’ ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm
ein Haar aus, daß ſich das Blut zeigte; vergebens: 1960
er bewegte kein Glied und lag, wie todt.

Kunigunde.

Nun? Darauf?

[ 6 ] 82 Brigitte.

Darauf, nachdem er einen Zeitraum ſo gelegen, 1965
faͤhrt er auf, kehrt ſich, mit dem Ausdruck der Be⸗
truͤbniß,
der Wand zu, und ſpricht : „Ach! Nun brin⸗
gen
ſie die Lichter!
Nun iſt ſie mir wieder verſchwun⸗
den!“
— gleichſam, als ob er durch den Glanz der⸗
ſelben
verſcheucht wuͤrde. —
Und da die Graͤfin ſich 1970
uͤber ihn neigt und ihn an ihre Bruſt hebt und ſpricht:
Mein Friedrich!
Wo warſt du? „Bei ihr,“ verſetzt
er, mit freudiger Stimme; „bei ihr, die mich liebt!
bei der Braut, die mir der Himmel beſtimmt hat!

Geh, Mutter geh, und laß nun in allen Kirchen fuͤr 1975
mich beten: denn nun wuͤnſch’ ich zu leben.“

Kunigunde.

Und beſſert ſich wirklich?

Roſalie.

Das eben iſt das Wunder.1980

Brigitte.

Beſſert ſich, mein Fraͤulein, beſſert ſich, in der
That; erholt ſich, von Stund’ an, gewinnt, wie
durch himmliſchen Balſam geheilt, ſeine Kraͤfte wie⸗
der,
und ehe der Mond ſich erneut, iſt er ſo geſund 1985
wie zuvor.

Kunigunde.

Und erzaͤhlte? — Was erzaͤhlte er nun?

83 Brigitte.

Ach, und erzaͤhlte, und fand kein Ende zu erzaͤh⸗1990
len:
wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die
Nacht geleitet; wie er ſanft des Maͤdchens Schlaf⸗
kaͤmmerlein
eroͤffnet, und alle Waͤnde mit ſeinem Glanz
erleuchtend, zu ihr eingetreten ſei; wie es dagelegen,
das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen an⸗1995
gethan,
und die Augen bei ſeinem Anblick groß auf⸗
gemacht,
und gerufen habe, mit einer Stimme, die
das Erſtaunen beklemmt: „ Mariane!“ welches jemand
geweſen ſein muͤſſe, der in der Nebenkammer geſchla⸗
fen;
wie ſie darauf, vom Purpur der Freude uͤber 2000
und uͤber ſchimmernd, aus dem Bette geſtiegen, und ſich
auf Knieen vor ihm niedergelaſſen, das Haupt geſenkt,
und: mein hoher Herr! geliſpelt; wie der Engel ihm
darauf, daß es eine Kaiſertochter ſei, geſagt, und
ihm ein Maal gezeigt, das dem Kindlein roͤthlich auf 2005
dem Nacken verzeichnet war, — wie er, von unendli⸗
chem
Entzuͤcken durchbebt, ſie eben beim Kinn gefaßt,
um ihr ins Antlitz zu ſchauen: und wie die unſelige
Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und
die ganze Erſcheinung bei ihrem Eintritt wieder ver⸗2010
ſchwunden
ſei.

Kunigunde.

Und nun meinſt du, dieſe Kaiſertochter ſei ich?

Brigitte.

Wer ſonſt?2015

84 Roſalie.

Das ſag’ ich auch.

Brigitte.

Die ganze Strahlburg, bei eurem Einzug, als ſie
erfuhr, wer ihr ſeid, ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf 2020
zuſammen und rief: ſie iſt’s!

Roſalie.

Es fehlte nichts, als daß die Glocken ihre Zun⸗
gen
geloͤſ’t, und gerufen haͤtten: ja, ja, ja!

Kunigunde (ſteht auf).2025

Ich danke dir, Muͤtterchen, fuͤr deine Erzaͤhlung.
Inzwiſchen nimm dieſe Ohrringe zum Andenken, und
entferne dich.

(Brigitte ab).

Zehnter Auftritt.2030

Kunigunde und Roſalie.
Kunigunde (nachdem ſie ſich im Spiegel betrachtet, geht
gedankenlos ans Fenſter und oͤffnet es. —
Pauſe).
Haſt du mir alles dort zurecht gelegt,
Was ich dem Grafen zugedacht, Roſalie?2035
Urkunden, Briefe, Zeugniſſe?
Roſalie (am Tiſch zuruͤck geblieben).
Hier ſind ſie.
In dieſem Einſchlag liegen ſie beiſammen beiſammen.
85 Kunigunde.2040
Gieb mir doch —
(ſie nimmt eine Leimruthe, die draußen befeſtigt iſt, herein).
Roſalie.
Was, mein Fraͤulein?
Kunigunde. (lebhaft).2045
Schau, o Maͤdchen!
Iſt dies die Spur von einem Fittig nicht?
Roſalie (indem ſie zu ihr geht).
Was habt ihr da?
Kunigunde.2050
Leimruthen, die, ich weiß
Nicht wer? an dieſem Fenſter aufgeſtellt!
— Sieh, hat hier nicht ein Fittig ſchon geſtreift?
Roſalie.
Gewiß! Da iſt die Spur. Was war’s? Ein 2055
Zeiſig?
Kunigunde.
Ein Finkenhaͤhnchen war’s, das ich vergebens
Den ganzen Morgen ſchon herangelockt.
Roſalie.2060
Seht nur dies Federchen. Das ließ er ſtecken!
Kunigunde (gedankenvoll).
Gieb mir doch —
Roſalie.
Was, mein Fraͤulein? Die Papiere?2065
86 Kunigunde (lacht und ſchlaͤgt ſie).
Schelmin! — Die Hirſe will ich, die dort ſteht.
Roſalie (lacht und, und geht und holt die Hirſe).

Eilfter Auftritt.

Ein Bedienter (tritt auf). Die Vorigen.2070
Der Bediente.

Graf Wetter vom Strahl, und die Graͤfin ſeine
Mutter!

Kunigunde (wirft Alles aus der Hand).

Raſch! Mit den Sachen weg.2075

Roſalie.

Gleich, gleich!

(ſie macht die Toilette zu und geht ab).
Kunigunde.

Sie werden mir willkommen ſein.2080

Zwoͤlfter Auftritt.

Graͤfin Helena, der Graf vom Strahl (treten auf).
Fraͤulein Kunigunde.
Kunigunde (ihnen entgegen).
Verehrungswuͤrd’ge! Meines Retters Mutter,2085
Wem dank’ ich, welchem Umſtand, das Vergnuͤgen,
87 Daß ihr mir euer Antlitz ſchenkt, daß ihr
Vergoͤnnt, die theuren Haͤnde euch zu kuͤſſen?
Graͤfin.
Mein Fraͤulein, ihr demuͤthigt mich. Ich kam,2090
Um eure Stirn zu kuͤſſen, und zu fragen,
Wie ihr in meinem Hauſe euch befindet?
Kunigunde.
Sehr wohl. Ich fand hier Alles, was ich brauchte.
Ich hatte nichts von eurer Huld verdient,2095
Und ihr beſorgtet mich, gleich einer Tochter.
Wenn irgend etwas mir die Ruhe ſtoͤrte
So war es dies beſchaͤmende Gefuͤhl;
Doch ich bedurfte nur den Augenblick,
Um dieſen Streit in meiner Bruſt zu loͤſen.2100
(Sie wendet ſich zum Grafen).
Wie ſteht’s mit eurer linken Hand, Graf Friedrich?
Der Graf vom Strahl.
Mit meiner Hand? mein Fraͤulein! Dieſe Frage,
Iſt mir empfindlicher als ihre Wunde!2105
Der Sattel wars, ſonſt nichts, an dem ich mich
Unachtſam ſtieß, euch hier vom Pferde hebend.
Graͤfin.
Ward ſie verwundet? — Davon weiß ich nichts.
Kunigunde.2110
Es fand ſich, als wir dieſes Schloß erreichten,
Daß ihr, in hellen Tropfen, Blut entfloß.
88 Graf vom Strahl.
Die Hand ſelbſt, ſeht ihr, hat es ſchon vergeſſen.
Wenn’s Freiburg war, dem ich im Kampf um euch,2115
Dies Blut gezahlt, ſo kann ich wirklich ſagen:
Schlecht war der Preis, um den er euch verkauft.
Kunigunde.
Ihr denkt von ſeinem Werthe ſo — nicht ich.
(indem ſie ſich zur Mutter wendet).2120
— Doch wie? Wollt ihr euch, Gnaͤdigſte, nicht ſetzen?
(ſie holt einen Stuhl, der Graf bringt die andern. Sie
laſſen ſich ſaͤmmtlich nieder).

Graͤfin.
Wie denkt ihr, uͤber eure Zukunft, Fraͤulein?2125
Habt ihr die Lag’, in die das Schickſal euch
Verſetzt, bereits erwogen? Wißt ihr ſchon,
Wie euer Herz darin ſich faſſen wird?
Kunigunde (bewegt).
Verehrungswuͤrdige und gnaͤd’ge Graͤfin,2130
Die Tage, die mir zugemeſſen, denk ich
In Preis und Dank, in immer gluͤhender
Erinnerung deſſ, was juͤngſt fuͤr mich geſchehn,
In unausloͤſchlicher Verehrung eurer,
Und eures Hauſes, bis auf den letzten Odem,2135
Der meine Bruſt bewegt, wenn’s mir vergoͤnnt iſt,
In Thurneck bei den Meinen hinzubringen.
(ſie weint).
89 Graͤfin.
Wann denkt ihr zu den Euren aufzubrechen?2140
Kunigunde.
Ich wuͤnſche — weil die Tanten mich erwarten,
— Wenn’s ſein kann, morgen, — oder mindeſtens —
In dieſen Tagen, abgefuͤhrt zu werden.
Graͤfin.2145
Bedenkt ihr auch, was dem entgegen ſteht?
Kunigunde.
Nichts mehr, erlauchte Frau, wenn ihr mir nur
Vergoͤnnt, mich offen vor euch zu erklaͤren.
(ſie kuͤßt ihr die Hand; ſteht auf und holt die Papiere).2150
Nehmt dies von meiner Hand, Herr Graf vom
Strahl.
Der Graf vom Strahl (ſteht auf).
Mein Fraͤulein! Kann ich wiſſen, was es iſt?
Kunigunde.2155
Die Documente ſind’s, den Streit betreffend,
Um eure Herrſchafft Herrschaft Herrschaft Stauffen, die Papiere
Auf die ich meinen Anſpruch gruͤndete.
Graf vom Strahl.
Mein Fraͤulein, ihr beſchaͤmt mich, in der That!2160
Wenn dieſes Heft, wie ihr zu glauben ſcheint,
Ein Recht begruͤndet: weichen will ich euch,
Und wenn es meine letzte Huͤtte gaͤlte!
90 Kunigunde.
Nehmt, nehmt, Herr Graf vom Strahl! Die 2165
Briefe ſind
Zweideutig, ſeh’ ich ein, der Wiederkauf,
Zu dem ſie mich berechtigen, verjaͤhrt;
Doch waͤr’ mein Recht ſo klar auch, wie die Sonne,
Nicht gegen euch mehr kann ich’s geltend machen.2170
Graf vom Strahl.
Niemals, mein Fraͤulein, niemals, in der That!
Mit Freuden nehm ich, wollt ihr mir ihn ſchenken,
Von euch den Frieden an; doch, wenn auch nur
Der Zweifel eines Rechts auf Staufen [emendiert in ›Stauffen‹] [emendiert in ›Stauffen‹] euer,2175
Das Document nicht, das ihn euch belegt!
Bringt eure Sache vor, bei Kaiſer und bei Reich,
Und das Geſetz entſcheide, wer ſich irrte.
Kunigunde (zur Graͤfin).
Befreit denn ihr, verehrungswuͤrd’ge Graͤfin,2180
Von dieſen leid’gen Documenten mich,
Die mir in Haͤnden brennen, widerwaͤrtig
Zu dem Gefuͤhl, das mir erregt iſt, ſtimmen,
Und mir auf Gottes weiter Welt zu nichts mehr,
Lebt’ ich auch neunzig Jahre, helfen koͤnnen.2185
Graͤfin (ſteht gleichfalls auf).
Mein theures Fraͤulein! Eure Dankbarkeit
Fuͤhrt euch zu weit. Ihr koͤnnt, was eurer ganzen
Familie angehoͤrt, in einer fluͤchtigen
91 Bewegung nicht, die euch ergriff, veraͤußern.2190
Nehmt meines Sohnes Vorſchlag an und laßt
In Wetzlar die Papiere unterſuchen;
Verſichert euch, ihr werdet werth uns bleiben,
Man mag auch dort entſcheiden, wie man wolle.
Kunigunde (mit Affect).2195
Nun denn, der Anſpruch war mein Eigenthum!
Ich brauche keinen Vetter zu befragen,
Und meinem Sohn vererb’ ich einſt mein Herz!
Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemuͤhn:
Hier dieſe raſche Bruſt entſcheidet ſo!2200
(ſie zerreißt die Papiere und laͤßt ſie fallen).
Graͤfin.
Mein liebes, junges, unbeſonnes Kind,
Was habt ihr da gethan? — — Kommt her,
Weil’s doch geſchehen iſt, daß ich euch kuͤſſe.2205
(ſie umarmt ſie).
Kunigunde.
Ich will daß dem Gefuͤhl, das mir entflammt,
Im Buſen iſt, nichts fuͤrder widerſpreche!
Ich will, die Scheidewand ſoll niederſinken,2210
Die zwiſchen mir und meinem Retter ſteht!
Ich will mein ganzes Leben ungeſtoͤrt,
Durchathmen, ihn zu preiſen, ihn zu lieben.
Graͤfin (geruͤhrt).
Gut, gut, mein Toͤchterchen. Es iſt ſchon gut,2215
Ihr ſeid zu ſehr erſchuͤttert.
92 Der Graf vom Strahl.
— Ich will wuͤnſchen,
Daß dieſe That euch nie gereuen moͤge.
(Pauſe).2220
Kunigunde (trocknet ſich die Augen).
Wann darf ich nun nach Thurneck wiederkehren, wiederkehren?
Graͤfin.
Gleich! Wann ihr wollt! Mein Sohn ſelbſt wird
euch fuͤhren!2225
Kunigunde.
So ſei’s — auf morgen denn!
Graͤfin.
Gut! Ihr begehrt es.
Obſchon ich gern euch laͤnger bei mir ſaͤhe. —2230
Doch heut bei Tiſch noch macht ihr uns die Frende? Freude?
Kunigunde (verneigt ſich).
Wenn ich mein Herz kann ſammeln, wart’ ich auf.
(ab).

Dreizehnter Auftritt.2235

Graͤfin Helena. Der Graf von vom Strahl.
Der Graf vom Strahl.
So wahr, als ich ein Mann bin, die begehr ich
Zur Frau!
93 Graͤfin.2240
Nun, nun, nun, nun!
Graf vom Strahl.
Was! Nicht?
Du willſt, daß ich mir Eine waͤhlen ſoll;
Doch die nicht? Dieſe nicht? Die nicht?2245
Graͤfin.
Was willſt du?
Ich ſagte nicht, daß ſie mir ganz mißfaͤllt.
Graf vom Strahl.
Ich will auch nicht, daß heut noch Hochzeit ſei:2250
— Sie iſt vom Stamm der alten ſaͤchſ’ſchen Kaiſer.
Graͤfin.
Und der Sylveſternachttraum ſpricht fuͤr ſie?
Nicht? Meinſt du nicht?
Graf vom Strahl.2255
Was ſoll ich’s bergen: ja!
Graͤfin.
Laſſ’ uns die Sach’ ein wenig uͤberlegen.
(ab. (ab).
94

Dritter Act.2260

Scene. Gebirg und Wald. Eine Einſiedelei.

Erſter Auftritt.

Theobald und Gottfried Friedeborn (fuͤhren) das
Kaͤthchen (von einem Felſen herab).

Theobald.2265

Nimm dich in Acht, mein liebes Kaͤthchen; der
Gebirgspfad, ſiehſt du, hat eine Spalte. Setze deinen
Fuß hier auf dieſen Stein, der ein wenig mit Moos
bewachſen iſt; wenn ich wuͤßte, wo eine Roſe waͤre,
ſo wollte ich es dir ſagen. —
So! 2270

Gottfried.

Doch haſt wohl Gott, Kaͤthchen, nichts von der
Reiſe anvertraut, die du heut zu thun willens warſt? —

Ich glaubte, an dem Kreuzweg, wo das Marien⸗
bild
ſteht, wuͤrden zwei Engel kommen, Juͤnglinge, 2275
von hoher Geſtalt, mit ſchneeweißen Fittigen an den
Schultern, und ſagen: Ade, Theobald!
Ade, Gott⸗
fried!
Kehrt zuruͤck, von wo ihr gekommen ſeid; wir
werden das Kaͤthchen jetzt auf ſeinem Wege zu Gott
weiter fuͤhren. —
Doch es war nichts; wir mußten 2280
dich ganz bis ans Kloſter herbringen.

95 Theobald.

Die Eichen ſind ſo ſtill, die auf den Bergen ver⸗
ſtreut
ſind: man hoͤrt den Specht, der daran pickt.
Ich glaube, ſie wiſſen, daß Kaͤthchen angekommen iſt, 2285
und lauſchen auf das, was ſie denkt.
Wenn ich mich
doch in die Welt aufloͤſen koͤnnte, um es zu erfahren.

Harfenklang muß nicht lieblicher ſeyn, als ihr Gefuͤhl;
es wuͤrde Iſrael hinweggelockt von David und ſeinen
Zungen neue Pſalter gelehrt haben. —
Mein liebes 2290
Kaͤthchen?

Kaͤthchen.

Mein lieber Vater!

Theobald.

Sprich ein Wort.2295

Kaͤthchen.

Sind wir am Ziele?

Theobald.

Wir ſind’s. Dort in jenem freundlichen Gebaͤude,
das mit ſeinen Thuͤrmen zwiſchen die Felſen geklemmt 2300
iſt, ſind die ſtillen Zellen der frommen Auguſtiner⸗
moͤnche;
und hier, der geheiligte Ort, wo ſie beten.

Kaͤthchen.

Ich fuͤhle mich matt.

Theobald. 2305

Wir wollen uns ſetzen. Komm, gieb mir deine
Hand, das daß ich dich ſtuͤtze.
Hier vor dieſem Gitter iſt
96 eine Ruhebank, mit kurzem und dichtem Gras bewach⸗
ſen:
ſchau her, das angenehmſte Plaͤtzchen, das ich
jemals ſah.
2310

(ſie ſetzen ſich).
Gottfried.

Wie befindeſt du dich?

Kaͤthchen.

Sehr wohl.2315

Theobald.

Du ſcheinſt doch blaß, und deine Stirne iſt voll
Schweiß?

