Penthesilea. Ein Trauerspiel.
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im Verlage der Cottaischen Buchhandlung
und gedruckt in Dresden bei Gärtner.
Personen.
Scene: Schlachtfeld bei Troja
Erster Auftritt.
Odysseus und Diomedes (von der einen Seite) Antilochus (von der andern) Gefolge (treten auf.)Antilochus. Seyd mir gegrüſst, ihr Könige! Wie geht’s,/ Seit wir zuletzt bei Troja uns gesehn?/ Odysseus. Schlecht, Antiloch. Du siehst auf diesen Feldern,/ Der Griechen und der Amazonen Heer,/ Wie zwei erboste Wölfe sich umkämpfen:/ Beim Jupiter! sie wissen nicht warum?/ Wenn Mars entrüstet, oder Delius,/ Den Stecken nicht ergreift, der Wolkenrüttler/ Mit Donnerkeilen nicht dazwischen wettert:/ Todt sinken die Verbiſsnen heut noch nieder,/ 10 Des einen Zahn im Schlund des anderen. —/ Schafft einen Helm mit Wasser! Antilochus. Element! / Was wollen diese Amazonen uns?/ 4 Odysseus. Wir zogen aus, auf des Atriden Rath,/ Mit der gesammten Schaar der Myrmidonen, / Achill und ich; Penthesilea, hieſs es,/ Sei in den scyth’schen Wäldern aufgestanden,/ Und führ’ ein Heer, bedeckt mit Schlangenhäuten,/ Von Amazonen, heiſser Kampflust voll,/ Durch der Gebirge Windungen heran,/ 20 Den Priamus in Troja zu entsetzen./ Am Ufer des Skamandros hören wir,/ Deiphobus auch, der Priamide, sei/ Aus Ilium mit einer Schaar gezogen;/ Die Königinn, die ihm mit Hülfe naht,/ Nach Freundesart zu grüſsen. Wir verschlingen/ Die Straſse jetzt, uns zwischen dieser Gegner/ Heillosem Bündniſs wehrend aufzupflanzen;/ Die ganze Nacht durch windet sich der Zug./ Doch, bei des Morgens erster Dämmerröthe,/ 30 Welch ein Erstaunen faſst’ uns, Antiloch,/ Da wir, in einem weiten Thal vor uns,/ Mit des Deiphobus Iliern im Kampf/ Die Amazonen sehn! Penthesilea,/ Wie Sturmwind ein zerrissenes Gewölk,/ Weht der Trojaner Reihen vor sich her,/ Als gält es über’n Hellespont hinaus,/ Hinweg vom Rund der Erde sie zu blasen./ Antilochus. Seltsam, bei unserm Gott! Odysseus. Wir sammeln uns,/ Der Trojer Flucht, die wetternd auf uns ein,/ 40 Gleich einem Anfall keilt, zu widerstehen,/ 5 Und dicht zur Mauer drängen wir die Spieſse./ Auf diesen Anblick stutzt der Priamide;/ Und wir, im kurzen Rath beschlieſsen, gleich,/ Die Amazonenfürstinn zu begrüſsen:/ Sie auch hat ihren Siegeslauf gehemmt./ War je ein Rath einfältiger und besser?/ Hätt’ ihn Athenä, wenn ich sie befragt,/ In’s Ohr verständiger mir flüstern können?/ Sie muſs, beim Hades! diese Jungfrau, doch,/ 50 Die wie vom Himmel plötzlich, kampfgerüstet,/ In unsern Streit fällt, sich darin zu mischen,/ Sie muſs zu Einer der Parthein sich schlagen;/ Und uns die Freundinn müssen wir sie glauben,/ Da sie sich Teukrischen die Feindinn zeigt./ Antilochus. Was sonst, beim Styx! Nichts anders giebt’s. Odysseus. Nun gut./ Wir finden sie, die Heldinn Scythiens,/ Achill und ich — in kriegerischer Feier/ An ihrer Jungfraun Spitze aufgepflanzt,/ Geschürzt, der Helmbusch wallt ihr von der Scheitel,/ 60 Und seine Gold- und Purpurtroddeln regend,/ Zerstampft ihr Zelter unter ihr den Grund./ Gedankenvoll, auf einen Augenblick,/ Sieht sie in unsre Schaar, von Ausdruck leer,/ Als ob in Stein gehau’n wir vor ihr stünden;/ Hier diese flache Hand, versichr’ ich dich,/ Ist ausdrucksvoller als ihr Angesicht:/ Bis jetzt ihr Aug auf den Peliden trifft:/ Und Glut ihr plötzlich, bis zum Hals hinab,/ 6 Das Antlitz färbt, als schlüge rings um ihr/ 70 Die Welt in helle Flammenlohe auf./ Sie schwingt, mit einer zuckenden Bewegung,/ — Und einen finstern Blick wirft sie auf ihn —/ Vom Rücken sich des Pferds herab, und fragt,/ Die Zügel einer Dien’rinn überliefernd,/ Was uns, in solchem Prachtzug, zu ihr führe./ Ich jetzt, wie wir Argiver hoch erfreut,/ Auf eine Feindinn des Dardanervolks zu stoſsen;/ Was für ein Haſs den Priamiden längst/ Entbrannt sei in der Griechen Brust, wie nützlich,/ 80 So ihr, wie uns, ein Bündniſs würde sein;/ Und was der Augenblick noch sonst mir beut:/ Doch mit Erstaunen, in dem Fluſs der Rede,/ Bemerk’ ich, daſs sie mich nicht hört. Sie wendet,/ Mit einem Ausdruck der Verwunderung,/ Gleich einem sechzehnjähr’gen Mädchen plötzlich,/ Das von olymp’schen Spielen wiederkehrt,/ Zu einer Freundinn, ihr zur Seite sich,/ Und ruft: solch einem Mann, o Prothoe, ist/ Otrere, meine Mutter, nie begegnet!/ 90 Die Freundinn, auf dies Wort betreten, schweigt,/ Achill und ich, wir sehn uns lächelnd an,/ Sie ruht, sie selbst, mit trunk’nem Blick schon wieder/ Auf des Äginers schimmernde Gestalt:/ Bis jen’ ihr schüchtern naht, und sie erinnert,/ Daſs sie mir noch die Antwort schuldig sei./ Drauf mit der Wangen Roth, war’s Wuth, war’s Schaam,/ Die Rüstung wieder bis zum Gurt sich färbend,/ Verwirrt und stolz und wild zugleich: sie sei/ Penthesilea, kehrt sie sich zu mir,/ 100 Der Amazonen Königinn, und werde/ Aus Köchern mir die Antwort übersenden!/ 7 Antilochus. So, Wort für Wort, der Bote, den du sandtest;/ Doch keiner in dem ganzen Griechenlager,/ Der ihn begriff. Odysseus. Hierauf unwissend jetzt,/ Was wir von diesem Auftritt denken sollen,/ In grimmiger Beschämung gehn wir heim,/ Und sehn die Teukrischen, die unsre Schmach/ Von fern her, die hohnlächelnden, errathen,/ Wie im Triumph sich sammeln. Sie beschlieſsen/ 110 Im Wahn, sie seien die Begünstigten,/ Und nur ein Irrthum, der sich lösen müsse,/ Sei an dem Zorn der Amazone Schuld,/ Schnell ihr, durch einen Herold, Herz und Hand,/ Die sie verschmäht, von neuem anzutragen./ Doch eh’ der Bote, den sie senden wollen,/ Den Staub noch von der Rüstung abgeschüttelt,/ Stürzt die Kenthaurinn, mit verhängtem Zügel,/ Auf sie und uns schon, Griech’ und Trojer, ein,/ Mit eines Waldstroms wüthendem Erguſs/ 120 Die Einen, wie die Andern, niederbrausend./ Antilochus. Ganz unerhört, ihr Danaer! Odysseus. Jetzt hebt/ Ein Kampf an, wie er, seit die Furien walten,/ Noch nicht gekämpft ward auf der Erde Rücken./ So viel ich weiſs, giebt es in der Natur/ Kraft blos und ihren Widerstand, nichts Drittes./ Was Glut des Feuers löscht, lös’t Wasser siedend/ 8 Zu Dampf nicht auf und umgekehrt. Doch hier/ Zeigt ein ergrimmter Feind von beiden sich,/ Bei dessen Eintritt nicht das Feuer weiſs,/ 130 Ob’s mit dem Wasser rieseln soll, das Wasser/ Ob’s mit dem Feuer himmelan soll lecken./ Der Trojer wirft, gedrängt von Amazonen,/ Sich hinter eines Griechen Schild, der Grieche/ Befreit ihn von der Jungfrau, die ihn drängte,/ Und Griech’ und Trojer müssen jetzt sich fast,/ Dem Raub der Helena zu Trotz, vereinen,/ Um dem gemeinen Feinde zu begegnen./ (Ein Grieche bringt ihm Wasser.) Dank! Meine Zunge lechzt. Diomedes. Seit jenem Tage/ Grollt über dieser Ebne unverrückt/ 140 Die Schlacht, mit immer reger Wuth, wie ein/ Gewitter, zwischen waldgekrönter Felsen Gipfeln/ Geklemmt. Als ich mit den Ätoliern gestern/ Erschien, der unsern Reihen zu verstärken,/ Schlug sie mit Donnerkrachen eben ein,/ Als wollte sie den ganzen Griechenstamm/ Bis auf den Grund, die Wüthende, zerspalten./ Der Krone ganze Blüthe liegt, Ariston,/ Astyanax, von Sturm herabgerüttelt,/ Menandros, auf dem Schlachtfeld da, den Lorbeer,/ 150 Mit ihren jungen, schönen Leibern groſs,/ Für diese kühne Tochter Ares, düngend./ Mehr der Gefangnen siegreich nahm sie schon,/ Als sie uns Augen, sie zu missen, Arme,/ Sie wieder zu befrein, uns übrig lieſs./ Antilochus. Und Niemand kann, was sie uns will will, [emendiert] ergründen?/ 9 Diomedes. Kein Mensch, das eben ist’s: wohin wir spähend/ Auch des Gedankens Senkblei fallen lassen./ — Oft, aus der sonderbaren Wuth zu schlieſsen,/ Mit welcher sie, im Kampfgewühl, den Sohn/ 160 Der Thetis sucht, scheint’s uns, als ob ein Haſs/ Persönlich wider ihn die Brust ihr füllte./ So folgt, so hungerheiſs, die Wölfinn nicht,/ Durch Wälder, die der Schnee bedeckt, der Beute,/ Die sich ihr Auge grimmig auserkohr,/ Als sie, durch unsre Schlachtreihn, dem Achill./ Doch jüngst, in einem Augenblick, da schon/ Sein Leben war in ihre Macht gegeben,/ Gab sie es lächelnd, ein Geschenk, ihm wieder:/ Er stieg zum Orkus, wenn sie ihn nicht hielt./ 170 Antilochus. Wie? Wenn ihn wer? Die Königinn? Diomedes. Sie selbst!/ Denn als sie, um die Abenddämmrung gestern,/ Im Kampf, Penthesilea und Achill,/ Einander trafen, stürmt Deiphobus her,/ Und auf der Jungfrau Seite hingestellt,/ Der Teukrische, trifft er dem Peleïden/ Mit einem tück’schen Schlag die Rüstung prasselnd,/ Daſs rings der Ormen Wipfel wiederhallten./ Die Königinn, entfärbt, läſst zwei Minuten/ Die Arme sinken: und die Locken dann/ 180 Entrüstet um entflammte Wangen schüttelnd,/ Hebt sie vom Pferdes-Rücken hoch sich auf,/ Und senkt, wie aus dem Firmament geholt,/ Das Schwerdt ihm wetterstrahlend in den Hals,/ 10 Daſs er zu Füssen hin, der Unberufne,/ Dem Sohn, dem göttlichen, der Thetis rollt./ Er jetzt, zum Dank, will ihr, der Peleïde,/ Ein Gleiches thun; doch sie bis auf den Hals/ Gebückt, den mähnumflossenen, des Schecken,/ Der, in dem Goldzaum beiſsend, sich herumwirft,/ 190 Weicht seinem Mordhieb aus, und schieſst die Zügel,/ Und sieht sich um, und lächelt, und ist fort./ Antilochus. Ganz wunderbar! Odysseus. Was bringst du uns von Troja?/ Antilochus. Mich sendet Agamemnon her, und fragt dich,/ Ob Klugheit nicht, bei so gewandelten/ Verhältnissen, den Rückzug dir gebiete./ Uns gelt’ es Iliums Mauern einzustürzen,/ Nicht einer freien Fürstinn Heereszug,/ Nach einem uns gleichgült’gen Ziel, zu stören./ Falls du daher Gewiſsheit dir verschafft,/ 200 Daſs nicht mit Hülfe der Dardanerburg/ Penthesilea naht, woll’ er, daſs ihr/ Sogleich, um welchen Preis gleichviel, euch wieder/ In die argivische Verschanzung werft./ Verfolgt sie euch, so werd’ er, der Atride,/ Dann an des Heeres Spitze selber sehn,/ Wozu sich diese räthselhafte Sphinx/ Im Angesicht von Troja wird entscheiden./ 11 Odysseus. Beim Jupiter! Der Meinung bin ich auch./ Meint ihr, daſs der Laertiade sich/ 210 In diesem sinnentblöſsten Kampf gefällt?/ Schafft den Peliden weg von diesem Platze!/ Denn wie die Dogg’ entkoppelt, mit Geheul/ In das Geweih des Hirsches fällt: der Jäger,/ Erfüllt von Sorge, lockt und ruft sie ab;/ Jedoch verbissen in des Prachtthiers Nacken,/ Tanzt sie durch Berge neben ihm, und Ströme,/ Fern in des Waldes Nacht hinein: so er,/ Der Rasende, seit in der Forst des Krieges/ Dieſs Wild sich von so seltner Art, ihm zeigte./ 220 Durchbort mit einem Pfeilschuſs, ihn zu fesseln,/ Die Schenkel ihm: er weicht, so schwört er, eher/ Von dieser Amazone Ferse nicht,/ Bis er bei ihren seidnen Haaren sie/ Von dem gefleckten Tiegerpferd gerissen./ Versuch’s, o Antiloch, wenn’s dir beliebt/ Und sieh’, was deine rednerische Kunst,/ Wenn seine Lippe schäumt, bei ihm vermag./ Diomedes. Laſst uns vereint, ihr Könige, noch einmal/ Vernunft keilförmig, mit Gelassenheit,/ 230 Auf seine rasende Entschlieſsung setzen./ Du wirst, erfindungsreicher Larissäer,/ Den Riſs schon, den er beut, zu finden wissen./ Weicht er dir nicht, wohlan, so will ich ihn/ Mit zwei Ätoliern auf den Rücken nehmen,/ Und einem Klotz gleich, weil der Sinn ihm fehlt,/ In dem Argiverlager niederwerfen./ Ulysses. Folgt mir! 12 Antilochus. Nun? Wer auch eilt uns dort heran?/ Diomedes. Es ist Adrast. So bleich und so verstöhrt./
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Ein Hauptmann. (tritt auf) Odysseus. Was bringst du? Diomedes. Botschaft? Der Hauptmann. Euch die ödeste,/ 240 Die euer Ohr noch je vernahm. Diomedes. Wie? Odysseus. Rede! / Der Hauptmann. Achill — ist in der Amazonen Händen,/ Und Pergams Mauern fallen jezt nicht um./ Diomedes. Ihr Götter, ihr olympischen! Odysseus. Unglücksbote! / 13 Antilochus. Wann trug, wo, das Entsetzliche sich zu?/ Der Hauptmann. Ein neuer Anfall, heiſs, wie Wetterstrahl,/ Schmolz, dieser wutherfüllten Mavorstöchter,/ Rings der Ätolier wackre Reihen hin,/ Auf uns, wie Wassersturz, hernieder sie,/ Die unbesiegten Myrmidonier, gieſsend./ 250 Vergebens drängen wir dem Fluchtgewog/ Entgegen uns: in wilder Überschwemmung/ Reiſst’s uns vom Kampfplatz strudelnd mit sich fort:/ Und eher nicht vermögen wir den Fuſs,/ Als fern von dem Peliden fest zu setzen./ Erst jetzo wickelt er, umstarrt von Spieſsen,/ Sich aus der Nacht des Kampfes los, er rollt/ Von eines Hügels Spitze scheu herab,/ Auf uns kehrt glücklich sich sein Lauf, wir senden/ Aufjauchzend ihm den Rettungsgruſs schon zu:/ 260 Doch es erstirbt der Laut im Busen uns,/ Da plötzlich jetzt sein Viergespann zurück/ Vor einem Abgrund stutzt, und hoch aus Wolken/ In grause Tiefe bäumend niederschaut./ Vergebens jetzt, in der er Meister ist,/ Des Isthmus ganze vielgeübte Kunst:/ Das Roſsgeschwader wendet, das erschrockne,/ Die Häupter rückwärts in die Geiſselhiebe,/ Und im verworrenen Geschirre fallend,/ Zum Chaos, Pferd’ und Wagen, eingestürzt,/ 270 Liegt unser Göttersohn, mit seinem Fuhrwerk,/ Wie in der Schlinge eingefangen da./ Antilochus. Der Rasende! Wohin treibt ihn — ? 14 Der Hauptmann. Es stürzt/ Automedon, des Fahrzeugs rüst’ger Lenker,/ In die Verwirrung hurtig sich der Rosse:/ Er hilft dem Viergekoppel wieder auf./ Doch eh’ er noch aus allen Knoten rings/ Die Schenkel, die verwickelten, gelös’t,/ Sprengt schon die Königinn, mit einem Schwarm/ Siegreicher Amazonen, ins Geklüft,/ 280 Jedweden Weg zur Rettung ihm versperrend./ Antilochus. Ihr Himmlischen! Der Hauptmann. Sie hemmt, Staub rings umqualmt sie,/ Des Zelters flücht’gen Lauf, und hoch zum Gipfel/ Das Angesicht, das funkelnde, gekehrt,/ Miſst sie, auf einen Augenblick, die Wand:/ Der Helmbusch selbst, als ob er sich entsetzte,/ Reiſst bei der Scheitel sie von hinten nieder./ Drauf plötzlich jetzt legt sie die Zügel weg:/ Man sieht, gleich einer Schwindelnden, sie hastig/ Die Stirn, von einer Lockenfluth umwallt,/ 290 In ihre beiden kleinen Hände drücken./ Bestürzt, bei diesem sonderbaren Anblick,/ Umwimmeln alle Jungfraun sie, mit heiſs/ Eindringlicher Gebährde sie beschwörend;/ Die Eine, die zunächst verwandt ihr scheint,/ Schlingt ihren Arm um sie, indeſs die Andre/ Entschloſsner noch, des Pferdes Zügel greift:/ Man will den Fortschritt mit Gewalt ihr wehren,/ Doch sie — 15 Diomedes. Wie? wagt sie es? Antilochus. Nein, sprich! Der Hauptmann. Ihr hörts./ Umsonst sind die Versuche, sie zu halten,/ 300 Sie drängt mit sanfter Macht von beiden Seiten/ Die Fraun hinweg, und im unruh’gen Trabe/ An dem Geklüfte auf und nieder streifend,/ Sucht sie, ob nicht ein schmaler Pfad sich biete/ Für einen Wunsch, der keine Flügel hat;/ Drauf jetzt, gleich einer Rasenden, sieht man/ Empor sie an des Felsens Wände klimmen,/ Jetzt hier, in glühender Begier, jetzt dort,/ Unsinn’ger Hoffnung voll, auf diesem Wege/ Die Beute, die im Garn liegt, zu erhaschen./ 310 Jetzt hat sie jeden sanftern Riſs versucht,/ Den sich im Fels der Regen ausgewaschen;/ Der Absturz ist, sie sieht es, unersteiglich;/ Doch, wie beraubt des Urtheils, kehrt sie um,/ Und fängt, als wär’s von vorn, zu klettern an./ Und schwingt, die Unverdrossene, sich wirklich/ Auf Pfaden, die des Wandrers Fuſstritt scheut,/ Schwingt sich des Gipfels höchstem Rande näher/ Um einer Orme Höh; und da sie jetzt auf einem/ Granitblock steht, von nicht mehr Flächenraum/ 320 Als eine Gemse sich zu halten braucht;/ Von ragendem Geklüfte rings geschreckt,/ Den Schritt nicht vorwärts mehr, nicht rückwärts wagt;/ Der Weiber Angstgeschrei durchkreischt die Luft:/ 16 Stürzt sie urplötzlich, Roſs und Reuterinn,/ Von los sich lösendem Gestein umprasselt,/ Als ob sie in den Orkus führe, schmetternd/ Bis an des Felsens tiefsten Fuſs zurück,/ Und bricht den Hals sich nicht und lernt auch nichts:/ Sie rafft sich bloſs zu neuem Klimmen auf./ 330 Antilochus. Seht die Hyäne, die blind-wüthende!/ Odysseus. Nun? Und Automedon? Der Hauptmann. Er endlich schwingt,/ Das Fahrzeug steht, die Rosse auch, geordnet —/ — Hephästos hätt’ in so viel Zeit fast neu/ Den ganzen erznen Wagen schmieden können —/ Er schwingt dem Sitz sich zu, und greift die Zügel:/ Ein Stein fällt uns Argivern von der Brust./ Doch eben jezt, da er die Pferde wendet,/ Erspähn die Amazonen einen Pfad,/ Dem Gipfel sanfthin zugeführt, und rufen,/ 340 Das Thal rings mit Geschrei des Jubels füllend,/ Die Königinn dahin, die sinnberaubte,/ Die immer noch des Felsens Sturz versucht./ Sie, auf dies Wort, das Roſs zurücke werfend,/ Rasch einen Blick den Pfad schickt sie hinan;/ Und dem gestreckten Parder gleich, folgt sie/ Dem Blick auch auf den dem [emendiert] dem [emendiert. Bei [MA] alle Emendationen ohne Hinweis in Kommentar.] Fuſs: er, der Pelide,/ Entwich zwar mit den Rossen, rückwärts strebend; strebend? strebend? / Doch in den Gründen bald verschwand er mir,/ Und was aus ihm geworden, weiſs ich nicht./ 350 17 Antilochus. Verloren ist er! Diomedes. Auf! Was thun wir, Freunde?/ Odysseus. Was unser Herz, ihr Könige, gebeut!/ Auf! laſst uns ihn der Königinn entreiſsen!/ Gilt’s einen Kampf um ihn auf Tod und Leben:/ Den Kampf bei den Atriden fecht’ ich aus./ Odysseus, Diomedes, Antilochus (ab.)Dritter Auftritt.
