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Theater.
Ueber Darstellbarkeit auf der
Bühne.
Es wird viel
gesprochen über Darstellbarkeit auf der
Bühne, nämlich in Rücksicht auf
den Schauplatz selbst,
und die Art der Handlung: wir wollen auch darüber
ein 5
Wörtlein fallen lassen. — Der Gegenstand
der Darstel¬
lung, das
versteht sich zuvörderst von selbst, darf weder
ekelhaft noch unziemend
sein. Manches aber ziemt sich
nicht für das
erhabene Trauerspiel, was wohl beim
Lustspiel gelten könnte. Erstochen, oder auch, in einem 10
Ritterschauspiel,
todtgehauen mag einer immerhin vor
unsern Augen auf der Bühne werden;
es kann uns
schrecklich sein, aber gerade diese Stimmung ist oft
nöthig, um zur leichten Harmonie zu führen. Wollte
man dagegen eine Hinrichtung darstellen (wie schon in 15
dem Schauspiel: der General
Schlensheim, der Ver¬
such mit einer förmlichen militairischen Execution, dem
beliebten Füsilliren, gemacht worden) oder wollte man
im Gefecht, der
Geschichte treu, einem Helden förm¬
lich das Haupt vom Rumpfe fliegen lassen; so würde 20
dieses gewissermaßen ekelhaft sein. Das geht nicht.
Gesteht ferner auf dem Theater eine Heldin (wie in
der Sonnenjungfrau) ihrem Geliebten, daß sie sich im
Zustande guter
Hofnung befinde, so ist dieses höchst
ungeziemend; denn eine solche
Entdeckung, an sich von 25
der höchsten Bedeutsamkeit, gehört in die Reihe
alles
dessen, was mit einem geweihten Schleier bedeckt sein
muß. Nur so bleibt es heilig, es ist tragisch —
wird
der Schleier vermessen gehoben, so hat man es ent¬
heiligt, es wird
komisch.30
Solche Bewandniß hat es auch mit den
äußern
[ 18 ] 72 Anordnungen auf dem Theater. Da
darf nicht alles
wie in der
Natur aufgestellt werden, denn durch den
Abstich des gar zu Wirklichen
mit dem Nachgeahmten
geht die Uebereinstimmung verloren, die Fantasie
des 35
Zuschauers wird gehemmt, wo nicht gerädert, und
seine Forderungen gehn sodann mit Recht immer wei¬
ter und so weit, daß das Theater zuletzt nichts weni¬
ger thun könnte, als die ganze
wirkliche Welt zu sein,
um den so hoch geschraubten und gebildeten
Leutchen 40
ein völliges Genüge
zu leisten. Nicht bloß mit den
Dekorationen
geht es so, nein auch mit dem was sich
darin und dazwischen bewegt.
Wer vermißt nicht in
der Jungfrau von Orleans, wenn das
Schlachtgetüm¬
mel wirklich dargestellt
werden soll, und dann 4 oder 45
5 Paare von Soldaten sich auf der Bühne
regelmäßig
schlagen, bis einer dem andern den Garaus macht,
wer, fragen wir, vermißt nicht dabei eine größere Masse,
ein wirkliches Heer? Und gesetzt man könnte auf einer
Bühne auch einige hundert Mann im gegenseitigen 50
Kämpfen
zeigen, wir würden gerade dadurch fast ge¬
zwungen, den natürlichen Maßstab mitzubringen, wir
würden eine ordentliche Heerzahl
haben wollen! —
Was ist nun da zu machen? — Es ist sehr einfach,
was die wahre Kunst erheischt.
Ehrlich geht sie zu 55
Werke, sie spricht zum
Zuschauer rund heraus: bringe
dir zu dem, was du hören und sehen wirst,
hübsch deine
Fantasie mit, welche dir Gott gegeben hat, und wende
sie an, und denke ja nicht etwa, du würdest es so ge¬
mächlich haben, daß man dir nichts zu
denken ließe.60
Sodann thut sie nur bei allem
so, als wäre es — ein
wahres
Spiel, worin die wirkliche Natur, frei und
üppig, wie in einem
magischen Wiederschein, sich entfal¬
tet. Die Einbildungskraft erhält sie stets
thätig, was
vor Augen gebracht wird, zieht die Aufmerksamkeit erst 65
recht auf das, was noch dahinter liegt. Erscheinen Für¬
sten,
Könige mit ihrem Gefolge, so läßt sie dasselbe nicht
in einer
bestimmten Ordnung auf die Bühne treten
und sich ganz ausbreiten, denn
das ist die Wirklichkeit,
wobei des Zuschauers Fantasie ruht, wobei er
zu ver¬70
gleichen
anfängt mit den andern nicht so genau nach¬
ahmenden Umgebungen, und der Mißklang für Sinn
und Gemüth ist da. Tritt dagegen von solch einem
Gefolg verhältnißmäßig nur wenig an Personen wirk¬
lich auf, doch so, daß sich diese als Masse
zwischen Säu¬75
len, oder
zwischen Pforten verlieren, so bleibt dem Zu¬
schauer ein ungeheurer Spielraum übrig, und er hat
einen richtigen Masstab, sich hinter der Scene eine im¬
73ponirende Menge zu denken, deren Anfang die wenigen
wirklich Erscheinenden sind. Dasselbe kann denn auch 80
bei Vorstellungen von Schlachten geschehen; und nur
so
verlieren sie das Kleinliche, und erheben sich zu dra¬
matischer Wahrheit durch die
Verschmähuug
Verschmähung
wirklicher
Nachahmung. — Ein Beispiel
statt aller. Im Sha¬
kespear’s Julius Cäsar soll Brutus und Cassius
von 85
der einen, Augustus und Antonius von der andern
Seite, mit ihren beiderseitigen Heeren, auf die Bühne
kommen. Das ist unausführbar! es ist lächerlich! schreit
der Blödsinn. Und es ist wohl ausführbar, und es ist
nicht lächerlich. Man lasse nur hinter den
Heerführern, 90
sowie sie von beiden Seiten auftreten, einige Krieger
fol¬
gen, welche so stehen
bleiben, als drängen sie in Masse
hinter den Koulissen heraus, indem
Spieße über ihren
Häuptern hervorragen und die ihnen nachdringenden
Krieger bezeichnen — so wird dies ein ergreifender An¬95
blick sein, man wird wirklich sich beide
Heere dahinter
denken, deren Anfang man sieht. — Wir werden Ge¬
legenheit finden, noch in mancherlei andern Beziehun¬
gen auf diesen Punkt zurückzukommen, um
das Theater
auch darin aus dem prosaischen Netz zu befreien und 100
es in sein poetisches Element zurückzuführen.