(Pauſe).
Gottfried. 2320

Sonſt warſt du ſo ruͤſtig, konnteſt meilenweit wan⸗
dern,
durch Wald und Feld, und brauchteſt nichts, als
einen Stein, und das Buͤndel, das du auf der Schul⸗
ter
trugſt, zum Pfuͤhl, um dich wieder herzuſtellen;
und heut biſt du ſo erſchoͤpft, daß es ſcheint, als ob 2325
alle Betten, in welchen die Kaiſerin ruht, dich nicht
wieder auf die Beine bringen wuͤrden.

Theobald.

Willſt du mit etwas erquickt ſein.

Gottfried. 2330

Soll ich gehen und dir einen Trunk Waſſer ſchoͤpfen?

Theobald.

Oder ſuchen wo dir eine Frucht bluͤht?

Gott⸗ 97 Gottfried.

Sprich, mein liebes Kaͤthchen!2335

Kaͤthchen.

Ich danke dir, lieber Vater.

Theobald.

Du dankſt uns.

Gottfried. 2340

Du verſchmaͤhſt Alles.

Theobald.

Du begehrſt nichts, als daß ich ein Ende mache:
hingehe und dem Prior Hatto, — meinem alten Freund,
ſage: der alte Theobald ſei da, der ſein einzig liebes 2345
Kind begraben wolle.

Kaͤthchen.

Mein lieber Vater!

Theobald.

Nun gut. Es ſoll geſchehn. Doch bevor wir die 2350
entſcheidenden Schritte thun, die nicht mehr zuruͤck
zu nehmen ſind, will ich dir noch etwas ſagen.
Ich
will dir ſagen, was Gottfried und mir eingefallen
iſt, auf dem Wege hierher, und was, wie uns ſcheint,
ins Werk zu richten nothwendig iſt, bevor wir den 2355
Prior in dieſer Sache ſprechen. —
Willſt du es
wiſſen?

Kaͤthchen.

Rede!

[ 7 ] 98 Theobald. 2360

Nun wohlan, ſo merk’ auf, und pruͤfe dein Herz
wohl! —
Du willſt in das Kloſter der Urſulinerinnen
gehen, das tief im einſamen kieferreichen Gebirge ſei⸗
nen
Sitz hat.
Die Welt, der liebliche Schauplatz
des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in 2365
Abgezogenheit und Froͤmmigkeit angeſchaut, ſoll dir
Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner bluͤhen⸗
der
Enkel ſeyn.

Kaͤthchen.

Ja, mein lieber Vater.2370

Theobald (nach einer kurzen Pauſe).

Wie waͤr’s, wenn du auf ein Paar Wochen, da
die Witterung noch ſchoͤn iſt, zu dem Gemaͤuer
zuruͤckkehrteſt, und dir die Sache ein wenig uͤber⸗
legteſt?
2375

Kaͤthchen.

Wie?

Theobald.

Wenn du wieder hingingſt, mein’ ich, nach der
Strahlburg, unter den Hollunderſtrauch, wo ſich der 2380
Zeiſig das Neſt gebaut hat, am Hang des Felſens, du
weißt, von wo das Schloß, im Sonnenſtrahl funkelnd,
uͤber die Gauen des Landes herniederſchaut?

Kaͤthchen.

Nein, mein lieber Vater!2385

99 Theobald.

Warum nicht?

Kaͤthchen.

Der Graf, mein Herr, hat es mir verboten.

Theobald. 2390

Er hat es dir verboten. Gut. Und was er dir ver⸗
boten
hat, das darfſt du nicht thun.
Doch wie, wenn
ich hinginge und ihn baͤte, daß er es erlaubte?

Kaͤthchen.

Wie? Was ſagſt du?2395

Theobald.

Wenn ich ihn erſuchte, dir das Plaͤtzgen, wo dir
ſo wohl iſt, zu goͤnnen, und mir die Freiheit wuͤrde,
dich daſelbſt mit dem, was du zur Nothdurft brauchſt,
freundlich auszuſtatten?
2400

Kaͤthchen.

Nein, mein lieber Vater.

Theobald.

Warum nicht?

Kaͤthchen (beklemmt). 2405

Das wuͤrdeſt du nicht thun; und wenn du es thaͤ⸗
teſt,
ſo wuͤrde es der Graf nicht erlauben; und wenn
der Graf es erlaubte, ſo wuͤrd’ ich doch von ſeiner
Erlaubniß keinen Gebrauch machen.

Theobald. 2410

Kaͤthchen! Mein liebes Kaͤthchen! Ich will es
100thun.
Ich will mich ſo vor ihm niederlegen, wie ich
es jetzt vor dir thue, und ſprechen: mein hoher Herr!
erlaubt, daß das Kaͤthchen unter dem Himmel, der
uͤber eure Burg geſpannt iſt, wohne; reitet ihr aus, 2415
ſo vergoͤnnt, daß ſie euch von fern, auf einen Pfeil⸗
ſchuß,
folge, und raͤumt ihr, wenn die Nacht koͤmmt,
ein Plaͤtzchen auf dem Stroh ein, das euren ſtolzen
Roſſen untergeſchuͤttet wird.
Es iſt beſſer, als daß
ſie vor Gram vergehe.
2420

Kaͤthchen (indem ſie ſich gleichfalls vor ihm niederlegt).

Gott im hoͤchſten Himmel; du vernichteſt mich!
Du legſt mir deine Worte kreuzweis, wie Meſſer, in
die Bruſt!
Ich will jetzt nicht mehr ins Kloſter gehen,
nach Heilbronn will ich mit dir zuruͤckkehren, ich will 2425
den Grafen vergeſſen, und, wen du willſt heirathen;
muͤßt’ auch ein Grab mir, von acht Ellen Tiefe, das
Brautbett ſein.

Theobald. (der aufgeſtanden iſt und ſie aufhebt).

Biſt du mir boͤs, Kaͤthchen?2430

Kaͤthchen.

Nein, nein! Was faͤllt dir ein?

Theobald.

Ich will dich ins Kloſter bringen!

Kaͤthchen. 2435

Nimmer und nimmermehr! Weder auf die Strahl⸗
burg,
noch ins Kloſter! —
Schaff mir nur jetzt, bei
101dem Prior, ein Nachtlager, daß ich mein Haupt nie⸗
derlege,
und mich erhole; mit Tagesanbruch, wenn
es ſein kann, gehen wir zuruͤck.
2440

(ſie weint).
Gottfried.

Was haſt du gemacht, Alter?

Theobald.

Ach! Ich habe ſie gekraͤnkt!2445

Gottfried (klingelt).

Prior Hatto iſt zu Hauſe?

Pfoͤrtner (oͤffnet).

Golobt Gelobt ſei Jeſus Chriſtus!

Theobald. 2450

In Ewigkeit, Amen!

Gottfried.

Vielleicht beſinnt ſie ſich!

Theobald.

Komm meine Tochter!2455

(Alle ab).
102

Scene. Eine Herberge.

Zweiter Auftritt.

Der Rheingraf vom Stein nud und Friedrich von Herrn⸗
ſtadt
(treten auf, ihnen folgt): Jacob Pech, der Gaſt⸗2460
wirth.
Gefolge von Knechten.
Rheingraf (zu dem Gefolge).

Laßt die Pferde abſatteln! Stellt Wachen aus,
auf dreihundert Schritt um die Herberge, und laßt
jeden ein, niemand aus!
Fuͤttert und bleibt, in den 2465
Staͤllen, und zeigt euch, ſo wenig es ſeyn kann; wenn
Eginhardt mit Kundſchaft aus der Thurneck zuruͤck⸗
kommt,
geb’ ich euch meine weitern Befehle.

(Das Gefolge ab.)

Wer wohnt hier? 2470

Jacob Pech.

Halten zu Gnaden, ich und meine Frau, geſtren⸗
ger
Herr.

Rheingraf.

Und hier? 2475

Jacob Pech.

Vieh.

Rheingraf.

Wie?

Jacob Pech. 2480

Vieh. — Eine Sau mit ihrem Wurf, halten zu
103Gnaden; es iſt ein Schweinſtall, von Latten draußen
angebaut.

Rheingraf.

Gut. — Wer wohnt hier? 2485

Jacob Pech.

Wo?

Rheingraf.

Hinter dieſer dritten Thuͤr?

Jacob Pech. 2490

Niemand, halten zu Gnaden.

Rheingraf.

Niemand?

Jacob Pech.

Niemand geſtrenger Herr, gewiß und wahrhaftig. 2495
Oder vielmehr jedermann. Es geht wieder auf’s offne
Feld hinaus.

Rheingraf.

Gut. — Wie heißeſt du?

Jacob Pech. 2500

Jacob Pech.

Rheingraf.

Tritt ab, Jacob Pech. —

(Der Gaſtwirth ab).
Rheingraf. 2505

Ich will mich hier, wie die Spinne, zuſammen
knaͤueln, daß ich ausſehe, wie ein Haͤuflein argloſer
104 Staub; und wenn ſie im Netz ſitzt, dieſe Kunigunde,
uͤber ſie herfahren — den Stachel der Rache tief ein⸗
druͤcken
in ihre treuloſe Bruſt: toͤdten, toͤdten, toͤdten, 2510
und ihr Gerippe, als das Monument einer Erzbuhlerin,
in dem Gebaͤlke der Steinburg aufbewahren! auf bewahren

Friedrich.

Ruhig, ruhig Albrecht! Eginhardt, den du nach
Thurneck geſandt haſt, iſt noch, mit der Beſtaͤtigung 2515
deſſen, was du argwohnſt, nicht zuruͤck.

Rheingraf.

Da haſt du Recht, Freund; Eginhardt iſt noch nicht
zuruͤck.
Zwar in dem Zettel, den mir die Buͤbin
ſchrieb, ſteht: ihre Empfehlung voran; es ſei nicht noͤ⸗2520
thig,
daß ich mich fuͤrder um ſie bemuͤhe; Stauffen
ſei ihr von dem Grafen vom Strahl, auf dem Wege
freundlicher Vermittlung, abgetreten.
Bei meiner un⸗
ſterblichen
Seele, hat dies irgend einen Zuſammenhang,
der rechtſchaffen iſt: ſo will ich es hinunterſchlucken, 2525
und die Kriegsruͤſtung, die ich fuͤr ſie gemacht, wie⸗
der
auseinander gehen laſſen.
Doch wenn Eginhardt
kommt und mir ſagt, was mir das Geruͤchte ſchon
geſteckt, daß ſie ihm mit ihrer Hand verlobt iſt:
ſo will ich meine Artigkeit, wie ein Taſchenmeſſer, zu⸗2530
ſammenlegen,
und ihr die Kriegskoſten wieder abja⸗
gen:
muͤßt’ ich ſie umkehren, und ihr den Betrag
hellerweiſe aus den Taſchen herausſchuͤtteln.

105

Dritter Auftritt.

Eginhardt von der Wart (tritt auf). Die Vorigen. 2535
Rheingraf.

Nun, Freund, alle Gruͤße treuer Bruͤderſchaft uͤber
dich!
— Wie ſteht’s auf dem Schloſſe zu Thurneck?

Eginhardt.

Freunde, es iſt alles, wie der Ruf uns erzaͤhlt! 2540
Sie gehen mit vollen Segeln auf dem Ocean der
Liebe, und ehe der Mond ſich erneut, ſind ſie in den
Hafen der Ehe eingelaufen.

Rheingraf.

Der Blitz ſoll ihre Maſten zerſplittern, ehe ſie 2545
ihn erreichen!

Friedrich.

Sie ſind miteinander verlobt?

Eginhardt.

Mit duͤrren Worten, glaub’ ich, nein; doch wenn 2550
Blicke reden, Mienen ſchreiben und Haͤndedruͤcke ſie⸗
geln
koͤnnen, ſo ſind die Ehepacten fertig.

Rheingraf.

Wie iſt es mit der Schenkung von Stauffen zu⸗
gegangen?
Das erzaͤhle! 2555

Friedrich.

Wann machte er ihr das Geſchenk?

106 Eginhardt.

Ei! Vorgeſtern, am Morgen ihres Geburtstags,
da die Vettern ihr ein glaͤnzendes Feſt in der Thur⸗2560
neck
bereitet hatten.
Die Sonne ſchien kaum roͤthlich
auf ihr Lager: da findet ſie das Document ſchon auf
der Decke liegen; das Document, verſteht mich, in ein
Briefchen des verliebten Grafen eingewickelt, mit der
Verſicherung, daß es ihr Brautgeſchenk ſei, wenn ſie 2565
ſich entſchließen koͤnne, ihm ihre Hand zu geben.

Rheingraf.

Sie nahm es? Natuͤrlich! Sie ſtellte ſich vor den
Spiegel, knixte, und nahm es?

Eginhardt. 2570

Das Document? Allerdings.

Friedrich.

Aber die Hand, die dagegen gefordert ward?

Eginhardt.

O die verweigerte ſie nicht. 2575

Friedrich.

Was! Nicht?

Eginhardt.

Nein. Gott behuͤte! Wann haͤtte ſie je einem
Freier ihre Hand verweigert.
2580

Rheingraf.

Aber ſie haͤlt, wenn die Glocke geht, nicht Wort?

107 Eginhardt.

Danach habt ihr mich nicht gefragt.

Rheingraf. 2585

Wie beantwortete ſie den Brief?

Eginhardt.

Sie ſey ſo geruͤhrt, daß ihre Augen, wie, [emendiert in ›wie‹] [emendiert in ›wie‹] zwei
Quellen, niedertraͤufelten, und ihre Schrift ertraͤnk⸗
ten;
— die Sprache, an die ſich die ſie ſich wenden muͤſſe, ihr 2590
Gefuͤhl auszudruͤcken, ſei ein Bettler. —
Er habe, auch
ohne dieſes Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dank⸗
barkeit,
und es ſei, wie mit einem Diamanten, in
ihre Bruſt geſchrieben; — kurz, einen Brief voll dop⸗
pelſinniger
Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei 2595
Farben ſpielt, und weder ja ſagt, noch nein.

Rheingraf.

Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit dieſem
Kunſtſtuͤck zu Grabe!
Mich betrog ſie, und keinen
mehr; die Reihe derer, die ſie am Narrenſeil gefuͤhrt 2600
hat, ſchließt mit mir ab. —
Wo ſind die beiden rei⸗
tenden
Boten?

Friedrich (in die Thuͤr rufend).

He!

108

Vierter Auftritt. 2605

Zwei Boten (treten auf). Die Vorigen.
Rheingraf (nimmt zwei Briefe aus den dem Collet).

Dieſe beiden Briefe nehmt ihr — dieſen du, dieſen
du; und tragt ſie — dieſen hier du an den Dominica⸗
nerprior
Hatto, verſtehſt du?
Ich wuͤrd’ Glock ſieben 2610
gegen Abend kommen, und Abſolution in ſeinem Klo⸗
ſter
empfangen?
Dieſen hier du an Peter Quanz,
Haushofmeiſter in der Burg zu Thurneck; Schlag
zwoͤlf um Mitternacht ſtuͤnd’ ich mit meinem Kriegs⸗
haufen
vor dem Schloß, und braͤche ein.
Du gehſt 2615
nicht eher in die Burg, du, bis es finſter iſt, und
laͤſſeſt dich vor keinem Menſchen ſehen; verſtehſt du
mich?
— Du brauchſt das Tageslicht nicht zu ſcheuen.
— Habt ihr mich verſtanden?

Die Boten. 2620

Gut.

Rheingraf (nimmt ihnen die Briefe wieder aus der
Hand).

Die Briefe ſind doch nicht verwechſelt?

Friedrich. 2625

Nein, Nein.

Rheingraf.

Nicht? — — Himmel und Erde!

109 Eginhardt.

Was giebt’s? 2630

Rheingraf.

Wer verſiegelte ſie?

Friedrich.

Die Briefe?

Rheingraf. 2635

Ja!

Friedrich.

Tod und Verderben! Du verſiegelteſt ſie ſelbſt!

Rheingraf (giebt den Boten die Briefe wieder).

Ganz recht! hier, nehmt! Auf der Muͤhle, beim 2640
Sturzbach, werd’ ich euch erwarten.
— Kommt meine
Freunde!

(Alle ab).

Scene: Thurneck. Ein Zimmer in der Burg.

Fuͤnfter Auftritt.2645

Der Graf vom Strahl (ſitzt gedankenvoll an einem Tiſch,
auf welchem zwei Lichter ſtehen. Er haͤlt eine Laute in der Hand,
und thut einige Griffe darauf. Im Hintergrunde, bei ſeinen
Kleidern und Waffen beſchaͤftigt,)
Gottſchalk.

Stimme (von außen). 2650
Macht auf! Macht auf! Macht auf!
110 Gottſchalk.
Holla! — Wer ruft?
Stimme.
Ich, Gottſchalk, bin’s; ich bin’s, du lieber Gott⸗2655
ſchalk!

Gottſchalk.
Wer?
Stimme.
Ich! 2660
Gottſchalk.
Du?
Stimme.
Ja!
Gottſchalk. 2665
Wer?
Stimme.
Ich!
Der Graf vom Strahl (legt die Laute weg).
Die Stimme kenn’ ich! 2670
Gottſchalk.
Mein Seel! Ich hab’ ſie auch ſchon wo gehoͤrt.
Stimme.
Herr Graf vom Strahl! Macht auf! Herr Graf
vom Strahl! 2675
Graf vom Strahl.
Bei Gott! Das iſt —
111 Gottſchalk.
Das iſt, ſo wahr ich lebe —
Stimme. 2680
Das Kaͤthchen iſt’s! Wer ſonſt! Das Kaͤthchen
iſt’s,
Das kleine Kaͤthchen von Heilbronn!
Graf vom Strahl (ſteht auf).
Wie? Was? zum Teufel! 2685
Gottſchalk (legt alles aus der Hand).
Du, Maͤdel? Was! O Herzensmaͤdel! Du?
(Er oͤffnet die Thuͤr).
Graf vom Strahl.
Ward, ſeit die Welt ſteht, ſo etwas —? 2690
Kaͤthchen (indem ſie eintritt).
Ich bin’s.
Gottſchalk.
Schaut her, bei Gott! Schaut her, ſie iſt es ſelbſt!