Der Hauptmann. Eine Schaar von Griechen. (welche während dessen einen Hügel bestiegen haben). Ein Myrmidonier. (in die Gegend schauend.) Seht! Steigt dort über jenes Berges Rücken,/ Ein Haupt nicht, ein bewaffnetes, empor?/ Ein Helm, von Federbüschen überschattet?/ Der Nacken schon, der mächt’ge, der es trägt?/ Die Schultern auch, die Arme, stahlumglänzt?/ 360 Das ganze Brustgebild, o seht doch, Freunde,/ Bis wo den Leib der gold’ne Gurt umschlieſst?/ Der Hauptmann. Ha! Wessen! Der Myrmidonier. Wessen! Träum’ ich, ihr Argiver?/ 18 Die Häupter sieht man schon, geschmückt mit Blessen,/ Des Roſsgespanns! Nur noch die Schenkel sind,/ Die Hufen, von der Höhe Rand bedeckt!/ Jetzt, auf dem Horizonte, steht das ganze/ Kriegsfahrzeug da! So geht die Sonne prachtvoll/ An einem heitern Frühlingstage auf!/ Die Griechen. Triumph! Achilleus ist’s! Der Göttersohn!/ 370 Selbst die Quadriga führet er heran!/ Er ist gerettet! Der Hauptmann. Ihr Olympischen!/ So sei euch ew’ger Ruhm gegönnt! — Odysseus!/ — Flieg Einer den argol’schen Fürsten nach!/ (Ein Grieche schnell ab.) Naht er sich uns, ihr Danaer? Der Myrmidonier. O sieh!/ Der Hauptmann. Was giebt’s? Der Myrmidonier. O mir vergeht der Athem, Hauptmann!/ Der Hauptmann. So rede, sprich! Der Myrmidonier. O, wie er mit der Linken/ 19 Vor über seiner Rosse Rücken geht!/ Wie er die Geiſsel umschwingt über sie!/ Wie sie von ihrem bloſsen Klang erregt,/ 380 Der Erde Grund, die göttlichen, zerstampfen!/ Am Zügel zieh’n sie, beim Lebendigen,/ Mit ihrer Schlünde Dampf, das Fahrzeug fort!/ Gehetzter Hirsche Flug ist schneller nicht!/ Der Blick drängt unzerknickt sich durch die Räder,/ Zur Scheibe fliegend eingedreht, nicht hin!/ Ein Ätolier. Doch hinter ihm — Der Hauptmann. Was? Der Myrmidonier. An des Berges Saum —/ Der Ätolier. Staub — Der Myrmidonier. Staub aufqualmend, wie Gewitterwolken:/ Und, wie der Blitz vorzuckt — Der Ätolier. Ihr ew’gen Götter!/ Der Myrmidonier. Penthesilea. Der Hauptmann. Wer? 20 Der Ätolier. Die Königinn! —/ 390 Ihm auf dem Fuſs, dem Peleïden, schon/ Mit ihrem ganzen Troſs von Weibern folgend./ Der Hauptmann. Die rasende Megär’! Die Griechen. (rufend) Hieher der Lauf!/ Hieher den Lauf, du göttlicher gerichtet!/ Auf uns den Lauf! Der Ätolier. Seht! wie sie mit den Schenkeln/ Des Tiegers Leib inbrünstiglich umarmt!/ Wie sie, bis auf die Mähn’ herabgebeugt,/ Hinweg die Luft trinkt lechzend, die sie hemmt!/ Sie fliegt, wie von der Senne abgeschossen:/ Numidsche Pfeile sind nicht hurtiger!/ 400 Das Heer bleibt keuchend, hinter ihr, wie Köter,/ Wenn sich ganz aus die Dogge streckt, zurück!/ Kaum daſs ihr Federbusch ihr folgen kann!/ Der Hauptmann. So naht sie ihm? Ein Doloper. Naht ihm! Der Myrmidonier. Naht ihm noch nicht!/ Der Doloper. Naht ihm, ihr Danaer! Mit jedem Hufschlag,/ 21 Schlingt sie, wie hungerheiſs, ein Stück des Weges,/ Der sie von dem Peliden trennt, hinunter!/ Der Myrmidonier. Bei allen hohen Göttern, die uns schützen!/ Sie wächst zu seiner Gröſse schon heran!/ Sie athmet schon, zurückgeführt vom Winde,/ 410 Den Staub, den säumend seine Fahrt erregt!/ Der rasche Zelter wirft, auf den dem [emendiert] dem [emendiert] sie reitet,/ Erdschollen, aufgewühlt von seiner Flucht,/ Schon in die Muschel seines Wagens hin!/ Der Ätolier. Und jetzt — der Übermüth’ge! Rasende!/ Er lenkt im Bogen spielend noch! Gieb Acht:/ Die Amazone wird die Sehne nehmen./ Siehst du? Sie schneidet ihm den Lauf — Der Myrmidonier. Hilf! Zevs!/ An seiner Seite fliegt sie schon! Ihr Schatten,/ Groſs, wie ein Riese, in der Morgensonne,/ 420 Erschlägt ihn schon! Der Ätolier. Doch jetzt urplötzlich reiſst er —/ Der Doloper. Das ganze Roſsgeschwader reiſst er plötzlich/ Zur Seit’ herum! Der Ätolier. Zu uns her fliegt er wieder!/ 22 Der Myrmidonier. Ha! Der Verschlagne! Er betrog sie — Der Doloper. Hui!/ Wie sie, die Unaufhaltsame, vorbei/ Schieſst an dem Fuhrwerk — Der Myrmidonier. Prellt, im Sattel fliegt,/ Und stolpert — Der Doloper. Stürzt! Der Hauptmann. Was? Der Myrmidonier. Stürzt, die Königinn!/ Und eine Jungfrau blindhin über sie —/ Der Doloper. Und Eine noch — Der Myrmidonier. Und wieder — Der Doloper. Und noch Eine —/ Der Hauptmann. Ha! Stürzen, Freunde? Der Doloper. Stürzen — 23 Der Myrmidonier. Stürzen, Hauptmann,/ 430 Wie in der Feueresse eingeschmelzt,/ Zum Haufen, Roſs und Reut’rinnen, zusammen!/ Der Hauptmann. Daſs sie zu Asche würden! Der Doloper. Staub ringsum,/ Vom Glanz der Rüstungen durchzuckt und Waffen:/ Das Aug’ erkennt nichts mehr, wie scharf es sieht./ Ein Knäuel, ein verworrener, von Jungfraun/ Durchwebt von Rossen bunt: das Chaos war,/ Das erst’, aus dem die Welt sprang, deutlicher./ Der Ätolier. Doch jetzt — ein Wind erhebt sich; Tag wird es,/ Und eine der Gestürzten rafft sich auf./ 440 Der Doloper. Ha! Wie sich das Gewimmel lustig regt!/ Wie sie die Spieſse sich, die Helme, suchen,/ Die weithin auf das Feld geschleuderten!/ Der Myrmidonier. Drei Rosse noch, und eine Reuterinn, liegen/ Gestreckt wie todt — Der Hauptmann. Ist das die Königinn?/ Der Ätolier. Penthesilea, fragst du? 24 Der Myrmidonier. Ob’s die Königinn?/ — Daſs mir den Dienst die Augen weigerten!/ Dort steht sie! Der Doloper. Wo? Der Hauptmann. Nein, sprich! Der Myrmidonier. Dort, beim Kroniden,/ Wo sie gestürzt: in jener Eiche Schatten!/ An ihres Pferdes Nacken hält sie sich,/ 450 Das Haupt entblöſst — seht ihr den Helm am Boden?/ Die Locken schwachhin mit der Rechten greifend,/ Wischt sie, ist’s Staub, ist’s Blut, sich von der Stirn./ Der Doloper. Bei Gott, sie ist’s! Der Hauptmann. Die Unverwüstliche!/ Der Ätolier. Die Katze, die so stürzt, verreckt; nicht sie!/ Der Hauptmann. Und der Pelid’? Der Doloper. Ihn schützen alle Götter!/ Um drei Pfeilschüsse flog er fort und drüber!/ Kaum mehr mit Blicken kann sie ihn erreichen,/ 25 Und der Gedanke selbst, der strebende,/ Macht ihr im athemlosen Busen: halt!/ 460 Der Myrmidonier. Triumph! Dort trit Odysseus jetzt hervor!/ Das ganze Griechenheer, im Strahl der Sonne,/ Trit plötzlich aus des Waldes Nacht hervor!/ Der Hauptmann. Odyſs? Und Diomed auch? O ihr Götter!/ — Wie weit noch in dem Feld ist er zurück?/ Der Doloper. Kaum einen Steinwurf, Hauptmann! Sein Gespann/ Fliegt auf die Höhen am Skamandros schon,/ Wo sich das Heer raschhin am Rande ordnet./ Die Reih’n schon wettert er entlang — Stimmen. (aus der Ferne) Heil dir!/ Der Doloper. Sie rufen, die Argiver, ihm — Stimmen. Heil dir!/ 470 Achill! Heil dir, Pelide! Göttersohn!/ Heil dir! Heil dir! Heil dir! Der Doloper. Er hemmt den Lauf!/ Vor den versammelten Argiverfürsten/ Hemmt er den Lauf! Odysseus naht sich ihm!/ Vom Sitz springt er, der Staubbedeckte, nieder!/ 26 Die Zügel giebt er weg! Er wendet sich!/ Er nimmt den Helm ab, der sein Haupt beschwert!/ Und alle Könige umringen ihn!/ Die Griechen reiſsen ihn, die jauchzenden,/ Um seine Knie wimmelnd, mit sich fort:/ 480 Indeſs Automedon die Rosse schrittweis,/ Die dampfenden, an seiner Seite führt!/ Hier wälzt der ganze Jubelzug sich schon/ Auf uns heran! Heil dir! du Göttlicher!/ O seht doch her, seht her — Da ist er schon!/Vierter Auftritt.
Achilles (ihm folgen) Odysseus, Diomedes, Antilochus, Automedon (mit der Quadriga ihm zur Seite) das Heer der Griechen. Odysseus. Sei mir, Äginerheld, aus heiſser Brust/ Gegrüſst! Du Sieger auch noch in der Flucht!/ Beim Jupiter! Wenn hinter deinem Rücken,/ Durch deines Geistes Obmacht über ihren,/ In Staub die Feindinn stürzt, was wird gescheh’n,/ 490 Wenn’s dir gelingt, du Göttlicher, sie einst/ Von Angesicht zu Angesicht zu fassen./ Achilles. (er hält den Helm in der Hand und wischt sich den Schweiſs von der Stirn. Zwei Griechen ergreifen, ihm unbewuſst, Einen seiner Arme, der verwundet ist, und verbinden ihn.) Was ist? Was giebt’s? 27 Antilochus. Du hast in einem Kampf/ Wetteifernder Geschwindigkeit bestanden,/ Neridensohn, wie losgelassene/ Gewitterstürm’, am Himmelsplane brausend,/ Noch der erstaunten Welt ihn nicht gezeigt./ Bei den Erynnien! Meiner Reue würd’ ich/ Mit deinem flüchtigen Gespann entflieh’n,/ Hätt’ ich, des Lebens Gleise schwer durchknarrend,/ 500 Die Sünden von der ganzen Trojerburg/ Der Muschel meiner Brust auch aufgeladen./ Achilles. (zu den zwei Griechen, welche ihn mit ihrem Geschäfft zu belästigen scheinen.) Die Narren. Ein Griechenfürst. Wer? Achilles. Was neckt ihr Der erste Grieche. (der ihm den Arm verbindet.) Halt! Du blutest!/ Achilles. Nun ja. Der zweite Grieche. So steh! Der Erste. So laſs dich auch verbinden./ 28 Der Zweite. Gleich ist’s geschehn. Diomedes. — Es hieſs zu Anfang hier,/ Der Rückzug meiner Völker habe dich/ In diese Flucht gestürzt; beschäftiget/ Mit dem Ulyſs, den Antiloch zu hören,/ Der Bothschaft uns von den Atriden brachte,/ War ich selbst auf dem Platz nicht gegenwärtig./ 510 Doch Alles, was ich sehe, überzeugt mich,/ Daſs dieser meisterhaften Fahrt ein freier/ Entwurf zum Grunde lag. Man könnte fragen,/ Ob du bei Tagesanbruch, da wir zum/ Gefecht noch allererst uns rüsteten,/ Den Feldstein schon gedacht dir, über welchen/ Die Königinn zusammenstürzen sollte:/ So sichern Schrittes, bei den ewigen Göttern,/ Hast du zu diesem Stein sie hingeführt./ Odysseus. Doch jetzt, Doloperheld, wirst du gefällig,/ 520 Wenn dich ein Anderes nicht besser dünkt,/ Mit uns dich ins Argiverlager werfen./ Die Söhne Atreus rufen uns zurück./ Wir werden mit verstelltem Rückzug sie/ In das Skamandrosthal zu locken suchen,/ Wo Agamemnon aus dem Hinterhalt/ In einer Hauptschlacht sie empfangen wird./ Beim Gott des Donners! Nirgends, oder dort/ Kühlst du die Brunst dir ab, die, rastlos drängend,/ Gleich einem jungen Spieſser, dich verfolgt:/ 530 Und meinen beſsten Segen schenk’ ich dir./ Denn mir ein Gräul auch, in den Tod verhaſst,/ 29 Schweift die Megäre, unsre Thaten störend,/ Auf diesem Feld herum, und gern möcht’ ich,/ Gesteh’ ich dir, die Spur von deinem Fuſstritt/ Auf ihrer rosenblüthnen Wange sehn./ Achilles. (sein Blick fällt auf die Pferde.) Sie schwitzen. Antilochus. Wer? Automedon. (indem er ihre Hälse mit der Hand prüft.) Wie Blei. Achilles. Gut. Führe sie./ Und wenn die Luft sie abgekühlt, so wasche/ Brüst’ ihnen und der Schenkel Paar mit Wein./ Automedon. Man bringt die Schläuche schon. Diomedes. — Hier siehst du wohl,/ 540 Vortrefflicher, daſs wir im Nachtheil kämpfen./ Bedeckt, so weit das schärfste Auge reicht,/ Sind alle Hügel von der Weiber Haufen;/ Heuschrecken lassen dichtgeschloſsner nicht/ Auf eine reife Saatenflur sich nieder./ Wem noch gelang ein Sieg, wie er ihn wünschte?/ Ist Einer, auſser dir, der sagen kann,/ Er hab’ auch die Kenthaurinn nur gesehn?/ Umsonst, daſs wir, in goldnen Rüstungen,/ 30 Hervor uns drängen, unsern Fürstenstand/ 550 Lautschmetternd durch Trompeten ihr verkünden:/ Sie rückt nicht aus dem Hintergrund hervor;/ Und wer auch fern, vom Windzug hergeführt,/ Nur ihre Silberstimme hören wollte,/ Müſst’ eine Schlacht, unrühmlich, zweifelhaft,/ Vorher mit losem Kriegsgesindel kämpfen,/ Das sie, den Höllenhunden gleich, bewacht./ Achilles. (in die Ferne hinaus schauend) Steht sie noch da? Diomedes. Du fragst? — Antilochus. Die Königinn?/ Der Hauptmann. Man sieht nichts — Platz! Die Federbüsch’ hinweg!/ Der Grieche. (der ihm den Arm verbindet) Halt’! Einen Augenblick. Ein Griechenfürst. Dort, allerdings!/ 560 Diomedes. Wo? Der Griechenfürst. Bei der Eiche, unter der sie fiel./ Der Helmbusch wallt schon wieder ihr vom Haupte,/ Und ihr Misschicksal scheint verschmerzt. — 31 Der erste Grieche. Nun endlich!/ Der Zweite. Den Arm jetzt magst du, wie du willst, gebrauchen./ Der Erste. Jetzt kannst du gehn. (Die Griechen verknüpfen noch einen Knoten und lassen seinen Arm fahren.) Odysseus. Hast du gehört, Pelide,/ Was wir dir vorgestellt? Achilles. Mir vorgestellt?/ Nein, nichts. Was war’s? Was wollt ihr? Odysseus. Was wir wollen?/ Seltsam. — Wir unterrichteten von den Befehlen/ Dich der Atriden! Agamemnon will,/ Daſs wir sogleich ins Griechenlager kehren;/ 570 Den Antiloch sandt’ er, wenn du ihn siehst,/ Mit diesem Schluſs des Feldherrnraths uns ab./ Der Kriegsplan ist, die Amazonen-Königinn/ Herab nach der Dardanerburg zu locken,/ Wo sie in beider Heere Mitte nun / Von treibenden Verhältnissen gedrängt,/ Sich muſs, wem sie die Freundinn sei, erklären;/ Und wir dann, sie erwähle, was sie wolle,/ Wir werden wissen mindstens, was zu thun./ Ich traue deiner Klugheit zu, Pelide,/ 580 Du folgst der Weisheit dieser Anordnung./ 32 Denn Wahnsinn wär’s, bei den Olympischen,/ Da dringend uns der Krieg nach Troja ruft,/ Mit diesen Jungfrau’n hier uns einzulassen,/ Bevor wir wissen, was sie von uns wollen,/ Noch überhaupt nur, ob sie uns was wollen?/ Achilles. (indem er sich den Helm wieder aufsetzt) Kämpft ihr, wie die Verschnittnen, wenn ihr wollt;/ Mich einen Mann fühl ich, und diesen Weibern,/ Wenn keiner sonst im Heere, will ich stehn!/ Ob ihr hier länger, unter kühlen Fichten,/ 590 Ohnmächtiger Lust voll, sie umschweift, ob nicht,/ Vom Bette fern der Schlacht, die sie umwogt,/ Gilt mir gleichviel: beim Styx, ich will’ge drein,/ Daſs ihr nach Ilium zurücke kehrt./ Was mir die Göttliche begehrt, das weiſs ich;/ Brautwerber schickt sie mir, gefiederte,/ Genug in Lüften zu, die ihre Wünsche/ Mit Todgeflüster in das Ohr mir raunen./ Im Leben keiner Schönen war ich spröd;/ Seit mir der Bart gekeimt, ihr lieben Freunde,/ 600 Ihr wiſst’s, zu Willen jeder war ich gern:/ Und wenn ich dieser mich gesperrt bis heute,/ Beim Zevs, des Donners Gott, geschah’s, weil ich/ Das Plätzchen unter Büschen noch nicht fand,/ Sie ungestört, ganz wie ihr Herz es wünscht,/ Auf Küſsen heiſs von Erz im Arm zu nehmen./ Kurz, geht: ins Griechenlager folg’ ich euch;/ Die Schäferstunde bleibt nicht lang mehr aus:/ Doch müſst ich auch durch ganze Monden noch,/ Und Jahre, um sie frein: den Wagen dort/ 610 Nicht ehr zu meinen Freunden will ich lenken,/ Ich schwör’s, und Pergamos nicht wiedersehn,/ 33 Als bis ich sie zu meiner Braut gemacht,/ Und sie, die Stirn bekränzt mit Todeswunden,/ Kann durch die Straſsen häuptlings mit mir schleifen./ Folgt mir! Ein Grieche. (tritt auf) Penthesilea naht sich dir, Pelide!/ Achilles. Ich auch. Bestieg sie schon den Perser wieder?/ Der Grieche. Noch nicht. Zu Fuſse schreitet sie heran,/ Doch ihr zur Seite stampft der Perser schon./ Achilles. Wohlan! So schafft mir auch ein Roſs, ihr Freunde! —/ 620 Folgt, meine tapfern Myrmidonier, mir./ Das Heer. (bricht auf) Antilochus. Der Rasende! Odysseus. Nun, so versuche doch/ Jetzt deine Rednerkunst, o Antiloch!/ Antilochus. Laſst mit Gewalt uns ihn — Diomedes. Fort ist er schon!/ Odysseus. Verwünscht sei dieser Amazonenkrieg!/ (Alle ab.)Fünfter Auftritt.
