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Betrachtungen eines Greiſes uͤber die Weih⸗
nachtsbeſcheerungen.
In meines Vaters Hauſe hatte die
Weihnachtsbe⸗
ſcheerung noch einen Reiz, den
ich in dieſen leicht⸗
fertigen Zeiten uͤberall
vermiſſe. Die Geſchenke5
welche jedes von uns Kindern erhielt, waren nicht
zu
verachten: ſie waren von der Mutter ſo fein
und paſſend
ausgedacht, daß keine Wuͤnſche uner⸗
fuͤllt
blieben. Aber die Hauptſache war, etwas
das nicht geſchenkt, womit weder geſpielt noch was10
nuͤtzlich verbraucht wurde: ein bloßes Schauſtuͤck,
das man uns nur einmal jaͤhrlich den Weihnachts⸗
abend ſehen ließ, und das dann in die Polter⸗
kammer, in den großen eichnen Schrank mit den
gewundenen Fuͤßen, wieder verſchwand. — 15
Erwartet nichts beſonderes! es
war die Ge⸗
burt Chriſti, ein großes zierliches
Schnitzwerk, mit
allem Beyweſen der ſonderbaren
Geſchichte, den
Thieren an der Krippe, den Hirten mit
ihren
Schafen, den Engeln in der Luft, den drei ma⸗20
giſchen Koͤnigen, und vor allem mit dem
Sterne
uͤber der Huͤtte, der mit einem Glanze
ſtrahlte,
daß die Lichter auf den Geſchenktiſchen
truͤb und
freudenlos ſchienen. Hinter der herrlichen Vorſtel⸗
lung war an den Rollen der Fenſtervorhaͤnge be⸗25
feſtigt eine große Tapete, die, mit goldnen und
ſil⸗
bernen Sternen beſaͤt, oben und unten und
nach
allen Seiten das Schauſtuͤck umgab, und in
die
[ 71 ]
280 ſich zuletzt der trunkne Blick
der Kinder verlor,
wie nachher nie wieder im Anblick des
Himmels30
ſelbſt.
Noch heut iſt es die reizendſte
Erinnrung fuͤr
mich, wie, in ſpaͤteren Jahren, da ich
ſchon hinter
die Couliſſen ſehn durfte und bei dem
herrlichen
Bau fuͤr die juͤngern Geſchwiſter ſelbſt
angeſtellt35
war, an den Vorabenden des luſtigſten
Tages,
wenn die Kinder ſchon ſchlafen gegangen
waren,
nun der blaue Vorhang hervorgezogen und fuͤr
das
bevorſtehende Feſt mit friſchgeſchnizten goldnen
und
ſilbernen Sternen beklebt wurde. 40
Das große Schauſtuͤck ſtand an
der Fenſter⸗
wand in der Mitte, da wo an
Werkeltagen der
Spiegel hing, wiederſtrahlend von Gold,
Gruͤn
und Weiß, und dreimal heller erleuchtet als
die
kleinen Tiſche die an den beiden Waͤnden,
links45
mit den Geſchenken fuͤr das Hausgeſind und
rechts
mit denen fuͤr die Kinder, umherſtanden. —
Wenn
wir von der
unvergleichlichen Luſt an dem himmli⸗
ſchen Bilde
zuruͤckkehrten zu der irrdiſchen, hand⸗
greiflichen und ſchmackhaften Luſt unſrer Tiſche, ſo50
ſchien uns die Welt zu gehoͤren, und wenn auch,
wie in
den ſchlimmen Zeiten des Krieges, die ganze
Beſcherung
nur in Aepfeln, Nuͤſſen und einigem
Bakwerk beſtand, und
wir in unſern Erwartungen
noch ſo ungemeſſen geweſen
waren. 55
Fuͤhlt ihr wohl die große
Weisheit der Vaͤter
in ſolchem Doppelgeſchenk eines
unerreichbaren, das
immer in demſelben Glanze
wiederkehrte, und eines
andern handgreiflichen von
allerlei Brauchbarkeiten
und Genießbarkeiten? — Fuͤhlt ihr wohl, was ihr60
verloren
habt, ſeitdem dieſe Bilderſchrift heiliger
Vorgaͤnge,
hervorgegangen aus dem Drange der
Gemuͤther, denen das
Wort und der Buchſtabe des
281Ewigdenkwuͤrdigen nicht
genuͤgte, als Aberglaube
verfolgt worden. Nichts hat meine Seele aufge⸗65
klaͤrt und erhoben, wie dieſer Weihnachts⸗Aber⸗
glaube. — Nachher
iſt die Freude immer trockner
geworden.