W...t.
Anekdote aus dem letzten Kriege.
Den ungeheuersten Witz, der vielleicht, so
lange die Erde steht,
über Menschenlippen gekommen ist, hat, im Lauf
des letztverflossenen 105
Krieges, ein Tambour gemacht; ein Tambour meines
Wissens von
dem damaligen Regiment von Puttkammer; ein Mensch, zu dem,
wie man gleich hören wird, weder die griechische noch römische
Ge¬
schichte ein
Gegenstück liefert. Dieser hatte, nach Zersprengung der
preußischen Armee bei Jena, ein Gewehr
aufgetrieben, mit welchem 110
er, auf seine eigne Hand, den Krieg
fortsetzte; dergestalt, daß da er,
auf der Landstraße, Alles, was ihm
an Franzosen in den Schuß
kam, niederstreckte und ausplünderte, er von
einem Haufen franzö¬
sischer Gensdarmen, die ihn aufspürten, ergriffen, nach der Stadt
geschleppt,
uud,
und,
wie es ihm zukam, verurtheilt ward, erschossen 115
zu werden.
Als er den Platz, wo die Execution vor sich gehen
sollte, betreten hatte, und wohl sah, daß Alles, was er zu seiner
Rechtfertigung vorbrachte, vergebens war, bat er sich von dem
Obristen, der das Detaschement commandirte, eine Gnade aus;
und da der Obrist, inzwischen die Officiere, die ihn umringten, in 120
gespannter Erwartung zusammentraten, ihn fragte: was er wolle?
zog er sich die Hosen ab, und sprach: sie mögten ihn in den
74 .... schießen, damit das F... kein L... bekäme. — Wobei
man noch die Shakespearsche Eigenschaft bemerken muß, daß der
Tambour
mit seinem Witz, aus seiner Sphäre als Trommelschläger 125
nicht
herausging.
x.
Warum werden die Abendblätter
nicht auch
Sonntags ausgegeben?
Diese Frage that ein junger Bürger an seinen
Vater und
verwunderte sich dabei sehr über eine solche Unterbrechung.
Der 130
alte Mann antwortete: Weil Schreiber,
Drucker, Herumträger und
was dazu gehört, am heiligen Sonntage Gott
dem Herren dienen
wollen und nachher auch fröhlich sein, im Herrn.
Da ist nichts zu
verwundern. Daß aber in
einer Christenstadt ein Christenmensch
so was fragen kann, da muß ich mich sehr darüber verwundern 135
und auch sehr betrüben, mein Sohn!
d. l. M. F.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Ein Musikus ist am 15ten d. M.
Abends von sei¬
ner Treppe
herabgestürzt und am 16ten an den Fol¬140
gen dieses Falles gestorben.
Ein hiesiger Polizei- und ein
Kriminal-Offiziant
haben von außerhalb einen muthmaßlichen Komplizen
der Mordbrenner-Bande nebst seiner Geliebten her¬
geschickt.145
Auf dem vorgestrigen Abendmarkt ist
ein abge¬
nutztes
Gemäß zerschlagen und ein ungestempeltes kon¬
fiszirt. Da Kontravenient die Bezahlung der gesetzli¬
chen Strafe von 2 Rthlr.
verweigerte, ist er zum Ar¬
rest gebracht.150
In Charlottenburg ist dreien Bäckern für resp. 6,
4 und 2 Gr. zu leichtes Brod zerschnitten.
Einem Kaufmann aus Straßburg sind 400 Stück
Frd’ors
gestohlen. Der Verdacht fällt auf eine Frauens¬
person, welche mit ihm
hieher reisete und gemeinschaft¬155
lich im Gasthofe logirte, hiernächst sich aber entfernt
hat. Von Seiten der Polizei sind indeß alle
Veran¬
staltungen
zu ihrer Wiederhabhaftwerdung bereits ge¬
troffen.