Penthesilea, Prothoe, Meroe, Asteria, Gefolge, das Amazonenheer. Die Amazonen. Heil dir, du Siegerinn! Überwinderinn!/ Des Rosenfestes Königinn! Triumph dir!/ Penthesilea. Nichts vom Triumph mir! Nichts vom Rosenfeste!/ Es ruft die Schlacht noch einmal mich ins Feld./ Den jungen trotz’gen Kriegsgott bänd’g’ ich mir,/ 630 Gefährtinnen, zehntausend Sonnen dünken,/ Zu einem Glutball eingeschmelzt, so glanzvoll/ Nicht, als ein Sieg, ein Sieg mir über ihn./ Prothoe. Geliebte, ich beschwöre dich — Penthesilea. Laſs mich!/ Du hörst, was ich beschloſs, eh würdest du/ Den Strom, wenn er herab von Bergen schieſst,/ Als meiner Seele Donnersturz regieren./ Ich will zu meiner Füſse Staub ihn sehen,/ Den Übermüthigen, der mir an diesem/ Glorwürd’gen Schlachtentag, wie keiner noch,/ 640 Das kriegerische Hochgefühl verwirrt./ Ist das die Siegerinn, die schreckliche,/ Der Amazonen stolze Königinn,/ Die seines Busens erzne Rüstung mir,/ Wenn sich mein Fuſs ihm naht, zurückespiegelt?/ Fühl’ ich, mit aller Götter Fluch Belad’ne,/ 35 Da rings das Heer der Griechen vor mir flieht,/ Bei dieses einz’gen Helden Anblick mich/ Gelähmt nicht, in dem Innersten getroffen,/ Mich, mich die Überwundene, Besiegte?/ 650 Wo ist der Sitz mir, der kein Busen ward,/ Auch des Gefühls, das mich zu Boden wirft?/ Ins Schlachtgetümmel stürzen will ich mich,/ Wo der Hohnlächelnde mein harrt, und ihn/ Mir überwinden, oder leben nicht!/ Prothoe. Wenn du dein Haupt doch, theure Königinn,/ An diesem treuen Busen ruhen wolltest./ Der Sturz, der dir die Brust gewaltsam traf,/ Hat dir das Blut entflammt, den Sinn empört:/ An allen jungen Gliedern zitterst du!/ 660 Beschlieſse nichts, wir alle flehen dich,/ Bis heitrer dir der Geist zurückgekehrt./ Komm, ruhe dich bei mir ein wenig aus./ Penthesilea. Warum? Weshalb? Was ist geschehn? Was sagt’ ich?/ Hab’ ich? — Was hab’ ich denn — ? Prothoe. Um eines Siegs,/ Der deine junge Seele flüchtig reizt,/ Willst du das Spiel der Schlachten neu beginnen?/ Weil unerfüllt ein Wunsch, ich weiſs nicht welcher,/ Dir im geheimen Herzen blieb, den Seegen,/ Gleich einem übellaunigen Kind, hinweg,/ 670 Der deines Volks Gebete krönte, werfen?/ 36 Penthesilea. Ha, sieh! Verwünscht das Loos mir dieses Tages!/ Wie mit dem Schicksal heut, dem tückischen,/ Sich meiner Seele liebste Freundinnen/ Verbünden, mir zu schaden, mich zu kränken!/ Wo sich die Hand, die lüsterne, nur regt,/ Den Ruhm, wenn er bei mir vorüberfleucht,/ Bei seinem goldnen Lockenhaar zu fassen,/ Trit eine Macht mir hämisch in den Weg —/ — Und Trotz ist, Widerspruch, die Seele mir!/ 680 Hinweg! Prothoe. (für sich) Ihr Himmlischen, beschützet sie!/ Penthesilea. Denk’ ich bloſs mich, sind’s meine Wünsche bloſs,/ Die mich zurück aufs Feld der Schlachten rufen?/ Ist es das Volk, ist’s das Verderben nicht,/ Das in des Siegs wahnsinniger Berauschung,/ Hörbaren Flügelschlags, von fern ihm naht?/ Was ist geschehn, daſs wir zur Vesper schon,/ Wie nach vollbrachter Arbeit ruhen wollen?/ Gemäht liegt uns, zu Garben eingebunden,/ Der Erndte üpp’ger Schatz, in Scheuern hoch,/ 690 Die in den Himmel ragen, aufgethürmt:/ Jedoch die Wolke heillos überschwebt ihn,/ Und den Vernichtungsstrahl droht sie herab./ Die Jünglingsschaar, die überwundene,/ Ihr werdet sie, bekränzt mit Blumen nicht,/ Bei der Posaunen und der Cymbeln Klang,/ Zu euren duft’gen Heimathsthälern führen./ Aus jedem tückschen Hinterhalt hervor,/ 37 Der sich ihm beut, seh’ ich den Peleïden/ Auf euren frohen Jubelzug sich stürzen;/ 700 Euch und dem Trosse der Gefangenen,/ Bis zu den Mauern Themiscyras folgen;/ Ja in der Artemis geweihtem Tempel/ Die Ketten noch, die rosenblüthenen,/ Von ihren Gliedern reiſsen und die unsern/ Mit erzgegoſsner Fessel Last bewuchten./ Soll ich von seiner Fers’, ich Rasende,/ Die nun fünf schweiſserfüllte Sonnen schon/ An seinem Sturze rüttelte, entweichen:/ Da er vom Windzug eines Streiches muſs,/ 710 Getroffen, unter meines Rosses Huf,/ Wie eine reife Südfrucht, niederfallen?/ Nein, eh’ ich, was so herrlich mir begonnen,/ So groſs, nicht endige, eh’ ich nicht völlig/ Den Kranz, der mir die Stirn umrauscht’, erfasse,/ Eh’ ich Mars Töchter nicht, wie ich versprach,/ Jetzt auf des Glückes Gipfel jauchzend führe,/ Eh’ möge seine Pyramide schmetternd/ Zusammenbrechen über mich und sie:/ Verflucht das Herz, das sich nicht mäſs’gen kann./ 720 Prothoe. Dein Aug’, o Herrscherinn, erglüht ganz fremd,/ Ganz unbegreiflich, und Gedanken wälzen,/ So finster, wie der ew’gen Nacht entstiegen,/ In meinem ahndungsvollen Busen sich./ Die Schaar, die deine Seele seltsam fürchtet,/ Entfloh rings vor dir her, wie Spreu vor Winden;/ Kaum daſs ein Speer sich noch erblicken läſst./ Achill, so wie du mit dem Heer dich stelltest,/ Von dem Skamandros ist er abgeschnitten;/ 38 Reiz’ ihn nicht mehr, aus seinem Blick nur weiche:/ 730 Den ersten Schritt, beim Jupiter, ich schwör’s,/ In seine Danaerschanze setzt er hin./ Ich will, ich, dir des Heeres Schweif beschirmen./ Sieh’, bei den Göttern des Olymps, nicht Einen/ Gefangenen entreiſst er dir! Es soll/ Der Glanz, auch meilenfernhin, seiner Waffen,/ Dein Heer nicht schrecken, seiner Rosse ferner Tritt/ Dir kein Gelächter einer Jungfrau stören:/ Mit meinem Haupt steh’ ich dir dafür ein!/ Penthesilea. (indem sie sich plötzlich zu Asteria wendet) Kann das geschehn, Asteria? Asteria. Herrscherinn —/ 740 Penthesilea. Kann ich das Heer, wie Prothoe verlangt,/ Nach Themiscyra wohl zurücke führen?/ Asteria. Vergieb, wenn ich in meinem Fall, o Fürstinn —/ Penthesilea. Sprich dreist. Du hörst. Prothoe. (schüchtern) Wenn du den Rath willst gütig/ Versammelt aller Fürstinnen befragen,/ So wird — Penthesilea. Den Rath hier dieser will ich wissen!/ — Was bin ich denn seit einer Hand voll Stunden?/ 39 (Pause, in welcher sie sich sammelt) — — Kann ich das Heer, du sprichst, Asteria,/ Kann ich es wohl zurück zur Heimath führen?/ Asteria. Wenn du so willst, o Herrscherinn, so laſs/ 750 Mich dir gestehn, wie ich des Schauspiels staune,/ Das mir in die ungläub’gen Sinne fällt./ Vom Kaukasus, mit meinem Völkerstamm,/ Um eine Sonne später aufgebrochen,/ Konnt’ ich dem Zuge deines Heeres nicht,/ Der reiſsend wie ein Strom dahinschoſs, folgen./ Erst heute, weiſst du, mit der Dämmerung,/ Auf diesen Platz schlagfertig treff ich ein;/ Und jauchzend schallt aus tausend Kehlen mir/ Die Nachricht zu: Der Sieg, er sei erkämpft,/ 760 Beschlossen schon, auf jede Forderung/ Der ganze Amazonenkrieg. Erfreut,/ Versichr’ ich dich, daſs das Gebet des Volks sich dir/ So leicht, und unbedürftig mein, erfüllt,/ Ordn’ ich zur Rückkehr Alles wieder an;/ Neugierde treibt mich doch, die Schaar zu sehen,/ Die man mir als des Sieges Beute rühmt;/ Und eine Handvoll Knechte, bleich und zitternd,/ Erblickt mein Auge, der Argiver Auswurf,/ Auf Schildern, die sie fliehend weggeworfen,/ 770 Von deinem Kriegstroſs schwärmend aufgelesen./ Vor Trojas stolzen Mauern steht das ganze/ Helenenheer, steht Agamemnon noch,/ Stehn Menelaus, Ajax, Palamed;/ Ulysses, Diomedes, Antilochus,/ Sie wagen dir ins Angesicht zu trotzen:/ Ja jener junge Nereïdensohn,/ 40 Den deine Hand mit Rosen schmücken sollte,/ Die Stirn beut er, der Übermüth’ge, dir;/ Den Fuſstritt will er, und erklärt es laut,/ 780 Auf deinen königlichen Nacken setzen:/ Und meine groſse Arestochter fragt mich,/ Ob sie den Siegesheimzug feiern darf?/ Prothoe. (leidenschaftlich) Der Königinn, du Falsche, sanken Helden/ An Hoheit, Muth und Schöne — Penthesilea. Schweig, Verhaſste!/ Asteria fühlt, wie ich, es ist nur Einer/ Hier mir zu sinken werth: und dieser Eine,/ Dort steht er noch im Feld der Schlacht und trotzt!/ Prothoe. Nicht von der Leidenschaft, o Herrscherinn,/ Wirst du dich — Penthesilea. Natter! Deine Zunge nimm gefangen!/ 790 — Willst du den Zorn nicht deiner Königinn wagen!/ Hinweg! Prothoe. So wag’ ich meiner Königinn Zorn!/ Eh’ will ich nie dein Antlitz wiedersehen,/ Als feig’, in diesem Augenblick, dir eine/ Verrätherinn schmeichlerisch zur Seite stehn./ Du bist, in Flammen wie du loderst, nicht/ Geschickt, den Krieg der Jungfraun fortzuführen;/ 41 So wenig, wie, sich mit dem Spieſs zu messen,/ Der Löwe, wenn er von dem Gift getrunken,/ Das ihm der Jäger tückisch vorgesetzt./ 800 Nicht den Peliden, bei den ew’gen Göttern,/ Wirst du in dieser Stimmung dir gewinnen:/ Vielmehr, noch eh’ die Sonne sinkt, versprech’ ich,/ Die Jünglinge, die unser Arm bezwungen,/ So vieler unschätzbaren Mühen Preis,/ Uns bloſs, in deiner Raserei verlieren./ Penthesilea. Das ist ja sonderbar und unbegreiflich!/ Was macht dich plötzlich denn so feig? Prothoe. Was mich? —/ Penthesilea. Wen überwandst du, sag’ mir an? Prothoe. Lykaon,/ Den jungen Fürsten der Arkadier./ 810 Mich dünkt, du sahst ihn. Penthesilea. So, so. War es jener,/ Der zitternd stand, mit eingeknicktem Helmbusch,/ Als ich mich den Gefangnen gestern — Prothoe. Zitternd!/ Er stand so fest, wie je dir der Pelide!/ Im Kampf von meinen Pfeilen heiſs getroffen,/ 42 Sank er zu Füssen mir, stolz werd’ ich ihn,/ An jenem Fest der Rosen, stolz, wie Eine,/ Zu unserm heil’gen Tempel führen können./ Penthesilea. Wahrhaftig? Wie du so begeistert bist. —/ Nun denn — er soll dir nicht entrissen werden!/ 820 — Führt aus der Schaar ihn den Gefangenen,/ Lykaon, den Arkadier herbei!/ — Nim, du unkriegerische Jungfrau, ihn,/ Entfleuch, daſs er dir nicht verloren gehe,/ Aus dem Geräusch der Schlacht mit ihm, bergt euch/ In Hecken von süſs duftendem Holunder,/ In der Gebirge fernsten Kluft, wo ihr/ Wollüstig Lied die Nachtigall dir flötet,/ Und fei’r es gleich, du Lüsterne, das Fest,/ Das deine Seele nicht erwarten kann./ 830 Doch aus dem Angesicht sei ewig mir,/ Sei aus der Hauptstadt mir verbannt, laſs den/ Geliebten dich und seine Küſse, trösten,/ Wenn Alles, Ruhm dir, Vaterland und Liebe,/ Die Königinn, die Freundinn untergeht./ Geh’ und befreie — geh! ich will nichts wissen!/ Von deinem hassenswürd’gen Anblick mich!/ Meroe. O, Königinn! Eine andere Fürstinn. (aus ihrem Gefolge) Welch ein Wort sprachst du? Penthesilea. Schweigt, sag ich!/ Der Rache weih’ ich den, der für sie fleht!/ 43 Eine Amazone. (tritt auf) Achilles nahet dir, o Herrscherinn!/ 840 Penthesilea. Er naht — Wohlauf, ihr Jungfraun, denn zur Schlacht! —/ Reicht mir der Spieſse Treffendsten, o reicht/ Der Schwerdter Wetterflammendstes mir her!/ Die Lust, ihr Götter, müſst ihr mir gewähren,/ Den einen heiſsersehnten Jüngling siegreich/ Zum Staub mir noch der Füſse hinzuwerfen./ Das ganze Maas von Glück erlaſs ich euch,/ Das meinem Leben zugemessen ist. —/ Asteria! Du wirst die Schaaren führen./ Beschäfftige den Griechentroſs und sorge/ 850 Daſs sich des Kampfes Inbrunst mir nicht störe./ Der Jungfrau’n keine, wer sie immer sei,/ Trifft den Peliden selbst! Dem ist ein Pfeil/ Geschärft des Todes, der sein Haupt, was sag’ ich!/ Der seiner Locken eine mir berührt!/ Ich nur, ich weiſs den Göttersohn zu fällen./ Hier dieses Eisen soll, Gefährtinnen,/ Soll mit der sanftesten Umarmung ihn,/ (Weil ich mit Eisen ihn umarmen muſs!)/ An meinen Busen schmerzlos niederziehn./ 860 Hebt euch, ihr Frühlingsblumen, seinem Fall,/ Daſs seiner Glieder keines sich verletze./ Blut meines Herzens miſst’ ich ehr, als seines./ Nicht eher ruhn will ich, bis ich aus Lüften,/ Gleich einem schöngefärbten Vogel, ihn/ Zu mir herabgestürzt; doch liegt er jetzt/ Mit eingeknickten Fittigen, ihr Jungfrau’n,/ Zu Füssen mir, kein Purpurstäubchen missend,/ 44 Nun dann, so mögen alle Seeligen/ Daniedersteigen, unsern Sieg zu feiern,/ 870 Zur Heimath geht der Jubelzug, dann bin ich/ Die Königinn des Rosenfestes euch! —/ Jetzt kommt! — (Indem sie abgehen will, erblickt sie die weinende Prothoe, und wendet sich unruhig. Darauf plötzlich, indem sie ihr um den Hals fällt.) Prothoe! Meiner Seelen Schwester!/ Willst du mir folgen? Prothoe. (mit gebrochener Stimme) In den Orkus dir!/ Gieng’ ich auch zu den Seeligen ohne dich?/ Penthesilea. Du Bessere, als Menschen sind! Du willst es?/ Wohlan, wir kämpfen, siegen mit einander,/ Wir beide oder keine, und die Losung/ Ist: Rosen für die Scheitel unsrer Helden,/ Oder Cypressen für die unsrigen./ 880 (Alle ab)Sechster Auftritt.
Die Oberpriesterinn der Diana (mit ihren) Priesterinnen (treten auf. Ihnen folgen) eine Schaarjunger Mädchen (mit Rosen in Körben auf den Köpfen, und) die Gefangenen (geführt von einigen bewaffneten) Amazonen. Die Oberpriesterinn. Nun, ihr geliebten, kleinen Rosenjungfrau’n,/ 45 Laſst jetzt die Frucht mich eurer Wandrung sehn./ Hier, wo die Felsenquelle einsam schäumt,/ Beschattet von der Pinie, sind wir sicher:/ Hier schüttet eure Erndte vor mir aus./ Ein junges Mädchen. (ihren Korb ausschüttend) Sieh’, diese Rosen pflückt’ ich, heil’ge Mutter!/ Ein Anderes. (eben so) Hier diesen Schoosvoll ich! Ein Drittes. Und diesen ich!/ Ein Viertes. Und diesen ganzen üpp’gen Frühling ich!/ Die andern jungen Mädchen. (folgen) Die Oberpriesterinn. Das blüht ja wie der Gipfel von Hymetta!/ Nun solch ein Tag des Seegens, o Diana!/ 890 Gieng deinem Volke herrlich noch nicht auf./ Die Mütter bringen mir, die Töchter, Gaben;/ Nicht, Nicht [nicht emendiert] Nicht [nicht emendiert] von der Pracht, der doppelten, geblendet,/ Weiſs ich, wem schön’rer Dank gebühren mag. —/ Doch ist dieſs euer ganzer Vorrath, Kinder?/ Das erste Mädchen. Mehr nicht, als du hier siehst, war aufzufinden. / Die Oberpriesterinn. So waren eure Mütter fleiſsiger./ 46 Das zweyte Mädchen. Auf diesen Feldern, heil’ge Priest’rinn, erndten/ Gefangne leichter auch, als Rosen, sich./ Wenn dichtgedrängt, auf allen Hügeln rings,/ 900 Die Saat der jungen Griechen steht, die Sichel/ Nur einer muntern Schnitterinn erwartend,/ So blüht so sparsam in den Thälern rings,/ Und so verschanzt, versichr’ ich dich, die Rose,/ Daſs man durch Pfeile sich und Lanzen lieber,/ Als ihr Geflecht der Dornen schlagen möchte./ — Sieh nur die Finger an, ich bitte dich./ Das dritte Mädchen. Auf eines Felsens Vorsprung wagt’ ich mich,/ Um eine einz’ge Rose dir zu pflücken./ Und blaſs nur, durch des Kelches Dunkelgrün,/ 910 Erschimmerte sie noch, ein Knösplein nur,/ Für volle Liebe noch nicht aufgeblüht./ Doch greif’ ich sie, und strauchl’ und sinke plötzlich/ In einen Abgrund hin, der Nacht des Todes/ Glaubt’ ich, Verlorne, in den Schoos zu sinken./ Mein Glück doch war’s, denn eine Rosenpracht/ Stand hier im Flor, daſs wir zehn Siege noch/ Der Amazonen hätten feiern können./ Das vierte Mädchen. Ich pflückte dir, du heil’ge Priesterinn,/ Dir pflückt’ ich eine Rose nur, nur Eine;/ 920 Doch eine Rose ist’s, hier diese, sieh!/ Um eines Königs Scheitel zu bekränzen:/ Nicht schöner wünscht Penthesilea sie,/ Wenn sie Achill, den Göttersohn, sich fällt./ 47 Die Oberpriesterinn. Wohlan, wenn ihn Penthesilea fällt,/ Sollst du die königliche Ros’ ihr reichen./ Verwahre sie nur sorgsam, bis sie kömmt./ Das erste Mädchen. Zukünftig, wenn, beim Cymbelnschlag, von Neuem/ Das Amazonenheer ins Schlachtfeld rückt,/ Ziehn wir zwar mit, doch nicht mehr, das versprichst du,/ 930 Durch Rosenpflücken bloſs und Kränzewinden,/ Den Sieg der Mütter zu verherrlichen./ Sieh, dieser Arm, er schwingt den Wurfspieſs schon,/ Und sausend trifft die Schleuder mir das Ziel:/ Was gilt’s? Mir selbst schon blüht ein Kranz zusammen,/ — Und tapfer im Gedräng’ schon mag er kämpfen,/ Der Jüngling, dem sich diese Sehne strafft./ Die Oberpriesterinn. Meinst du? — Nun freylich wohl, du muſst es wissen,/ — Hast du die Rosen schon drauf angesehn?/ — Den nächsten Lenz, sobald sie wieder reif, / 940 Sollst du den Jüngling, im Gedräng’ dir suchen./ — Doch jetzt, der Mütter frohe Herzen drängen:/ Die Rosen schnell zu Kränzen eingewunden!/ Die Mädchen. (durcheinander) Fort zum Geschäfft! Wie greifen wir es an?/ Das erste Mädchen. (zur Zweiten) Komm her, Glaukothoe! 48 Das Dritte. (zum Vierten) Komm, Charmion!/ (Sie setzen sich paarweise) Das erste Mädchen. Wir — der Ornythia winden wir den Kranz,/ Die sich Alcest mit hohen Büschen fällte./ Das Dritte. Und wir — Parthenion, Schwester: Athenäus,/ Mit der Medus’ im Schilde, soll sie fesseln./ Die Oberpriesterinn. (zu den bewaffneten Amazonen) Nun? Wollt ihr eure Gäste nicht erheitern?/ 950 — Steht ihr nicht unbehülflich da, ihr Jungfrau’n,/ Als müſst’ ich das Geschäfft der Lieb’ euch lehren! —/ Wollt ihr das Wort nicht freundlich ihnen wagen?/ Nicht hören, was die Schlachtermüdeten,/ Was sie begehren? Wünschen? Was sie brauchen?/ Die erste Amazone. Sie sagen, sie bedürfen nichts, Ehrwürd’ge./ Die Zweite. Bös’ sind sie uns. Die Dritte. Wenn man sich ihnen nahet,/ So wenden sich die Trotzigen schmäh’nd hinweg./ Die Oberpriesterinn. Ei, wenn sie bös’ euch sind, bei unsrer Göttinn,/ So macht sie wieder gut! Warum auch habt ihr/ 960 49 So heftig sie im Kampfgewühl getroffen?/ Sagt ihnen, was geschehn wird, sie zu trösten:/ So werden sie nicht unerbittlich seyn./ Die erste Amazone. (zu einem gefangenen Griechen) Willst du auf weichen Teppichen, o Jüngling,/ Die Glieder ruhn? Soll ich von Frühlingsblumen,/ Denn müde scheinst du sehr, ein Lager dir,/ Im Schatten jenes Lorbeerbaums, bereiten?/ Die Zweite. (eben so) Soll ich das duftendste der Perseröle/ In Wasser mischen, frisch dem Quell entschöpft,/ Und dir den Staubbedeckten staubbedeckten [emendiert] staubbedeckten [emendiert] Fuſs erquicken?/ 970 Die Dritte. Doch der Orange Saft verschmähst du nicht/ Mit eigner Hand dir liebend dargebracht?/ Die drei Amazonen. Sprecht! Redet! Womit dient man euch? Ein Grieche. Mit nichts!/ Die erste Amazone. Ihr sonderbaren Fremdlinge! Was härmt euch?/ Was ist’s, da uns der Pfeil im Köcher ruht,/ Daſs ihr vor unserm Anblick euch entsetzt?/ Ist es die Löwenhaut, die euch erschreckt? —/ Du, mit dem Gürtel, sprich! Was fürchtest du?/ Der Grieche. (nachdem er sie scharf angesehn) Wem winden jene Kränze sich? Sagt an!/ 50 Die erste Amazone. Wem? Euch! Wem sonst? Der Grieche. Uns! und das sagt ihr noch,/ 980 Unmenschliche! Wollt ihr, geschmückt mit Blumen,/ Gleich Opferthieren, uns zur Schlachtbank führen?/ Die erste Amazone. Zum Tempel euch der Artemis! Was denkt ihr?/ In ihren dunkeln Eichenhayn, wo eurer/ Entzücken ohne Maas und Ordnung wartet!/ Der Grieche. (erstaunt, mit unterdrückter Stimme, zu den andern Gefangenen) War je ein Traum so bunt, als was hier wahr ist?/
Siebenter Auftritt.
