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Christian Jacob Kraus.
(Fortsetzung.)
Wenn wir das Gefühl der Leser in Anspruch neh¬
men wollten, so könnten wir eine recht grelle Parallele
des vorigen und jetzigen Zustandes der Preuß. Domai¬5
nen-Bauern ziehen.
Den Wohlstand und die
Selbstständigkeit des Land¬
manns und der arbeitenden Classe überhaupt zu grün¬
den, das hielt Kraus für die Wesentlichste
aller staats¬
wirthschaftlichen Operationen. Ueber diesen
Gegen¬10
stand, der
diesen etwas langsamen und unfruchtbaren
Kopf immer zur Begeisterung
hinriß, mußte man ihn
sprechen hören, um von Achtung und Liebe nicht
sowohl
für den Staatswirth als für den herrlichen reinen Men¬
schen erfüllt zu werden.
Wohlhabende, selbstständige 15
Menschen wollte
er schaffen, und dadurch seinem Va¬
terlande, das er mit der ganzen Kraft einer männli¬
chen Seele liebte, allmählig eine sichere
Existenz unter
seinen drei kolossalen Nachbarn vorbereiten.
Er wußte so gut als diejenigen, die
es vornehm 20
bedauern, gegen diesen Mann sprechen zu müssen, daß
es etwas höheres giebt, als Wohlstand; aber er wußte
auch, daß Wohlstand dessen nothwendige Bedingung ist;
daß dieses
Höhere nur aus dessen allgemeinster Ver¬
breitung hervorgehen kann; daß außer dem Wohlstande, 25
bürgerliche Freiheit und Gerechtigkeit das Einzige ist,
was die Gesellschaft ihren Mitgliedern zu gewähren
vermag; daß dieses
Höhere kein Vorwurf der Regierung
und Landesverwaltung sein kann und
soll, sondern ei¬
ner
höheren Macht, mag man sie Natur oder Gottheit 30
nennen, die sich in ihre
Operationen nicht eingreifen
läßt. Wir sind
nun einmal so unmodern, ein Verdienst
darin zu finden, Menschen
glücklich zu machen, d. h.
um allen Mißdeutungen vorzubeugen, ihnen
bürgerliche
Freiheit als Bedingung des Wohlstandes und des Glücks 35
zu gewähren; und zu glauben, daß ein solches Verdienst
Ehrensäulen und Monumente verdient, wie Preußen
seinem Kraus bei
ruhigeren Zeiten gewiß setzen wird.
Wir sind
so altväterisch dieses Verdienst unendlich er¬
[ 20 ]80habener zu finden, als die höchste Genialität zur
Ver¬40
theidigung von
Gräueln der Vorwelt gemißbraucht.
Dieser völlig unproduktive Kopf hat
Menschenglück pro¬
ducirt. Er hat Veranlassung gegeben, dem
Vaterlande
eine Menge wohlhabender selbstständiger, ihm ergebener
Familien zu gewinnen, die einzige Guarantie für die 45
Dauer der äußeren und inneren Sicherheit eines Staa¬
tes. Daraus mag sich der
Herr Verfasser die Schlu߬
frage: wie
Krans
Kraus
zu
diesen
[emendiert in ›diesem‹]
Ruf und zur Achtung sei¬
ner Zeitgenossen gelangt ist, selbst beantworten. Der
Hauptzweck seines Aufsatzes scheint zu sein: den Kraus¬50
schen Schriften gleichsam
eine Warnungstafel anzu¬
hängen, und der Jugend ihren vorsichtigen Gebrauch
auzurathen.
anzurathen.
Er besorgt Unheil aus der Anwendung
der Krausschen Lehre, und unheilbaren Zwiespalt zwi¬
schen den Gerichtshöfen und der Administration; oder
55
stellt sich wenigstens so. Sogar von dem
Krausschen
Buchstaben fürchtet er Unheil für die Gesetzgebung
unseres Vaterlandes. Darüber kann sich der Hr.
V.
völlig beruhigen; denn der Buchstab ist bloß in seiner
Fantasie. Wo tritt denn der Buchstab in Adam
Smith 60
oder Kraus auf? Beide protestiren auf
jeder Seite
gegen den todten Buchstaben, kämpfen überall gegen
Pennalismus und Schlendrianismus; verlangen über¬
all Selbstprüfung und die freieste Thätigkeit
des Gei¬
stes. Oder — was meint der Herr Verfasser mit dem 65
Buchstaben?
(Beschluß folgt.)
Zuschrift eines Predigers an den Herausgeber
der Berliner Abendblätter.
Mein
Herr, 70
Der Erfinder der
neuesten Quinen-Lotterie hat die aufgeklärte
Absicht
gehabt, die aberwitzige Traumdeuterei, zu
welcher,
[liest ›welcher‹]
[liest ›welcher‹]
in der
Zahlen-Lotterie, die Freiheit, die Nummern
nach eigner Willkühr zu
wählen, Veranlassung gab, durch
bestimmte und feststehende Loose,
die die Direction
ausschreibt, niederzuschlagen.75
Mit Bedauern aber machen wir die
Erfahrung, daß diese Ab¬
sicht nur auf sehr unvollkommene Weise erreicht wird,
indem der
Aberglauben, auf einem Gebiet, auf dem man ihn
gar nicht erwar¬
tet hatte, wieder zum Vorschein kommt.
