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Berliner Abendblätter.
18tes Blatt. Den 20ten October 1810.
Theater.
Ueber Darstellbarkeit auf der Bühne.
Es wird viel gesprochen über Darstellbarkeit auf der Bühne, nämlich in Rücksicht auf den Schauplatz selbst, und die Art der Handlung: wir wollen auch darüber ein Wörtlein fallen lassen. — Der Gegenstand der Darstellung, das versteht sich zuvörderst von selbst, darf weder ekelhaft noch unziemend sein. Manches aber ziemt sich nicht für das erhabene Trauerspiel, was wohl beim Lustspiel gelten könnte. Erstochen, oder auch, in einem Ritterschauspiel, todtgehauen mag einer immerhin vor unsern Augen auf der Bühne werden; es kann uns schrecklich sein, aber gerade diese Stimmung ist oft nöthig, um zur leichten Harmonie zu führen. Wollte man dagegen eine Hinrichtung darstellen (wie schon in dem Schauspiel: der General Schlensheim, der Versuch mit einer förmlichen militairischen Execution, dem beliebten Füsilliren, gemacht worden) oder wollte man im Gefecht, der Geschichte treu, einem Helden förmlich das Haupt vom Rumpfe fliegen lassen; so würde dieses gewissermaßen ekelhaft sein. Das geht nicht. Gesteht ferner auf dem Theater eine Heldin (wie in der Sonnenjungfrau) ihrem Geliebten, daß sie sich im Zustande guter Hofnung befinde, so ist dieses höchst ungeziemend; denn eine solche Entdeckung, an sich von der höchsten Bedeutsamkeit, gehört in die Reihe alles dessen, was mit einem geweihten Schleier bedeckt sein muß. Nur so bleibt es heilig, es ist tragisch — wird der Schleier vermessen gehoben, so hat man es entheiligt, es wird komisch.
Solche Bewandniß hat es auch mit den äußern 72 Anordnungen auf dem Theater. Da darf nicht alles wie in der Natur aufgestellt werden, denn durch den Abstich des gar zu Wirklichen mit dem Nachgeahmten geht die Uebereinstimmung verloren, die Fantasie des Zuschauers wird gehemmt, wo nicht gerädert, und seine Forderungen gehn sodann mit Recht immer weiter und so weit, daß das Theater zuletzt nichts weniger thun könnte, als die ganze wirkliche Welt zu sein, um den so hoch geschraubten und gebildeten Leutchen ein völliges Genüge zu leisten. Nicht bloß mit den Dekorationen geht es so, nein auch mit dem was sich darin und dazwischen bewegt. Wer vermißt nicht in der Jungfrau von Orleans, wenn das Schlachtgetümmel wirklich dargestellt werden soll, und dann 4 oder 5 Paare von Soldaten sich auf der Bühne regelmäßig schlagen, bis einer dem andern den Garaus macht, wer, fragen wir, vermißt nicht dabei eine größere Masse, ein wirkliches Heer? Und gesetzt man könnte auf einer Bühne auch einige hundert Mann im gegenseitigen Kämpfen zeigen, wir würden gerade dadurch fast gezwungen, den natürlichen Maßstab mitzubringen, wir würden eine ordentliche Heerzahl haben wollen! —
Was ist nun da zu machen? — Es ist sehr einfach, was die wahre Kunst erheischt. Ehrlich geht sie zu Werke, sie spricht zum Zuschauer rund heraus: bringe dir zu dem, was du hören und sehen wirst, hübsch deine Fantasie mit, welche dir Gott gegeben hat, und wende sie an, und denke ja nicht etwa, du würdest es so gemächlich haben, daß man dir nichts zu denken ließe. Sodann thut sie nur bei allem so, als wäre es — ein wahres Spiel, worin die wirkliche Natur, frei und üppig, wie in einem magischen Wiederschein, sich entfaltet. Die Einbildungskraft erhält sie stets thätig, was vor Augen gebracht wird, zieht die Aufmerksamkeit erst recht auf das, was noch dahinter liegt. Erscheinen Fürsten, Könige mit ihrem Gefolge, so läßt sie dasselbe nicht in einer bestimmten Ordnung auf die Bühne treten und sich ganz ausbreiten, denn das ist die Wirklichkeit, wobei des Zuschauers Fantasie ruht, wobei er zu vergleichen anfängt mit den andern nicht so genau nachahmenden Umgebungen, und der Mißklang für Sinn und Gemüth ist da. Tritt dagegen von solch einem Gefolg verhältnißmäßig nur wenig an Personen wirklich auf, doch so, daß sich diese als Masse zwischen Säulen, oder zwischen Pforten verlieren, so bleibt dem Zuschauer ein ungeheurer Spielraum übrig, und er hat einen richtigen Masstab, sich hinter der Scene eine im73ponirende Menge zu denken, deren Anfang die wenigen wirklich Erscheinenden sind. Dasselbe kann denn auch bei Vorstellungen von Schlachten geschehen; und nur so verlieren sie das Kleinliche, und erheben sich zu dramatischer Wahrheit durch die Verschmähung wirklicher Nachahmung. — Ein Beispiel statt aller. Im Shakespear’s Julius Cäsar soll Brutus und Cassius von der einen, Augustus und Antonius von der andern Seite, mit ihren beiderseitigen Heeren, auf die Bühne kommen. Das ist unausführbar! es ist lächerlich! schreit der Blödsinn. Und es ist wohl ausführbar, und es ist nicht lächerlich. Man lasse nur hinter den Heerführern, sowie sie von beiden Seiten auftreten, einige Krieger folgen, welche so stehen bleiben, als drängen sie in Masse hinter den Koulissen heraus, indem Spieße über ihren Häuptern hervorragen und die ihnen nachdringenden Krieger bezeichnen — so wird dies ein ergreifender Anblick sein, man wird wirklich sich beide Heere dahinter denken, deren Anfang man sieht. — Wir werden Gelegenheit finden, noch in mancherlei andern Beziehungen auf diesen Punkt zurückzukommen, um das Theater auch darin aus dem prosaischen Netz zu befreien und es in sein poetisches Element zurückzuführen.