Eine Hauptmänninn (tritt auf). Die Vorigen. Die Hauptmänninn. Auf diesem Platz, Hochwürd’ge, find ich dich!/ — Inzwischen sich, auf eines Steinwurfs Nähe,/ Das Heer zur blutigen Entscheidung rüstet!/ Die Oberpriesterinn. Das Heer! Unmöglich! Wo? Die Hauptmänninn. In jenen Gründen,/ 990 51 Die der Skamandros ausgeleckt. Wenn du/ Dem Wind, der von den Bergen weht, willst horchen,/ Kannst du den Donnerruf der Königinn,/ Gezückter Waffen Klirren, Rosse wiehern,/ Drommeten, Tuben, Cymbeln und Posaunen,/ Des Krieges ganze ehrne Stimme hören./ Eine Priesterinn. Wer rasch erfleucht den Hügel dort? Die Mädchen. Ich! Ich!/ (Sie ersteigen den Hügel) Die Oberpriesterinn. Der Königinn! — Nein, sprich! Es ist unglaublich —/ — Warum, wenn noch die Schlacht nicht ausgewüthet,/ Das Fest der Rosen ordnete sie an?/ 1000 Die Hauptmänninn. Das Rosenfest — Gab sie Befehl denn wem?/ Die Oberpriesterinn. Mir! Mir! Die Hauptmänninn. Wo? Wann? Die Oberpriesterinn. Vor wenigen Minuten/ In jenes Obelisken Schatten stand ich,/ Als der Pelid, und sie, auf seiner Ferse,/ Den Winden gleich, an mir vorüberrauschten./ 52 Und ich: wie geht’s? fragt, ich die Eilende./ Zum Fest der Rosen, rief sie, wie du siehst!/ Und flog’ an mir vorbei und jauchzte noch:/ Laſs es an Blüthen nicht, du Heil’ge, fehlen!/ Die erste Priesterinn. (zu den Mädchen) Seht ihr sie? sprecht! Das erste Mädchen. (auf dem Hügel) Nichts, gar nichts sehen wir!/ 1010 Es läſst kein Federbusch sich unterscheiden./ Ein Schatten überfleucht von Wetterwolken/ Das weite Feld ringsher, das Drängen nur/ Verwirrter Kriegerhaufen nimmt sich wahr,/ Die im Gefild’ des Tod’s einander suchen./ Die zweite Priesterinn. Sie wird des Heeres Rückzug decken wollen./ Die Erste. Das denk’ ich auch. — Die Hauptmänninn. Zum Kampf steht sie gerüstet,/ Ich sag’s euch, dem Peliden gegenüber,/ Die Königinn, frisch, wie das Perserroſs,/ Das in die Luft hoch aufgebäumt sie trägt,/ 1020 Den Wimpern heiſs’re Blick’, als je, entsendend,/ Mit Athemzügen, freien, jauchzenden,/ Als ob ihr junger kriegerischer Busen/ Jetzt in die erste Luft der Schlachten käme./ 53 Die Oberpriesterinn. Was denn, bei den Olympischen, erstrebt sie?/ Was ist’s, da rings, zu Tausenden, uns die/ Gefangenen in allen Wäldern wimmeln,/ Das ihr noch zu erringen übrig bleibt?/ Die Hauptmänninn. Was ihr noch zu erringen übrig bleibt?/ Die Mädchen. (auf dem Hügel) Ihr Götter! Die erste Priesterinn. Nun? Was giebt’s? Entwich der Schatten?/ 1030 Das erste Mädchen. O ihr Hochheiligen, kommt doch her! Die zweite Priesterinn. So sprecht!/ Die Hauptmänninn. Was ihr noch zu erringen übrig bleibt?/ Das erste Mädchen. Seht, seht, wie durch der Wetterwolken Riſs,/ Mit einer Masse Licht, die Sonne eben/ Auf des Peliden Scheitel niederfällt!/ Die Oberpriesterinn. Auf wessen? Das erste Mädchen. Seine, sagt’ ich! Wessen sonst?/ 54 Auf einem Hügel leuchtend steht er da,/ In Stahl geschient sein Roſs und er, der Saphir,/ Der Chrysolith, wirft solche Strahlen nicht!/ Die Erde rings, die bunte, blühende,/ 1040 In Schwärze der Gewitternacht gehüllt;/ Nichts als ein dunkler Grund nur, eine Folie,/ Die Funkelpracht des Einzigen zu heben!/ Die Oberpriesterinn. Was geht dem Volke der Pelide an?/ — Ziemt’s einer Tochter Ares, Königinn,/ Im Kampf auf einen Namen sich zu stellen?/ (zu einer Amazone) Fleuch gleich, Arsinoe, vor ihr Antlitz hin,/ Und sag’ in meiner Göttinn Namen ihr,/ Mars habe seinen Bräuten sich gestellt:/ Ich forderte, bei ihrem Zorn sie auf,/ 1050 Den Gott bekränzt zur Heimath jetzt zu führen,/ Und unverzüglich ihm, in ihrem Tempel,/ Das heil’ge Fest der Rosen zu eröffnen!/ (die Amazone ab) Ward solch ein Wahnsinn jemals noch erhört!/ Die erste Priesterinn. Ihr Kinder! Seht ihr noch die Königinn nicht?/ Das erste Mädchen. (auf dem Hügel) Wohl, wohl! Das ganze Feld erglänzt — da ist sie!/ Die erste Priesterinn. Wo zeigt sie sich? Das Mädchen. An aller Jungfrau’n Spitze!/ 55 Seht, wie sie in dem goldnen Kriegsschmuck funkelnd,/ Voll Kampflust ihm entgegen tanzt! Ist’s nicht,/ Als ob sie, heiſs von Eifersucht gespornt,/ 1060 Die Sonn’ im Fluge übereilen wollte,/ Die seine jungen Scheitel küſst! O seht!/ Wenn sie zum Himmel auf sich schwingen wollte,/ Der hohen Nebenbuhl’rinn gleich zu sein,/ Der Perser könnte, ihren Wünschen fröhnend,/ Geflügelter sich in die Luft nicht heben!/ Die Oberpriesterinn. (zur Hauptmänninn) War keine unter allen Jungfrau’n denn,/ Die sie gewarnt, die sie zurückgehalten?/ Die Hauptmänninn. Es warf ihr ganzes fürstliches Gefolge/ Sich in den Weg ihr: hier auf diesem Platze/ 1070 Hat Prothoe ihr Aeuſserstes gethan./ Jedwede Kunst der Rede ward erschöpft,/ Nach Themiscyra sie zurückzuführen./ Doch taub schien sie der Stimme der Vernunft:/ Vom giftigsten der Pfeile Amors sei,/ Heiſst es, ihr jugendliches Herz getroffen./ Die Oberpriesterinn. Was sagst du? Das erste Mädchen. (auf dem Hügel) Ha, jetzt treffen sie einander!/ Ihr Götter! Haltet eure Erde fest —/ Jetzt, Ietzt, [nicht emendiert unter Hinweis auf Adelung. (Recl;Port, Anm. S. 311)] eben jetzt, da ich dies sage, schmettern/ Sie, wie zwei Sterne, auf einander ein!/ 1080 56 Die Oberpriesterinn. (zur Hauptmänninn) Die Königinn, sagst du? Unmöglich, Freundinn!/ Von Amors Pfeil getroffen — wann? Und wo?/ Die Führerinn des Diamantengürtels? / Die Tochter Mars, der selbst der Busen fehlt,/ Das Ziel der giftgefiederten Geschosse?/ Die Hauptmänninn. So sagt des Volkes Stimme mindestens,/ Und Meroe hat es eben mir vertraut./ Die Oberpriesterinn. Es ist entsetzlich! Die Amazone. (kehrt wieder zurück) Die erste Priesterinn. Nun? was bringst du? Rede!/ Die Oberpriesterinn. Ist es bestellt? Sprachst du die Königinn?/ Die Amazone. Es war zu spät, Hochheilige, vergieb./ 1090 Ich konnte sie, die von dem Troſs der Frauen/ Umschwärmt, bald hier, bald dort erschien, nicht treffen./ Wohl aber Prothoe, auf einen Augenblick,/ Traf ich, und sagt’ ihr, was dein Wille sei;/ Doch sie entgegnete — ein Wort, nicht weiſs ich,/ Ob ich in der Verwirrung recht gehört./ Die Oberpriesterinn. Nun, welch ein Wort? 57 Die Amazone. Sie hielt, auf ihrem Pferde/ Und sah, es schien, mit thränenvollen Augen,/ Der Königinn zu. Und als ich ihr gesagt,/ Wie du entrüstet, daſs die Sinnberaubte/ 1100 Den Kampf noch um ein einzeln Haupt verlängre,/ Sprach sie: geh hin zu deiner Priesterinn,/ Und heiſse sie daniederknieen und beten,/ Daſs ihr dies eine Haupt im Kampf noch falle;/ Sonst keine Rettung giebt’s, für sie und uns./ Die Oberpriesterinn. O sie geht steil-bergab den Pfad zum Orkus!/ Und nicht dem Gegner, wenn sie auf ihn trifft,/ Dem Feind’ in ihrem Busen wird sie sinken./ Uns alle reiſst sie in den Abgrund hin;/ Den Kiel seh’ ich, der uns Gefesselte/ 1110 Nach Hellas trägt, geschmückt mit Bändern höhnend/ Im Geiste schon den Hellespont durchschäumen./ Die erste Priesterinn. Was gilt’s? Dort naht die Unheilskunde schon./Achter Auftritt.
Eine Oberste (tritt auf) die Vorigen. Die Oberste. Flieh! Rette die Gefangnen, Priesterinn!/ Das ganze Heer der Griechen stürzt heran./ 58 Die Oberpriesterinn. Ihr Götter des Olymps! Was ist geschehn?/ Die erste Priesterinn. Wo ist die Königinn? Die Oberste. Im Kampf gefallen,/ Das ganze Amazonenheer zerstreut./ Die Oberpriesterinn. Du Rasende! Was für ein Wort sprachst du?/ Die erste Priesterinn. (zu den bewaffneten Amazonen) Bringt die Gefangenen fort! (Die Gefangenen werden abgeführt.) Die Oberpriesterinn. Sag an: wo? wann?/ 1120 Die Oberste. Laſs kurz das Ungeheuerste dir melden!/ Achill und sie, mit vorgelegten Lanzen,/ Begegnen beide sich, zween Donnerkeile,/ Die aus Gewölken in einander fahren;/ Die Lanzen, schwächer als die Brüste, splittern:/ Er, der Pelide, steht, Penthesilea,/ Sie sinkt, die Todumschattete, vom Pferd./ Und da sie jetzt, der Rache preiſsgegeben,/ Im Staub sich vor ihm wälzt, denkt jeglicher,/ Zum Orkus völlig stürzen wird er sie;/ 1130 Doch bleich selbst steht der Unbegreifliche,/ 59 Ein Todesschatten da, ihr Götter! ruft er,/ Was für ein Blick der Sterbenden traf mich!/ Vom Pferde schwingt er eilig sich herab;/ Und während, von Entsetzen noch gefesselt,/ Die Jungfraun stehn, des Wortes eingedenk/ Der Königinn, kein Schwerdt zu rühren wagen,/ Dreist der Erblaſsten naht er sich, er beugt/ Sich über sie, Penthesilea! ruft er,/ In seinen Armen hebt er sie empor,/ 1140 Und laut die That, die er vollbracht, verfluchend,/ Lockt er ins Leben jammernd sie zurück!/ Die Oberpriesterinn. Er — was? Er selbst? Die Oberste. Hinweg, Verhaſster! donnert/ Das ganze Heer ihm zu; dankt mit dem Tod’ ihm,/ Ruft Prothoe, wenn er vom Platz nicht weicht:/ Den Treffendsten der Pfeile über ihn!/ Und mit des Pferdes Huftritt ihn verdrängend,/ Reiſst sie die Königinn ihm aus dem Arm./ Indeſs erwacht die Unglückseelige,/ Man führt sie röchelnd, mit zerriſsner Brust/ 1150 Das Haar verstöhrt vom Scheitel niederflatternd,/ Den hintern Reih’n zu, wo sie sich erholt;/ Doch er, der unbegriff’ne Doloper —/ Ein Gott hat, in der erzgekeilten Brust, / Das Herz in Liebe plötzlich ihm geschmelzt —/ Er ruft: verweilet, meine Freundinnen!/ Achilles grüſst mit ew’gem Frieden euch!/ Und wirft das Schwerdt hinweg, das Schild hinweg,/ Die Rüstung reiſst er von der Brust sich nieder,/ 60 Und folgt — mit Keulen könnte man, mit Händen ihn,/ 1160 Wenn man ihn treffen dürfte, niederreiſsen —/ Der Kön’ginn unerschrocknen Schrittes nach:/ Als wüſst’ er schon, der Rasende, Verwegne,/ Daſs unserm Pfeil sein Leben heilig ist./ Die Oberpriesterinn. Und wer gab den wahnsinnigen Befehl?/ Die Oberste. Die Königinn! Wer sonst? Die Oberpriesterinn. Es ist entsetzlich!/ Die erste Priesterinn. Seht, seht! Da wankt, geführt von Prothoe,/ Sie selbst, das Bild des Jammers, schon heran!/ Die Zweite. Ihr ew’gen Himmelsgötter! Welch ein Anblick!/Neunter Auftritt.