Meiner Kinder Kinder haben nicht
einmal:
Chriſtmarkt, Chriſt⸗geſchenke ſagen duͤrfen,
und dar⸗70
uͤber habe ich mir ſelbſt das duͤrre
liebesleere Wort:
Weihnachten — angewoͤhnt. — — Arme Kinder!
Ihr werdet den
Vorwitz und die Vermeſſenheit
eurer Eltern buͤſſen in der
Kaͤlte eures Herzens,
da wo es ſich entzuͤnden muͤßte,
fuͤr Gott, alſo fuͤr75
Vaterland und Koͤnig, die heiligen
Weſen die nur
empfindet, wer Gott im Herzen traͤgt.
Jetzt zeigen ſich reich
aufgeſtapelt die Tiſche,
und Lichter und außerdem die
irdiſchen Geber,
Vater und Mutter, ſonſt nichts! und
jeden neuen80
Weihnachten iſt es ganz anders und eleganter:
die
Neigungen wechſeln, die Begierden toͤdten ſich
im
albernen Wettlauf: nichts bleibt, nichts kehrt
wie⸗
der; es giebt keinen Geber aller Geber,
kein Ge⸗
ſchenk aller Geſchenke, und kein Bild,
das nicht85
mit dem irrdiſchen, handgreiflichen Gluͤcke und
mit
dem Leben verloͤſchte.
Buͤlletin der
oͤffentlichen Blaͤtter.
London den 3ten Dec.
Lord Liverpool hat eine Depeſche von Lord Wel⸗90
lington empfangen, folgenden auszugweiſen Inhalts:
Cartaxo den 21ten Nov.
In der Nacht vom 14ten hat ſich der Feind aus
der
Stellung, die er ſeit einem Monat inne hatte, zu⸗
ruͤckgezogen. Er hat die Straße von Alenquer
nach95
Alcoentre und Villanova genommen, und ſeinen
Ruͤckzug, den folgenden Tag, bis Santarem fortgeſetzt.
Die alliirte Armee hat ſich den 15ten Morgens in
Bewegung geſetzt, um dem Feinde zu folgen. Die
Avantgarde derſelben iſt noch denſelben Tage
nach100
Alenquer und die Cavallerie den 16ten nach
Alcoentre
und den 17ten nach Cartaxo gekommen.
Am 17. hat Gen. Fane gemeldet, daß der
Feind eine
zweite Bruͤcke uͤber die Zezere conſtruirt
habe, indem
ſeine erſte von den Gewaͤſſern
hinwegge⸗
nommeu
hinwegge⸗105
nommen
und unbrauchbar gemacht worden ſei.
Ew Herrlichkeit Aufmerkſamkeit empfehle ich die
Oberſten Fletſcher und andere Offiziers, die mir in
der
Poſition, in welcher ich die Fortſchritte des Fein⸗
des aufgehalten und die er ſich auſſer Stand gefunden110
hat, anzugreifen, die groͤßten und weſentlichſten
Dien⸗
ſte geleiſtet haben. (Mon.)
Buͤreau der Admiralitaͤt d. 4. Dez.
Admiral Barkelay der im Tajo commandirt, hat
am 16.
eine Brigade von 500 Matroſen und 500 See⸗115
ſoldaten formirt, um die von dem Feinde verlaſſenen
Verſchanzungen in Beſitz zu
nehmen —
nehmen. —
Der Admi⸗
ral, der mit
der bewaffneten Flotille den Tajo hinauf⸗
geſegelt iſt, meldet, daß der Feind bei Santarem eine
ſtarke Poſition genommen habe. Dem gemaͤß hat
die120
alliirte Armee ſich auf eine Lieue von dort
concentrirt;
die Diviſion des Gen. Fane ſoll
inzwiſchen ſchon zu
Abrantes angekommen ſein. (Mon.)
Polizeiliche
Tages⸗Mittheilungen.
Geſtern fruͤh 7½ Uhr hat ſich ein in Schlafſtelle125
liegender brodtloſer Buchhalter, auf dem Apartement
mit
einem Terzerol am Kopfe toͤdlich verwundet; der
herbei
gerufene Arzt hat erklaͤrt, daß der Ungluͤckliche
hoͤchſtens noch einige Stunden leben koͤnne.
Ein
vorzuͤglich ſchoͤnes Weihnachts⸗Geſchenk zur Zim⸗130
mer⸗Verzierung fuͤr den gebildeten Theil des
Publikums
ſind Goͤthe,
Schiller,
Herder und Wieland,
vier
ſaubere Gips⸗Medaillons, geformt nach Gerhard
von Kuͤgelgen in Dresden, von Poſch.
Sie koſten135
mit Glas und
eleganten gebeizten Rahmen bei J. E.
Hitzig hinter der katholiſchen
Kirche No. 3. alle
vier, 5 Thl. Courant; einzeln, das
Stuͤck 1 Thl. 8 Gr.