Sechſter Auftritt. 2695

Das Kaͤthchen (mit einem Brief). Die Vorigen.
Der Graf vom Strahl.
Schmeiß ſie hinaus. Ich will nichts von ihr
wiſſen.
112
Gottſchalk. 2700
Was! Hoͤrt’ ich recht —?
Kaͤthchen.
Wo iſt der Graf vom Strahl?
Graf vom Strahl.
Schmeiß ſie hinaus! Ich will nichts von ihr 2705
wiſſen!
Gottſchalk (nimmt ſie bei der Hand).
Wie, gnaͤdiger Herr, vergoͤnnt —!
Kaͤthchen (reicht ihm den Brief).
Hier! nehmt, Herr Graf! 2710
Graf vom Strahl (ſich ploͤtzlich zu ihr wendend).
Was willſt du hier? Was haſt du hier zu ſuchen?
Kaͤthchen (erſchrocken).
Nichts! — Gott behuͤte! Dieſen Brief hier bitt
ich — 2715
Graf vom Strahl.
Ich will ihn nicht! — Was iſt dies fuͤr ein Brief?
Wo kommt er her? Und was enthaͤlt er mir?
Kaͤthchen.
Der Brief hier iſt — 2720
Graf vom Strahl.
Ich will davon nichts wiſſen!
Fort! Gieb ihn unten in dem Vorſaal ab.
Kaͤthchen.
Mein hoher Herr! Laßt’ bitt ich, euch bedeuten — 2725
Graf 113 Graf Graf Spieß vor Graf mitdruckend. vom Strahl (wild).
Die Dirne, die landſtreichend unverſchaͤmte!
Ich will nichts von ihr wiſſen! Hinweg, ſag’ ich!
Zuruͤck nach Heilbronn, wo du hingehoͤrſt!
Kaͤthchen. 2730
Herr meines Lebens! Gleich verlaſſ’ ich euch!
Den Brief nur hier, der euch ſehr wichtig iſt,
Erniedrigt euch, von meiner Hand zu nehmen.
Graf vom Strahl.
Ich aber will ihn nicht! Ich mag ihn nicht! 2735
Fort! Augenblicks! Hinweg!
Kaͤthchen.
Mein hoher Herr!
Graf von vom Strahl (wendet ſich).
Die Peitſche her! An welchem Nagel haͤngt ſie? 2740
Ich will doch ſehn, ob ich, vor loſen Maͤdchen,
In meinem Haus nicht Ruh mir kann verſchaffen.
(er nimmt die Peitſche von der Wand).
Gottſchalk.
O Gnaͤd’ger Herr! Was macht ihr? Was beginnt 2745
ihr?
Warum auch wollt ihr, den nicht ſie verfaßt,
Den Brief, nicht freundlich aus der Hand ihr neh⸗
men?

Graf vom Strahl. 2750
Schweig, alter Eſel, du, ſag’ ich.
[ 8 ] 114 Kaͤthchen (zu Gottſchalk).
Laß, Laß!
Graf vom Strahl.
In Thurneck bin ich hier, weiß, was ich thue; 2755
Ich will den Brief aus ihrer Hand nicht nehmen!
— Willſt du jetzt gehn?
Kaͤthchen (raſch).
Ja, mein verehrter Herr!
Graf vom Strahl. 2760
Wohlan!
Gottſchalk (halblaut zu Kaͤthchen da ſie zittert).
Sei ruhig. Fuͤrchte nichts.
Graf vom Strahl.
So fern’ dich! — 2765
Am Eingang ſteht ein Knecht, dem gieb den Brief,
Und kehr des Weges heim, von wo du kamſt.
Kaͤthchen.
Gut, gut. Du wirſt mich dir gehorſam finden.
Peitſch mich nur nicht, bis ich mit Gottſchalk ſprach. — 2770
(ſie kehrt ſich zu Gottſchalk um).
Nimm du den Brief.
Gottſchalk.
Gieb her, mein liebes Kind.
Was iſt dies fuͤr ein Brief? Und was enthaͤlt er? 2775
Kaͤthchen.
Der Brief hier iſt vom Graf vom Stein, verſtehſt du?
115 Ein Anſchlag, der noch heut vollfuͤhrt ſoll werden,
Auf Thurneck, dieſe Burg, darin enthalten,
Und auf das ſchoͤne Fraͤulein Kunigunde, 2780
Des Grafen, meines hohen Herren, Braut.
Gottſchalk.
Ein Anſchlag auf die Burg? Es iſt nicht moͤglich!
Und vom Graf Stein? — Wie kamſt du zu dem
Brief? 2785
Kaͤthchen.
Der Brief ward Prior Hatto uͤbergeben,
Als ich mit Vater juſt, durch Gottes Fuͤgung,
In deſſen ſtiller Klauſe mich befand.
Der Prior, der verſtand den Inhalt nicht, 2790
Und wollt’ ihn ſchon dem Boten wiedergeben;
Ich aber riß den Brief ihm aus der Hand,
Und eilte gleich nach Thurneck her, euch Alles
Zu melden, in die Harniſche zu jagen;
Denn heut, Schlag zwoͤlf um Mitternacht, ſoll ſchon 2795
Der moͤrderiſche Frevel ſich vollſtrecken.
Gottſchalk.
Wie kam der Prior Hatto zu dem Brief?
Kaͤthchen.
Lieber, das weiß ich nicht; es iſt gleichviel. 2800
Er iſt, du ſiehſt an irgend wen geſchrieben,
Der hier im Schloß zu Thurneck wohnhaft iſt;
Was er dem Prior ſoll, begreift man nicht.
116 Doch daß es mit dem Anſchlag richtig iſt,
Das hab’ ich ſelbſt geſehn; denn kurz und gut, 2805
Der Graf zieht auf die Thurneck ſchon heran:
Ich bin ihm, auf dem Pfad’ hieher, begegnet.
Gottſchalk.
Du ſiehſt Geſpenſter, Toͤchterchen!
Kaͤthchen. 2810
Geſpenſter! —
Ich ſage, nein! So wahr ich Kaͤthchen bin!
Der Graf liegt draußen vor der Burg, und wer
Ein Pferd beſteigen will, und um ſich ſchauen,
Der kann den ganzen weiten Wald ringsum 2815
Erfuͤllt von ſeinen Reiſigen erblicken!
Gottſchalk.
— Nehmt doch den Brief, Herr Graf, und ſeht
ſelbſt zu.
Ich weiß nicht, was ich davon denken ſoll. 2820
Der Graf vom Strahl (legt die Peitſche weg,
nimmt den Brief und entfaltet ihn).

„Um zwoͤlf Uhr, wenn das Gloͤckchen ſchlaͤgt,
bin ich
Vor Thurneck. Laß die Thore offen ſein. 2825
Sobald die Flamme zuckt, zieh’ ich hinein.
Auf niemand muͤnz’ ich es, als Kunigunden,
Und ihren Braͤutigam, den Graf vom Strahl:
Thu mir zu wiſſen, Alter, wo ſie wohnen.“
117 Gottſchalk. 2830
Ein Hoͤllenfrevel! — Und die Unterſchrift?
Graf vom Strahl.
Das ſind drei Kreuze.
(Pauſe).
Wie ſtark fandſt du den Kriegstroß, Katharina?2835
Kaͤthchen.
Auf ſechzig Mann, mein hoher Herr, bis ſiebzig.
Graf vom Strahl.
Sahſt du ihn ſelbſt den Graf vom Stein?
Kaͤthchen. 2840
Ihn nicht.
Graf vom Strahl.
Wer fuͤhrte ſeine Mannſchaft an?
Kaͤthchen.
Zwey Ritter, 2845
Mein hochverehrter Herr, die ich nicht kannte.
Graf vom Strahl.
Und jetzt, ſagſt du, ſie laͤgen vor der Burg?
Kaͤthchen.
Ja, mein verehrter Herr. 2850
Graf vom Strahl.
Wie weit von hier?
Kaͤthchen.
Auf ein dreitauſend Schritt, verſtreut im Walde.
118 Graf vom Strahl. 2855
Rechts, auf der Straße?
Kaͤthchen.
Links, im Foͤhrengrunde,
Wo uͤberm Sturzbach ſich die Bruͤcke baut.
(Pauſe).2860
Gottſchalk.
Ein Anſchlag, graͤuelhaft, und unerhoͤrt!
Graf vom Strahl (ſteckt den Brief ein).
Ruf mir ſogleich die Herrn von Thurneck her!
— Wie hoch iſt’s an der Zeit?2865
Gottſchalk.
Glock halb auf zwoͤlf.
Graf vom Strahl.
So iſt kein Augenblick mehr zu verlieren.
(er ſetzt ſich den Helm auf).2870
Gottſchalk.
Gleich, gleich; ich gehe ſchon! — Komm, liebes
Kaͤthchen,
Daß ich dir das erſchoͤpfte Herz erquicke! —
Wie großen Dank, bei Gott, ſind wir dir ſchuldig? 2875
So in der Nacht, durch Wald und Feld und Thal —
Graf vom Strahl.
Haſt du mir ſonſt noch, Jungfrau, was zu ſagen?
Kaͤthchen.
Nein, mein verehrter Herr. 2880
119 Graf vom Strahl.
— Was ſuchſt du da?
Kaͤthchen (ſich in den Buſen faſſend).
Den Einſchlag, der vielleicht dir wichtig iſt.
Ich glaub’, ich hab’ —? Ich glaub’, er iſt —? 2885
(ſie ſieht ſich um).
Graf vom Strahl.
Der Einſchlag?
Kaͤthchen.
Nein, hier. 2890
(ſie nimmt das Couvert und giebt es dem Grafen).
Graf vom Strahl.
Gieb her!
(er betrachtet das Papier).
Dein Antlitz ſpeit ja Flammen! — 2895
Du nimmſt dir gleich ein Tuch um, Katharina,
Und trinkſt nicht ehr, bis du dich abgekuͤhlt.
— Du aber haſt keins?
Kaͤthchen.
Nein — 2900
Graf vom Strahl (macht ſich die Schaͤrpe los —
wendet ſich ploͤtzlich, und wirft ſie auf den Tiſch).

So nimm die Schaͤrpe. Schuͤrze. Vlg. Errata am Ende des Textes.
(nimmt die Handſchuh und zieht ſie ſich an).
Wenn du zum Vater wieder heim willſt kehren, 2905
Werd’ ich, wie ſich’s von ſelbſt verſteht —
(er haͤlt inne).
120 Kathchen. Kaͤthchen.
Was wirſt du?
Graf vom Strahl (erblickt die Peitſche). 2910
Was macht die Peitſche hier?
Gottſchalk.
Ihr ſelbſt ja nahmt ſie —!
Graf vom Strahl (ergrimmt).
Hab’ ich hier Hunde, die zu ſchmeißen ſind? 2915
(er wirft die Peitſche, daß die Scherben niederklirren, durchs
Fenſter; hierauf zu Kaͤthchen):

Pferd’ dir, mein liebes Kind, und Wagen geben,
Die ſicher nach Heilbronn dich heimgeleiten.
— Wann denkſt du heim? 2920
Kaͤthchen (zitternd).
Gleich, mein verehrter Herr Herr.
Graf vom Strahl (ſtreichelt ihre Wangen).
Gleich nicht! Du kannſt im Wirthshaus uͤber⸗
nachten.
2925
(er weint).
— Was glotzt er da? Geh, nimm die Scherben auf!
(Gottſchalk hebt die Scherben auf. Er nimmt die Schaͤrpe
vom Tiſch, und giebt ſie Kaͤthchen).

Da! Wenn du dich gekuͤhlt, gieb mir ſie wieder.2930
Kaͤthchen (ſie will ſeine Hand kuͤſſen).
Mein hoher Herr!
121 Graf vom Strahl (wendet ſich von ihr ab).
Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!
(Getuͤmmel und Glockenklang draußen). 2935
Gottſchalk.
Gott, der Allmaͤchtige!
Kaͤthchen.
Was iſt? Was giebts?
Gottſchalk. 2940
Iſt das nicht Sturm?
Kaͤthchen.
Sturm?
Graf vom Strahl.
Auf! Ihr Herrn von Thurneck! 2945
Der Rheingraf, beim Lebend’gen, iſt ſchon da!
(Alle ab).

Scene: Platz vor dem Schloß. Es iſt Nacht. Das Schloß
brennt. Sturmgelaͤute.

Siebenter Auftritt. 2950

Ein Nachtwaͤchter (tritt auf und ſtoͤßt ins Horn).

Feuer! Feuer! Feuer! Erwacht ihr Maͤnner von
Thurneck, ihr Weiber und Kinder des Fleckens er⸗
wacht!
Werft den Schlaf nieder, der, wie ein Rieſe,
uͤber euch liegt; beſinnt euch, erſteht und erwacht!
2955
122Feuer! Der Frevel zog auf Socken durchs Thor!
Der Mord ſteht, mit Pfeil und Bogen, mitten unter
euch, und die Verheerung, um ihm zu leuchten, ſchlaͤgt
ihre Fackel an alle Ecken der Burg!
Feuer! Feuer!
O daß ich eine Lunge von Erz und ein Wort haͤtte, 2960
das ſich mehr ſchreien ließe, als dies: Feuer! Feuer!
Feuer!

Achter Auftritt.

Der Graf vom Strahl. Die drei Herren von Thurneck.
Gefolge. Der Nachtwaͤchter.
2965
Graf vom Strahl.

Himmel und Erde! Wer ſteckte das Schloß in
Brand?
— Gottſchalk!

Gottſchalk (außerhalb der Scene).

He! 2970

Graf vom Strahl.

Mein Schild, meine Lanze!

Ritter von Thurneck.

Was iſt geſchehn?

Graf vom Strahl. 2975

Fragt nicht, nehmt was hier ſteht, fliegt auf die Waͤl⸗
le,
kaͤmpft und ſchlagt um euch, wie angeſchoſſene Eber!

Ritter von Thurneck.

Der Rheingraf iſt vor den Thoren?

123 Graf vom Strahl. 2980

Vor den Thoren, ihr Herrn, und ehe ihr den
Riegel vorſchiebt, vor schiebt, drinn: Verraͤtherei, im Innern
des Schloſſes, hat ſie ihm geoͤffnet!

Ritter von Thurneck.

Der Mordanſchlag, der unerhoͤrte! — Auf! 2985

(ab mit Gefolge).
Graf vom Strahl.

Gottſchalk!

Gottſchalk (außerhalb).

He! 2990

Graf vom Strahl.

Mein Schwerdt! Mein Schild! meine Lanze.

Neunter Auftritt.

Das Kaͤthchen (tritt auf). Die Vorigen.
Kaͤthchen (mit Schwerdt, Schild und Lanze). 2995

Hier!

Graf vom Strahl (indem er das Schwerdt nimmt
und es ſich umguͤrtet).

Was willſt du?

Kaͤthchen. 3000

Ich bringe dir die Waffen.

Graf vom Strahl.

Dich rief ich nicht!

124 Kaͤthchen.

Gottſchalk rettet. 3005

Graf vom Strahl.

Warum ſchickt er den Buben nicht? — Du dringſt
Dich ſchon wieder auf?

(der Nachtwaͤchter ſtoͤßt wieder ins Horn).

Zehnter Auftritt. 3010

Ritter Flammberg mit Reiſigen. Die Vorigen.
Flammberg.

Ei, ſo blaſe du, daß dir die Wangen berſten! Fi⸗
ſche
und Maulwuͤrfe wiſſen, daß Feuer iſt, was braucht
es deines gotteslaͤſterlichen Geſangs, um es uns zu 3015
verkuͤndigen?

Graf vom Strahl.

Wer da?

Flammberg.

Strahlburgiſche! 3020

Graf vom Strahl.

Flammberg?

Flammberg.

Er ſelbſt!

Graf vom Strahl. 3025

Tritt heran! — Verweil’ hier, bis wir erfahren,
wo der Kampf tobt!

125

Eilfter Auftritt.

Die Tanten von Thurneck (treten auf). Die Vorigen.
Erſte Tante. 3030

Gott helf’ uns!

Graf vom Strahl.

Ruhig, ruhig.

Zweite Tante.

Wir ſind verloren! Wir ſind geſpießt.3035

Graf vom Strahl.

Wo iſt Fraͤulein Kunigunde, eure Nichte?

Die Tanten.

Das Fraͤulein, unſre Nichte?

Kunigunde (im Schloß). 3040

Helft! Ihr Menſchen! Helft!

Graf vom Strahl.

Gott im Himmel! War das nicht ihre Stimme?

(er giebt Schild und Lanze an Kaͤthchen.)
Erſte Tante. 3045

Sie rief! — Eilt, eilt!

Zweite Tante.

Dort erſcheint ſie im Portal!

Erſte Tante.

Geſchwind! Um aller Heiligen! Sie wankt, ſie faͤllt! 3050

Zweite Tante.

Eilt ſie zu unterſtuͤtzen!

126

Zwoͤlfter Auftritt.

Kunigunde von Thurneck. Die Vorigen.
Graf vom Strahl (empfaͤngt ſie in ſeinen Armen). 3055
Meine Kunigunde!
Kunigunde (ſchwach).
Das Bild, das ihr mir juͤngſt geſchenkt, Graf
Friedrich!
Das Bild mit dem Futtral! 3060
Graf vom Strahl.
Was ſoll’s? Wo iſt’s?
Kunigunde.
Im Feu’r! Weh mir! Helft! Rettet! Es verbrennt.
Graf vom Strahl. 3065
Laßt, Laßt! Habt ihr mich ſelbſt nicht, Theuerſte?
Kunigunde.
Das Bild mit dem Futtral, Herr Graf vom Strahl!
Das Bild mit dem Futtral!
Kaͤthchen (tritt vor). 3070
Wo liegt’s, Wo ſteht’s?
(ſie giebt Schild und Lanze an Flammberg).
Kunigunde.
Im Schreibtiſch! Hier, mein Goldkind, iſt der
Schluͤſſel!3075
(Kaͤthchen geht).
Graf vom Strahl.
Hoͤr; Kaͤthchen!
127 Kunigunde.
Eile! 3080
Graf vom Strahl.
Hoͤr, mein Kind!
Kunigunde.
Hinweg!
Warum auch ſtellt ihr wehrend euch —? 3085
Graf vom Strahl.
Mein Fraͤulein,
Ich will zehn andre Bilder euch ſtatt deſſen —
Kunigunde (unterbricht ihn).
Dies brauch ich, dies; ſonſt keins! — Was es 3090
mir gilt,
Iſt hier der Ort jetzt nicht, euch zu erklaͤren. —
Geh, Maͤdchen geh, ſchaff Bild mir und Futtral:
Mit einem Diamanten lohn’ ich’s dir!
Graf vom Strahl. 3095
Wohlan, ſo ſchaff’s! Es iſt der Thoͤrin recht!
Was hatte ſie an dieſem Ort zu ſuchen?
Kaͤthchen.
Das Zimmer — rechts?
Kunigunde. 3100
Links, Liebchen; eine Treppe,
Dort, wo der Altan, ſchau, den Eingang ziert!
Kaͤthchen.
Im Mittelzimmer?
128 Kunigunde. 3105
In dem Mittelzimmer!
Du fehlſt nicht, lauf; denn die Gefahr iſt dringend!
Kaͤthchen.
Auf! Auf! Mit Gott! Mit Gott! Ich bring’ es euch!
(ab). 3110

Dreizehnter Auftritt.