Penthesilea (geführt von) Prothoe und Meroe. Gefolge (treten auf.) Penthesilea. (mit schwacher Stimme) Hetzt alle Hund’ auf ihn! Mit Feuerbränden/ 1170 Die Elephanten peitschet auf ihn los!/ 61 Mit Sichelwagen schmettert auf ihn ein,/ Und mähet seine üpp’gen Glieder nieder!/ Prothoe. Geliebte! Wir beschwören dich — Meroe. Hör’ uns!/ Prothoe. Er folgt dir auf dem Fuſse, der Pelide;/ Wenn dir dein Leben irgend lieb, so flieh!/ Penthesilea. Mir diesen Busen zu zerschmettern, Prothoe!/ — Ist’s nicht, als ob ich eine Leier zürnend/ Zertreten wollte, weil sie still für sich,/ Im Zug des Nachtwinds, meinen Namen flüstert?/ 1180 Dem Bären kauert’ ich zu Füssen mich,/ Und streichelte das Pantherthier, das mir/ In solcher Regung nahte, wie ich ihm./ Meroe. So willst du nicht entweichen? Prothoe. Willst nicht fliehen?/ Meroe. Willst dich nicht retten? Prothoe. Was kein Name nennt,/ Auf diesem Platz hier soll es sich vollbringen?/ 62 Penthesilea. Ist’s meine Schuld, daſs ich im Feld der Schlacht/ Um sein Gefühl mich kämpfend muſs bewerben?/ Was will ich denn, wenn ich das Schwerdt ihm zücke?/ Will ich ihn denn zum Orkus niederschleudern?/ 1190 Ich will ihn ja, ihr ew’gen Götter, nur/ An diese Brust will ich ihn niederziehn!/ Prothoe. Sie ras’t — Die Oberpriesterinn. Unglückliche! Prothoe. Sie ist von Sinnen!/ Die Oberpriesterinn. Sie denkt nichts, als den Einen nur. Prothoe. Der Sturz/ Hat völlig ums Bewuſstsein sie gebracht./ Penthesilea. (mit erzwungener Fassung) Gut. Wie ihr wollt. Sei’s drum. Ich will mich fassen./ Dies Herz, weil es sein muſs, bezwingen will ich’s,/ Und thun mit Grazie, was die Noth erheischt./ Recht habt ihr auch. Warum auch wie ein Kind gleich,/ Weil sich ein flücht’ger Wunsch mir nicht gewährt,/ 1200 Mit meinen Göttern brechen? Kommt hinweg./ Das Glück, gesteh’ ich, wär mir lieb gewesen;/ 63 Doch fällt es mir aus Wolken nicht herab,/ Den Himmel drum erstürmen will ich nicht./ Helft mir nur fort von hier, schafft mir ein Pferd,/ So will ich euch zurück zur Heimath führen./ Prothoe. Geseegnet sei, o Herrscherinn, dreimal/ Ein Wort, so würdig königlich, als dies./ Komm, alles steht zur Flucht bereit — Penthesilea. (da sie die Rosenkränze in der Kinder Händen erblickt, mit plötzlich aufflammendem Gesicht) Ha, sieh!/ Wer gab Befehl, die Rosen einzupflücken?/ 1210 Das erste Mädchen. Das fragst du noch, Vergeſsene? Wer sonst,/ Als nur — Penthesilea. Als wer? Die Oberpriesterinn. — Das Siegsfest sollte sich,/ Das heiſsersehnte, deiner Jungfraun feiern!/ War’s nicht dein eigner Mund, der’s so befahl?/ Penthesilea. Verflucht mir diese schnöde Ungeduld!/ Verflucht, im blutumschäumten Mordgetümmel,/ Mir der Gedanke an die Orgien!/ Verflucht, im Busen keuscher Arestöchter,/ Begierden, die, wie losgelaſsne Hunde,/ 64 Mir der Drommete erzne Lunge bellend,/ 1220 Und aller Feldherrn Rufen, überschrei’n! —/ Der Sieg, ist er erkämpft mir schon, daſs mit/ Der Hölle Hohn schon der Triumph mir naht?/ — Mir aus den Augen! (sie zerhaut die Rosenkränze) Das erste Mädchen. Herrscherinn! Was thust du?/ Das Zweite. (die Rosen wieder aufsuchend) aufsuchend [emendiert ohne Verweis in Kommentar] Der Frühling bringt dir rings, auf Meilenferne,/ Nichts für das Fest mehr — Penthesilea. Daſs der ganze Frühling/ Verdorrte! Daſs der Stern, auf dem wir athmen,/ Geknickt, gleich dieser Rosen einer, läge!/ Daſs ich den ganzen Kranz der Welten so,/ Wie dies Geflecht der Blumen, lösen könnte!/ 1230 — O Aphrodite! Die Oberpriesterinn. Die Unseelige!/ Die erste Priesterinn. Verloren ist sie! Die Zweite. Den Erynnien/ Zum Raub ist ihre Seele hingegeben!/ Eine Priesterinn. (auf dem Hügel) Der Peleïd’, ihr Jungfrau’n, ich beschwör’ euch,/ Im Schuſs der Pfeile naht er schon heran!/ 65 Prothoe. So fleh’ ich dich auf Knieen — rette dich! / Penthesilea. Ach, meine Seel’ ist matt bis in den Tod! / (sie setzt sich) Prothoe. Entsetzliche! Was thust du? Penthesilea. Flieht, wenn ihr wollt./ Prothoe. Du willst? — Meroe. Du säumst — ? Prothoe. Du willst — ? Penthesilea. Ich will hier bleiben./ Prothoe. Wie, Rasende! Penthesilea. Ihr hört’s. Ich kann nicht stehen./ 1240 Soll das Gebein mir brechen? Laſst mich sein./ Prothoe. Verlorenste der Frau’n! Und der Pelide,/ Er naht, du hörst, im Pfeilschuſs — 66 Penthesilea. Laſst ihn kommen./ Laſst ihn den Fuſs gestählt, es ist mir recht,/ Auf diesen Nacken setzen. Wozu auch sollen/ Zwei Wangen länger, blüh’nd wie diese, sich/ Vom Koth, aus dem sie stammen, unterscheiden?/ Laſst ihn mit Pferden häuptlings heim mich schleifen,/ Und diesen Leib hier, frischen Lebens voll,/ Auf offnem Felde schmachvoll hingeworfen,/ 1250 Den Hunden mag er ihn zur Morgenspeise,/ Dem scheuſslichen Geschlecht der Vögel, bieten./ Staub lieber, als ein Weib sein, das nicht reizt./ Prothoe. O Königinn! Penthesilea. (indem sie sich den Halsschmuck abreiſst) Weg ihr verdammten Flittern!/ Prothoe. Ihr ew’gen Götter dort! Ist das die Fassung,/ Die mir dein Mund so eben angelobt?/ Penthesilea. Vom Haupt, ihr auch — was nickt ihr? Seid verflucht mir,/ Hülflosere, als Pfeil und Wangen, noch!/ — Die Hand verwünsch’ ich, die zur Schlacht mich heut/ Geschmückt, und das verrätherische Wort,/ 1260 Das mir gesagt, es sei zum Sieg, dazu./ Wie sie mit Spiegeln mich, die Gleiſsnerinnen,/ Umstanden, rechts und links, der schlanken Glieder/ 67 In Erz gepreſste Götterbildung preisend. —/ Die Pest in eure wilden Höllenkünste!/ Griechen. (ausserhalb der Scene) Vorwärts, Pelide, vorwärts! Sei getrost!/ Nur wenig Schritte noch, so hast du sie./ Die Priesterinn. (auf dem Hügel) Diana! Königinn! Du bist verloren,/ Wenn du nicht weichst! Prothoe. Mein Schwesterherz! Mein Leben!/ Du willst nicht fliehn? nicht gehn? Penthesilea. (die Thränen stürzen ihr aus den Augen, sie lehnt sich an einen Baum) Prothoe. (plötzlich gerührt, indem sie sich neben ihr niedersetzt) Nun, wie du willst./ 1270 Wenn du nicht kannst, nicht willst — sei’s! Weine nicht./ Ich bleibe bei dir. Was nicht möglich ist,/ Nicht ist, in deiner Kräfte Kreis nicht liegt,/ Was du nicht leisten kannst: die Götter hüten,/ Daſs ich es von dir fordre! Geht, ihr Jungfrau’n,/ Geht; kehrt in eure Heimathsflur zurück:/ Die Königinn und ich, wir bleiben hier./ Die Oberpriesterinn. Wie, du Unseel’ge? Du bestärkst sie noch?/ 68 Meroe. Unmöglich wär’s ihr, zu entfliehn? Die Oberpriesterinn. Unmöglich,/ Da nichts von auſsen sie, kein Schicksal, hält,/ 1280 Nichts als ihr thörigt Herz — Prothoe. Das ist ihr Schicksal!/ Dir scheinen Eisenbanden unzerreiſsbar,/ Nicht wahr? Nun sieh: sie bräche sie vielleicht,/ Und das Gefühl doch nicht, das du verspottest./ Was in ihr walten mag, das weiſs nur sie,/ Und jeder Busen ist, der fühlt, ein Räthsel./ Des Lebens höchstes Gut erstrebte sie,/ Sie streift’, ergriff es schon: die Hand versagt ihr,/ Nach einem andern noch sich auszustrecken. —/ Komm, magst du’s jetzt an meiner Brust vollenden./ 1290 — Was fehlt dir? Warum weinst du? Penthesilea. Schmerzen, Schmerzen —/ Prothoe. Wo? Penthesilea. Hier. Prothoe. Kann ich dir Lindrung — ? Penthesilea. Nichts, nichts, nichts./ 69 Prothoe. Nun, faſse dich; in Kurzem ist’s vollbracht./ Die Oberpriesterinn. (halblaut) Ihr Rasenden zusammt — ! Prothoe. (eben so) Schweig bitt’ ich dich./ Penthesilea. Wenn ich zur Flucht mich noch — wenn ich es thäte:/ Wie, sag’, wie faſst ich mich? Prothoe. Du giengst nach Pharsos./ Dort fändest du, denn dorthin wieſs ich es,/ Dein ganzes Heer, das jetzt zerstreut, zusammen./ Du ruhtest dich, du pflegtest deiner Wunden,/ Und mit des nächsten Tages Strahl, gefiehl’s dir,/ 1300 Nähmst du den Krieg der Jungfrau’n wieder auf./ Penthesilea. Wenn es mir möglich wär — ! Wenn ichs vermöchte — !/ Das Aeuſserste, das Menschenkräfte leisten,/ Hab’ ich gethan — Unmögliches versucht —/ Mein Alles hab’ ich an den Wurf gesetzt;/ Der Würfel, der entscheidet, liegt, er liegt:/ Begreifen muſs ich’s — — und daſs ich verlor./ Prothoe. Nicht, nicht, mein süſses Herz! Das glaube nicht./ 70 So niedrig schlägst du deine Kraft nicht an./ So schlecht von jenem Preis nicht wirst du denken,/ 1310 Um den du spielst, als daſs du wähnen solltest,/ Das, was er werth, sei schon für ihn geschehn./ Ist diese Schnur von Perlen, weiſs und roth,/ Die dir vom Nacken rollt, der ganze Reichthum,/ Den deine Seele aufzubieten hat?/ Wie viel, woran du gar nicht denkst, in Pharsos,/ Endlos für deinen Zweck noch ist zu thun!/ Doch freilich wohl — jetzt ist es fast zu spät./ Penthesilea. (nach einer unruhigen Bewegung) Wenn ich rasch wäre — — Ach es macht mich rasend!/ — Wo steht die Sonne? Prothoe. Dort, dir grad’ im Scheitel,/ 1320 Noch eh’ die Nacht sinkt, träfest du dort ein./ Wir schlössen Bündniſs, unbewuſst den Griechen,/ Mit den Dardanischen, erreichten still/ Die Bucht des Meer’s, wo jener Schiffe liegen;/ Zur Nachtzeit, auf ein Merkmal, lodern sie/ In Flammen auf, das Lager wird erstürmt,/ Das Heer, gedrängt zugleich von vorn und hinten,/ Zerrissen, aufgelöſst, ins Land zerstreut,/ Verfolgt, gesucht, gegriffen und bekränzet/ Jedwedes Haupt, das unsrer Lust gefiel./ 1330 O seelig wär’ ich, wenn ich dieſs erlebte!/ Nicht ruh’n wollt’ ich, an deiner Seite kämpfen,/ Der Tage Glut nicht scheuen, unermüdlich,/ Müſst’ ich an allen Gliedern mich verzehren,/ Bis meiner lieben Schwester Wunsch erfüllt,/ 71 Und der Pelid’ ihr doch, nach so vielen Mühen,/ Besiegt zuletzt zu Füssen niedersank./ Penthesilea. (die während dessen unverwandt in die Sonne gesehen) Daſs ich mit Flügeln weit gespreizt und rauschend,/ Die Luft zertheilte — ! Prothoe. Wie! Meroe. — Was sagte sie?/ Prothoe. Was siehst du, Fürstinn — ? Meroe. Worauf heftet sich — ?/ 1340 Prothoe. Geliebte, sprich! Penthesilea. Zu hoch, ich weiſs, zu hoch —/ Er spielt in ewig fernen Flammenkreisen/ Mir um den sehnsuchtsvollen Busen hin./ Prothoe. Wer, meine beste Königinn? Penthesilea. Gut, gut./ — Wo geht der Weg? (sie sammelt sich und steht auf) 72 Meroe. So willst du dich entschlieſsen?/ Prothoe. So hebst du dich empor? — Nun, meine Fürstinn,/ So sei’s auch wie ein Riese! Sinke nicht,/ Und wenn der ganze Orkus auf dich drückte!/ Steh, stehe fest, wie das Gewölbe steht,/ Weil seiner Blöcke jeder stürzen will!/ 1350 Beut deine Scheitel, einem Schluſsstein gleich,/ Der Götter Blitzen dar, und rufe, trefft!/ Und laſs dich bis zum Fuſs herab zerspalten,/ Nicht aber wanke in dir selber mehr,/ So lang ein Athem Mörtel und Gestein,/ In dieser jungen Brust, zusammenhält./ Komm. Gieb mir deine Hand. Penthesilea. Geht’s hier, geht’s dort?/ Prothoe. Du kannst den Felsen dort, der sichrer ist,/ Du kannst auch das bequemre Thal hier wählen. —/ Wozu entschlieſsen wirst du dich? Penthesilea. Den Felsen!/ 1360 Da komm’ ich ihm um soviel näher. Folgt mir./ Prothoe. Wem, meine Königinn? Penthesilea. Euren Arm, ihr Lieben./ 73 Prothoe. Sobald du jenen Hügel dort erstiegen,/ Bist du in Sicherheit. Meroe. Komm fort. Penthesilea. (indem sie plötzlich auf eine Brücke gekommen, stehen bleibt) Doch höre:/ Eins eh’ ich weiche, bleibt mir übrig noch./ Prothoe. Dir übrig noch? Meroe. Und was? Prothoe. Unglückliche!/ Penthesilea. Eins noch, ihr Freundinnen, und rasend wär’ ich,/ Das müſst ihr selbst gestehn, wenn ich im ganzen/ Gebiet der Möglichkeit mich nicht versuchte./ Prothoe. (unwillig) Nun denn, so wollt’ ich, daſs wir gleich versänken!/ 1370 Denn Rettung giebt’s nicht mehr. Penthesilea. (erschrocken) Was ist? Was fehlt dir?/ Was hab’ ich ihr gethan, ihr Jungfrau’n, sprecht!/ Die Oberpriesterinn. Du denkst — ? 74 Meroe. Du willst auf diesem Platze noch — ?/ Penthesilea. Nichts, nichts, gar nichts, was sie erzürnen sollte. —/ Den Ida will ich auf den Ossa wälzen,/ Und auf die Spitze ruhig blos mich stellen./ Die Oberpriesterinn. Den Ida wälzen — ? Meroe. Wälzen auf den Ossa — ?/ Prothoe. (mit einer Wendung) Schützt, all’ ihr Götter, sie! Die Oberpriesterinn. Verlorene!/ Meroe. (schüchtern) Dies Werk ist der Giganten, meine Königinn!/ Penthesilea. Nun ja, nun ja: worinn denn weich’ ich ihnen?/ 1380 Meroe. Worin du ihnen — ? Prothoe. Himmel! Die Oberpriesterinn. Doch gesetzt — ?/ 75 Meroe. Gesetzt nun du vollbrächtest dieses Werk — ?/ Prothoe. Gesetzt was würdest du — ? Penthesilea. Blödsinnige!/ Bei seinen goldnen Flammenhaaren zög’ ich/ Zu mir hernieder ihn — Prothoe. Wen? Penthesilea. Helios,/ Wenn er am Scheitel mir vorüberfleucht!/ Die Fürstinnen. (sehn sprachlos und mit Entsetzen einander an) Die Oberpriesterinn. Reiſst mit Gewalt sie fort! Penthesilea. ( schaut in den Fluſs nieder) Ich, Rasende!/ Da liegt er mir zu Füssen ja! Nimm mich —/ (sie will in den Fluſs sinken, Prothoe und Meroe halten sie) Prothoe. Die Unglückselige! Meroe. Da fällt sie leblos,/ Wie ein Gewand, in unsrer Hand zusammen./ 1390 76 Die Priesterinn. (auf dem Hügel) Achill erscheint, ihr Fürstinnen! Es kann/ Die ganze Schaar der Jungfrau’n ihn nicht halten!/ Die Amazone. Ihr Götter! Rettet! Schützet vor dem Frechen/ Die Königinn der Jungfrau’n! Die Oberpriesterinn. (zu den Priesterinnen) Fort! Hinweg!/ Nicht im Gewühl des Kampfs ist unser Platz./ Die Oberpriesterinn mit den Priesterinnen und den Rosenmädchen (ab.)Zehenter Auftritt.
Eine Schaar von Amazonen (tritt mit Bogen in den Händen auf) Die Vorigen. Die erste Amazone. (in die Scene rufend) Zurück, Verwegner! Die Zweite. Er hört uns nicht./ Die Dritte. Ihr Fürstinnen, wenn wir nicht treffen dürfen,/ So hemmt sich sein wahnsinniger Fortschritt nicht!/ Die Zweite. Was ist zu thun? Sprich, Prothoe! 77 Prothoe. (mit der Königinn beschäftigt) So sendet/ Zehntausend Pfeile über ihn! — Meroe. (zu dem Gefolge) Schafft Wasser!/ 1400 Prothoe. Doch sorget, daſs ihr ihn nicht tödtlich trefft! —/ Meroe. Schafft einen Helm voll Wasser, sag’ ich! Eine Fürstinn. (aus dem Gefolge der Königinn) Hier!/ (sie schöpft und bringt) Die dritte Amazone. (zur Prothoe) Sei ruhig! Fürchte nichts! Die Erste. Hier ordnet euch!/ Die Wangen streift ihm, sengt die Locken ihm,/ Den Kuſs des Todes flüchtig laſst ihn schmecken!/ (sie bereiten ihre Bögen)Eilfter Auftritt.
Achilles (ohne Helm, Rüstung und Waffen, im Gefolge) einiger Griechen. Die Vorigen. Achilles. Nun? Wem auch gelten diese Pfeil’, ihr Jungfrau’n?/ Doch diesem unbeschützten Busen nicht?/ Soll ich den seid’nen Latz noch niederreiſsen,/ Daſs ihr das Herz mir harmlos schlagen seht?/ Die erste Amazone. Herunter, wenn du willst, damit! Die Zweite. Es braucht’s nicht!/ 1410 Die Dritte. Den Pfeil genau, wo er die Hand jetzt hält!/ Die Erste. Daſs er das Herz gespieſst ihm, wie ein Blatt,/ Fort mit sich reiſs’ im Flug — Mehrere. Schlagt! Trefft! (sie schieſsen über sein Haupt hin) Achilles. Laſst, laſst!/ Mit euren Augen trefft ihr sicherer./ Bei den Olympischen, ich scherze nicht,/ Ich fühle mich im Innersten getroffen,/ Und ein Entwaffneter, in jedem Sinne,/ Leg ich zu euren kleinen Füssen mich./ 79 Die fünfte Amazone. (von einem Spieſs hinter der Scene hervor getroffen) Ihr guten Götter! (sie sinkt) Die Sechste. (eben so) Weh’ mir! (sie sinkt) Die Siebente. (eben so) Artemis! (sie sinkt)/ Die Erste. Der Rasende! Meroe. (mit der Königinn beschäfftigt) Die Unglückselige! zugleich. Die zweite Amazone. Entwaffnet nennt er sich. sich. [emendiert ohne Hinweis in Kommentar] / 1420 Prothoe. (eben so) Entseelt ist sie. sie. [emendiert ohne Hinweis in Kommentar] / zugleich. Die dritte Amazone. Indessen uns die Seinen niederwerfen! Meroe. Indessen rings umher die Jungfrau’n sinken!/ Was ist zu thun? zugleich. Die erste Amazone. Den Sichelwagen her!/ Die Zweite. Die Doggen über ihn! 80 Die Dritte. Mit Steinen ihn/ Hochher, vom von [nicht emendiert unter Hinweis auf Sprachhistorie (Recl;Port, Anm. S. 311)]. Elephantenthurm begraben!/ Eine Amazonenfürstinn. (die Königinn plötzlich verlassend) Wohlan, so will ich das Geschoſs versuchen./ (sie wirft den Bogen von der Schulter und spannt ihn) Achilles. (bald zu dieser bald zu jener Amazone sich wendend) Ich kann’s nicht glauben: süſs, wie Silberklang,/ Straft eure Stimme eure Reden Lügen./ Du mit den blauen Augen bist es nicht,/ 1430 Die mir die Doggen reiſsend schickt, noch du,/ Die mit der seidenweichen Locke prangt./ Seht, wenn, auf euer übereiltes Wort,/ Jetzt heulend die Entkoppelten mir nahten,/ So würft ihr noch, mit euern eignen Leibern,/ Euch zwischen sie und mich, dies Männerherz,/ Dieſs euch in Lieb’ erglühende, zu schirmen./ Die erste Amazone. Der Uebermüth’ge! Die Zweite. Hört, wie er sich brüstet!/ Die Erste. Er meint mit Schmeichelworten uns — Die Dritte. (die Erste geheimniſsvoll rufend) Oterpe!/ 81 Die Erste. (sich umwendend) Ha, sieh! Die Meisterinn des Bogens jetzt! —/ 1440 Still öffnet euren Kreis, ihr Frau’n! Die Fünfte. Was giebt’s?/ Die Vierte. Frag’ nicht! Du wirst es sehn. Die Achte. Hier! Nimm den Pfeil!/ Die Amazonenfürstinn. (indem sie den Pfeil auf den Bogen legt) Die Schenkel will ich ihm zusammen heften./ Achilles. (zu einem Griechen, der neben ihm, schon den Bogen angelegt hat) Triff sie! Die Amazonenfürstinn. Ihr Himmlischen! (sie sinkt) Die erste Amazone. Der Schreckliche!/ Die Zweite. Getroffen sinkt sie selbst! Die Dritte. Ihr ewigen Götter!/ Und dort naht uns ein neuer Griechenhaufen!/Zwölfter Auftritt.
