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Berliner Abendblätter.
11tes Blatt. Den 12ten October 1810.
Ueber Christian Jakob Kraus.
Der verstorbene Professor Kraus in Königsberg war ein scharfsinniger und wohlgeordneter, obwohl etwas langsamer und unfruchtbarer Kopf. Einen gegebenen Gedanken zu zerlegen, zu periphrasiren, von allem falschen Beisatz zu läutern, nachher in allen seinen Elementen zu rubriciren, und zu numeriren, und dergestalt ihn auch ganz mechanischen Köpfen annehmlich zu machen, hat er treflich verstanden; ein außerordentliches Talent für die Deduction, wie es auf dem Felde der Staatswirthschaft noch nicht vorgekommen, läßt sich ihm nicht absprechen. Seine Bearbeitung des Adam Smith ist ein Werk großen, rechtschaffenen und mühseligen Fleißes: er hat aus den Aussagen Sachverständiger, aus der Geschichte und denen Reisebeschreibungen, zur Bewährung seines Autors vielfältiges beigebracht, und gebietet unbedingte Ehrfurcht, wenn man erwägt, wie vor ihm das Werk des großen brittischen Staatsgelehrten von völlig Unberufenen, denen Soden, Lüder, Sartorius, Jakobs u. s. f. war zersetzt und zerfetzt, ausgezogen und ausgesogen worden.
In der Fluth von Gedanken und Apperçus, worin wir leben, und bei der Seltenheit gründlicher und schulgerechter Form, die in Ermanglung eigentlichen wissenschaftlichen Lebens allezeit ein schätzbares Surrogat desselben bleiben wird, bedauern wir es doppelt, gegen einen Mann sprechen zu müssen, der zur Ehre seines Vaterlandes gelebt hat, und den nur die übertriebene Adoration geistreicher Schüler, an seinem wohlverdienten Ruhme hat verkürzen können.
Das Werk des Adam Smith ist jetzt, nachdem es 44seit 30 Jahren alle bedeutenden Staatsmänner Europas beschäftigt hat, reif für die Geschichte und für ein gründliches Urtheil. Wir glauben sogar, daß der große Mann viel größere und freiere Ansichten der Staatswirthschaft veranlaßt hat, als die sein Buch darbietet; also müssen wir die Positivität und Tyranney womit jetzt — nach 30 Jahren — der Buchstab desselben in der Krausschen Bearbeitung auftritt für etwas Unzeitiges erklären. Tief überzeugt von dem Unheil, welches dieser Buchstab in der Gesetzgebung unsers Vaterlandes anrichten könnte, müssen wir angehenden Staatswirthen rathen, über den dogmatisirten und fixirten Adam Smith des Professor Kraus, nicht das Studium ihrer lehrreichen Zeit zu versäumen. Wir müssen sie warnen vor der verführerischen Bestimmtheit jenes Buchs, und es ihrem ernstlichen Nachdenken überlassen, ob wohl die Wissenschaft der Oekonomie zu absoluten Principien und unbedingter Präcision gelangen könne, ohne die von ihr beständig unzertrennliche, schwesterliche Wissenschaft des Rechts, und so lange die Theorie des Staats selbst noch im Argen liegt. — Wir ehren die Talente, denen Kraus die erste Richtung gegeben, aber wir fürchten einen unheilbaren Zwiespalt zwischen den Gerichtshöfen und der Administration, wenn sich je diese, jugendlichen Köpfen wohl anstehende, Richtung der Gesetzgebung eines bejahrten Staates mittheilen könnte.
Zum Schluß können wir zwei Fragen nicht unterdrücken, die wir aus Unbekanntschaft mit den Königsbergischen Verhältnissen nicht zu beantworten wagen: zuerst, wie konnte ein guter aber völlig unproductiver und abhängiger Kopf zu der Lokalautorität gelangen, von der wir uns manches Wunder haben erzählen lassen? und dann: wie konnte in einem wissenschaftlich gar nicht entlegenen Orte die Lehre des Adam Smith erst so spät und nachdem sie schon zwanzig Jahre hindurch Europa beschäftigt hatte, zu diesem übertriebenen Ansehn gelangen? —
45Wir ehren Christian Jakob Kraus und sein redliches Forschen und Bearbeiten vielleicht mehr als diejenigen, welche aus überschwellender Dankbarkeit ihm im Tode eine Gesetzgeberrolle aufdringen wollen, für die er nicht geboren war.