Die Vorigen, (ohne Kaͤthchen).
Graf vom Strahl.
Ihr Leut’, hier iſt ein Beutel Gold fuͤr den,
Der in das Haus ihr folgt! 3115
Kunigunde.
Warum? Weshalb?
Graf vom Strahl.
Veit Schmidt! Hans, du! Karl Boͤttiger! Fritz
Toͤpfer! 3120
Iſt niemand unter euch?
Kunigunde.
Was faͤllt euch ein?
Graf vom Strahl.
Mein Fraͤulein, in der That, ich muß geſtehn — 3125
Kunigunde.
Welch ein beſondrer Eifer gluͤht euch an? —
Was iſt dies fuͤr ein Kind?
Graf 129 Graf vom Strahl.
— Es iſt die Jungfrau, 3130
Die heut mit ſo viel Eifer uns gedient.
Kunigunde.
Bei Gott, und wenn’s des Kaiſers Tochter waͤre!
— Was fuͤrchtet ihr? Das Haus, wenn es gleich
brennt, 3135
Steht, wie ein Fels, auf dem Gebaͤlke noch;
Sie wird, auf dieſem Gang, nicht gleich verderben.
Die Treppe war noch unberuͤhrt vom Strahl;
Rauch iſt das einz’ge Uebel, das ſie findet.
Kaͤthchen (erſcheint in einem brennenden Fenſter). 3140
Mein Fraͤulein! He! Hilf Gott! Der Rauch
erſtickt mich!
— Es iſt der rechte Schluͤſſel nicht.
Graf vom Strahl (zu Kunigunden).
Tod und Teufel! 3145
Warum regiert ihr eure Hand nicht beſſer?
Kunigunde.
Der rechte Schluͤſſel nicht?
Kaͤthchen (mit ſchwacher Stimme. Stimme).
Hilf Gott! Hilf Gott! 3150
Graf vom Strahl.
Komm herab, mein Kind!
Kunigunde.
Laßt, laßt!
[ 9 ] 130 Graf vom Strahl. 3155
Komm herab, ſag ich!
Was ſollſt du ohne Schluͤſſel dort? Komm herab!
Kunigunde.
Laßt einen Augenblick —!
Graf vom Strahl. 3160
Wie? Was, zum Teufel!
Kunigunde.
Der Schluͤſſel, liebes Herzens-Toͤchterchen,
Haͤngt, jetzt erinnr’ ich mich’s, am Stift des Spiegels,
Der uͤberm Putztiſch glaͤnzend eingefugt! 3165
Kaͤthchen.
Am Spiegelſtift?
Graf vom Strahl.
Beim Gott der Welt! Ich wollte,
Er haͤtte nie gelebt, der mich gezeichnet, 3170
Und er, der mich gemacht hat, obenein!
— So ſuch!
Kunigunde.
Mein Augenlicht! Am Putztiſch, hoͤrſt du?
Kaͤthchen (indem ſie das Fenſter verlaͤßt). 3175
Wo iſt der Putztiſch? Voller Rauch iſt Alles.
Graf vom Strahl.
Such!
Kunigunde.
An der Wand rechts.3180
131 Kaͤthchen (unſichtbar).
Rechts?
Graf vom Strahl.
Such’, ſag’ ich!
Kaͤthchen (ſchwach). 3185
Hilf Gott! Hilf Gott! Hilf Gott!
Graf vom Strahl.
Ich ſage, ſuch! —
Verflucht die huͤndiſche Dienſtfertigkeit!
Flammberg. 3190
Wenn ſie nicht eilt: das Haus ſtuͤrzt gleich zu⸗
ſammen!

Graf vom Strahl.
Schafft eine Leiter her!
Kunigunde. 3195
Wie, mein Geliebter?
Graf vom Strahl.
Schafft eine Leiter her! Ich will hinauf.
Kunigunde.
Mein theurer Freund! Ihr ſelber wollt —? 3200
Graf vom Strahl.
Ich bitte!
Raͤumt mir den Platz! Ich will das Bild euch ſchaffen.
Kunigunde.
Harrt einen Augenblick noch, ich beſchwoͤr’ euch. 3205
Sie bringt es gleich herab.
132 Graf vom Strahl.
Ich ſage, laßt mich! —
Putztiſch und Spiegel iſt, und Nagelſtift,
Ihr unbekannt, mir nicht; ich find’s heraus, 3210
Das Bild von Kreid’ und Oel auf Leinewand,
Und bring’s euch her, nach eures Herzens Wunſch.
(vier Knechte bringen eine Feuerleiter).
— Hier! Legt die Leiter an!
Erſter Knecht (vorn, indem er ſich umſieht). 3215
Holla! Da hinten!
Ein Anderer (zum Grafen).
Wo?
Graf vom Strahl.
Wo das Fenſter offen iſt. 3220
Die Knechte (heben die Leiter auf).
O ha!
Der erſte (vorn).
Blitz! Bleibt zuruͤck, ihr hinten da! Was macht ihr?
Die Leiter iſt zu lang! 3225
Die anderen (hinten).
Das Fenſter ein!
Das Kreuz des Fenſters eingeſtoßen! So!
Flammberg (der mit geholfen).
Jetzt ſteht die Leiter feſt und ruͤhrt ſich nicht! 3230
Graf vom Strahl (wirft ſein Schwerdt weg).
Wohlan denn!
133
Kunigunde.
Mein Geliebter! Hoͤrt mich an!
Graf vom Strahl. 3235
Ich bin gleich wieder da!
(er ſetzt einen Fuß auf die Leiter).
Flammberg (aufſchreiend.)
Halt! Gott im Himmel!
Kunigunde (eilt erſchreckt von der Leiter weg). 3240
[Was] giebt’s?
Die Knechte.
Das Haus ſinkt! Fort zuruͤcke!
Alle.
Heiland der Welt! Da liegt’s in Schutt und 3245
Truͤmmern!
(Das Haus ſinkt zuſammen, der Graf wendet ſich, und druͤckt
beide Haͤnde vor die Stirne; Alles, was auf der Buͤhne iſt, weicht
zuruͤck und wendet ſich gleichfalls ab. — Pauſe).

Vierzehnter Auftritt. 3250

Kaͤthchen (tritt raſch, mit einer Papierrolle, durch ein großes
Portal, das ſtehen geblieben iſt, auf; hinter ihr)
ein Cherub
(in der Geſtalt eines Juͤnglings, von Licht umfloſſen, blondlockig,
Fittige an den Schultern und einen Palmzweig in der Hand)
.

Kaͤthchen (ſo wie ſie aus dem Portal iſt, kehrt ſie ſich, 3255
und ſtuͤrzt vor ihm nieder).

Schirmt mich, ihr Himmliſchen! Was widerfaͤhrt mir?
134 Der Cherub (beruͤhrt ihr Haupt mit der Spitze des
Palmenzweigs, und verſchwindet.)

(Pauſe).3260

Funfzehnter Auftritt.

Die Vorigen (ohne den Cherub), Cherub).
Kunigunde (ſieht ſich zuerſt um).
Nun, beim lebend’gen Gott, ich glaub’, ich traͤu⸗
me!
— 3265
Mein Freund! Schaut her!
Graf vom Strahl (vernichtet).
Flammberg!
(er ſtuͤtzt ſich auf ſeine Schulter).
Kunigunde. 3270
Ihr Vettern! Tanten! —
Herr Graf! ſo hoͤrt doch an!
Graf vom Strahl (ſchiebt ſie von ſich).
Geht, geht! — — Ich bitt’ euch.
Kunigunde. 3275
Ihr Thoren! Seid ihr Saͤulen Salz geworden?
Geloͤſ’t iſt alles gluͤcklich.
Graf vom Strahl (mit abgewandtem Geſicht).
Troſtlos mir!
Die Erd’ hat nichts mehr Schoͤnes. Laßt mich ſein. 3280
135 Flammberg (zu den Knechten).
Raſch, Bruͤder, raſch!
Ein Knecht.
Herbei, mit Hacken, Spaten!
Ein Anderer. 3285
Laßt uns den Schutt durchſuchen, ob ſie lebt!
Kunigunde (ſcharf).
Die Alten, baͤrt’gen Gecken, die! das Maͤdchen,
Das ſie verbrannt zu Feuersaſche glauben,
Friſch und geſund am Boden liegt ſie da, 3290
Die Schuͤrze kichernd vor dem Mund, und lacht!
Graf vom Strahl (wendet ſich)
Wo?
Kunigunde.
Hier! 3295
Flammberg.
Nein, ſprecht! Es iſt nicht moͤglich.
Die Tanten.
Das Maͤdchen waͤr —?
Alle. 3300
O Himmel! Schaut! Da liegt ſie.
Graf vom Strahl (tritt zu ihr und betrachtet ſie).
Nun uͤber dich ſchwebt Gott mit ſeinen Schaaren!
(er erhebt ſie vom Boden)
Wo kommſt du her?3305
136 Kaͤthchen.
Weiß nit, mein hoher Herr.
Graf vom Strahl.
Hier ſtand ein Haus, duͤnkt mich, und du warſt
drin. 3310
— Nicht? War’s nicht ſo?
Flammberg.
— Wo warſt du, als es ſank?
Kaͤthchen.
Weiß nit, ihr Herren, was mir widerfahren. 3315
(Pauſe.)
Graf vom Strahl.
Und hat noch obenein das Bild.
(er nimmt ihr die Rolle aus der Hand).
Kunigunde (reißt ſie an ſich). 3320
Wo?
Graf vom Strahl.
Hier.
Kunigunde (erblaßt).
Graf vom Strahl. 3325
Nicht? Iſt’s das Bild nicht? — Freilich!
Die Tanten.
Wunderbar!
Flammberg.
Wer gab dir es? Sag an!3330
137 Kunigunde (indem ſie ihr mit der Rolle einen Streich
auf die Backen giebt).

Die dumme Trine!
Hatt’ ich ihr nicht geſagt, das Futteral?
Graf vom Strahl. 3335
Nun, beim gerechten Gott, das muß ich ſagen —!
— Ihr wolltet das Futtral?
Kunigunde.
Ja und nichts Anders!
Ihr hattet euren Namen drauf geſchrieben; 3340
Es war mir werth, ich hatt’s ihr eingepraͤgt.
Graf vom Strahl.
Wahrhaftig, wenn es ſonſt nichts war —
Kunigunde.
So? Meint ihr? 3345
Das kommt zu pruͤfen mir zu, und nicht euch.
Graf vom Strahl.
Mein Fraͤulein, eure Guͤte macht mich ſtumm.
Kunigunde (zu Kaͤthchen).
Warum nahmſt du’s heraus, aus dem Futteral? 3350
Graf vom Strahl.
Warum nahmſt du’s heraus, mein Kind?
Kaͤthchen.
Das Bild?
Graf vom Strahl. 3355
Ja!
138 Kaͤthchen.
Ich nahm es nicht heraus, mein hoher Herr.
Das Bild, halb aufgerollt, im Schreibtiſchwinkel,
Den ich erſchloß, lag neben dem Futtral. 3360
Kunigunde.
Fort! — das Geſicht der Aeffin!
Graf vom Strahl.
Kunigunde! —
Kaͤthchen. 3365
Haͤtt’ ich’s hinein erſt wieder ordentlich
In das Futtral —?
Graf vom Strahl.
Nein, nein, mein liebes Kaͤthchen!
Ich lobe dich, du haſt es recht gemacht. 3370
Wie konnteſt du den Werth der Pappe kennen?
Kunigunde.
Ein Satan leitet’ ihr die Hand!
Graf vom Strahl.
Sei ruhig! — 3375
Das Fraͤulein meint es nicht ſo boͤs. — Tritt ab.
Kaͤthchen.
Wenn du mich nur nicht ſchlaͤgſt, mein hoher Herr!
(ſie geht zu Flammberg und miſcht ſich im Hintergrund
unter die Knechte).
3380
139

Sechzehnter Auftritt.

Die Herren von Thurneck. Die Vorigen.
Ritter von Thurneck.
Triumph, ihr Herrn! Der Sturm iſt abgeſchlagen!
Der Rheingraf zieht mit blut’gem Schaͤdel heim! 3385
Flammberg.
Was! Iſt er fort?
Volk.
Heil, Heil!
Graf vom Strahl. 3390
Zu Pferd, zu Pferd!
Laßt uns den Sturzbach ungeſaͤumt erreichen,
So ſchneiden wir die ganze Rotte ab!
(Alle ab).
140

Vierter Act.3395

Scene: Gegend im Gebirg, mit Waſſerfaͤllen und einer Bruͤcke.

Erſter Auftritt.

Der Rheingraf von vom Stein (zu Pferd, zieht mit einem) Troß
Fußvolk (uͤber die Bruͤcke. Ihnen folgt) Der Graf vom
Strahl (zu Pferd; bald darauf) Ritter Flammberg mit 3400
Knechten und Reiſigen (zu Fuß. Zuletzt) Gottſchalk
(gleichfalls zu Pferd, neben ihm) das Kaͤthchen.

Rheingraf (zu dem Troß).

Ueber die Bruͤcke, Kinder, uͤber die Bruͤcke! Die⸗
ſer
Wetter vom Strahl kracht, wie vom Sturmwind 3405
getragen, hinter uns drein; wir muͤſſen die Bruͤcke
abwerfen, oder wir ſind Alle verloren!

(er reitet uͤber die Bruͤcke).
Knechte des Rheingrafen (folgen ihm).

Reißt die Bruͤcke nieder!3410

(ſie werfen die Bruͤcke ab).
Graf vom Strahl (erſcheint in der Scene, ſein
Pferd tummelnd).

Hinweg! — Wollt ihr den Steg unberuͤhrt laſſen?

141 Knechte des Rheingrafen (ſchießen mit Pfei⸗3415
len
auf ihn).

Hei! Dieſe Pfeile zur Antwort dir!

Graf vom Strahl (wendet das Pferd).

Meuchelmoͤrder! — He! Flammberg!

Kaͤthchen (haͤlt eine Rolle in die Hoͤhe).3420

Mein hoher Herr!

Graf vom Strahl (zu Flammberg).

Die Schuͤtzen her!

Rheingraf (uͤber den Fluß rufend).

Auf Wiederſehn, Herr Graf! Wenn ihr ſchwim⸗3425
men
koͤnnt, ſo ſchwimmt; auf der Steinburg, diesſeits
der Bruͤcke, ſind wir zu finden.

(ab mit dem Troß).
Graf vom Strahl.

Habt Dank ihr Herrn! Wenn der Fluß traͤgt, ſo 3430
ſprech’ ich bei euch ein!

(er reitet hindurch).
Ein Knecht (aus ſeinem Troß).

Halt! zum Henker! nehmt euch in Acht!

Kaͤthchen (am Ufer zuruͤckbleibend).3435

Herr Graf vom Strahl!

Ein anderer Knecht.

Schafft Balken und Bretter her!

Ritter Flammberg.

Was! biſt du ein Jud’?3440

142 Alle.

Setzt hindurch! Setzt hindurch!

(ſie folgen ihm).
Graf vom Strahl.

Folgt! Folgt! Es iſt ein Forellenbach, weder 3445
breit noch tief!
So recht! So recht! Laßt uns das
Geſindel voͤllig in die Pfanne hauen!

(ab mit dem Troß).
Kaͤthchen.

Herr Graf vom Strahl! Herr Graf vom Strahl!3450

Gottſchalk (wendet mit dem Pferde um).

Ja, was laͤrmſt und ſchreiſt du? — Was haſt du
hier im Getuͤmmel zu ſuchen?
Warum laͤufſt du hin⸗
ter
uns drein?

Kaͤthchen (haͤlt ſich an einem Stamm).3455

Himmel!

Gottſchalk (indem er abſteigt).

Komm! Schuͤrz’ und ſchwinge dich! Ich will das
Pferd an die Hand nehmen, und dich hindurch fuͤhren.

Graf vom Strahl (hinter der Scene).3460

Gottſchalk!

Gottſchalk.

Gleich, gnaͤdiger Herr, gleich! Was befehlt ihr?

Graf vom Strahl.

Meine Lanze will ich haben!3465

143 Gottſchalk (hilft das Kaͤthchen in den Steigbuͤgel).

Ich bringe ſie ſchon!

Kaͤthchen.

Das Pferd iſt ſcheu.

Gottſchalk (reißt das Pferd in den Zuͤgel).3470

Steh, Mordmaͤhre! — — — So zieh dir Schuh
und Struͤmpfe aus!

Kaͤthchen (ſetzt ſich auf einen Stein).

Geſchwind!

Graf vom Strahl (außerhalb).3475

Gottſchalk!

Gottſchalk.

Gleich, gleich! Ich bringe die Lanze ſchon. —
Was haſt du denn da in der Hand?

Kaͤthchen (indem ſie ſich auszieht).3480

Das Futteral, Lieber, das geſtern — nun!

Gottſchalk.

Was! Das im Feuer zuruͤck blieb?

Kaͤthchen.

Freilich! Um das ich geſcholten ward. Fruͤh mor⸗3485
gens,
im Schutt, heut’ ſucht’ ich nach und durch
Gottes Fuͤgung — — nun, ſo!

(ſie zerrt ſich am Strumpf).
Gottſchalk.

Je, was der Teufel! (er nimmt es ihr aus der Hand).3490
144 Und unverſehrt, bei meiner Treu, als waͤrs Stein!
— Was ſtekt denn drinn?

Kaͤthchen.

Ich weiß nicht.

Gottſchalk (nimmt ein Blatt heraus).3495

„Acte, die Schenkung, Stauffen betreffend, von
Friedrich Grafen vom Strahl“
— Je, verflucht!

Graf vom Strahl (draußen).

Gottſchalk!

Gottſchalk.3500

Gleich, gnaͤdiger Herr, gleich!

Kaͤthchen (ſteht auf).

Nun bin ich fertig!

Gottſchalk.

Nun, das mußt du dem Grafen geben! (er giebt ihr 3505
das Futtral wieder).
Komm, reich mir die Hand, und folg’
mir!
(er fuͤhrt ſie und das Pferd durch den Bach).

Kaͤthchen (mit dem erſten Schritt ins Waſſer).

Ah!

Gottſchalk.3510

Du mußt dich ein wenig ſchuͤrzen.

Kaͤthchen.

Nein, Nun, Nun, bei Leibe, ſchuͤrzen nicht!

(ſie ſteht ſtill).
Gottſchalk.3515

Bis an den Zwickel nur, Kaͤthchen!

Kaͤth- 145 Kaͤthchen.

Nein! Lieber ſuch’ ich mir einen Steg!

(ſie kehrt um).
Gottſchalk (haͤlt ſie).3520

Bis an den Knoͤchel nur, Kind! bis an die aͤu⸗
ßerſte,
unterſte Kante der Sohle!

Kaͤthchen.

Nein, nein, nein, nein; ich bin gleich wieder bei dir!

(ſie macht ſich los, und laͤuft weg).3525
Gottſchalk (kehrt aus dem Bach zuruͤck, und ruft
ihr nach).

Kaͤthchen! Kaͤthchen! Ich will mich umkehren!
Ich will mir die Augen zuhalten! Kaͤthchen! Es iſt
kein Steg auf Meilenweite zu finden!
— — Ei 3530
ſo wollt ich, daß ihr der Guͤrtel platzte!
Da laͤuft ſie
am Ufer entlang, der Quelle zu, den weißen ſchroffen
Spitzen der Berge; mein Seel, wenn ſich kein Faͤhr⸗
mann
ihrer erbarmt, ſo geht ſie verloren!

Graf vom Strahl (draußen).3535

Gottſchalk! Himmel und Erde! Gottſchalk!

Gottſchalk.

Ei, ſo ſchrei du! — — Hier, gnaͤdiger Herr; ich
komme ſchon.

(er leitet ſein Pferd muͤrriſch durch den Bach).3540
(ab).
[ 10 ] 146

Scene: Schloß Wetterſtrahl. Platz, dicht mit Baͤumen bewachſen,
am aͤußeren zerfallenen Mauernring der Burg.
Vorn ein Hol⸗
lunderſtrauch,
der eine Art von natuͤrlicher Laube bildet, wor⸗
unter
von Feldſteinen, mit einer Strohmatte bedeckt, ein Sitz.
3545
An den Zweigen ſieht man ein Hemdchen und ein paar Struͤm⸗
pfe
u. s. w. zum Trocknen aufgehaͤngt.