Diomedes (mit den) Ätoliern (treten von der andern Seite auf. Bald darauf auch) Ulysses (von der Seite Achills mit dem Heer) Diomedes. Hier meine wackeren Ätolier,/ Heran! (er führt sie über die Brücke) Prothoe. O, Artemis! Du Heilige! Rette!/ Jetzt ist’s um uns geschehn! (sie trägt die Königinn, mit Hülfe einiger Amazonen wieder auf den Vorgrund der Scene) Die Amazonen. (in Verwirrung) Wir sind gefangen!/ Wir sind umzingelt! Wir sind abgeschnitten!/ 1450 Fort! Rette sich, wer retten kann! Diomedes. (zu Prothoe) Ergebt euch!/ Meroe. (zu den flüchtigen Amazonen) Ihr Rasenden! Was thut ihr? Wollt ihr stehn? —/ Prothoe! Sieh her! Prothoe. (immer bei der Königinn) Hinweg! Verfolge sie,/ Und wenn du kannst, so mach’ uns wieder frei./ (Die Amazonen zerstreuen sich. Meroe folgt ihnen) Achilles. Auf jetzt, wo ragt sie mit dem Haupte? 83 Ein Grieche. Dort!/ Achilles. Dem Diomed will ich zehn Kronen schenken./ Diomedes. Ergebt euch, sag’ ich noch einmal! Prothoe. Dem Sieger/ Ergeb’ ich sie, nicht dir! Was willst du auch?/ Der Peleïd’ ist’s, dem sie angehört!/ Diomedes. So werft sie nieder! Ein Ätolier. Auf! Achilles. (den Ätolier zurückstoſsend) Der weicht ein Schatten/ 1460 Vom Platz, der mir die Königinn berührt! —/ Mein ist sie! Fort! Was habt ihr hier zu suchen —/ Diomedes. So! Dein! Ei sieh, bei Zevs, des Donnrers, Locken,/ Aus welchen Gründen auch? Mit welchem Rechte?/ Achilles. Aus einem Grund, der rechts, und einer links. —/ Gieb. 84 Prothoe. Hier. Von deiner Groſsmuth fürcht’ fürcht ich nichts./ Achilles. (indem er die Königinn in seine Arme nimmt) Nichts, nichts. — (zu Diomedes) Du gehst und folgst und schlägst die Frauen;/ Ich bleib’ auf einen Augenblick zurück./ — Fort! Mir zu Lieb’. Erwiedre nichts. Dem Hades/ Stünd’ ich im Kampf um sie, vielmehr denn dir!/ 1470 (er legt sie an die Wurzel einer Eiche nieder) Diomedes. Es sei! Folgt mir! Ulysses. (mit dem Heer über die Bühne ziehend) Glück auf, Achill! Glück auf!/ Soll ich dir die Quadriga rasselnd schicken?/ Achill. (über die Königinn geneigt) Es braucht’s nicht. Laſs noch sein. Ulysses. Gut. Wie du willst. —/ Folgt mir! Eh’ sich die Weiber wieder sammlen./ Ulysses und Diomedes mit dem Heer. (von der Seite der Amazonen ab)Dreizehnter Auftritt.
Penthesilea, Prothoe, Achilles, Gefolge vonGriechen und Amazonen. Achilles. (indem er der Königinn die Rüstung öffnet) Sie lebt nicht mehr. Prothoe. O mögt’ ihr Auge sich/ Für immer diesem öden Licht verschlieſsen!/ Ich fürchte nur zu sehr, daſs sie erwacht./ Achilles. Wo traf ich sie? Prothoe. Sie raffte von dem Stoſs sich,/ Der ihr die Brust zerriſs, gewaltsam auf;/ Hier führten wir die Wankende heran,/ 1480 Und diesen Fels just wollten wir erklimmen./ Doch sei’s der Glieder, der verwundeten,/ Sei’s der verletzten Seele Schmerz: sie konnte,/ Daſs sie im Kampf gesunken dir, nicht tragen;/ Der Fuſs versagte brechend ihr den Dienst,/ Und Irrgeschwätz von bleichen Lippen sendend,/ Fiel sie zum zweitenmal mir in den Arm./ Achilles. Sie zuckte — sahst du es? Prothoe. Ihr Himmlischen!/ 86 So hat sie noch den Kelch nicht ausgeleert?/ Seht, o die Jammervolle, seht — Achilles. Sie athmet./ 1490 Prothoe. Pelide! Wenn du das Erbarmen kennst,/ Wenn ein Gefühl den Busen dir bewegt,/ Wenn du sie tödten nicht, in Wahnsinn völlig/ Die Leichtgereizte nicht verstricken willst,/ So gönne eine Bitte mir. Achilles. Sprich rasch!/ Prothoe. Entferne dich! Tritt, du Vortrefflicher,/ Tritt aus den dem [emendiert] dem [emendiert] Antlitz ihr, wenn sie erwacht./ Entrück’ ihr gleich die Schaar, die dich umsteht,/ Und laſs, bevor die Sonne sich erneut,/ Fern auf der Berge Duft ihr niemand nahn,/ 1500 Der sie begrüſste, mit dem Todeswort:/ Du bist die Kriegsgefangene Achills./ Achilles. So haſst sie mich? Prothoe. O frage nicht, Groſsherz’ger! —/ Wenn sie jetzt freudig an der Hoffnung Hand/ Ins Leben wiederkehrt, so sei der Sieger/ Das Erste nicht, das freudlos ihr begegnet./ Wie manches regt sich in der Brust der Frauen,/ 87 Das für das Licht des Tages nicht gemacht./ Muſs sie zuletzt, wie ihr Verhängniſs will,/ Als die Gefangne schmerzlich dich begrüſsen,/ 1510 So fordr’ es früher nicht, beschwör ich dich!/ Als bis ihr Geist dazu gerüstet steht./ Achilles. Mein Will’ ist, ihr zu thun, muſs ich dir sagen,/ Wie ich dem stolzen Sohn des Priam that./ Prothoe. Wie, du Entsetzlicher! Achilles. — Fürchtet sie dies?/ Prothoe. Du willst das Namenlos’ an ihr vollstrecken?/ Hier diesen jungen Leib, du Mensch voll Greuel,/ Geschmückt mit Reizen, wie ein Kind mit Blumen,/ Du willst ihn schändlich, einer Leiche gleich — ?/ Achilles. Sag’ ihr, daſs ich sie liebe. Prothoe. Wie? — Was war das?/ 1520 Achilles. Beim Himmel, wie! Wie Männer Weiber lieben;/ Keusch und das Herz voll Sehnsucht doch, in Unschuld,/ Und mit der Lust doch, sie darum zu bringen./ Ich will zu meiner Königinn sie machen./ 88 Prothoe. Ihr ew’gen Götter, sag’ das noch einmal./ — Du willst? Achilles. Kann ich nun bleiben? Prothoe. O so laſs/ Mich deine Füsse küssen, Göttlicher!/ O jetzt, wärst du nicht hier, jetzt sucht’ ich dich,/ Und müſst’s an Herkuls Säulen sein, Pelide! —/ Doch sieh’: sie schlägt die Augen auf — Achilles. Sie regt sich —/ 1530 Prothoe. Jetzt gilt’s! Ihr Männer, fort von hier; und du/ Rasch hinter diese Eiche berge dich!/ Achilles. Fort, meine Freunde! Tretet ab. Das Gefolge des Achills. (ab) Prothoe. (zu Achill, der sich hinter die Eiche stellt) Noch tiefer!/ Und eher nicht, beschwör’ ich dich, erscheine,/ Als bis mein Wort dich ruft. Versprichst du mir? —/ Es läſst sich ihre Seele nicht berechnen./ Achilles. Es soll geschehn. 89 Prothoe. Nun denn, so merk’ jetzt auf!/
Vierzehnter Auftritt.
Penthesilea, Prothoe, Achilles. Gefolge vonAmazonen. Prothoe. Penthesilea! O du Träumerinn!/ In welchen fernen Glanzgefilden schweift/ Dein Geist umher, mit unruhvollem Flattern,/ 1540 Als ob sein eigner Sitz ihm nicht gefiele,/ Indeſs das Glück, gleich einem jungen Fürsten,/ In deinen Busen einkehrt, und, verwundert/ Die liebliche Behausung leer zu finden,/ Sich wieder wendet und zum Himmel schon/ Die Schritte wieder flüchtig setzen will?/ Willst du den Gast nicht fesseln, o du Thörinn? —/ Komm hebe dich an meine Brust. Penthesilea. Wo bin ich?/ Prothoe. — Kennst du die Stimme deiner Schwester nicht?/ Führt jener Fels dich, dieser Brückenpfad,/ 1550 Die ganze blüh’nde Landschaft nicht zurück?/ — Sieh diese Jungfrau’n, welche dich umringen:/ Wie an den Pforten einer schön’ren Welt,/ 90 Steh’n sie, und rufen dir: willkommen! zu./ — Du seufzest. Was beängstigt dich? Penthesilea. Ach Prothoe!/ Welch einen Traum entsetzensvoll träumt ich —/ Wie süſs ist es, ich möchte Thränen weinen,/ Dies mattgequälte Herz, da ich erwache,/ An deinem Schwesterherzen schlagen fühlen —/ — Mir war, als ob, im heftigen Getümmel,/ 1560 Mich des Peliden Lanze traf: umrasselt/ Von meiner erznen Rüstung, schmettr’ ich nieder;/ Der Boden wiederhallte meinem Sturz./ Und während das erschrockne Heer entweicht,/ Umstrickt an allen Gliedern lieg’ ich noch,/ Da schwingt er sich vom Pferde schon herab,/ Mit Schritten des Triumphes naht er mir,/ Und er ergreift die Hingesunkene,/ In starken Armen hebt er mich empor,/ Und jeder Griff nach diesem Dolch versagt mir,/ 1570 Gefangen bin ich und mit Hohngelächter/ Zu seinen Zelten werd’ ich abgeführt./ Prothoe. Nicht, meine beste Königinn! Der Hohn/ Ist seiner grosmuthsvollen Seele fremd./ Wär’ es, was dir im Traum erschien: glaub mir,/ Ein seel’ger Augenblick wär’ dir beschieden,/ Und in den Staub vielleicht, dir huldigend,/ Sähst du den Sohn der Götter niederfallen./ Penthesilea. Fluch mir, wenn ich die Schmach erlebte, Freundinn!/ 91 Fluch mir, empfieng’ ich jemals einen Mann,/ 1580 Den mir das Schwerdt nicht würdig zugeführt./ Prothoe. Sei ruhig, meine Königinn. Penthesilea. Wie! Ruhig —/ Prothoe. Liegst du an meinem treuen Busen nicht?/ Welch ein Geschick auch über dich verhängt sei,/ Wir tragen es, wir beide: fasse dich./ Penthesilea. Ich war so ruhig, Prothoe, wie das Meer,/ Das in der Bucht des Felsen liegt; nicht ein/ Gefühl, das sich in Wellen mir erhob./ Dies Wort: sei ruhig! jagt mich plötzlich jetzt,/ Wie Wind die offnen Weltgewässer, auf./ 1590 Was ist es denn, das Ruh’ hier nöthig macht? —/ Ihr steht so seltsam um mich, so verstört —/ — Und sendet Blicke, bei den ew’gen Göttern,/ In meinen Rücken hin, als stünd ein Unhold,/ Mit wildem Antlitz dräuend, hinter mir./ — Du hörst’s, es war ja nur ein Traum, es ist nicht —/ Wie! Oder ist es? Ist’s? Wär’s wirklich? Rede! —/ — Wo ist denn Meroe? Megaris? (sie sieht sich um und erblickt den Achilles). Entsetzlich!/ Da steht der Fürchterliche hinter mir./ Jetzt meine freie Hand — (sie zieht den Dolch) 92 Prothoe. Unglückliche!/ 1600 Penthesilea. O die Nichtswürdige, sie wehret mir —/ Prothoe. Achilles! Rette sie. Penthesilea. O Rasende!/ Er soll den Fuſs auf meinen Nacken setzen./ Prothoe. Den Fuſs, Wahnsinnige — Penthesilea. Hinweg, sag’ ich! —/ Prothoe. So sieh ihn doch nur an, Verlorene — !/ Steht er nicht ohne Waffen hinter dir?/ Penthesilea. Wie? Was? Prothoe. Nun ja! Bereit, wenn du’s verlangst,/ Selbst deinem Fesselkranz sich darzubieten./ Penthesilea. Nein, sprich. Prothoe. Achill! Sie glaubt mir nicht. Sprich du!/ 93 Penthesilea. Er wär’ gefangen mir? Prothoe. Wie sonst? Ist’s nicht?/ 1610 Achilles. (der während dessen vorgetreten) In jedem schön’ren Sinn, erhabne Königinn!/ Gewillt mein ganzes Leben fürderhin,/ In deiner Blicke Fesseln zu verflattern./ Penthesilea. (drückt ihre Hände vor’s Gesicht) Prothoe. Nun denn, da hörtest du’s aus seinem Mund./ — Er sank, wie du, als ihr euch traft, in Staub;/ Und während du entseelt am Boden lagst,/ Ward er entwaffnet — nicht? Achilles. Ich ward entwaffnet;/ Man führte mich zu deinen Füssen her./ (er beugt ein Knie vor ihr) Penthesilea. (nach einer kurzen Pause) Nun denn, so sei mir, frischer Lebensreiz, / Du junger, rosenwang’ger Gott, gegrüſst!/ 1620 Hinweg jetzt, o mein Herz, mit diesem Blute,/ Das aufgehäuft, wie seiner Ankunft harrend,/ In beiden Kammern dieser Brüste liegt./ Ihr Boten, ihr geflügelten, der Lust,/ Ihr Säfte meiner Jugend, macht euch auf,/ Durch meine Adern fleucht, ihr jauchzenden,/ 94 Und laſst es einer rothen Fahne gleich,/ Von allen Reichen dieser Wangen wehn:/ Der junge Nereïdensohn ist mein!/ (sie steht auf) Prothoe. O meine theu’re Königinn, mäſs’ge dich./ 1630 Penthesilea. (indem sie vorschreitet) Heran, ihr sieggekrönten Jungfrau’n jetzt,/ Ihr Töchter Mars, vom Wirbel bis zur Sohle/ Vom Staub der Schlacht noch überdeckt, heran,/ Mit dem Argiverjüngling jegliche,/ Den sie sich überwunden, an der Hand!/ Ihr Mädchen, naht euch, mit den Rosenkörben:/ Wo sind für soviel Scheitel Kränze mir?/ Hinaus mir über die Gefilde, sag’ ich,/ Und mir die Rosen, die der Lenz verweigert,/ Mit eurem Athem aus der Flur gehaucht!/ 1640 An euer Amt, ihr Priest’rinnen der Diana:/ Daſs eures Tempels Pforten rasselnd auf,/ Des glanzerfüllten, weihrauchduftenden,/ Mir, wie des Paradieses Thore, fliegen!/ Zuerst den Stier, den feisten, kurzgehörnten,/ Mir an den Altar hin; das Eisen stürz’ ihn,/ Das blinkende, an heil’ger Stätte lautlos,/ Daſs das Gebäu erschüttere, darnieder./ Ihr Dien’rinnen, ihr rüstigen, des Tempels,/ Das Blut, wo seid ihr? rasch, ihr Emsigen,/ 1650 Mit Perserölen, von der Kohle zischend,/ Von des Getäfels Plan hinweggewaschen!/ Und all’ ihr flatternden Gewänder, schürzt euch,/ Ihr goldenen Pockale, füllt euch an,/ 95 Ihr Tuben, schmettert, donnert, ihr Posaunen,/ Der Jubel mache, der melodische,/ Den festen Bau des Firmamentes beben! —/ O Prothoe! Hilf jauchzen mir, frohlocken,/ Erfinde, Freundinn, Schwesterherz, erdenke,/ Wie ich ein Fest jetzt göttlicher, als der/ 1660 Olymp durchjubelte, verherrliche,/ Das Hochzeitsfest der krieggeworbnen Bräute,/ Der Inachiden und der Kinder Mars! —/ O Meroe, wo bist du? Megaris?/ Prothoe. (mit unterdrückter Rührung) Freud’ ist und Schmerz dir, seh’ ich, gleich verderblich,/ Und gleich zum Wahnsinn reiſst dich beides hin./ Du wähnst, wähnst dich in Themiscyra schon,/ Und wenn du so die Gränzen überschwärmst,/ Fühl’ ich gereizt mich, dir das Wort zu nennen,/ Das dir den Fittig plötzlich wieder lähmt./ 1670 Blick’ um dich her, Betrogene, wo bist du?/ Wo ist das Volk? Wo sind die Priesterinnen?/ Asteria? Meroe? Megaris? Wo sind sie?/ Penthesilea. (an ihrem Busen) O laſs mich, Prothoe! O laſs dies Herz/ Zwei Augenblick’ in diesem Strom der Lust,/ Wie ein besudelt Kind, sich untertauchen;/ Mit jedem Schlag in seine üpp’gen Wellen/ Wäscht sich ein Mackel mir vom Busen weg./ Die Eumeniden fliehn, die schrecklichen,/ Es weht, wie Nahn der Götter um mich her,/ 1680 Ich möchte gleich in ihren Chor mich mischen,/ 96 Zum Tode war ich nie so reif als jetzt./ Doch jetzt vor Allem: du vergiebst mir doch?/ Prothoe. O meine Herrscherinn! Penthesilea. Ich weiſs, ich weiſs —/ Nun, meines Blutes beſs’re Hälft’ ist dein./ — Das Unglück, sagt man, läutert die Gemüther,/ Ich, du Geliebte, ich empfand es nicht;/ Erbittert hat es, Göttern mich und Menschen/ In unbegriff’ner Leidenschaft empört./ Wie seltsam war, auf jedem Antlitz, mir,/ 1690 Wo ich sie traf, der Freude Spur verhaſst;/ Das Kind, das in der Mutter Schooſse spielte,/ Schien mir verschworen wider meinen Schmerz./ Wie mögt’ ich Alles jetzt, was mich umringt,/ Zufrieden gern und glücklich sehn! Ach, Freundinn!/ Der Mensch kann groſs, ein Held, im Leiden sein,/ Doch göttlich ist er, wenn er selig ist!/ — Doch rasch zur Sache jetzt. Es soll das Heer/ Zur Rückkehr schleunig jede Anstalt treffen;/ Sobald die Schaaren ruhten, Thier und Menschen,/ 1700 Bricht auch der Zug mit den Gefangenen,/ Nach unsern heimathlichen Fluren auf. —/ — Wo ist Lykaon? Prothoe. Wer? Penthesilea. (mit zärtlichem Unwillen) Wer, fragst du noch!/ 97 Er, jener blühende Arkadierheld,/ Den dir das Schwerdt erwarb. Was hält ihn fern?/ Prothoe. (verwirrt) Er weilt noch in den Wäldern, meine Königinn!/ Wo man die übrigen Gefangnen hält./ Vergönne, daſs er, dem Gesetz gemäſs,/ Eh’ nicht, als in der Heimath mir erscheine./ Penthesilea. Man ruf’ ihn mir! — Er weilt noch in den Wäldern!/ 1710 — Zu meiner Prothoe Füssen ist sein Platz!/ — — Ich bitte dich, Geliebte, ruf’ ihn her,/ Du stehst mir, wie ein Maienfrost, zur Seite,/ Und hemmst der Freude junges Leben mir./ Prothoe. (für sich) Die Unglückseelige! — Wohlan so geht,/ Und thut, wie euch die Königinn befohlen./ (sie winkt einer Amazone; diese geht ab) Penthesilea. Wer schafft mir jetzt die Rosenmädchen her?/ (sie erblickt Rosen auf dem Boden) Sieh! Kelche finden, und wie duftende,/ Auf diesem Platz sich — ! (sie fährt sich mit der Hand über die Stirne) Ach mein böser Traum!/ (zu Prothoe) War War’ [nicht emendiert] denn der Diana Oberpriest’rinn hier?/ 1720 98 Prothoe. Nicht, daſs ich wüſste, meine Königinn —/ Penthesilea. Wie kommen denn die Rosen her? Prothoe. (rasch) Sieh da!/ Die Mädchen, die die Fluren plünderten,/ Sie lieſsen einen Korb voll hier zurück./ Nun, diesen Zufall wahrlich nenn’ ich günstig./ Hier, diese duft’gen Blüthen raff’ ich auf,/ Und winde den Pelidenkranz dir. Soll ich?/ (sie setzt sich an der Eiche nieder) Penthesilea. Du Liebe! Treffliche! Wie du mich rührst. —/ Wohlan! Und diese Hundertblättrigen/ Ich dir zum Siegerkranz Lykaons. Komm./ 1730 (sie rafft gleichfalls einige Rosen auf, und setzt sich neben Prothoe nieder) Musik, ihr Frau’n, Musik! Ich bin nicht ruhig./ Laſst den Gesang erschallen! Macht mich still./ Eine Jungfrau. (aus ihrem Gefolge) Was wünschest du? Eine Andere. Den Siegsgesang? Penthesilea. — Die Hymne./ 99 Die Jungfrau. Es sei. — O die Betrogene! — Singt! Spielt!/ Chor der Jungfraun. (mit Musik) Ares entweicht!/ Seht, wie sein weiſses Gespann/ Fernhin dampfend zum Orkus niedereilt!/ Die Eumeniden öffnen, die scheuſslichen:/ Sie schlieſsen die Thore wieder hinter ihm zu./ Eine Jungfrau. Hymen! Wo weilst du?/ 1740 Zünde die Fackel an, und leuchte! leuchte!/ Hymen! wo weilst du?/ Chor. Ares entweicht! u. s. w./ Achilles. (nähert sich während des Gesanges der Prothoe heimlich) Sprich! Wohin führt mich dies? Ich will es wissen!/ Prothoe. Noch einen Augenblick, Groſsherziger,/ Fleh’ ich dich um Geduld — du wirst es sehn./ (Wenn die Kränze gewunden sind, wechselt Penthesilea den ihrigen gegen den Kranz der Prothoe, sie umarmen sich und betrachten die Windungen. Die Musik schweigt) Die Amazone. (kehrt zurück) Penthesilea. Hast du’s bestellt? 100 Die Amazone. Lykaon wird sogleich,/ Der junge Prinz Arkadiens, erscheinen./
Fünfzehnter Auftritt.