W...t.
Anekdote aus dem letzten Kriege.
Den ungeheuersten Witz, der vielleicht, so lange die Erde steht, über Menschenlippen gekommen ist, hat, im Lauf des letztverflossenen Krieges, ein Tambour gemacht; ein Tambour meines Wissens von dem damaligen Regiment von Puttkammer; ein Mensch, zu dem, wie man gleich hören wird, weder die griechische noch römische Geschichte ein Gegenstück liefert. Dieser hatte, nach Zersprengung der preußischen Armee bei Jena, ein Gewehr aufgetrieben, mit welchem er, auf seine eigne Hand, den Krieg fortsetzte; dergestalt, daß da er, auf der Landstraße, Alles, was ihm an Franzosen in den Schuß kam, niederstreckte und ausplünderte, er von einem Haufen französischer Gensdarmen, die ihn aufspürten, ergriffen, nach der Stadt geschleppt, und, wie es ihm zukam, verurtheilt ward, erschossen zu werden. Als er den Platz, wo die Execution vor sich gehen sollte, betreten hatte, und wohl sah, daß Alles, was er zu seiner Rechtfertigung vorbrachte, vergebens war, bat er sich von dem Obristen, der das Detaschement commandirte, eine Gnade aus; und da der Obrist, inzwischen die Officiere, die ihn umringten, in gespannter Erwartung zusammentraten, ihn fragte: was er wolle? zog er sich die Hosen ab, und sprach: sie mögten ihn in den 74 .... schießen, damit das F... kein L... bekäme. — Wobei man noch die Shakespearsche Eigenschaft bemerken muß, daß der Tambour mit seinem Witz, aus seiner Sphäre als Trommelschläger nicht herausging.
x.
Warum werden die Abendblätter nicht auch Sonntags ausgegeben?
Diese Frage that ein junger Bürger an seinen Vater und verwunderte sich dabei sehr über eine solche Unterbrechung. Der alte Mann antwortete: Weil Schreiber, Drucker, Herumträger und was dazu gehört, am heiligen Sonntage Gott dem Herren dienen wollen und nachher auch fröhlich sein, im Herrn. Da ist nichts zu verwundern. Daß aber in einer Christenstadt ein Christenmensch so was fragen kann, da muß ich mich sehr darüber verwundern und auch sehr betrüben, mein Sohn!
d. l. M. F.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Ein Musikus ist am 15ten d. M. Abends von seiner Treppe herabgestürzt und am 16ten an den Folgen dieses Falles gestorben.
Ein hiesiger Polizei- und ein Kriminal-Offiziant haben von außerhalb einen muthmaßlichen Komplizen der Mordbrenner-Bande nebst seiner Geliebten hergeschickt.
Auf dem vorgestrigen Abendmarkt ist ein abgenutztes Gemäß zerschlagen und ein ungestempeltes konfiszirt. Da Kontravenient die Bezahlung der gesetzlichen Strafe von 2 Rthlr. verweigerte, ist er zum Arrest gebracht.
In Charlottenburg ist dreien Bäckern für resp. 6, 4 und 2 Gr. zu leichtes Brod zerschnitten.
Einem Kaufmann aus Straßburg sind 400 Stück Frd’ors gestohlen. Der Verdacht fällt auf eine Frauensperson, welche mit ihm hieher reisete und gemeinschaftlich im Gasthofe logirte, hiernächst sich aber entfernt hat. Von Seiten der Polizei sind indeß alle Veranstaltungen zu ihrer Wiederhabhaftwerdung bereits getroffen.