Zweiter Auftritt.

Kaͤthchen (liegt und ſchlaͤft). Der Graf vom Strahl
(tritt auf).
3550
Graf vom Strahl (indem er das Futteral in
den Buſen ſteckt).

Gottſchalk, der mir dies Futteral gebracht; hat
mir geſagt, das Kaͤthchen waͤre wieder da.
Kuni⸗
gunde
zog eben, weil ihre Burg niedergebrannt iſt, 3555
in die Thore der meinigen ein; da kommt er und
ſpricht: unter dem Hollunderſtrauch laͤge ſie wieder
da, und ſchliefe; und bat mich, mit thraͤnenden
Augen, ich moͤchte ihm doch erlauben, ſie in den
Stall zu nehmen.
Ich ſagte, bis der alte Vater, 3560
der Theobald ſich aufgefunden, wuͤrd’ ich ihr in der
Herberge ein Unterkommen verſchaffen; und indeſſen
hab’ ich mich herabgeſchlichen, um einen Entwurf mit
ihr auszufuͤhren. —
Ich kann dieſen dieſem Jammer nicht
mehr zuſehen.
Dies Maͤdchen, beſtimmt, den herr⸗3565
lichſten
Buͤrger von Schwaben zu begluͤcken, wiſſen
147will ich, warnm warum ich verdammt bin, ſie einer Metze
gleich, mit mir herum zu fuͤhren; wiſſen, warum
ſie hinter mir herſchreitet, einem Hunde gleich, durch
Feuer und Waſſer, mir Elenden, der nichts fuͤr ſich 3570
hat, als das Wappen auf ſeinem Schild. —
Es iſt
mehr, als der bloße ſympathetiſche Zug des Herzens; es
iſt irgend von der Hoͤlle angefacht, ein Wahn, der in
ihrem Buſen ſein Spiel treibt.
So oft ich ſie ge⸗
fragt
habe: Kaͤthchen! Warum erſchrackſt du doch ſo, 3575
als du mich zuerſt in Heilbronn ſahſt? hat ſie mich
immer zerſtreut angeſehen, und dann geantwortet:
Ei, geſtrenger Herr! ihr wißt’s ja!
— — — Dort iſt
ſie!
— Wahrhaftig, wenn ich ſie ſo daliegen ſehe, mit
rothen Backen und verſchraͤnkten Haͤndchen, ſo kommt 3580
die ganze Empfindung der Weiber uͤber mich, und
macht meine Thraͤnen fließen.
Ich will gleich ſterben,
wenn ſie mir nicht die Peitſche vergeben hat — ach!
was ſag’ ich? wenn ſie nicht im Gebet fuͤr mich, der
ſie mißhandelte, eingeſchlafen!
— — — Doch raſch, 3585
ehe Gottſchalk kommt, und mich ſtoͤrt.
Dreierlei hat
er mir geſagt: einmal, daß ſie einen Schlaf hat, wie
ein Murmelthier; zweitens, daß ſie, wie ein Jagd⸗
hund,
immer traͤumt, und drittens, daß ſie im Schlaf
ſpricht; und auf dieſe Eigenſchaften hin, will ich mei⸗3590
nen
Verſuch gruͤnden.
— Thue ich eine Suͤnde, ſo
mag ſie mir Gott verzeihen.

148 (er laͤßt ſich auf Knieen vor ihr nieder und legt ſeine beiden
Arme ſanft um ihren Leib. — Sie macht eine Bewegung als
ob ſie erwachen wollte, liegt aber gleich wieder ſtill).
3595
Der Graf vom Strahl.
Kaͤthchen! Schlaͤfſt du?
Kaͤthchen.
Nein, mein verehrter Herr.
(Pauſe).3600
Graf vom Strahl.
Und doch haſt du die Augenlieder zu.
Kaͤthchen.
Die Augenlieder?
Graf vom Strahl.3605
Ja; und feſt, duͤnkt mich.
Kaͤthchen.
— Ach, geh!
Graf vom Strahl.
Was! Nicht? Du haͤtt’ſt die Augen auf?3610
Kaͤthchen.
Groß auf, ſo weit ich kann, mein beſter Herr;
Ich ſehe dich ja, wie du zu Pferde ſitzeſt.
Graf vom Strahl.
So! — Auf dem Fuchs — nicht?3615
Kaͤthchen.
Nicht doch! Auf dem Schimmel.
(Pauſe).
149 Graf vom Strahl.
Wo biſt du denn, mein Herzchen? Sag mir an.3620
Kaͤthchen.
Auf einer ſchoͤnen gruͤnen Wieſe bin ich,
Wo Alles bunt und voller Blumen iſt.
Graf vom Strahl.
Ach, die Vergißmeinnicht! Ach, die Kamillen!3625
Kaͤthchen.
Und hier die Veilchen; ſchau! ein ganzer Buſch.
Graf vom Strahl.
Ich will vom Pferde niederſteigen, Kaͤthchen,
Und mich ins Gras ein wenig zu dir ſetzen.3630
— Soll ich?
Kaͤthchen.
Das thu, mein hoher Herr.
Graf vom Strahl (als ob er riefe).
He, Gottſchalk! —3635
Wo, [emendiert in ›Wo‹] [emendiert in ›Wo‹] laß ich doch das Pferd? — Gottſchalk! Wo
biſt du?
Kaͤthchen.
Je, laß es ſtehn. Die Lieſe laͤuft nicht weg.
Graf vom Strahl (laͤchelt).3640
Meinſt du? — Nun denn, ſo ſei’s!
(Pauſe. — Er raſſelt mit ſeiner Ruͤſtung).
Mein liebes Kaͤthchen.
(er faßt ihre Hand).
150 Kaͤthchen.3645
Mein hoher Herr!
Graf vom Strahl.
Du biſt mir wohl recht gut.
Kaͤthchen.
Gewiß! Von Herzen.3650
Graf vom Strahl.
Aber ich — was meinſt du?
Ich nicht.
Kaͤthchen (laͤchelnd).
O Schelm!3655
Graf vom Strahl.
Was, Schelm! Ich hoff’ —?
Kaͤthchen.
O geh! —
Verliebt ja, wie ein Kaͤfer, biſt du mir.3660
Graf vom Strahl.
Ein Kaͤfer! Was! Ich glaub’ du biſt —?
Kaͤthchen.
Was ſagſt du?
Graf vom Strahl (mit einem Seufzer).3665
Ihr Glaub’ iſt, wie ein Thurm, ſo feſt gegruͤndet! —
Sei’s! Ich ergebe mich darin. — Doch, Kaͤthchen,
Wenn’s iſt, wie du mir ſagſt —
Kaͤthchen.
Nun? Was beliebt?3670
151 Graf vom Strahl.
Was, ſprich, was ſoll draus werden?
Kaͤthchen.
Was draus ſoll werden?
Graf vom Strahl.3675
Ja! haſt du’s ſchon bedacht?
Kaͤthchen.
Je, nun.
Graf vom Strahl.
— Was heißt das?3680
Kaͤthchen.
Zu Oſtern, uͤber’s Jahr, wirſt du mich heuern.
Graf vom Strahl (das Lachen verbeißend).
So! Heuern! In der That! Das wußt ich nicht!
Kathrinchen, ſchau! — Wer hat dir das geſagt?3685
Kaͤthchen.
Das hat die Mariane mir geſagt.
Graf vom Strahl.
So! Die Mariane! Ei! — Wer iſt denn das?
Kaͤthchen.3690
Das iſt die Magd, die ſonſt das Haus uns fegte.
Graf vom Strahl.
Und die, die wußt’ es wiederum — von wem?
Kaͤthchen.
Die ſah’s im Blei, das ſie geheimnißvoll3695
In der Sylveſternacht, mir zugegoſſen.
152 Graf vom Strahl.
Was du mir ſagſt! Da prophezeihte ſie —?
Kaͤthchen.
Ein großer, ſchoͤner Ritter wuͤrd’ mich heuern.3700
Graf vom Strahl.
Und nun meinſt du ſo friſchweg, das ſei ich?
Kaͤthchen.
Ja, mein verehrter Herr.
(Pauſe).3705
Der Graf vom Strahl (geruͤhrt).
— Ich will dir ſagen,
Mein Kind, ich glaub’, es iſt ein Anderer.
Der Ritter Flammberg. Oder ſonſt. Was meinſt du?
Kaͤthchen.3710
Nein, nein!
Graf vom Strahl.
Nicht?
Kaͤthchen.
Nein, nein, nein!3715
Graf vom Strahl.
Warum nicht? Rede!
Kaͤthchen.
— Als ich zu Bett’ ging, da das Blei gegoſſen,
In der Sylveſternacht, bat ich zu Gott,3720
Wenn’s wahr waͤr, was mir die Mariane ſagte,
Moͤgt’ er den Ritter mir im Traume zeigen.
153 Und da erſchienſt du ja, um Mitternacht,
Leibhaftig, wie ich jetzt dich vor mir ſehe,
Als deine Braut mich liebend zu begruͤßen.3725
Graf vom Strahl.
Ich waͤr dir —? Herzchen! Davon weiß ich nichts.
— Wann haͤtt’ ich dich —?
Kaͤthchen.
In der Sylveſternacht.3730
Wenn wiederum Sylveſter kommt, zwei Jahr.
Graf vom Strahl.
Wo? In dem Schloß zu Strahl?
Kaͤthchen.
Nicht! In Heilbronn;3735
Im Kaͤmmerlein, wo mir das Bette ſteht.
Graf vom Strahl.
Was du da ſchwatzſt, mein liebes Kind. — Ich lag
Und obenein todtkrank, im Schloß zu Strahl.
(Pauſe — Sie ſeufzt, bewegt ſich, und liſpelt etwas).3740
Der Graf vom Strahl.
Was ſagſt du?
Kaͤthchen.
Wer?
Graf vom Strahl.3745
Du!
Kaͤthchen.
Ich? Ich ſagte nichts.
(Pauſe).
154 Graf vom Strahl (fuͤr ſich).3750
Seltſam, beim Himmel! In der Sylveſternacht —
(er traͤumt vor ſich nieder).
— Erzaͤhl’ mir doch etwas davon, mein Kaͤthchen!
Kam ich allein?
Kaͤthchen.3755
Nein, mein verehrter Herr.
Graf vom Strahl.
Nicht? — Wer war bei mir?
Kaͤthchen.
Ach, ſo geh!3760
Graf vom Strahl.
So rede!
Kaͤthchen.
Das weißt du nicht mehr?
Graf vom Strahl.3765
Nein, ſo wahr ich lebe.
Kaͤthchen.
Ein Cherubim, mein hoher Herr, war bei dir,
Mit Fluͤgeln, weiß wie Schnee, auf beiden Schul⸗
tern,
3770
Und Licht — o Herr! das funkelte! das glaͤnzte! —
Der fuͤhrt’, an ſeiner Hand, dich zu mir ein.
Der Graf vom Strahl (ſtarrt ſie an).
So wahr, als ich will ſelig ſeyn, ich glaube,
Da haſt du recht!3775
155 Kaͤthchen.
Ja, mein verehrter Herr.
Graf vom Strahl (mit beklemmter Stimme).
Auf einem haͤrnen Kiſſen lagſt du da,
Das Bettuch weiß, die wollne Decke roth?3780
Kaͤthchen.
Ganz recht! ſo wars!
Graf vom Strahl.
Im bloßen leichten Hemdchen?
Kaͤthchen.3785
Im Hemdchen? — Nein.
Graf vom Strahl.
Was! Nicht?
Kaͤthchen.
Im leichten Hemdchen?3790
Graf vom Strahl.
Mariane, riefſt du?
Kaͤthchen.
Mariane, rief ich!
Geſchwind! Ihr Maͤdchen! Kommt doch her! Chriſtine!3795
Graf vom Strahl.
Sahſt groß, mit ſchwarzem Aug’, mich an?
Kaͤthchen.
Ja, weil ich glaubt’, es waͤr ein Traum.
Graf vom Strahl.3800
Stiegſt langſam,
156 An allen Gliedern zitternd, aus dem Bett,
Und ſankſt zu Fuͤßen mir —?
Kaͤthchen.
Und fluͤſterte —3805
Graf vom Strahl. (unterbricht ſie).
Und fluͤſterteſt, mein hochverehrter Herr!
Kaͤthchen (laͤchelnd).
Nun! Siehſt du wohl? — Der Engel zeigte
dir —3810
Graf vom Strahl.
Das Mal — Schuͤtzt mich, ihr Himmliſchen! Das
haſt du?
Kaͤthchen.
Je, freilich!3815
Graf vom Strahl (reißt ihr das Tuch ab).
Wo? Am Halſe?
Kaͤthchen (bewegt ſich).
Bitte, bitte.
Graf vom Strahl.3820
O ihr Urewigen! — Und als ich jetzt,
Dein Kinn erhob, ins Antlitz dir zu ſchauen?
Kaͤthchen.
Ja, da kam die unſelige Mariane
Mit Licht — — — und Alles war vorbei;3825
Ich lag im Hemdchen auf der Erde da,
Und die Mariane ſpottete mich aus.
157 Graf vom Strahl.
Nun ſteht mir bei, ihr Goͤtter: ich bin doppelt!
Ein Geiſt bin ich und wandele zur Nacht!3830
(er laͤßt ſie los und ſpringt auf).
Kaͤthchen (erwacht).
Gott, meines Lebens Herr! Was widerfaͤhrt mir!
(ſie ſteht auf und ſieht ſich um).
Graf vom Strahl.3835
Was mir ein Traum ſchien, nackte Wahrheit iſt’s:
Im Schloß zu Strahl, todtkrank am Nervenfieber,
Lag ich danieder, und hinweggefuͤhrt,
Von einem Cherubim, beſuchte ſie
Mein Geiſt in ihrer Klauſe zu Heilbronn!3840
Kaͤthchen.
Himmel! Der Graf!
(ſie ſetzt ſich den Huth auf, und ruͤckt ſich das Tuch zurecht).
Graf vom Strahl.
Was thu ich jetzt? Was laſſ’ ich?3845
(Pauſe).
Kaͤthchen (faͤllt auf ihre beiden Kniee nieder).
Mein hoher Herr, hier lieg’ ich dir zu Fuͤßen,
Gewaͤrtig deſſen, was du mir verhaͤngſt!
An deines Schloſſes Mauer fandſt du mich,3850
Trotz des Gebots, das du mir eingeſchaͤrft;
Ich ſchwoͤr’s, es war ein Stuͤndchen nur zu ruhn,
Und jetzt will ich gleich wieder weiter gehn.
158 Graf vom Strahl.
Weh mir! Mein Geiſt, von Wunderlicht geblendet,3855
Schwankt an des Wahnſinns grauſem Hang umher!
Denn wie begreif’ ich die Verkuͤndigung,
Die mir noch ſilbern wiederklingt im Ohr,
Daß ſie die Tochter meines Kaiſers ſei?
Gottſchalk (draußen).3860
Kaͤthchen! He, junge Maid!
Graf vom Strahl (erhebt ſie raſch vom Boden).
Geſchwind erhebe dich!
Mach dir das Tuch zurecht! Wie ſiehſt du aus?

Dritter Auftritt.3865

Gottſchalk (tritt auf). Die Vorigen.
Graf vom Strahl.
Gut, Gottſchalk, das daß du kommſt! Du fragteſt
mich,
Ob du die Jungfrau in den Stall darfſt nehmen;3870
Das aber ſchickt aus manchem Grund ſich nicht;
Die Friedborn zieht aufs Schloß zu meiner Mutter.
Gottſchalk.
Wie? Was? Wo? — Oben auf das Schloß
hinauf?3875
159 Graf vom Strahl.
Ja, und das gleich! Nimm ihre Sachen auf,
Und auf dem Pfad zum Schloſſe folg’ ihr nach.
Gottſchalk.
Gott’s Blitz auch, Kaͤthchen! haſt du das gehoͤrt?3880
Kaͤthchen (mit einer zierlichen Verbeugung).
Mein hochverehrter Herr! Ich nehm’ es an,
Bis ich werd’ wiſſen, wo mein Vater iſt.
Graf vom Strahl.
Gut, gut! Ich werd mich gleich nach ihm erkund’gen.3885
(Gottſchalk bindet die Sachen zuſammen; Kaͤthchen
hilft ihm).

Nun? Iſt’s geſchehn?
(er nimmt ein Tuch vom Boden auf, und uͤbergiebt es ihr).
Kaͤthchen (erroͤthend).3890
Was! Du bemuͤhſt dich mir?
Gottſchalk (nimmt das Buͤndel in die Hand).
Graf vom Strahl.
Gieb deine Hand!
Kaͤthchen.3895
Mein hochverehrter Herr!
(er fuͤhrt ſie uͤber die Steine; wenn ſie hinuͤber iſt, laͤßt er ſie
vorangehen und folgt).

(Alle ab).
160

Scene: Garten. Im Hintergrunde eine Grotte, im gothiſchen Styl.3900

Vierter Auftritt.

Kunigunde (von Kopf zu Fuß in einen feuerfarbnen Schleier
verhuͤllt und)
Roſalie (treten auf).

Kunigunde.

Wo ritt der Graf vom Strahl hin?3905

Roſalie.

Mein Fraͤulein, es iſt dem ganzen Schloß unbe⸗
greiflich.
Drei kaiſerliche Commiſſarien kamen ſpaͤt
in der Nacht, und weckten ihn auf; er verſchloß ſich
mit ihnen, und heut, bei Anbruch des Tages ſchwingt 3910
er ſich auf’s Pferd, und verſchwindet.

Kunigunde.

Schließ’ mir die Grotte auf.

Roſalie.

Sie iſt ſchon offen.3915

Kunigunde.

Ritter Flammberg, hoͤr ich, macht dir den Hof;
zu Mittag, wann ich mich gebadet und angekleidet,
werd’ ich dich fragen, was dieſer Vorfall zu bedeu⸗
ten?
3920

(ab in die Grotte).
Fuͤnf- 161

Fuͤnfter Auftritt.

Fraͤulein Eleonore (tritt auf) Roſalie.
Eleonore.

Guten Morgen, Roſalie.3925

Roſalie.

Guten Morgen, mein Fraͤnlein! Fraͤulein! — Was fuͤhrt
euch ſo fruͤh ſchon hierher?

Eleonore.

Ei, ich will mich mit Kaͤthchen, dem kleinen, hol⸗3930
den
Gaſt, den uns der Graf ins Schloß gebracht,
weil die Luft ſo heiß iſt, in dieſer Grotte baden.

Roſalie.

Vergebt! — Fraͤulein Kunigunde iſt in der Grotte.

Eleonore.3935

Fraͤulein Kunigunde? — Wer gab euch den Schluͤſſel?

Roſalie.

Den Schluͤſſel? — Die Grotte war offen.

Eleonore.

Habt ihr das Kaͤthchen nicht darin gefunden?3940

Roſalie.