Penthesilea, Prothoe, Achilles, Amazonen. Penthesilea. Komm jetzt, du süsser Nereidensohn,/ Komm, lege dich zu Füssen mir — Ganz her!/ 1750 Nur dreist heran! — — Du fürchtest mich doch nicht?/ — Verhaſst nicht, weil ich siegte, bin ich dir?/ Sprich! Fürchtest du, die dich in Staub gelegt?/ Achilles. (zu ihren Füssen) Wie Blumen Sonnenschein. Penthesilea. Gut, gut gesagt!/ So sieh mich auch wie deine Sonne an. —/ Diana, meine Herrscherinn, er ist/ Verletzt! Achilles. Geritzt am Arm, du siehst, nichts weiter./ Penthesilea. Ich bitte dich, Pelide, glaube nicht,/ Daſs ich jemals nach deinem Leben zielte./ 101 Zwar gern mit diesem Arm hier traf ich dich;/ 1760 Doch als du niedersankst, beneidete, beneidete [emendiert] beneidete [emendiert] / Hier diese Brust den Staub, der dich empfieng./ Achilles. Wenn du mich liebst, so sprichst du nicht davon./ Du siehst es heilt schon. Penthesilea. So verzeihst du mir?/ Achilles. Von ganzem Herzen. — Penthesilea. Jetzt — kannst du mir sagen,/ Wie es die Liebe macht, der Flügelknabe,/ Wenn sie den störr’gen Leun in Fesseln schlägt?/ Achilles. Sie streichelt, denk’ ich, seine rauhen Wangen,/ So hält er still. Penthesilea. Nun denn, so wirst du dich/ Nicht mehr als eine junge Taube regen,/ 1770 Um deren Hals ein Mädchen Schlingen legt./ Denn die Gefühle dieser Brust, o Jüngling,/ Wie Hände sind sie, und sie streicheln dich./ (sie umschlingt ihn mit Kränzen) Achilles. Wer bist du, wunderbares Weib? 102 Penthesilea. Gieb her. —/ Ich sagte still! Du wirst es schon erfahren./ — Hier diese leichte Rosenwindung nur/ Um deine Scheitel, deinen Nacken hin —/ Zu deinen Armen, Händen, Füssen nieder —/ Und wieder auf zum Haupt — — so ist’s geschehn./ — Was athmest du? Achilles. Duft deiner süssen Lippen./ 1780 Penthesilea. (indem sie sich zurückbeugt) Es sind die Rosen, die Gerüche streun./ — Nichts, nichts! Achilles. Ich wollte sie am Stock versuchen./ Penthesilea. Sobald sie reif sind, Liebster, pflückst du sie./ (sie setzt ihm noch einen Kranz auf die Scheitel und läſst ihn gehn) gehen) Jetzt ist’s geschehn. — O sieh, ich bitte dich,/ Wie der zerfloſsne Rosenglanz ihm steht!/ Wie sein gewitterdunkles Antlitz schimmert!/ Der junge Tag, wahrhaftig, liebste Freundinn,/ Wenn ihn die Horen von den Bergen führen,/ Demanten perlen unter seinen Tritten:/ Er sieht so weich und mild nicht drein, als er. —/ 1790 Sprich! Dünkt’s dich nicht, als ob sein Auge glänzte? —/ 103 Fürwahr! Man mögte, wenn er so erscheint, fast zweifeln,/ Daſs er es sei. Prothoe. Wer, meinst du? Penthesilea. Der Pelide! —/ Sprich, wer den Gröſsesten der Priamiden/ Vor Trojas Mauern fällte, warst das du?/ Hast du ihm wirklich, du, mit diesen Händen/ Den flücht’gen Fuſs durchkeilt, an deiner Axe/ Ihn häuptlings um die Vaterstadt geschleift? —/ Sprich! Rede! Was bewegt dich so? Was fehlt dir?/ Achilles. Ich bin’s. Penthesilea. (nachdem sie ihn scharf angesehen) Er sagt, er sei’s. Prothoe. Er ist es, Königinn;/ 1800 An diesem Schmuck hier kannst du ihn erkennen./ Penthesilea. Woher? Prothoe. Es ist die Rüstung, sieh nur her,/ Die Thetis ihm, die hohe Göttermutter,/ Bei dem Hephäst, des Feuers Gott, erschmeichelt./ 104 Penthesilea. Nun denn, so grüſs ich dich mit diesem Kuſs,/ Unbändigster der Menschen, mein! Ich bin’s,/ Du junger Kriegsgott, der du angehörst;/ Wenn man im Volk dich fragt, so nennst du mich./ Achilles. O du, die eine Glanzerscheinung mir,/ Als hätte sich das Aetherreich eröffnet,/ 1810 Herabsteigst, Unbegreifliche, wer bist du?/ Wie nenn ich dich, wenn meine eigne Seele/ Sich, die entzückte, fragt, wem sie gehört?/ Penthesilea. Wenn sie dich fragt, so nenne diese Züge,/ Das sei der Nam’, in welchem du mich denkst. —/ Zwar diesen goldnen Ring hier schenk’ ich dir,/ Mit jedem Merkmal, das dich sicher stellt;/ Und zeigst du ihn, so weis’t man dich zu mir./ Jedoch ein Ring vermiſs’t sich, Namen schwinden;/ Wenn dir der Nam’ entschwänd, entschwand, der Ring sich miſste:/ 1820 Fänd’st du mein Bild in dir wohl wieder aus?/ Kannst du’s wohl mit geschloſsnen Augen denken?/ Achilles. Es steht so fest, wie Züg’ in Diamanten./ Penthesilea. Ich bin die Königinn der Amazonen,/ Er nennt sich Marserzeugt, mein Völkerstamm,/ Otrere war die groſse Mutter mir,/ Und mich begrüſst das Volk: Penthesilea./ 105 Achilles. Penthesilea. Penthesilea. Ja, so sagt’ ich dir./ Achilles. Mein Schwan singt noch im Tod’: Penthesilea./ Penthesilea. Die Freiheit schenk’ ich dir, du kannst den Fuſs/ 1830 Im Heer der Jungfraun setzen, wie du willst./ Denn eine andre Kette denk’ ich noch,/ Wie Blumen leicht, und fester doch, als Erz,/ Die dich mir fest verknüpft, um’s Herz zu schlagen./ Doch bis sie zärtlich, Ring um Ring, geprägt,/ In der Gefühle Glut, und ausgeschmiedet,/ Der Zeit nicht, und dem Zufall, mehr zerstörbar,/ Kehrst du, weil es die Pflicht erheischt, mir wieder,/ Mir, junger Freund, versteh’ mich, die für jedes,/ Sei’s ein Bedürfniſs, sei’s ein Wunsch, dir sorgt./ 1840 Willst du das thun, sag an? Achilles. Wie junge Rosse/ Zum Duft der Krippe, die ihr Leben nährt./ Penthesilea. Gut. Ich verlaſs’ mich drauf. Wir treten jetzt/ Die Reise gleich nach Themiscyra an;/ Mein ganzer Harras bis dahin ist dein./ Man wird dir purpurne Gezelte bringen,/ 106 Und auch an Sclaven nicht, dich zu bedienen,/ Wird’s deinem königlichen Willen fehlen./ Doch weil mich, auf dem Zuge, du begreifst,/ So manche Sorge fesselt, wirst du dich/ 1850 Noch zu den übrigen Gefangnen halten:/ In Themiscyra erst, Neridensohn,/ Kann ich mich ganz, aus voller Brust, dir weihn./ Achilles. Es soll geschehn. Penthesilea. (zu Prothoe) Nun aber sage mir,/ Wo weilt auch dein Arkadier? Prothoe. Meine Fürstinn —/ Penthesilea. So gern von deiner Hand, geliebte Prothoe,/ Mögt’ ich bekränzt ihn sehn. Prothoe. Er wird schon kommen. —/ Der Kranz hier soll ihm nicht verloren gehn./ Penthesilea. (aufbrechend) Nun denn — mich rufen mancherlei Geschäffte,/ So laſst mich gehn. Achilles. Wie? 107 Penthesilea. Laſs mich aufstehn, Freund./ 1860 Achilles. Du fliehst? Du weichst? Du lässest mich zurück?/ Noch eh’ du meiner sehnsuchtsvollen Brust/ So vieler Wunder Aufschluſs gabst, Geliebte?/ Penthesilea. In Themiscyra, Freund. Achilles. Hier, meine Königinn!/ Penthesilea. In Themiscyra, Freund, in Themiscyra —/ Laſs mich! Prothoe. (sie zurückhaltend, unruhig) Wie? Meine Königinn! Wo willst du hin?/ Penthesilea. (befremdet) Die Schaaren will ich mustern — sonderbar!/ Mit Meroe will ich sprechen, Megaris./ Hab’ ich, beim Styx, jetzt nichts zu thun, als plaudern?/ Prothoe. Das Heer verfolgt die flücht’gen Griechen noch. —/ 1870 Laſs Meroe, die die Spitze führt, die Sorge;/ Du brauchst der Ruhe noch. — Sobald der Feind/ Nur völlig über den Skamandros setzte,/ Wird dir das Heer hier siegreich vorgeführt./ 108 Penthesilea. (erwägend) So! — — Hier auf dieses Feld? Ist das gewiſs?/ Prothoe. Gewiſs. Verlaſs dich drauf. — Penthesilea. (zum Achill) Nun so sei kurz./ Achilles. Was ist’s, du wunderbares Weib, daſs du,/ Athenä gleich, an eines Kriegsheers Spitze,/ Wie aus den Wolken nieder, unbeleidigt,/ In unsern Streit vor Troja plötzlich fällst?/ 1880 Was treibt, vom Kopf zu Fuſs in Erz gerüstet,/ So unbegriffner Wuth voll, Furien ähnlich,/ Dich gegen das Geschlecht der Griechen an;/ Du, die sich bloſs in ihrer Schöne ruhig/ Zu zeigen brauchte, Liebliche, das ganze/ Geschlecht der Männer dir im Staub zu sehn?/ Penthesilea. Ach, Nereïdensohn! — Sie ist mir nicht,/ Die Kunst vergönnt, die sanftere, der Frauen!/ Nicht bei dem Fest, wie deines Landes Töchter,/ Wenn zu wetteifernd frohen Übungen/ 1890 Die ganze Jugendpracht zusammenströmt,/ Darf ich mir den Geliebten ausersehn;/ Nicht mit dem Strauſs, so oder so gestellt,/ Und dem verschämten Blick, ihn zu mir locken;/ Nicht in dem Nachtigall-durchschmetterten/ Granatwald, wenn der Morgen glüht, ihm sagen,/ An seine Brust gesunken, daſs er’s sei./ 109 Im blut’gen Feld der Schlacht muſs ich ihn suchen,/ Den Jüngling, den mein Herz sich auserkohr,/ Und ihn mit ehrnen Armen mir ergreifen,/ 1900 Den diese weiche Brust empfangen soll./ Achilles. Und woher quillt, von wannen ein Gesetz,/ Unweiblich, du vergiebst mir, unnatürlich,/ Dem übrigen Geschlecht der Menschen fremd?/ Penthesilea. Fern aus der Urne alles Heiligen,/ O Jüngling: von der Zeiten Gipfeln nieder,/ Den unbetretnen, die der Himmel ewig/ In Wolkenduft geheimniſsvoll verhüllt./ Der ersten Mütter Wort entschied es also,/ Und dem verstummen wir, Neridensohn,/ 1910 Wie deiner ersten Väter Worten du./ Achilles. Sei deutlicher. Penthesilea. Wohlan! So höre mich. —/ Wo jetzt das Volk der Amazonen herrschet,/ Da lebte sonst, den Göttern unterthan,/ Ein Stamm der Scythen, frei und kriegerisch,/ Jedwedem andern Volk der Erde gleich./ Durch Reih’n schon nannt’ er von Jahrhunderten/ Den Kaukasus, den fruchtumblühten, sein:/ Als Vexoris, der Aethioper Äthioper [Siehe Kommentar S. 384: ›werden auch die Umlaute in E nicht modernisiert resp. vereinheitlicht‹.] König,/ An seinem Fuſs erschien, die Männer rasch,/ 1920 Die kampfverbundnen, vor sich niederwarf,/ Sich durch die Thäler goſs, und Greis’ und Knaben,/ 110 Wo sein gezückter Stahl sie traf, erschlug:/ Das ganze Prachtgeschlecht der Welt gieng aus./ Die Sieger bürgerten, barbarenartig,/ In unsre Hütten frech sich ein, ernährten/ Von unsrer reichen Felder Früchten sich,/ Und voll der Schande Maas uns zuzumessen,/ Ertrotzten sie der Liebe Gruſs sich noch:/ Sie rissen von den Gräbern ihrer Männer/ 1930 Die Fraun zu ihren schnöden Betten hin./ Achilles. Vernichtend war das Schicksal, Königinn,/ Das deinem Frauenstaat das Leben gab./ Penthesilea. Doch Alles schüttelt, was ihm unerträglich,/ Der Mensch von seinen Schultern sträubend ab;/ Den Druck nur mäſs’ger Leiden duldet er./ Durch ganze Nächte lagen, still und heimlich,/ Die Frau’n im Tempel Mars, und höhlten weinend/ Die Stufen mit Gebet um Rettung aus./ Die Betten füllten, die entweihten, sich/ 1940 Mit blankgeschliff’nen Dolchen an, gekeilt,/ Aus Schmuckgeräthen, bei des Heerdes Flamme,/ Aus Senkeln, Ringen, Spangen: nur die Hochzeit/ Ward, des Aethioper Königs Vexoris/ Mit Tanaïs, der Königinn, erharrt,/ Der Gäste Brust zusammt damit zu küssen./ Und als das Hochzeitsfest erschienen war,/ Stieſs ihm die Kön’ginn ihren in das Herz;/ Mars, an des Schnöden Statt, vollzog die Ehe,/ Und das gesammte Mordgeschlecht, mit Dolchen,/ 1950 In einer Nacht, ward es zu Tod gekitzelt./ 111 Achilles. Solch’ eine That der Weiber läſst sich denken./ Penthesilea. Und dies jetzt ward im Rath des Volks beschlossen:/ Frei, wie der Wind auf offnem Blachfeld, sind/ Die Frau’n, die solche Heldenthat vollbracht,/ Und dem Geschlecht der Männer nicht mehr dienstbar./ Ein Staat, ein mündiger, sei aufgestellt,/ Ein Frauenstaat, den fürder keine andre/ Herrschsücht’ge Männerstimme mehr durchtrotzt,/ Der das Gesetz sich würdig selber gebe,/ 1960 Sich selbst gehorche, selber auch beschütze:/ Und Tanaïs sei seine Königinn./ Der Mann, deſs’ Auge diesen Staat erschaut,/ Der soll das Auge gleich auf ewig schlieſsen;/ Und wo ein Knabe noch gebohren wird,/ Von der Tyrannen Kuſs, da folg’ er gleich/ Zum Orkus noch den wilden Vätern nach./ Der Tempel Ares füllte sich sogleich/ Gedrängt mit Volk, die groſse Tanaïs/ Zu solcher Satzung Schirmerinn zu krönen./ 1970 Gerad’ als sie, im festlichsten Moment,/ Die Altarstuf’ erstieg, um dort den Bogen,/ Den groſsen, goldenen, des Scythenreichs,/ Den sonst die Könige geführt, zu greifen, / Von der geschmückten Oberpriesterinn Hand,/ Lieſs eine Stimme also sich vernehmen:/ „Den Spott der Männer werd’ er reizen nur,/ Ein Staat, wie der, und gleich dem ersten Anfall/ Des kriegerischen Nachbarvolks erliegen:/ 112 Weil doch die Kraft des Bogens nimmermehr,/ 1980 Von schwachen Frau’n beengt durch volle Brüste,/ Leicht, wie von Männern, sich regieren würde.“/ Die Königinn stand einen Augenblick,/ Und harrte still auf solcher Rede Glück;/ Doch als die feige Regung um sich griff,/ Riſs sie die rechte Brust sich ab, und taufte taufte: [nicht emendiert] / Die Fraun, die den Bogen spannen würden,/ Und fiel zusammen, eh’ sie noch vollendet:/ Die Amazonen oder Busenlosen! —/ Hierauf ward ihr die Krone aufgesetzt./ 1990 Achilles. Nun denn, beim Zeus, die brauchte keine Brüste!/ Die hätt’ ein Männervolk beherrschen können,/ Und meine ganze Seele beugt sich ihr./ Penthesilea. Still auch auf diese That ward’s, Peleïde,/ Nichts als der Bogen lieſs sich schwirrend hören,/ Der aus den Händen, leichenbleich und starr,/ Der Oberpriesterinn daniederfiel./ Er stürzt’, der groſse, goldene, des Reichs,/ Und klirrte von der Marmorstufe dreimal,/ Mit dem Gedrön der Glocken, auf, und legte,/ 2000 Stumm wie der Tod, zu ihren Füssen sich. —/ Achilles. Man folgt ihr, hoff’ ich doch, im Staat der Frauen,/ In diesem Beispiel nicht? Penthesilea. Nicht — allerdings!/ Man gieng so lebhaft nicht zu Werk als sie./ 113 Achilles. (mit Erstaunen) Wie! Also doch — ? Unmöglich! Penthesilea. Was sagst du?/ Achilles. — Die ungeheure Sage wäre wahr?/ Und alle diese blühenden Gestalten,/ Die dich umstehn, die Zierden des Geschlechts,/ Vollständig, einem Altar gleich, jedwede/ Geschmückt, in Liebe davor hinzuknien,/ 2010 Sie sind beraubt, unmenschlich, frevelhaft — ?/ Penthesilea. Hast du das nicht gewuſst? Achilles. (indem er sein Gesicht an ihre Brust drückt) O Königinn!/ Der Sitz der jungen, lieblichen Gefühle,/ Um eines Wahns, barbarisch — Penthesilea. Sei ganz ruhig./ Sie retteten in diese Linke sich,/ Wo sie dem Herzen um so näher wohnen./ Du wirst mir, hoff’ ich, deren keins vermissen. —/ Achilles. Fürwahr! Ein Traum, geträumt in Morgenstunden,/ Scheint mir wahrhaft’ger, als der Augenblick./ — Doch weiter. 114 Penthesilea. Wie? Achilles. — Du bist den Schluſs noch schuldig./ 2020 Denn dieser überstolze Frauenstaat,/ Der ohn’ der Männer Hülf’ entstand, wie pflanzt er/ Doch ohne Hülfe sich der Männer fort?/ Wirft euch Deukalion, von Zeit zu Zeit,/ Noch seiner Schollen Eine häuptlings zu? zu. [nicht emendiert] / Penthesilea. So oft nach jährlichen Berechnungen,/ Die Königinn dem Staat ersetzen will,/ Was ihr der Todt Tod [emendiert] Tod [emendiert] entrafft, ruft sie die blühendsten/ Der Frauen — (stockt und sieht ihn an) Warum lächelst du? Achilles. Wer? Ich?/ Penthesilea. Mich dünkt, du lächelst, Lieber. Achilles. — Deiner Schöne./ 2030 Ich war zerstreut. Vergieb. Ich dachte eben,/ Ob du mir aus dem Monde niederstiegst? —/ Penthesilea. (nach einer Pause) So oft, nach jährlichen Berechnungen,/ Die Königinn, was ihr der Tod entrafft,/ 115 Dem Staat ersetzen will, ruft sie die blüh’ndsten/ Der Fraun, von allen Enden ihres Reichs,/ Nach Themiscyra hin, und fleht, im Tempel/ Der Artemis, auf ihre jungen Schöſse/ Den Seegen keuscher Marsbefruchtung nieder./ Ein solches Fest heiſst, still und weich gefeiert,/ 2040 Der blühnden Jungfraun Fest, wir warten stets,/ Bis — wenn das Schneegewand zerhaucht, der Frühling/ Den Kuſs drückt auf den Busen der Natur./ Diana’s heil’ge Priesterinn verfügt,/ Auf dies Gesuch, sich in den Tempel Mars,/ Und trägt, am Altar hingestreckt, dem Gott/ Den Wunsch der weisen Völkermutter vor./ Der Gott dann, wenn er sie erhören will,/ — Denn oft verweigert er’s, die Berge geben,/ Die schneeigen, der Nahrung nicht zu viel —/ 2050 Der Gott zeigt uns, durch seine Priesterinn,/ Ein Volk an, keusch und herrlich, das, statt seiner,/ Als Stellvertreter, uns erscheinen soll./ Des Volkes Nam’ und Wohnsitz ausgesprochen,/ Ergeht ein Jubel nun durch Stadt und Land./ Marsbräute werden sie begrüſst, die Jungfraun,/ Beschenkt mit Waffen, von der Mütter Hand,/ Mit Pfeil’ und Dolch, und allen Gliedern fliegt,/ Von ems’gen Händen jauchzend rings bedient,/ Das erzene Gewand der Hochzeit an./ 2060 Der frohe Tag der Reise wird bestimmt,/ Gedämpfter Tuben Klang ertönt, es schwingt/ Die Schaar der Mädchen flüsternd sich zu Pferd,/ Und still und heimlich, wie auf woll’nen Sohlen,/ Geht’s in der Nächte Glanz, durch Thal und Wald,/ 116 Zum Lager fern der Auserwählten hin./ Das Land erreicht, ruhn wir, an seiner Pforte,/ Uns noch zwei Tage, Thier’ und Menschen, aus:/ Und wie die feuerrothe Windsbraut brechen/ Wir plötzlich in den Wald der Männer ein,/ 2070 Und wehn die Reifsten derer, die da fallen,/ Wie Saamen, wenn die Wipfel sich zerschlagen,/ In unsre heimathlichen Fluren hin./ Hier pflegen wir, im Tempel Diana’s, ihrer,/ Durch heil’ger Feste Reih’n, von denen mir/ Bekannt nichts, als der Name: Rosenfest —/ Und denen sich, bei Todesstrafe, niemand,/ Als nur die Schaar der Bräute nahen darf —/ Bis uns die Saat selbst blühend aufgegangen;/ Beschenken sie, wie Könige zusammt;/ 2080 Und schicken sie, am Fest der reifen Mütter,/ Auf stolzen Prachtgeschirren wieder heim./ Dies Fest dann freilich ist das frohste nicht,/ Neridensohn — denn viele Thränen flieſsen,/ Und manches Herz, von düsterm Gram ergriffen,/ Begreift nicht, wie die groſse Tanaïs/ In jedem ersten Wort zu preisen sei. —/ Was träumst du? Achilles. Ich? Penthesilea. Du. Achilles. (zerstreut) Geliebte, mehr,/ Als ich in Worte eben fassen kann./ — — Und auch mich denkst du also zu entlassen?