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Berliner Abendblaͤtter.
71tes Blatt. Den 21ten December 1810.
Betrachtungen eines Greiſes uͤber die Weihnachtsbeſcheerungen.
In meines Vaters Hauſe hatte die Weihnachtsbeſcheerung noch einen Reiz, den ich in dieſen leichtfertigen Zeiten uͤberall vermiſſe. Die Geſchenke welche jedes von uns Kindern erhielt, waren nicht zu verachten: ſie waren von der Mutter ſo fein und paſſend ausgedacht, daß keine Wuͤnſche unerfuͤllt blieben. Aber die Hauptſache war, etwas das nicht geſchenkt, womit weder geſpielt noch was nuͤtzlich verbraucht wurde: ein bloßes Schauſtuͤck, das man uns nur einmal jaͤhrlich den Weihnachtsabend ſehen ließ, und das dann in die Polterkammer, in den großen eichnen Schrank mit den gewundenen Fuͤßen, wieder verſchwand. —
Erwartet nichts beſonderes! es war die Geburt Chriſti, ein großes zierliches Schnitzwerk, mit allem Beyweſen der ſonderbaren Geſchichte, den Thieren an der Krippe, den Hirten mit ihren Schafen, den Engeln in der Luft, den drei magiſchen Koͤnigen, und vor allem mit dem Sterne uͤber der Huͤtte, der mit einem Glanze ſtrahlte, daß die Lichter auf den Geſchenktiſchen truͤb und freudenlos ſchienen. Hinter der herrlichen Vorſtellung war an den Rollen der Fenſtervorhaͤnge befeſtigt eine große Tapete, die, mit goldnen und ſilbernen Sternen beſaͤt, oben und unten und nach allen Seiten das Schauſtuͤck umgab, und in die 280 ſich zuletzt der trunkne Blick der Kinder verlor, wie nachher nie wieder im Anblick des Himmels ſelbſt.
Noch heut iſt es die reizendſte Erinnrung fuͤr mich, wie, in ſpaͤteren Jahren, da ich ſchon hinter die Couliſſen ſehn durfte und bei dem herrlichen Bau fuͤr die juͤngern Geſchwiſter ſelbſt angeſtellt war, an den Vorabenden des luſtigſten Tages, wenn die Kinder ſchon ſchlafen gegangen waren, nun der blaue Vorhang hervorgezogen und fuͤr das bevorſtehende Feſt mit friſchgeſchnizten goldnen und ſilbernen Sternen beklebt wurde.
Das große Schauſtuͤck ſtand an der Fenſterwand in der Mitte, da wo an Werkeltagen der Spiegel hing, wiederſtrahlend von Gold, Gruͤn und Weiß, und dreimal heller erleuchtet als die kleinen Tiſche die an den beiden Waͤnden, links mit den Geſchenken fuͤr das Hausgeſind und rechts mit denen fuͤr die Kinder, umherſtanden. — Wenn wir von der unvergleichlichen Luſt an dem himmliſchen Bilde zuruͤckkehrten zu der irrdiſchen, hand greiflichen und ſchmackhaften Luſt unſrer Tiſche, ſo ſchien uns die Welt zu gehoͤren, und wenn auch, wie in den ſchlimmen Zeiten des Krieges, die ganze Beſcherung nur in Aepfeln, Nuͤſſen und einigem Bakwerk beſtand, und wir in unſern Erwartungen noch ſo ungemeſſen geweſen waren.
Fuͤhlt ihr wohl die große Weisheit der Vaͤter in ſolchem Doppelgeſchenk eines unerreichbaren, das immer in demſelben Glanze wiederkehrte, und eines andern handgreiflichen von allerlei Brauchbarkeiten und Genießbarkeiten? — Fuͤhlt ihr wohl, was ihr verloren habt, ſeitdem dieſe Bilderſchrift heiliger Vorgaͤnge, hervorgegangen aus dem Drange der Gemuͤther, denen das Wort und der Buchſtabe des 281Ewigdenkwuͤrdigen nicht genuͤgte, als Aberglaube verfolgt worden. Nichts hat meine Seele aufgeklaͤrt und erhoben, wie dieſer Weihnachts⸗Aberglaube. — Nachher iſt die Freude immer trockner geworden.