Nein, mein Fraͤulein. Keinen Menſchen.

Eleonore.

Ei, das Kaͤthchen, ſo wahr ich lebe, iſt drin!

Roſalie.3945

In der Grotte? Unmoͤglich!

[ 11 ] 162 Eleonore.

Wahrhaftig! In der Nebenkammern eine, einer, die
dunkel und verſteckt ſind.
— Sie war vorangegangen;
ich ſagte, nur, [emendiert in ›sagte nur,‹] [emendiert in ›sagte nur,‹] als wir an die Pforte kamen, ich 3950
wollte mir ein Tuch von der Graͤfin zum Troknen
holen.
— O Herr meines Lebens; da iſt ſie ſchon!

Sechſter Auftritt.

Kaͤthchen (aus der Grotte). Die Vorigen.
Roſalie (fuͤr ſich) ſich). 3955
Himmel! Was ſeh’ ich dort?
Kaͤthchen (zitternd).
Eleonore!
Eleonore.
Ei, Kaͤthchen! Biſt du ſchon im Bad geweſen?3960
Schaut, wie das Maͤdchen funkelt, wie es glaͤnzet!
Dem Schwane gleich, der in die Bruſt geworfen,
Aus des Kryſtallſees blauen Fluthen ſteigt!
— Haſt du die jungen Glieder dir erfriſcht?
Kaͤthchen.3965
Eleonore! Komm hinweg.
Eleonore.
Was fehlt dir?
163 Roſalie (ſchreckenblaß), (ſchreckenblaß).
Wo kommſt du her? Aus jener Grotte dort?3970
Du hatteſt in den Gaͤngen dich verſteckt?
Kaͤthchen.
Eleonore! Ich beſchwoͤre dich!
Kunigunde (im Innern der Grotte).
Roſalie!3975
Roſalie.
Gleich, mein Fraͤulein!
(zu Kaͤthchen).
Haſt ſie geſehn?
Eleonore.3980
Was giebt’s? Sag an! — Du bleichſt?
Kaͤthchen (ſinkt in ihre Arme).
Eleonore!
Eleonore.
Hilf, Gott im Himmel! Kaͤthchen! Kind! Was 3985
fehlt dir?
Kunigunde (in der Grotte).
Roſalie!
Roſalie (zu Kaͤthchen).
Nun, beim Himmel! Dir waͤr beſſer,3990
Du riſſeſt dir die Augen aus, als daß ſie
Der Zunge anvertrauten, was ſie ſahn!
(ab in die Grotte).
164

Siebenter Auftritt.

Kaͤthchen und Eleonore.3995
Eleonore.
Was iſt geſchehn, mein Kind? Was ſchilt man dich?
Was macht an allen Gliedern ſo dich zittern?
Waͤr dir der Tod, in jenem Haus, erſchienen,
Mit Hipp’ und Stundenglas, von Schrecken koͤnnte4000
Dein Buſen grimmiger erfaßt nicht ſein!
Kaͤthchen.
Ich will dir ſagen —
(ſie kann nicht ſprechen).
Eleonore.4005
Nun, ſag’ an! Ich hoͤre.
Kaͤthchen.
— Doch du gelobſt mir, nimmermehr, Lenore,
Wem es auch ſei, den Vorfall zu entdecken.
Eleonore.4010
Nein, keiner Seele; nein! Verlaß dich drauf.
Kaͤthchen.
Schau, in die Seitengrotte hatt’ ich mich,
Durch die verborgne Thuͤre eingeſchlichen;
Das große Prachtgewoͤlb’ war mir zu hell.4015
Und nun, da mich das Bad erquickt, tret’ ich
In jene groͤßre Mitte ſcherzend ein,
165 Und denke du, du ſeiſt’s, die darin rauſcht:
Und eben von dem Rand ins Becken ſteigend,
Erblickt mein Aug’ —4020
Eleonore.
Nun, was? wen? Sprich!
Kaͤthchen.
Was ſag’ ich!
Du mußt ſogleich zum Grafen, Leonore,4025
Und von der ganzen Sach’ ihn unterrichten.
Eleonore.
Mein Kind! Wenn ich nur wuͤßte, was es waͤre?
Kaͤthchen.
— Doch ihm nicht ſagen, nein, um’s Himmels 4030
willen,
Daß es von mir kommt. Hoͤrſt du? Eher wollt’ ich,
Daß er den Graͤuel nimmermehr entdeckte.
Eleonore.
In welchen Raͤthſeln ſprichſt du, liebſtes Kaͤth⸗4035
chen?

Was fuͤr ein Graͤu’l? Was iſt’s, das du erſchaut?
Kaͤthchen.
Ach, Leonor’, ich fuͤhle, es iſt beſſer,
Das Wort kommt uͤber meine Lippen nie!4040
Durch mich kann er, durch mich, enttaͤuſcht nicht
werden!
166 Eleonore.
Warum nicht? Welch ein Grund iſt, ihm zu ber⸗
gen
—?4045
Wenn du nur ſagteſt —
Kaͤthchen (wendet ſich).
Horch!
Eleonore.
Was giebt’s?4050
Kaͤthchen.
Es kommt!
Eleonore.
Das Fraͤulein iſt’s, ſonſt niemand, und Roſalie.
Kaͤthchen.4055
Fort! Gleich! Hinweg!
Eleonore.
Warum?
Kaͤthchen.
Fort, Raſende!4060
Eleonore.
Wohin?
Kaͤthchen.
Hier fort, aus dieſem Garten will ich —
Eleonore.4065
Biſt du bei Sinnen?
167 Kaͤthchen.
Liebe Leonore!
Ich bin verlohren, wenn ſie mich hier trifft!
Fort! In der Graͤfin Arme fluͤcht’ ich mich!4070
(ab).

Achter Auftritt.

Kunigunde und Roſalie (aus der Grotte).
Kunigunde (giebt Roſalien einen Schluͤſſel).
Hier, nimm! — Im Schubfach, unter meinem 4075
Spiegel;
Das Pulver, in der ſchwarzen Schachtel, rechts,
Schuͤtt’ es in Wein, in Waſſer oder Milch,
Und ſprich: komm her, mein Kaͤthchen! — Doch du
nimmſt4080
Vielleicht ſie lieber zwiſchen deine Kniee?
Gift, Tod und Rache! Mach’ es, wie du willſt,
Doch ſorge mir, daß ſie’s hinunterſchluckt.
Roſalie.
Hoͤrt mich nur an, mein Fraͤulein —4085
Kunigunde.
Gift! Peſt! Verweſung!
Stumm mache ſie und rede nicht!
Wenn ſie vergiftet, todt iſt, eingeſargt,
168 Verſcharrt, verweſ’t, zerſtiebt, als Myrthenſtengel,4090
Von dem, was ſie jetzt ſah, im Winde fluͤſtert;
So komm und ſprich von Sanftmuth und Vergebung,
Pflicht und Geſetz und Gott und Hoͤll’ und Teufel,
Von Reue und Gewiſſensbiſſen mir.
Roſalie.4095
Sie hat es ſchon entdeckt, es hilft zu nichts.
Kunigunde.
Gift! Aſche! Nacht! Chaotiſche Verwirrung!
Das Pulver reicht, die Burg ganz wegzufreſſen,
Mit Hund und Katzen hin! — Thu, wie ich ſagte!4100
Sie buhlt mir ſo zur Seite um ſein Herz,
Wie ich vernahm, und ich — des Todes ſterb’ ich,
Wenn ihn das Affenangeſicht nicht ruͤhrt;
Fort! In die Duͤnſte mit ihr hin: die Welt,
Hat nicht mehr Raum genug, fuͤr mich und ſie!4105
(ab)
169

Fuͤnfter Act.

Scene: Worms. Freier Platz vor der kaiſerlichen Burg, zur
Seite ein Thron; im Hintergrunde die Schranken des Gottes⸗
gerichts.
4110

Erſter Auftritt.

Der Kaiſer (auf dem Thron. Ihm zur Seite) der Erzbi⸗
ſchof
vom von Worms, Graf Otto von der Fluͤhe und
mehrere andere
Ritter, Herren und Trabanten.
Der
Graf vom Strahl (im leichten Helm und Harniſch, und) 4115
Theobald (von Kopf zu Fnß Fuß in voller Ruͤſtung; beide
ſtehen dem Thron gegenuͤber)
.

Der Kaiſer.
Graf Wetterſtrahl, du haſt, auf einem Zuge,
Der durch Heilbronn dich, vor drei Monden, fuͤhrte,4120
In einer Thoͤrin Buſen eingeſchlagen;
Den alten Vater juͤngſt verließ die Dirne,
Und, ſtatt ſie heimzuſenden, birgſt du ſie
Im Fluͤgel deiner vaͤterlichen Burg.
Nun ſprengſt du, ſolchen Frevel zu beſchoͤnen,4125
170 Geruͤchte, laͤcherlich und gottlos, aus;
Ein Cherubim, der dir zu Nacht erſchienen,
Hab’ dir vertraut, die Maid, die bei dir wohnt,
Sei meiner kaiſerlichen Lenden Kind.
Solch eines abgeſchmackt prophet’ſchen Grußes4130
Spott’ ich, wie ſich’s verſteht, und meinethalb
Magſt du die Krone ſelbſt auf’s Haupt ihr ſetzen;
Von Schwaben einſt, begreifſt du, erbt ſie nichts,
Und meinem Hof’ auch bleibt ſie fern zu Worms.
Hier aber ſteht ein tiefgebeugter Mann,4135
Dem du, zufrieden mit der Tochter nicht,
Auch noch die Mutter willſt zur Metze machen;
Denn er, ſein Lebelang fand er ſie treu,
Und ruͤhmt des Kinds unſel’gen Vater ſich.
Darum, auf ſeine ſchweren Klagen, riefen wir4140
Vor unſern Thron dich her, die Schmach, womit
Du ihre Gruft geſchaͤndet, darzuthun;
Auf, ruͤſte dich, du Freund der Himmliſchen:
Denn du biſt da, mit einem Wort von Stahl,
Im Zweikampf ihren Ausſpruch zu beweiſen!4145
Graf vom Strahl (mit dem Erroͤthen des Un⸗
willens).

Mein kaiſerlicher Herr! Hier iſt ein Arm,
Von Kraͤften ſtrotzend, markig, ſtahlgeſchient,
Geſchickt im Kampf dem Teufel zu begegnen;4150
Treff’ ich auf jene graue Scheitel dort,
171 Flach ſchmettr’ ich ſie, wie einen Schweizerkaͤſe,
Der gaͤhrend auf dem Brett des Sennen liegt.
Erlaſſ’, in deiner Huld und Gnade, mir,
Ein Maͤhrchen, aberwitzig, ſinnverwirrt,4155
Dir darzuthun, das ſich das Volk aus zwei
Ereigniſſen, zuſammen ſeltſam freilich,
Wie die zwei Haͤlften eines Ringes, paſſend,
Mit muͤß’gem Scharfſin, an einanderſetzte.
Begreif’, ich bitte dich, in deiner Weisheit,4160
Den ganzen Vorfall der Sylveſternacht,
Als ein Gebild des Fiebers, und ſo wenig
Als es mich kuͤmmern wuͤrde, traͤumteſt du,
Ich ſei ein Jud’, ſo wenig kuͤmmre dich,
Daß ich geraſ’t, die Tochter jenes Mannes4165
Sei meines hochverehrten Kaiſers Kind!
Erzbiſchof.
Mein Fuͤrſt und Herr, mit dieſem Wort, fuͤrwahr,
Kann ſich des Klaͤgers wackres Herz beruh’gen.
Geheimer Wiſſenſchaft, ſein Weib betreffend,4170
Ruͤhmt er ſich nicht; ſchau, was er der Mariane
Juͤngſt, in geheimer Zwieſprach’, vorgeſchwatzt:
Er hat es eben jetzo widerrufen!
Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht,
Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt.4175
Er gab, vor einer Stund’, o Theobald,
Mir ſeine Hand, das Kaͤthchen, wenn du kommſt
172 Zu Strahl, in ſeiner Burg, dir abzuliefern;
Geh’ hin und troͤſte dich und hohle ſie,
Du alter Herr, und laß die Sache ruhn!4180
Theobald.
Verfluchter Heuchler, du, wie kannſt du laͤugnen,
Daß deine Seele ganz durchdrungen iſt,
Vom Wirbel bis zur Sohle, von dem Glauben,
Daß ſie des Kaiſers Baͤnkeltochter ſei?4185
Haſt du den Tag nicht, bei dem Kirchenſpiel,
Erforſcht, wann ſie gebohren, nicht berechnet,
Wohin die Stunde der Empfaͤngniß faͤllt;
Nicht ausgemittelt, mit verruchtem Witze,
Daß die erhabne Majeſtaͤt des Kaiſers4190
Vor ſechzehn Lenzen durch Heilbronn geſchweift?
Verwegner, du, Ein Uebermuͤthiger, Vgl. Errata am Ende des Textes. aus eines Gottes Kuß, Kuß, Spieß nach ›Kuß‹ mitdruckend.
Auf einer Furie Mund gedruͤckt, entſprungen;
Ein glanzumfloſſner Vatermoͤrdergeiſt,
An jeder der granitnen Saͤulen ruͤttelnd,4195
In dem urew’gen Tempel der Natur;
Ein Sohn der Hoͤlle, den mein gutes Schwerdt
Entlarven jetzo, oder, ruͤckgewendet,
Mich ſelbſt zur Nacht des Grabes ſchleudern ſoll!
Graf vom Strahl.4200
Nun, den Gott ſelbſt verdamme, gifterfuͤllter
Verfolger meiner, der dich nie beleidigt,
Und deines Mitleids eher wuͤrdig waͤre,
173 So ſei’s, Mordraufer, denn, ſo wie du willſt.
Ein Cherubim, der mir, in Glanz geruͤſtet,4205
Zu Nacht erſchien, als ich im Tode lag,
Hat mir, was laͤugn’ ich’s laͤnger, Wiſſenſchaft,
Entſchoͤpft dem Himmelsbronnen, anvertraut.
Hier vor des hoͤchſtens hoͤchſten Gottes Antlitz ſteh’ ich,
Und die Behauptung ſchmettr’ ich dir ins Ohr:4210
Kaͤthchen Das Käthchen von Heilbronn, die dein Kind du ſagſt,
Iſt meines hoͤchſten Kaiſers dort; komm her,
Mich von dem Gegentheil zu uͤberzeugen!
Der Kaiſer.
Trompeter, blaß’t, blaſ’t, dem Laͤſterer zum Tode!4215
(Trompetenſtoͤße)
Theobald (zieht)
Und waͤre gleich mein Schwerdt auch eine Binſe,
Und einem Griffe, locker, wandelbar,
Von gelbem Wachs geknetet, eingefugt,4220
So wollt’ ich doch von Kopf zu Fuß dich ſpalten,
Wie einen Giftpilz, der der Haid’ entbluͤht,
Der Welt zum Zeugniß, Mordgeiſt, daß du logſt!
Graf vom Strahl (er nimmt ſich ſein Schwerdt ab
und giebt es weg).
4225
Und waͤr mein Helm gleich und die Stirn, die
drunter,
Durchſichtig, meſſerruͤckenduͤn, zerbrechlich,
Die Schaale eines ausgenomm’nen Ei’s,
174 So ſollte doch dein Sarras, Funken ſpruͤhend,4230
Abprallen, und in alle Ecken ſplittern,
Als haͤtt’ſt du einen Diamant getroffen,
Der Welt zum Zeugniß, daß ich wahr geſprochen!
Hau, und laſſ’ jetzt mich ſehn, weſſ’ Sache rein?
(er nimmt ſich den Helm ab und tritt dicht vor ihn).4235
Theobald (zuruͤckweichend).
Setz’ dir den Helm auf!
Graf vom Strahl. (folgt ihm).
Hau!
Theobald.4240
Setz’ dir den Helm auf!
Graf vom Strahl (ſtoͤßt ihn zu Boden).
Dich laͤhmt der bloße Blitz aus meiner Wimper?
(er windet ihm das Schwerdt aus der Hand, tritt uͤber ihm
und ſetzt ihm den Fuß auf die Bruſt).
4245
Was hindert mich, im Grimm gerechten Siegs,
Daß ich den Fuß ins Hirn dir druͤcke? — Lebe!
(er wirft das Schwerdt vor des Kaiſers Thron).
Mag es die alte Sphynx, die Zeit, dir loͤſen,
Das Kaͤthchen aber iſt, wie ich geſagt,4250
Die Tochter meiner hoͤchſten Majeſtaͤt!
Volk (durcheinander).
Himmel! Graf Wetterſtrahl hat obgeſiegt!
Der Kaiſer (erblaßt und ſteht auf).
Brecht auf, ihr Herrn!4255
175 Erzbiſchof.
Wohin?
Ein Ritter (aus dem Gefolge).
Was iſt geſchehn?
Graf Otto.4260
Allmaͤcht’ger Gott! Was fehlt der Majeſtaͤt?
Ihr Herren, folgt! Es ſcheint, ihr iſt nicht wohl?
(ab).

Scene: Ebendaſelbſt. Zimmer im kaiſerlichen Schloß.


Zweiter Auftritt.4265

Der Kaiſer (wendet ſich unter der Thuͤr).

Hinweg! Es ſoll mir niemand folgen! Den Burg⸗
grafen
von Freiburg und den Ritter von Waldſtaͤtten
laßt herein; das ſind die einzigen Maͤnner, die ich
ſprechen will!
(er wirft die Thuͤr zu). — — — Der En⸗4270
gel
Gottes, der dem Grafen vom Strahl verſichert hat,
das Kaͤthchen ſei meine Tochter: ich glaube, bei meiner
kaiſerlichen Ehre, er hat Recht!
Das Maͤdchen iſt,
wie ich hoͤre, funfzehn Jahr alt; und vor ſechszehn
Jahren, weniger drei Monaten, genau gezaͤhlt, fei⸗4275
erte
ich der Pfalzgraͤfin, meiner Schweſter, zu Ehren
das große Turnier in Heilbronn!
Es mogte ohnge⸗
176faͤhr
eilf Uhr Abends ſein, und der Jupiter ging eben,
mit ſeinem funkelnden Licht, im Oſten auf, als ich,
vom Tanz ſehr ermuͤdet, aus dem Schloßthor trat, 4280
um mich in dem Garten, der daran ſtoͤßt, unerkannt,
unter dem Volk, das ihn erfuͤllte, zu erlaben; und
ein Stern, mild und kraͤftig, wie der, leuchtete, wie
ich gar nicht zweifle, bei ihrer Empfaͤngniß.
Gertrud,
ſo viel ich mich erinnere, hieß ſie, mit der ich mich 4285
in einem, von dem Volk minder beſuchten, Theil des
Gartens, beim Schein verloͤſchender Lampen, waͤhrend
die Muſik, fern von dem Tanzſaal her, in den Duft
der Linden niederſaͤuſelte, unterhielt; und Kaͤthchens
Mutter heißt Gertrud!
Ich weiß, daß ich mir, als 4290
ſie ſehr weinte, ein Schauſtuͤck, mit dem Bildniß
Pabſt Leo’s, von der Bruſt los machte, und es ihr,
als ein Andenken von mir, den ſie gleichfalls nicht
kannte, in das Mieder ſteckte; und ein ſolches Schau⸗
ſtuͤck,
wie ich eben vernehme, beſitzt das Kaͤthchen von 4295
Heilbronn!
O Himmel! Die Welt wankt aus ihren
Fugen!
Wenn der Graf vom Strahl, dieſer Vertraute
der Auserwaͤhlten, von der Buhlerin, an die er ge⸗
knuͤpft
iſt, loslaſſen kann: ſo werd’ ich die Verkuͤndi⸗
gung
wahrmachen, den Theobald, unter welchem Vor⸗4300
wand
es ſei, bewegen muͤſſen, daß er mir dies Kind
abtrete, und ſie mit ihm verheirathen muͤſſen: will
ich nicht wagen, daß der Cherub zum zweitenmal zur
Erde 177 Erde ſteige und das ganze Geheimniß, das ich hier
den vier Waͤnden anvertraut, ausbringe!
4305

(ab).