Ps.
Nützliche Erfindungen.
Entwurf einer Bombenpost.
Man hat, in diesen Tagen, zur Beförderung des Verkehrs innerhalb der Gränzen der vier Welttheile, einen elektrischen Telegraphen erfunden; einen Telegraphen, der mit der Schnelligkeit des Gedankens, ich will sagen, in kürzerer Zeit, als irgend ein chronometrisches Instrument angeben kann, vermittelst des Elektrophors und des Metalldraths, Nachrichten mittheilt; dergestalt, daß wenn jemand, falls nur sonst die Vorrichtung dazu getroffen wäre, einen guten Freund, den er unter den Antipoden hätte, fragen wollte: wie geht’s dir? derselbe, ehe man noch eine Hand umkehrt, ohngefähr so, als ob er in einem und demselben Zimmer stünde, antworten könnte: recht gut. So gern wir dem Erfinder dieser Post, die, auf recht eigentliche Weise, auf Flügeln des Blitzes reitet, die Krone des Verdienstes zugestehn, so hat doch auch diese Fernschreibekunst noch die Unvollkommenheit, daß sie nur, dem Interesse des Kaufmanns wenig ersprießlich, zur Versendung ganz kurzer und lakonischer Nachrichten, nicht aber zur Uebermachung von Briefen, Berichten, Beilagen und Packeten taugt. Demnach schlagen wir, um auch diese Lücke zu erfüllen, zur Beschleunigung und Vervielfachung der Handels-Communikationen, wenigstens innerhalb der Gränzen der cultivirten Welt, eine Wurf- oder Bombenpost vor; ein Institut, das sich auf zweckmäßig, innerhalb des Raums einer Schußweite, angelegten Artillerie-Stationen, aus Mörsern oder Haubitzen, hohle, statt des Pulvers, mit Briefen und Paketen angefüllte Kugeln, die man ohne alle Schwierigkeit, mit den Augen verfolgen, und wo sie hinfallen, falls es kein ein [wird nicht emendiert] ein [wird nicht emendiert] Morastgrund ist, wieder auffinden kann, zuwürfe; dergestalt, daß die Kugel, auf jeder Station zuvörderst eröffnet, die respektiven Briefe für jeden Ort herausgenommen, die neuen hineingelegt, das Ganze wieder ver46schlossen, in einen neuen Mörser geladen, und zur nächsten Station weiter spedirt werden könnte. Den Prospectus des Ganzen und die Beschreibung Beschrebung und Auseinandersetzung der Anlagen und Kosten behalten wir einer umständlicheren und weitläufigeren Abhandlung bevor. Da man, auf diese Weise, wie eine kurze mathematische Berechnung lehrt, binnen Zeit eines halben Tages, gegen geringe Kosten von Berlin nach Stettin oder Breslau würde schreiben oder respondiren können, und mithin, verglichen mit unseren reitenden Posten, ein zehnfacher Zeitgewinn entsteht oder es eben soviel ist, als ob ein Zauberstab diese Orte der Stadt Berlin zehnmal näher gerückt hätte: so glauben wir für das bürgerliche sowohl als handeltreibende Publicum, eine Erfindung von dem größesten und entscheidendsten Gewicht, geschickt, den Verkehr auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit zu treiben, an den Tag gelegt zu haben.
Berlin d. 10. Oct. 1810. rmz.
Auf einen Denuncianten.
(Räthsel.)
(Die Auflösung im folgenden Stück.)
st.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Der Leichnam eines hiesigen Seidenwirkers, der schon seit einiger Zeit von seiner Familie gesucht wurde, ist jetzt, schon sehr in Verwesung übergegangen, vor dem Köpnicker Thore in der Spree gefunden.
Einer von den 7 Verbrechern, welche im Juli d. Jahrs aus der Vestung Spandau entwichen sind, ist jetzt hier erkannt und verhaftet.
Ein fremder Schiffer hat beim Torfverkauf einen hiesigen Bürger auf ¼ Haufen um 5 Kiepen übervortheilt und ist daher zur Untersuchung gezogen.