Meiner Kinder Kinder haben nicht einmal: Chriſtmarkt, Chriſt⸗geſchenke ſagen duͤrfen, und daruͤber habe ich mir ſelbſt das duͤrre liebesleere Wort: Weihnachten — angewoͤhnt. — — Arme Kinder! Ihr werdet den Vorwitz und die Vermeſſenheit eurer Eltern buͤſſen in der Kaͤlte eures Herzens, da wo es ſich entzuͤnden muͤßte, fuͤr Gott, alſo fuͤr Vaterland und Koͤnig, die heiligen Weſen die nur empfindet, wer Gott im Herzen traͤgt.
Jetzt zeigen ſich reich aufgeſtapelt die Tiſche, und Lichter und außerdem die irdiſchen Geber, Vater und Mutter, ſonſt nichts! und jeden neuen Weihnachten iſt es ganz anders und eleganter: die Neigungen wechſeln, die Begierden toͤdten ſich im albernen Wettlauf: nichts bleibt, nichts kehrt wieder; es giebt keinen Geber aller Geber, kein Geſchenk aller Geſchenke, und kein Bild, das nicht mit dem irrdiſchen, handgreiflichen Gluͤcke und mit dem Leben verloͤſchte.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
London den 3ten Dec.
Lord Liverpool hat eine Depeſche von Lord Wellington empfangen, folgenden auszugweiſen Inhalts:
Cartaxo den 21ten Nov.
In der Nacht vom 14ten hat ſich der Feind aus der Stellung, die er ſeit einem Monat inne hatte, zuruͤckgezogen. Er hat die Straße von Alenquer nach Alcoentre und Villanova genommen, und ſeinen Ruͤckzug, den folgenden Tag, bis Santarem fortgeſetzt.
282Die alliirte Armee hat ſich den 15ten Morgens in Bewegung geſetzt, um dem Feinde zu folgen. Die Avantgarde derſelben iſt noch denſelben Tage nach Alenquer und die Cavallerie den 16ten nach Alcoentre und den 17ten nach Cartaxo gekommen.
Am 17. hat Gen. Fane gemeldet, daß der Feind eine zweite Bruͤcke uͤber die Zezere conſtruirt habe, indem ſeine erſte von den Gewaͤſſern hinweggenommen und unbrauchbar gemacht worden ſei.
Ew Herrlichkeit Aufmerkſamkeit empfehle ich die Oberſten Fletſcher und andere Offiziers, die mir in der Poſition, in welcher ich die Fortſchritte des Feindes aufgehalten und die er ſich auſſer Stand gefunden hat, anzugreifen, die groͤßten und weſentlichſten Dienſte geleiſtet haben. (Mon.)
Buͤreau der Admiralitaͤt d. 4. Dez.
Admiral Barkelay der im Tajo commandirt, hat am 16. eine Brigade von 500 Matroſen und 500 Seeſoldaten formirt, um die von dem Feinde verlaſſenen Verſchanzungen in Beſitz zu nehmen. — Der Admiral, der mit der bewaffneten Flotille den Tajo hinauf geſegelt iſt, meldet, daß der Feind bei Santarem eine ſtarke Poſition genommen habe. Dem gemaͤß hat die alliirte Armee ſich auf eine Lieue von dort concentrirt; die Diviſion des Gen. Fane ſoll inzwiſchen ſchon zu Abrantes angekommen ſein. (Mon.)
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
Geſtern fruͤh 7½ Uhr hat ſich ein in Schlafſtelle liegender brodtloſer Buchhalter, auf dem Apartement mit einem Terzerol am Kopfe toͤdlich verwundet; der herbei gerufene Arzt hat erklaͤrt, daß der Ungluͤckliche hoͤchſtens noch einige Stunden leben koͤnne.
Ein vorzuͤglich ſchoͤnes Weihnachts⸗Geſchenk zur Zimmer⸗Verzierung fuͤr den gebildeten Theil des Publikums
ſind Goͤthe, Schiller, Herder und Wieland, vier ſaubere Gips⸗Medaillons, geformt nach Gerhard von Kuͤgelgen in Dresden, von Poſch. Sie koſten mit Glas und eleganten gebeizten Rahmen bei J. E. Hitzig hinter der katholiſchen Kirche No. 3. alle vier, 5 Thl. Courant; einzeln, das Stuͤck 1 Thl. 8 Gr.