Dritter Auftritt.

Burggraf von Freiburg und Georg von Waldſtaͤtten
(treten auf. Ihnen folgt) Ritter Flammberg.

Flammberg (erſtaunt).4310

Herr Burggraf von Freiburg! — Seid ihr es, oder
iſt es euer Geiſt?
O eilt nicht, ich beſchwoͤr euch —!

Freiburg (wendet ſich).

Was willſt du?

Georg.4315

Wen ſuchſt du?

Flammberg.

Meinen bejammernswuͤrdigen Herrn, den Grafen
vom Strahl! Fraͤulein Kunigunde, ſeine Braut —
o haͤtten wir ſie euch nimmermehr abgewonnen!
Den 4320
Koch hat ſie beſtechen wollen, dem Kaͤthchen Gift zu
reichen —: Gift, ihr geſtrengen Herren, und zwar
aus dem abſcheulichen, unbegreiflichen und raͤthselhaf⸗
ten
Grunde, weil das Kind ſie im Bade belauſchte!

Freiburg.4325

Und das begreift ihr nicht?

[ 12 ] 178 Flammberg.

Nein!

Freiburg.

So will ich es dir ſagen. Sie iſt eine moſaiſche 4330
Arbeit, aus allen drei Reichen der Natur zuſammen⸗
geſetzt.
Ihre Zaͤhne gehoͤren einem Maͤdchen aus Muͤn⸗
chen,
ihre Haare ſind aus Frankreich verſchrieben,
ihrer Wangen Geſundheit kommt aus den Bergwer⸗
ken
in Ungarn, und den Wuchs, den ihr an ihr bewun⸗4335
dert,
hat ſie einem Hemde zu danken, das ihr der
Schmidt, aus ſchwediſchem Eiſen, verfertigt hat. —
Haſt du verſtanden?

Flammberg.

Was!4340

Freiburg.

Meinen Empfehl an deinen Herrn!

(ab).
Georg.

Den meinigen auch! — Der Graf iſt bereits nach 4345
der Strahlburg zuruͤck; ſag’ ihm wenn er den Haupt⸗
ſchluͤſſel
nehmen, und ſie in der Morgenſtunde, wenn
ihre Reize auf den Stuͤhlen liegen, uͤberraſchen wolle,
ſo koͤnne er ſeine eigne Bildſaͤule werden und ſich, zur
Verewigung ſeiner Heldenthat, bei der Koͤhlerhuͤtte 4350
aufſtellen laſſen!

(ab).
179

Scene: Schloß Wetterſtrahl. Kunigundens Zimmer.

Vierter Auftritt.

Roſalie (bei der Toilette des Fraͤuleins beſchaͤftigt) Kunigunde 4355
(tritt ungeſchminkt, wie ſie aus dem Bette koͤmmt auf; bald
darauf)
der Graf vom Strahl.

Kunigunde (indem ſie ſich bei der Toilette niederſetzt).
Haſt du die Thuͤr beſorgt?
Roſalie.4360
Sie iſt verſchloſſen.
Kunigunde.
Verſchloſſen! Was! Verriegelt, will ich wiſſen!
Verſchloſſen und verriegelt, jedesmal!
(Roſalie geht, die Thuͤr zu verriegeln; der Graf 4365
kommt ihr entgegen).

Roſalie (erſchrocken).
Mein Gott! Wie kommt ihr hier herein, Herr Graf?
— Mein Fraͤulein!
Kunigunde (ſieht ſich um).4370
Wer?
Roſalie.
Seht, bitt’ ich euch!
Kunigunde.
Roſalie!4375
(ſie erhebt ſich ſchnell, und geht ab).
180

Fuͤnfter Auftritt.

Der Graf vom Strahl und Roſalie.
Graf vom Strahl (ſteht wie vom Donner geruͤhrt).
Wer war die unbekannte Dame?4380
Roſalie.
— Wo?
Graf vom Strahl.
Die, wie der Thurm von Piſa, hier vorbeiging? —
Doch, hoff ich, nicht —?4385
Roſalie.
Wer?
Graf vom Strahl.
Fraͤulein Kunigunde?
Roſalie.4390
Bei Gott, ich glaub’, ihr ſcherzt! Sybille, meine
Stiefmutter, gnaͤd’ger Herr —
Kunigunde. (drinnen).
Roſalie!
Roſalie.4395
Das Fraͤulein, das im Bett liegt, ruft nach mir. —
Verzeiht, wenn ich —!
(ſie holt einen Stuhl).
Wollt ihr euch guͤtigſt ſetzen?
(ſie nimmt die Toilette und geht ab).4400
181

Sechſter Auftritt.

Der Graf vom Strahl (vernichtet).
Nun, du allmaͤcht’ger Himmel, meine Seele,
Sie iſt doch werth nicht, daß ſie alſo heiße!
Das Maaß, womit ſie, auf dem Markt der Welt,4405
Die Dinge mißt, iſt falſch; ſcheuſel’ge Bosheit
Hab ich fuͤr die milde Herrlichkeit erſtanden!
Wohin fluͤcht’ ich, Elender, vor mir ſelbſt?
Wenn ein Gewitter wo in Schwaben tobte,
Mein Pferd koͤnnt’ ich, in meiner Wuth, beſteigen,4410
Und ſuchen, wo der Keil mein Haupt zerſchlaͤgt!
Was iſt zu thun, mein Herz? Was iſt zu laſſen?

Siebenter Auftritt.

Kunigunde (in ihrem gewoͤhnlichen Glanz) Roſalie und die
alte Sybille (die ſchwaͤchlich auf Kruͤcken, durch die 4415
Mittelthuͤr abgeht)
.

Kunigunde.
Sieh da, Graf Friederich! Was fuͤr ein Anlaß
fuͤhrt Fuͤhrt [wird nicht emendiert in ›Führt‹, sondern beide Verse werden durchlaufend als Prosa gesetzt. Siehe Anm.] [wird nicht emendiert in ›Führt‹, sondern beide Verse werden durchlaufend als Prosa gesetzt. Siehe Anm.] euch ſo fruͤh in meine Zimmer her?
Graf vom Strahl (indem er die Sybille mit den 4420
Augen verfolgt).

Was! Sind die Hexen doppelt?
182 Kunigunde (ſieht ſich um).
Wer?
Graf vom Strahl (faßt ſich).4425
Vergebt! —
Nach eurem Wohlſein wollt’ ich mich erkunden.
Kunigunde.
Nun? — Iſt zur Hochzeit Alles vorbereitet?
Graf vom Strahl (indem er naͤher tritt und ſie 4430
pruͤft).

Es iſt, bis auf den Hauptpunct, ziemlich Alles —
Kunigunde (weicht zuruͤck).
Auf wann iſt ſie beſtimmt?
Graf vom Strahl.4435
Sie war’s — auf morgen.
Kunigunde (nach einer Pauſe).
Ein Tag mit Sehnſucht laͤngſt von mir erharrt!
— Ihr aber ſeid nicht froh, duͤnkt mich, nicht heiter?
Graf vom Strahl (verbeugt ſich).4440
Erlaubt! ich bin der Gluͤcklichſte der Menſchen!
Roſalie (traurig).
Iſt’s wahr, daß jenes Kind, das Kaͤthchen, geſtern,
Das ihr im Schloß beherbergt habt —?
Graf vom Strahl.4445
O Teufel!
Kunigunde (betreten).
Was fehlt euch? Sprecht!
183 Roſalie (fuͤr ſich).
Verwuͤnſcht!4450
Graf vom Strahl (faßt ſich).
— Das Loos der Welt!
Man hat ſie ſchon im Kirchhof beigeſetzt.
Kunigunde.
Was ihr mir ſagt!4455
Roſalie.
Jedoch noch nicht begraben?
Kunigunde.
Ich muß ſie doch im Leichenkleid, noch ſehn.

Achter Auftritt.4460

Ein Diener (tritt auf). Die Vorigen.
Diener.
Gottſchalk ſchickt einen Boten, gnaͤdger Herr,
Der euch im Vorgemach zu ſprechen wuͤnſcht!
Kunigunde.4465
Gottſchalk?
Roſalie.
Von wo?
Graf vom Strahl.
Vom Sarge der Verblichnen!4470
Laßt euch im Putz, ich bitte ſehr, nicht ſtoͤren!
(ab).
184

Neunter Auftritt.

Kunigunde und Roſalie.
(Pauſe).4475
Kunigunde (ausbrechend).
Er weiß, umſonſt iſt’s, Alles hilft zu nichts,
Er hat’s geſehn, es iſt um mich gethan!
Roſalie.
Er weiß es nicht!4480
Kunigunde.
Er weiß!
Roſalie.
Er weiß es nicht!
Ihr klagt, und ich, vor Freuden moͤgt’ ich huͤpfen.4485
Er ſteht im Wahn, daß die, die hier geſeſſen,
Sybille, meine Mutter, ſei geweſen;
Und nimmer war ein Zufall gluͤcklicher
Als daß ſie juſt in eurem Zimmer war;
Schnee, im Gebirg geſammelt, wollte ſie,4490
Zum Waſchen eben euch in’s Becken tragen.
Kunigunde.
Du ſahſt, wie er mich pruͤfte, mich ermaß.
Roſalie.
Gleichviel! Er traut den Augen nicht! Ich bin4495
So froͤhlich, wie ein Eichhorn in den Fichten!
Laßt ſein, daß ihm von fern ein Zweifel kam;
185 Daß ihr euch zeigtet, groß und ſchlank und herrlich,
Schlaͤgt ſeinen Zweifel voͤllig wieder nieder.
Des Todes will ich ſterben, wenn er nicht,4500
Den Handſchuh jedem hinwirft, der da zweifelt,
Daß ihr die Koͤnigin der Frauen ſeid.
O ſeid nicht muthlos! Kommt und zieht euch an;
Der naͤchſten Sonne Strahl, was gilt’s begruͤßt euch,
Als Graͤfin Kunigunde Wetterſtrahl!4505
Kunigunde.
Ich wollte, daß die Erde mich verſchlaͤnge!
(ab).

Scene: Das Innere einer Hoͤhle mit der Ausſicht auf eine
Landſchaft.
4510

Zehnter Auftritt.

Kaͤthchen (in einer Verkleidung, ſitzt traurig auf einem Stein,
den Kopf an die Wand gelehnt)
Graf Otto von der Fluͤhe,
Wenzel von Nachtheim, Hans von Baͤrenklau (in
der Tracht kaiſerlicher Reichsraͤthe, und)
Gottſchalk (treten auf) 4515
Gefolge (zuletzt) der Kaiſer und Theobald, (welche
in Maͤnteln verhuͤllt, im Hintergrunde bleiben)
.

Graf Otto (eine Pergamentrolle in der Hand).
Jungfrau von Heilbronn! Warum herbergſt du,
Dem Sperber gleich, in dieſer Hoͤhle Raum?4520
186 Kaͤthchen (ſteht auf).
O Gott! Wer ſind die Herrn?
Gottſchalk.
Erſchreckt ſie nicht! —
Der Anſchlag einer Feindin, ſie zu toͤdten,4525
Zwang uns, in dieſe Berge ſie zu fluͤchten.
Graf Otto.
Wo iſt dein Herr, der Reichsgraf, dem du dienſt?
Kaͤthchen.
Ich weiß es nicht.4530
Gottſchalk.
Er wird ſogleich erſcheinen!
Graf Otto (giebt ihr das Pergament).
Nimm dieſe Rolle hier; es iſt ein Schreiben,
Verfaßt von kaiſerlicher Majeſtaͤt.4535
Durchfleuchs und folge mir; hier iſt kein Ort,
Jungfraun, von deinem Range, zu bewirthen;
Worms nimmt fortan, in ſeinem Schloß, dich auf!
Der Kaiſer (im Hintergrund).
Ein lieber Anblick!4540
Theobald.
O ein wahrer Engel!
187

Eilfter Auftritt.

Der Graf vom Strahl (tritt auf). Die Vorigen.
Graf vom Strahl (betroffen).4545
Reichsraͤth’, in feſtlichem Gepraͤng’, aus Worms!
Graf Otto.
Seid uns gegruͤßt, Herr Graf!
Graf vom Strahl.
— Was bringt ihr mir?4550
Graf Otto.
Ein kaiſerliches Schreiben dieſer Jungfrau!
Befragt ſie ſelbſt; ſie wird es euch bedeuten.
Graf vom Strahl.
O Herz, was pochſt du?4555
(zu Kaͤthchen).
Kind, was haͤltſt du da?
Kaͤthchen.
Weiß nit, mein hoher Herr. —
Gottſchalk.4560
Gieb, gieb, mein Herzchen.
Graf vom Strahl (lieſ’t).
„Der Himmel, wiſſet, hat mein Herz geſtellt,
Das Wort des Auserwaͤhlten einzuloͤſen.
Das Kaͤthchen iſt nicht mehr des Theobalds,4565
Des Waffenſchmidts, der, mir [emendiert in ›der mir‹] [emendiert in ›der mir‹] ſie abgetreten,
Das Kaͤthchen fuͤrderhin iſt meine Tochter,
188 Und Katharina heißt ſie jetzt von Schwaben.“
(er durchblaͤttert die andern Papiere).
Und hier: „Kund ſei“ — Und hier: „das Schloß zu 4570
Schwabach“ —
(kurze Pauſe).
Nun moͤgt’ ich vor der Hochgebenedeyten
In Staub mich werfen, ihren Fuß ergreifen,
Und mit des Danks glutheißer Thraͤne waſchen.4575
Kaͤthchen (ſetzt ſich).
Gottſchalk, hilf, ſteh mir bei; mir iſt nicht wohl!
Graf von vom Strahl (zu den Raͤthen).
Wo iſt der Kaiſer? Wo der Theobald?
Der Kaiſer (indem beide ihre Maͤntel abwerfen).4580
Hier ſind ſie!
Kaͤthchen (ſteht auf).
Gott im hohen Himmel! Vater!
(ſie eilt auf ihn zu; er empfaͤngt ſie).
Gottſchalk (fuͤr ſich).4585
Der Kaiſer! Ei, ſo wahr ich bin! Da ſteht er!
Graf vom Strahl.
Nun, ſprich du — Goͤttlicher! Wie nenn’ ich dich?
— Sprich, las ich recht?
Der Kaiſer.4590
Beim Himmel, ja, das thatſt du!
Die einen Cherubim zum Freunde hat,
Der kann mit Stolz ein Kaiſer Vater ſein!
189 Das Kaͤthchen iſt die Erſt’ itzt vor den Menſchen,
Wie ſie’s vor Gott laͤngſt war; wer ſie begehrt,4595
Der muß bei mir jetzt wuͤrdig um ſie frein.
Graf vom Strahl (beugt ein Knie vor ihm).
Nun, hier auf Knieen bitt ich: gieb ſie mir!
Der Kaiſer.
Herr Graf! Was faͤllt ihm ein?4600
Graf vom Strahl.
Gieb, gieb ſie mir!
Welch’ andern Zweck erſaͤnn’ ich deiner That?
Der Kaiſer.
So! Meint er das? — Der Tod nur iſt umſonſt,4605
Und die Bedingung ſetz’ ich dir.
Graf vom Strahl.
Sprich! Rede!
Der Kaiſer (ernſt).
In deinem Haus den Vater nimmſt du auf!4610
Graf vom Strahl.
Du ſpotteſt!
Der Kaiſer.
Was! du weigerſt dich?
Graf vom Strahl.4615
In Haͤnden!
In meines Herzens Haͤnden nehm’ ich ihn!
Der Kaiſer (zu Theobald).
Nun, Alter; hoͤrteſt du?
190 Theobald (fuͤhrt ihm Kaͤthchen zu).4620
So gieb ſie ihm!
Was Gott fuͤgt, heißt es, ſoll der Menſch nicht ſcheiden.
Graf vom Strahl (ſteht auf, und nimmt Kaͤthchens Hand).
Nun denn, zum Selgen Sel’gen haſt du mich gemacht! —
Laßt einen Kuß mich, Vaͤter, einen Kuß nur4625
Auf ihre himmelſuͤßen Lippen druͤcken.
Haͤtt’ ich zehn Leben, nach der Hochzeitsnacht,
Opfr’ ich ſie jauchzend jedem von euch hin!
Der Kaiſer.
Fort jetzt! daß er das Raͤthſel ihr erklaͤre!4630
(ab).

Zwoͤlfter Auftritt.