Es ist wahr, die
Lente
Leute
träumen jetzt keine Nummern mehr; 80
aber sie träumen
die Namen der Collecteurs, bei denen man setzen
kann. Die
gleichgültigsten Veranlassungen nehmen sie, in einer
Verkettung von Gedanken, zu welchen kein Mensch die Mittelglieder
81 errathen
würde, für geheimnißvolle Winke der Vorsehung an. Ver¬
wichenen Sonntag nannte ich den David, auf der Kanzel,
einen 85
gottgefälligen Mann; nicht den Collecteur dieses
Orts, wie Dieselben
leicht denken können, sondern den
israëlitischen
[liest ›israelitischen‹]
König, den bekannten
Sänger der frommen Psalmen.
Tags darauf ließ mir der Collecteur,
durch einen Freund, für meine Predigt, scherzhafter Weise
danken,
indem alle Quinenloose, wie er mir versicherte,
bei ihm vergriffen 90
worden waren.
Ich bitte Sie, mein Herr, diesen
Vorfall zur Kenntniß des
Publicums zu bringen, und durch
Ihr Blatt, wenn es möglich ist,
den Entwurf einer
anderweitigen Lotterie zu veranlassen, die den
Aberglauben auf eine bestimmtere und so unbedingte Weise, als es 95
der Wunsch aller Freunde der Menschheit ist,
ausschließe.
F... d. 15. Okt. 1810.
F...
Nachricht an den Einsender
obigen Briefes.
Geschäfte von bedeutender Wichtigkeit halten
uns ab, selbst an 100
den Entwurf einer solchen Lotterie zu denken.
Inzwischen wollen wir, zu Erreichung dieses
Zwecks, soviel in
unsern Kräften steht, von Herzen gern beförderlich
sein.
Wir setzen demnach einen Preis von 50 Rthlr.
auf die Erfin¬
dung
einer solchen Lotterie.105
Die Mathematiker, die sich darum bewerben
wollen, haben ihre
Entwürfe mit Divisen versehen, an uns
einzusenden.
Berlin, d. 22. Oct. 1810.
Die Redaction der Abendblätter.
Anekdote.110
Als (William) Shakespear einst der
Vorstellung seines Richard
des III. beiwohnte, sah er einen
Schauspieler sehr eifrig und zärt¬
lich mit einem jungen reizenden Frauenzimmer sprechen. Er nä¬
herte sich unvermerkt, und hörte das Mädchen sagen: um 10 Uhr
poche dreimal an die Thür, ich werde fragen: wer ist da? und du 115
mußt antworten: Richard der III. —. Shakespear,
der die Weiber
sehr liebte, stellte sich eine Viertelstunde früher
ein, und gab beides,
das verabredete Zeichen und die Antwort, ward
eingelassen, und
war, als erkannt wurde, glücklich genug, den Zorn der
Betrogenen
zu besänftigen. Zur bestimmten
Zeit fand sich der wahre Liebhaber 120
ein. Shakespear öffnete das Fenster
und fragte leise: wer ist da?
— Richard
der III., war die Antwort. — Richard, erwiederte Sha¬
kespear, kommt zu spät;
Wilhelm der Eroberer hat die Festung
schon besetzt. —
Miscellen.125
Sr. Königl. Hoheit der
Kronprinz von Schweden
sind mit ihrem Gefolge durch eine doppelte
Linie von
500 Engl. Segeln, die im Norden und Süden des
Belts lagen, glücklich, und ohne den mindesten Un¬
fall von Nyborg zu Corsöer auf Seeland
eingetroffen.130
Nach den neuesten Nachrichten ist es
nunmehr be¬
stimmt, daß
nicht Wittenberg, sondern Torgau eine
sächsische Festung werden
soll.
Sr. Maj. der König von Neapel hat
nach einem
zu Scylla erschienenen Tagesbefehl die Expedition auf 135
Sizilien verschoben, und mit der Armee die Winter¬
quartiere bezogen.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einem hiesigen Kaufmann sind von
seinem Reise¬
wagen
durch Aufschneidung des Hinterverdecks mehrere 140
Handlungs-Artikel an
Kattun, Materialwaaren ⁊c.
entwendet.
Bei der in der Nacht vom 19ten zum
20ten d. M.
zwischen 1 und 5 Uhr vorgenommenen General-Visi¬
tation der hiesigen
Residenz und des äußern Polizei-145
Bezirks, sind, wegen nächtlichen Herumtreibens und
mangelnder Legitimation 11 Mannspersonen und 4
Frauenzimmer
gefänglich eingezogen worden. Unter
ihnen
befaud
befand
sich ein berüchtigter Betrüger und Dieb,
welcher sich erst vor
Kurzem der Entwendung eines 150
Koffers mit Sachen, 100 Thlr. an Werth,
schuldig ge¬
macht
hatte.
Auf dem Spittelmarkt ist eine
abgenutzte Metze
zerschlagen.
Ebendaselbst ist einem Bauer ein
ordnungswidri¬155
ges Gemäß zerschlagen worden.
Interessante Schriften, welche
in der Buch¬
handlung von J. E. Hitzig zu haben sind.
Musikalien.
Es kann doch schon immer so bleiben, als Ant¬160
wort auf das Lied: Es kann schon nicht
immer
so bleiben; in Musik gesetzt
von C. F. H. Schmidt.
4 Gr.