Der Graf vom Strahl und das Kaͤthchen.
Graf vom Strahl (indem er ſie bei der Hand
nimmt, und ſich ſetzt).
4635
Nun denn, mein Kaͤthchen, komm! komm her,
o Maͤdchen!
Mein Mund hat jetzt dir etwas zu vertraun.
Kaͤthchen.
Mein hoher Herr! Sprich! Was bedeutet mir —?4640
Graf vom Strahl.
Zuerſt, mein ſuͤßes Kind, muß ich dir ſagen,
191 Daß ich mit Liebe dir, unſaͤglich, ewig,
Durch alle meine Sinne zugethan.
Der Hirſch, der von der Mittagsglut gequaͤlt,4645
Den Grund zerwuͤhlt, mit ſpitzigem Geweih,
Er ſehnt ſich ſo begierig nicht,
Vom Felſen in den Waldſtrom ſich zu ſtuͤrzen,
Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein biſt,
In alle deine jungen Reize mich.4650
Kaͤthchen (ſchamroth).
Jeſus! Was ſprichſt du? Ich verſteh’ dich nicht.
Graf vom Strahl.
Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekraͤnkt,
Beleidigt; meine roh mishandelnde4655
Gebaͤhrde dir zuweilen weh gethan.
Denk’ ich, wie lieblos einſt mein Herz geeifert,
Dich von mir wegzuſtoßen — und ſeh’ ich gleichwohl
jetzo dich jetzo
So voll von Huld und Guͤte vor mir ſtehn,4660
Sieh, ſo kommt Wehmuth, Kaͤthchen, uͤber mich,
Und meine Thraͤnen halt’ ich nicht zuruͤck.
(er weint).
Kaͤthchen (aͤngſtlich).
Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich ſo?4665
Was haſt du mir gethan? Ich weiß von nichts.
Graf vom Strahl.
O Maͤdchen, wenn die Sonne wieder ſcheint,
192 Will ich den Fuß in Gold und Seide legen,
Der einſt auf meiner Spur ſich wund gelaufen.4670
Ein Baldachin ſoll dieſe Scheitel ſchirmen,
Die einſt der Mittag hinter mir verſengt.
Arabien ſoll ſein ſchoͤnſtes Pferd mir ſchicken,
Geſchirrt in Gold, mein ſuͤßes Kind zu tragen,
Wenn mich in’s Feld der Klang der Hoͤrner ruft;4675
Und wo der Zeiſig ſich das Neſt gebaut,
Der zwitſchernde, in dem Hollunderſtrauch,
Soll ſich ein Sommerſitz dir auferbaun,
In heitern, weitverbreiteten Gemaͤchern,
Mein Kaͤthchen, kehr’ ich wieder, zu empfangen.4680
Kaͤthchen.
Mein Friederich! Mein angebeteter!
Was ſoll ich auch von dieſer Rede denken?
Du willſt? — Du ſagſt? —
(ſie will ſeine Hand kuͤſſen).4685
Graf vom Strahl (zieht ſie zuruͤck).
Nichts, nichts, mein ſuͤßes Kind.
(er kuͤßt ihre Stirn).
Kaͤthchen.
Nichts?4690
Graf vom Strahl.
Nichts. Vergieb. Ich glaubt’, es waͤre
morgen.
— Was 193 — Was wollt’ ich doch ſchon ſagen? — Ja, ganz recht,
Ich wollte dich um einen Dienſt erſuchen.4695
(er wiſcht ſich die Thraͤnen ab).
Kaͤthchen (kleinlaut).
Um einen Dienſt? Nun, welchen? Sag nur an.
(Pauſe).
Graf vom Strahl.4700
Ganz recht. Das war’s. — Du weißt, ich mache
morgen Hochzeit.
Es iſt zur Feier Alles ſchon bereitet;
Am naͤchſten Mittag bricht der Zug,
Mit meiner Braut bereits zum Altar auf.4705
Nun ſann’ ich mir ein Feſt aus, ſuͤßes Maͤdchen,
Zu welchen welchem du die Goͤttin ſpielen ſollſt.
Du ſollſt, aus Lieb’ zu deinem Herrn, fuͤr morgen
Die Kleidung, die dich deckt, bei Seite legen,
Und in ein reiches Schmuckgewand dich werfen,4710
Das Mutter ſchon fuͤr dich zurecht gelegt.
— Willſt du das thun?
Kaͤthchen (haͤlt ihre Schuͤrze vor die Augen).
Ja, ja, es ſoll geſchehn.
Graf vom Strahl.4715
Jedoch recht ſchoͤn; hoͤrſt du? Still aber praͤchtig!
Recht, wie’s Natur und Weiſ’ in dir erheiſcht.
Man wird dir Perlen und Smaragden reichen;
Gern moͤgt’ ich daß du alle Fraun im Schloß,
[ 13 ] 194 Selbſt noch die Kunigunde uͤberſtrahlſt. —4720
Was weinſt du?
Kaͤthchen.
— Ich weiß nicht, mein verehrter Herr.
Es iſt in’s Aug’ mir was gekommen.
Graf vom Strahl.4725
Ins Auge? Wo?
(er kuͤßt ihr die Thraͤnen aus den Augen).
Nun komm nur fort. Es wird ſich ſchon erhellen.
(er fuͤhrt ſie ab).

Scene: Schloßplatz, zur Rechten, im Vordergrund, ein Portal. 4730
Zur Linken, mehr in der Tiefe, das Schloß, mit einer
Rampe. Im Hintergrund’ die Kirche.

Dreizehnter Auftritt.

(Marſch. Ein Aufzug). Ein Herold (eroͤfnet ihn; darauf)
Trabanten.
Ein Baldachin (von) vier Mohren (ge⸗4735
tragen.
In der Mitte des Schloßplatzes ſtehen)
der Kaiſer,
der Graf vom Strahl, Theobald, Graf Otto von
der Fluͤhe, der Rheingraf vom Stein, der Burg⸗
graf
von Freiburg (und das) uͤbrige Gefolge des Kai⸗
ſers
(und empfangen den Baldachin. Unter dem Portal, rechts rechts) 4740
195 Fraͤulein Kunigunde von Thurneck (im Brautſchmuck, mit
ihren)
Tanten und Vettern (um ſich dem Zuge anzuſchließen.
Im Hintergrunde)
Volk (worunter) Flammberg, Gott⸗
ſchalk,
Roſalie u. s. w.

Der Graf vom Strahl.4745

Halt hier, mit dem Baldachin! — Herold, thue
dein Amt!

Der Herold (ableſend).

»Kund und zu wiſſen ſei hiermit jedermann, daß
der Reichsgraf, Friedrich Wetter vom Strahl, heut 4750
ſeine Vermaͤhlung feiert, mit Katharina, Prinzeſſin
von Schwaben, Tochter unſers durchlauchtigſten Herrn
Herrn und Kaiſers.
Der Himmel ſegne das hohe
Brautpaar, und ſchuͤtte das ganze Fuͤllhorn von
Gluͤck, das in den Wolken ſchwebt, uͤber ihre theuren 4755
Haͤupter aus! [emendiert in ›aus!“‹] [emendiert in ›aus!“‹]

Kunigunde (zu Roſalie).

Iſt dieſer Mann beſeſſen, Roſalie?

Roſalie.

Beim Himmel! Wenn er es nicht iſt, ſo iſt es 4760
darauf angelegt, uns dazu zu machen. —

Burggraf von Freiburg.

Wo iſt die Braut?

Ritter von Thurneck.

Hier, ihr verehrungswuͤrdigen Herren!4765

196 Freiburg.

Wo?

Thurneck.

Hier ſteht das Fraͤulein, unſere Muhme, unter
dieſem Portal!
4770

Freiburg.

Wir ſuchen die Braut des Grafen vom Strahl.
— Ihr Herren, an euer Amt! Folgt mir und laßt
uns ſie holen.

(Burggraf von Freiburg, Georg von Waldſtaͤtten 4775
und der Rheingraf vom Stein, beſteigen die Rampe und
gehen ins Schloß).

Die Herren von Thurneck.

Hoͤlle, Tod und Teufel! Was haben dieſe Anſtal⸗
ten
zu bedeuten?
4780

Vierzehnter Auftritt.

Kaͤthchen (im kaiſerlichen Brautſchmuck, gefuͤhrt von) Graͤfin
Helena und Fraͤulein Eleonore (ihre Schleppe von) drei
Pagen (getragen; hinter ihr) Burggraf von Freiburg
u. s. w. (ſteigen die Rampe herab).
4785
Graf Otto.

Heil dir, o Jungfrau!

197 Ritter Flammberg und Gottſchalk.

Heil dir, Kaͤthchen von Heilbronn, kaiſerliche Prin⸗
zeſſin
von Schwaben!
4790

Volk.

Heil dir! Heil! Heil dir!

Herrnſtadt und von der Wart (die auf dem
Platz geblieben).

Iſt dies die Braut?4795

Freiburg.

Dies iſt ſie.

Kaͤthchen.

Ich? Ihr hohen Herren! Weſſen?

Der Kaiſer.4800

Deſſen, den dir der Cherub geworben. Willſt du
dieſen Ring mit ihm wechſeln?

Theobald.

Willſt du dem Grafen deine Hand geben?

Graf vom Strahl (umfaßt ſie)4805

Kaͤthchen! Meine Braut! Willſt du mich?

Kaͤthchen.

Schuͤtze mich Gott und alle Heiligen!

(ſie ſinkt; die Graͤfin empfaͤngt ſie)
Der Kaiſer.4810

Wohlan, ſo nehmt ſie, Herr Graf vom Strahl,
und fuͤhrt ſie zur Kirche!

(Glockenklang).
198 Kunigunde.

Peſt, Tod und Rache! Dieſen Schimpf ſollt ihr 4815
mir buͤßen!

(ab, mit Gefolge).
Der Graf vom Strahl.

Giftmiſcherin!

(Marſch: Der Kaiſer ſtellt ſich mit Kaͤthchen und dem 4820
Grafen vom Strahl unter den Baldachin; die Damen und
Ritter folgen.
Trabanten beſchließen den Zug. — Alle ab).
Ende.

Seite 119, fuͤnfte Zeile von unten, lies: Schuͤrze.
ſtatt Schaͤrpe.
4825

S. 172 funfzehnte Zeile von oben, lies: Ein Ueber⸗
muͤthiger,
ſtatt Verwegener, du

Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe ein großes historisches Ritterschauspiel

https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00013536/images/index.html?fip=193.174.98.30&id=00013536&seite=5

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/dramen/kaethchen, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 21.05.2025

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Apparat

Textwiedergabe nach Erstdruck:
[D1] Heinrich v. Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe ein großes historisches Ritterschauspiel Berlin: Realschulbuchhandlung, 1810.

Zugrunde gelegtes Exemplar:

  • BSB. Bayerische StaatsBibliothek. Sigle: Rar. 225

Überlieferung

Der Erstdruck enthält einzelne Druckfehler. Diese sind im Text in dunkelgrau gesetzt und in der ›Korrigenda‹ chronologisch aufgelistet.

Der Text der ›Emendierten Fassung‹ ist die emendierte Textfassung des Erstdrucks auf Basis der ›Korrigenda‹. Andere Änderungen sind nicht vorgenommen worden. Weitere Lesefassungen sind im Seitenmenü aufrufbar.

Zum Vergleich (und zur Überprüfung) läßt sich für jede Seite die entsprechende Faksimile-Darstellung der Bayerischen Staatsbibliothek aufrufen, deren Exemplar die Grundlage der Textwiedergabe ist. (Siehe Editorial)

Der Druck ist in Fraktur gesetzt. Das lange ſ des Frakturdrucks wird nicht wiedergegeben. Ansonsten erfolgt die Textwiedergabe zeichengenau.

Das Satzbild der einzelnen Seiten wird reproduziert, soweit es in diesem digitalen Medium mit vertretbarem Aufwand umsetzbar ist.

Das ›Käthchen‹ ist von Kleist nur zum Teil in Versen gesetzt worden. Dies führt in den vorliegenden Kleist-Editionen zu unterschiedlichen Zeilen- und Verszählungen, die miteinander nicht kompatibel sind. Sembdner und DKV zählen die Zeilen chronologisch, Antilaben — Verszeilen, die sich auf unterschiedliche Sprecher und mehrere Zeilen verteilen — werden als eine Zeile gezählt, Regieanweisungen werden nicht mitgezählt. Aufgrund unterschiedlicher Satzspiegelbreiten kommen beide Editionen zu unterschiedlichen Zeilennummern, Sembdner zählt 1683, DKV 2753 Zeilen bzw. Verse. BKA und MA belassen es bei einer seitenweisen Zeilenzählung, Antilaben werden nicht gesondert behandelt.

Die Mischung von Prosa und Vers lässt eine vergleichbare Zeilen- und Verszählung nicht zu. Deshalb wird hier wie bei den anderen Erstdrucken verfahren (ausgenommen sind die komplett versifizierten Dramen): die Zeilen werden unabhängig von Versstruktur und Antilaben chronologisch nummeriert, Zeilenfall und -trennungen werden aus dem Erstdruck übernommen.

Die Antilaben sind über die entsprechenden Zeilen optisch eingerückt, wie auch im Erstdruck, der hier allerdings nicht immer konsistent ist. Die Reproduktion des Blocksatz inkl. vorgegebener Zeilentrennung, wie sie sich im Erstdruck findet, ist momentan in der Online-Version technisch noch nicht realisierbar. Dies macht die Identifizierung der versifizierten Partien auf den ersten Blick etwas schwieriger. Grundregel ist aber, dass Kleist immer ganze Szenen versifiziert hat und in diesen nicht zwischen Prosa und Vers springt. Die Versanfänge beginnen grundsätzlich versal, Antilaben sind durch Einrückungen erkennbar.

Editorische Anmerkungen

  • 92funfzehnSpieß hinter ›funfzehn‹.
  • 594unſere[m]Das ›m‹ ist kopfstehend montiert.
  • 2726GrafSpieß vor Graf mitdruckend.
  • 2903Schaͤrpe.Vlg. Errata am Ende des Textes.
  • 4192Verwegner, du,Vgl. Errata am Ende des Textes.
  • 4192Kuß,Spieß nach ›Kuß‹ mitdruckend.
 Emendationen (insges. 63)
  • 10Schrauken).Schranken).
  • 92funfzehnfunfzehnSpieß hinter ›funfzehn‹.
  • 189vonvom
  • 193nndund
  • 346deuden
  • 400ihnihm
  • 463bekommen,bekommen
  • 476erblickt eineerblickt, ein
  • 532dasdaß
  • 594unſere[m]unſeremDas ›m‹ ist kopfstehend montiert.
  • 624HansHans.
  • 661ImIn
  • 699Herr,Herr.
  • 1024ſcheidenſcheiden,
  • 1067ihrihre
  • 1067wildſtenwild’ſten
  • 1068Ottto.Otto.
  • 1102Senfzer,Seufzer,
  • 1137Alten.Alten,
  • 1139geharniſchten, Vaͤtergeharniſchten Vaͤter,
  • 1309DaDas
  • 1597StrahlStrahl.
  • 1605HuͤtteHuͤtte).
  • 1617(Pauſe.)(Pauſe).
  • 1865ihrihr)
  • 1908ſprach erſprach er,
  • 2039beiſammenbeiſammen.
  • 2068und,und
  • 2222wiederkehren,wiederkehren?
  • 2231Frende?Freude?
  • 2236vonvom
  • 2259(ab.(ab).
  • 2307dasdaß
  • 2449GolobtGelobt
  • 2459nudund
  • 2590die ſichdie ſie ſich
  • 2607dendem
  • 2726GrafGrafSpieß vor Graf mitdruckend.
  • 2739vonvom
  • 2903Schaͤrpe.Schuͤrze.Vlg. Errata am Ende des Textes.
  • 2908Kathchen.Kaͤthchen.
  • 2922HerrHerr.
  • 3149Stimme.Stimme).
  • 3262Cherub),Cherub).
  • 3398vonvom
  • 3564dieſendieſem
  • 3567warnmwarum
  • 3868dasdaß
  • 3927Fraͤnlein!Fraͤulein!
  • 3948eine,einer,
  • 3955ſich)ſich).
  • 3969(ſchreckenblaß),(ſchreckenblaß).
  • 4113vomvon
  • 4116FnßFuß
  • 4192Verwegner, du,Ein Uebermuͤthiger,Vgl. Errata am Ende des Textes.
  • 4192Kuß,Kuß,Spieß nach ›Kuß‹ mitdruckend.
  • 4209hoͤchſtenshoͤchſten
  • 4215blaß’t,blaſ’t,
  • 4419fuͤhrtFuͤhrt
  • 4578vonvom
  • 4624SelgenSel’gen
  • 4707welchenwelchem
  • 4740rechtsrechts)
Pagina Kleist-Ausgaben
  • [BKA] I/6 7–198
  • [MA] I 501–627
  • [DKV] II 321–434
  • [SE:1993] I 429–531
 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

In die Kollation einbezogene Kleist-Ausgaben

[BKA][MA]

[BKA:1989] [15 Abw.]
  • 10Schrauken). ] [liest ›Schranken‹]
  • 793Tag’, ] emendiert in ›Tag’‹
  • 1067wildſten ] [nicht emendiert]
  • 1287Wald/ſtaͤdten ] [emendiert in ›Waldstätten‹]
  • 1428Waldſtaͤdten ] emendiert in ›Waldstätten‹
  • 1617(Pauſe.) ] [liest ›Panse.)‹]
  • 2157Herrſchafft ] Herrschaft
  • 2175Staufen ] [emendiert in ›Stauffen‹]
  • 2588wie, ] [emendiert in ›wie‹]
  • 3513Nein, ] Nun,
  • 3636Wo, ] [emendiert in ›Wo‹]
  • 3950ſagte, nur, ] [emendiert in ›sagte nur,‹]
  • 4419fuͤhrt ] [wird nicht emendiert in ›Führt‹, sondern beide Verse werden durchlaufend als Prosa gesetzt. Siehe Anm.]
  • 4566der, mir ] [emendiert in ›der mir‹]
  • 4756aus! ] [emendiert in ›aus!“‹]
[MA:2010] [21 Abw.]
  • p1Perſonen: ] Personen.
  • p2Gerichts. ] Gerichts
  • 10Schrauken). ] [liest ›Schranken‹]
  • 793Tag’, ] emendiert in ›Tag’‹
  • 1067wildſten ] [nicht emendiert]
  • 1074Wenzel ] Wenzel.
  • 1287Wald/ſtaͤdten ] [emendiert in ›Waldstätten‹]
  • 1428Waldſtaͤdten ] emendiert in ›Waldstätten‹
  • 2157Herrſchafft ] Herrschaft
  • 2175Staufen ] [emendiert in ›Stauffen‹]
  • 2512aufbewahren! ] auf bewahren
  • 2588wie, ] [emendiert in ›wie‹]
  • 2982vorſchiebt, ] vor schiebt,
  • 3513Nein, ] Nun,
  • 3636Wo, ] [emendiert in ›Wo‹]
  • 3950ſagte, nur, ] [emendiert in ›sagte nur,‹]
  • 4211Kaͤthchen ] Das Käthchen
  • 4419fuͤhrt ] [wird nicht emendiert in ›Führt‹, sondern beide Verse werden durchlaufend als Prosa gesetzt. Siehe Anm.]
  • 4566der, mir ] [emendiert in ›der mir‹]
  • 4659jetzo dich ] jetzo
  • 4756aus! ] [emendiert in ›aus!“‹]
Stellenkommentar

576— Kennſt du das Haar noch wieder,Im Erstdruck nicht als Halbvers eingerückt.

vor_716DerIm Erstdruck ohne Sperrung.

1084Der Graf vom StrahlIm Erstdruck ohne Sperrung.

vor_1527Im Erstdruck als Seitenzahl ›85‹ statt richtig ›65‹.

1803Ja, ſo ſagt’ ich! Was erſtaunt ihr?Im Erstdruck nicht als Halbvers eingerückt.

3513 Nein, Neben der BKA und der MA liest merkwürdigerweise auch Sembdner durchgängig durch alle Auflagen ›Nun‹ statt ›Nein‹. Nur in dessen erster, später stark revidierter Auflage steht richtigerweise ›Nein‹.

4419 fuͤhrt euch ſo fruͤh in meine Zimmer her?Im Erstdruck ist im laufenden Vers der Anfangsbuchstabe von ›fuͤhrt‹ nicht versal gesetzt. In allen Kleist-Editionen seit Tieck wurde dieser Fehler entsprechend korrigiert zu ›Fuͤhrt‹. BKA und MA lösen die Verstruktur auf und setzen beide Zeilen durchlaufend. Dies ignoriert sowohl den Zeilenfall und die klare Versmetrik, wie auch die Tatsache, dass Kleist in allen Szenen des ›Käthchens‹ niemals Vers und Prosa mischt.

4775vonIm Erstdruck nicht gesperrt.

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