/ 2090 117 Penthesilea. Ich weiſs nicht, Lieber. Frag’ mich nicht. — Achilles. Traun! Seltsam. —/ (er versinkt in Nachdenken) — Doch einen Aufschluſs noch gewährst du mir./ Penthesilea. Sehr gern, mein Freund. Sei dreist. Achilles. Wie fass’ ich es,/ Daſs du gerade mich so heiſs verfolgtest?/ Es schien, ich sei bekannt dir. Penthesilea. Allerdings. / Achilles. Wodurch? Penthesilea. Willst du der Thörigten nicht lächeln?/ Achilles. (lächelnd) Ich weiſs nicht, sag’ ich jetzt, wie du. Penthesilea. Nun denn,/ Du sollst’s erfahren. — Sieh ich hatte schon/ Das heitre Fest der Rosen zwanzigmal/ Erlebt und drei, und immer nur von fern,/ 2100 Wo aus dem Eichenwald der Tempel ragt,/ 118 Den frohen Jubelschall gehört, als Ares,/ Bei der Otrere, meiner Mutter, Tod,/ Zu seiner Braut mich auserkohr. Denn die/ Prinzessinnen, aus meinem Königshaus,/ Sie mischen nie aus eigener Bewegung,/ Sich in der blüh’nden Jungfraun Fest; der Gott,/ Begehrt er ihrer, ruft sie würdig auf,/ Durch seiner groſsen Oberpriest’rinn Mund./ Die Mutter lag, die bleiche, scheidende,/ 2110 Mir in den Armen eben, als die Sendung/ Des Mars mir feierlich im Pallast erschien,/ Und mich berief, nach Troja aufzubrechen,/ Um ihn von dort bekränzt heranzuführen./ Es traf sich, daſs kein Stellvertreter je/ Ernannt noch ward, willkommener den Bräuten,/ Als die Helenenstämme, die sich dort umkämpften./ An allen Ecken hörte man erjauchzend,/ Auf allen Märkten, hohe Lieder schallen,/ Die des Hero’nkriegs Thaten feierten:/ 2120 Vom Paris-Apfel, dem Helenenraub,/ Von den geschwaderführenden Atriden,/ Vom Streit um Briseïs, der Schiffe Brand,/ Auch von Patroklus Tod, und welche Pracht/ Du des Triumphes rächend ihm gefeiert;/ Und jedem groſsen Auftritt dieser Zeit. —/ In Thränen schwamm ich, Jammervolle, hörte/ Mit halbem Ohr nur, was die Botschaft mir,/ In der Otrere Todesstunde, brachte;/ „Laſs mich dir bleiben, rief ich, meine Mutter,/ 2130 Dein Ansehn, brauch’ es heut’ zum Letztenmal,/ Und heiſse diese Frauen wieder gehn.“/ Doch sie, die würd’ge Königinn, die längst/ Mich schon ins Feld gewünscht — denn ohne Erben/ 119 War, wenn sie starb, der Thron und eines andern/ Ehrgeitz’gen Nebenstammes Augenmerk —/ Sie sagte: geh, „geh, [emendiert] mein süsses Kind! Mars ruft dich!/ Du wirst den Peleïden dir bekränzen:/ Werd’ eine Mutter, stolz und froh, wie ich —“/ Und drückte sanft die Hand mir, und verschied./ 2140 Prothoe. So nannte sie den Namen dir, Otrere?/ Penthesilea. — Sie nannt’ ihn, Prothoe, wie’s einer Mutter/ Wohl im Vertrau’n zu ihrer Tochter ziemt./ Achilles. Warum? Weshalb? Verbeut dies das Gesetz?/ Penthesilea. Es schickt sich nicht, daſs eine Tochter Mars/ Sich ihren Gegner sucht, den soll sie wählen,/ Den ihr der Gott im Kampf erscheinen läſst. —/ Doch wohl ihr, zeigt die Strebende sich da,/ Wo ihr die Herrlichsten entgegenstehn./ — Nicht, Prothoe? Prothoe. So ist’s. Achilles. Nun — ? Penthesilea. — Lange weint’ ich,/ 2150 Durch einen ganzen kummervollen Mond,/ 120 An der Verblichnen Grab, die Krone selbst,/ Die herrenlos am Rande lag, nicht greifend,/ Bis mich zuletzt der wiederholte Ruf/ Des Volks, das den Pallast mir ungeduldig,/ Bereit zum Kriegeszug, umlagerte,/ Gewaltsam auf den Thron riſs. Ich erschien,/ Wehmüthig strebender Gefühle voll,/ Im Tempel Mars, den Bogen gab man mir,/ Den klirrenden, des Amazonenreichs,/ 2160 Mir war, als ob die Mutter mich umschwebte,/ Da ich ihn griff, nichts schien mir heiliger,/ Als ihren letzten Willen zu erfüllen./ Und da ich Blumen noch, die duftigsten,/ Auf ihren Sarkophag gestreut, brach ich/ Jetzt mit dem Heer der Amazonen auf,/ Nach der Dardanerburg — Mars weniger,/ Dem groſsen Gott, der mich dahin gerufen,/ Als der Otrere Schatten, zu gefallen./ Achilles. Wehmuth um die Verblichne lähmte flüchtig/ 2170 Die Kraft, die deine junge Brust sonst ziert./ Penthesilea. Ich liebte sie. Achilles. Nun? Hierauf? — Penthesilea. In dem Maaſse,/ Als ich mich dem Skamandros näherte,/ Und alle Thäler rings, die ich durchrauschte,/ Von dem Trojanerstreite wiederhallten,/ 121 Schwand mir der Schmerz, und meiner Seele gieng/ Die groſse Welt des heitern Krieges auf./ Ich dachte so: wenn sie sich allzusammt,/ Die groſsen Augenblicke der Geschichte,/ Mir wiederholten, wenn die ganze Schaar/ 2180 Der Helden, die die hohen Lieder feiern,/ Herab mir aus den Sternen stieg’, ich fände/ Doch keinen Trefflichern, den ich mit Rosen/ Bekränzt’, als ihn, den mir die Mutter ausersehn —/ Den Lieben, Wilden, Süſsen, Schrecklichen,/ Den Überwinder Hektors! O Pelide!/ Mein ewiger Gedanke, wenn ich wachte,/ Mein ew’ger Traum warst du! Die ganze Welt/ Lag wie ein ausgespanntes Musternetz/ Vor mir; in jeder Masche, weit und groſs,/ 2190 War deiner Thaten Eine eingeschürzt,/ Und in mein Herz, wie Seide weiſs und rein,/ Mit Flammenfarben jede brannt’ ich ein./ Bald sah ich dich, wie du ihn niederschlugst,/ Vor Ilium, den flücht’gen Priamiden;/ Wie du, entflammt von hoher Siegerlust,/ Das Antlitz wandtest, während er die Scheitel,/ Die blutigen, auf nackter Erde schleifte;/ Wie Priam fleh’nd in deinem Zelt erschien —/ Und heiſse Thränen weint’ ich, wenn ich dachte,/ 2200 Daſs ein Gefühl doch, Unerbittlicher,/ Den marmorharten Busen dir durchzuckt./ Achilles. Geliebte Königinn! Penthesilea. Wie aber ward mir,/ O Freund, als ich dich selbst erblickte — !/ 122 Als du mir im Skamandros-Thal erschienst,/ Von den Heroen deines Volks umringt,/ Ein Tagsstern unter bleichen Nachtgestirnen!/ So müſst’ es mir gewesen sein, wenn er/ Unmittelbar, mit seinen weiſsen Rossen,/ Von dem Olymp herabgedonnert wäre,/ 2210 Mars selbst, der Kriegsgott, seine Braut zu grüssen!/ Geblendet stand ich, als du jetzt entwichen,/ Von der Erscheinung da — wie wenn zur Nachtzeit/ Der Blitz vor einen Wandrer fällt, die Pforten/ Elisiums, des glanzerfüllten, rasselnd,/ Vor einem Geist sich öffnen und verschlieſsen./ Im Augenblick, Pelid’, errieth ich es,/ Von wo mir das Gefühl zum Busen rauschte;/ Der Gott der Liebe hatte mich ereilt./ Doch von zwei Dingen schnell beschloſs ich Eines,/ 2220 Dich zu gewinnen, oder umzukommen: / Und jetzt ist mir das Süſsere erreicht./ — Was blickst du? (Man hört ein Waffengeräusch in der Ferne) Prothoe. (heimlich) Göttersohn! Ich bitte dich./ Du muſst dich augenblicklich ihr erklären./ Penthesilea. (aufbrechend) Argiver nah’n, ihr Fraun! Erhebt euch! Achilles. (sie haltend) Ruhig!/ Es sind Gefangne, meine Königinn./ 123 Penthesilea. Gefangene? Prothoe. (heimlich zum Achilles) Es ist Ulyſs, beim Styx!/ Die Deinen, heiſs gedrängt von Meroe, weichen!/ Achilles. (in den Bart murmelnd) Daſs sie zu Felsen starrten! Penthesilea. Sagt! Was giebt’s?/ Achilles. (mit erzwungener Heiterkeit) Du sollst den Gott der Erde mir gebähren!/ 2230 Prometheus soll von seinem Sitz erstehn,/ Und dem Geschlecht der Welt verkündigen:/ Hier ward ein Mensch, so hab’ ich ihn gewollt!/ Doch nicht nach Temiscyra folg’ ich dir,/ Vielmehr du, nach der blüh’nden Phtya, mir:/ Denn dort, wenn meines Volkes Krieg beschlossen,/ Führ’ ich dich jauchzend hin, und setze dich,/ Ich Seeliger, auf meiner Väter Thron./ (Das Geräusch dauert fort) Penthesilea. Wie? Was? Kein Wort begreif’ ich — Die Frauen. (unruhig) All’ ihr Götter!/ Prothoe. Neridensohn! Willst du — ? 124 Penthesilea. Was ist’s? Was giebt’s denn?/ 2240 Achilles. Nichts, nichts, erschrick nicht, meine Königinn,/ Du siehst, es drängt die Zeit, wenn du nun hörst,/ Was über dich der Götter Schaar verhängt./ Zwar durch die Macht der Liebe bin ich dein,/ Und ewig diese Banden trag’ ich fort;/ Doch durch der Waffen Glück gehörst du mir;/ Bist mir zu Füssen, Treffliche, gesunken,/ Als wir im Kampf uns trafen, nicht ich dir./ Penthesilea. (sich aufraffend) Entsetzlicher! Achilles. Ich bitte dich, Geliebte!/ Kronion selbst nicht ändert, was geschehn./ 2250 Beherrsche dich, und höre, wie ein Felsen,/ Den Boten an, der dort, wenn ich nicht irre,/ Mit irgend einem Unheilswort mir naht./ Denn dir, begreifst du wohl, dir bringt er nichts,/ Dein Schicksal ist auf ewig abgeschlossen;/ Gefangen bist du mir, ein Höllenhund/ Bewacht dich minder grimmig, als ich dich./ Penthesilea. Ich die Gefangne dir? Prothoe. So ist es Königinn!/ Penthesilea. (die Hände aufhebend) Ihr ewigen Himmelsmächt’! Euch ruf’ ich auf!/Sechzehnter Auftritt.
Ein Hauptmann (tritt auf) das Gefolge desAchilles (mit seiner Rüstung) Die Vorigen. Achilles. Was bringst du mir? Der Hauptmann. Entferne dich, Pelide!/ 2260 Das Schlachtglück lockt, das wetterwendische,/ Die Amazonen siegreich wieder vor./ Auf diesen Platz hier stürzen sie heran,/ Und ihre Loosung ist: Penthesilea!/ Achilles. (steht auf und reiſst sich die Kränze ab) Die Waffen mir herbei! Die Pferde vor!/ Mit meinem Wagen rädern will ich sie!/ Penthesilea. (mit zitternder Lippe) Nein, sieh’ den Schrecklichen! Ist das derselbe — ?/ Achilles. (wild) Sind sie noch weit von hier? Der Hauptmann. Hier in dem Thal/ Erblickst du ihren goldnen Halbmond schon./ Achilles. (indem er sich rüstet) Bringt sie hinweg! Ein Grieche. Wohin? 126 Achilles. Ins Griechenlager,/ 2270 In wenig Augenblicken folg’ ich euch./ Der Grieche. (zu Penthesilea) Erhebe dich. Prothoe. O meine Königinn!/ Penthesilea. (ausser sich) Mir keinen Blitz, Zeus, sendest du herab!/
Siebenzehnter Auftritt.
Ulysses und Diomedes (mit dem Heer) DieVorigen. Diomedes. (über die Bühne ziehend) Vom Platz hier fort, Doloperheld! Vom Platze!/ Den einz’gen Weg, der dir noch offen bleibt,/ Den schneiden dir die Frauen eben ab./ Hinweg! (ab) Ulysses. Schafft diese Kön’ginn fort, ihr Griechen./ Achilles. (zum Hauptmann) Alexis! Thu mir den Gefallen. Hilf ihr./ Der Grieche. (zum Hauptmann) Sie regt sich nicht. 127 Achilles. (zu den Griechen, die ihn bedienen) Den Schild mir her! Den Spieſs!/ (aufrufend, da sich die Königinn sträubt) Penthesilea! Penthesilea. O Neridensohn!/ 2280 Du willst mir nicht nach Themiscyra folgen?/ Du willst mir nicht zu jenem Tempel folgen,/ Der aus den fernen Eichenwipfeln ragt?/ Komm’ her, ich sagte dir noch Alles nicht —/ Achilles. (nun völlig gerüstet, tritt vor sie und reicht ihr die Hand) Nach Phtya, Kön’ginn. Penthesilea. O! — Nach Themiscyra!/ O! Freund! Nach Themiscyra, sag’ ich dir,/ Wo Dianas Tempel aus den Eichen ragt!/ Und wenn der Seel’gen Sitz in Phtya wäre,/ Doch, doch, o! Freund! nach Themiscyra noch,/ Wo Dianas Tempel aus den Wipfeln ragt!/ 2290 Achilles. (indem er sie aufhebt) So muſst du mir vergeben, Theuerste;/ Ich bau’ dir solchen Tempel bei mir auf./
Achtzehnter Achzehnter Auftritt.
Meroe, Asteria (mit dem) Heer der Amazonen (treten auf) Die Vorigen. Meroe. Schlagt ihn zu Boden! Achilles. (läſst die Königinn fahren und wendet sich) Reiten sie auf Stürmen?/ Die Amazonen. (sich zwischen Penthesilea und Achilles eindrängend) Befreit die Königinn! Achilles. Bei dieser Rechten, sag’ ich!/ (er will die Königinn mit sich fortziehen) Penthesilea. (ihn nach sich ziehend) Du folgst mir nicht? Folgst nicht? Die Amazonen. (spannen ihre Bogen) Ulysses. Fort! Rasender!/ Hier ist der Ort nicht mehr, zu trotzen. — Folgt!/ (Er reiſst den Achill hinweg. Alle ab)Neunzehnter Auftritt.
Die Oberpriesterinn der Diana (mit ihren) Priesterinnen. Die Vorigen. (ohne die Griechen) Die Amazonen. Triumph! Triumph! Triumph! Sie ist gerettet!/ Penthesilea. (nach einer Pause) Verflucht sei dieser schändliche Triumph mir!/ Verflucht jedwede Zunge, die ihn feiert,/ Die Luft verflucht mir, die ihn weiter bringt!/ 2300 War ich, nach jeder würd’gen Rittersitte,/ Nicht durch das Glück der Schlacht ihm zugefallen?/ Wenn das Geschlecht der Menschen unter sich,/ Mit Wolf und Tieger nicht, im Streite liegt:/ Giebt’s ein Gesetz, frag’ ich, in solchem Kriege,/ Das den Gefangenen, der sich ergeben,/ Aus seines Siegers Banden lösen kann?/ — Neridensohn! Die Amazonen. Ihr Götter, hört’ ich recht?/ Meroe. Ehrwürd’ge Priesterinn der Artemis,/ Trit näher vor, ich bitte dich — Asteria. Sie zürnt,/ 2310 Weil wir sie aus der Knechtschaft Schmach befreiten!/ 130 Die Oberpriesterinn. (aus dem Gewühl der Frauen hervortretend) Nun denn, du setzest würdig, Königinn,/ Mit diesem Schmähungswort, muſs ich gestehn,/ Den Thaten dieses Tags die Krone auf./ Nicht bloſs, daſs du, die Sitte wenig achtend,/ Den Gegner dir im Feld der Schlacht gesucht,/ Nicht bloſs, daſs du, statt ihn in Staub zu werfen,/ Ihm selbst im Kampf erliegst, nicht bloſs, daſs du/ Zum Lohn dafür ihn noch mit Rosen kränzest:/ Du zürnst auch deinem treuen Volke noch,/ 2320 Das deine Ketten bricht, du wendest dich,/ Und rufst den Überwinder dir zurück./ Wohlan denn groſse Tochter Tanaïs,/ So bitt’ ich — ein Versehn war’s, weiter nichts —/ Für diese rasche That dich um Verzeihung./ Das Blut, das sie gekostet, reut mich jetzt,/ Und die Gefangnen, eingebüſst um dich,/ Wünsch’ ich von ganzer Seele mir zurück./ Frei, in des Volkes Namen, sprech’ ich dich;/ Du kannst den Fuſs jetzt wenden, wie du willst,/ 2330 Kannst ihn mit flatterndem Gewand ereilen,/ Der dich in Fesseln schlug, und ihm den Riſs,/ Da, wo wir sie zersprengten, überreichen:/ Also ja will’s das heil’ge Kriegsgesetz!/ Uns aber, uns vergönnst du, Königinn,/ Den Krieg jetzt aufzugeben, und den Fuſs/ Nach Themiscyra wieder heimzusetzen;/ Wir mindestens, wir können jene Griechen,/ Die dort entfliehn, nicht bitten, stillzustehn,/ Nicht, so wie du, den Siegskranz in der Hand,/ 2340 Zu unsrer Füsse Staub sie nieder flehn./ (Pause) 131 Penthesilea. (wankend) Prothoe! Prothoe. Mein Schwesterherz! Penthesilea. Ich bitte dich, bleib bei mir./ Prothoe. Im Tod, du weiſst — — Was bebst du, meine Königinn?/ Penthesilea. Nichts, es ist nichts, ich werde gleich mich sammeln./ Prothoe. Ein groſser Schmerz traf dich. Begegn’ ihm groſs./ Penthesilea. Sie sind verloren? Prothoe. Meine Königinn?/ Penthesilea. Die ganze junge Prachtschaar, die wir fällten? —/ Sie sinds durch mich? Prothoe. Beruh’ge dich. Du wirst sie/ In einem andern Krieg’ uns wiederschenken./ 132 Penthesilea. (an ihren Busen) O niemals! Prothoe. Meine Königinn? Penthesilea. O niemals!/ 2350 Ich will in ew’ge Finsterniſs mich bergen!/Zwanzigster Auftritt.
Ein Herold (tritt auf) Die Vorigen. Meroe. Ein Herold naht dir, Königinn! Asteria. Was willst du?/ Penthesilea. (mit schwacher Freude) Von dem Peliden! — Ach, was werd’ ich hören?/ Ach, Prothoe, heiſs’ ihn wieder gehn! Prothoe. Was bringst du?/ Der Herold. Mich sendet dir Achilleus, Königinn,/ Der schilfumkränzten Nereïde Sohn,/ Und läſst durch meinen Mund dir kündigen:/ Weil dich Gelüst’ treibt, als Gefangnen ihn/ Nach deinen Heimathsfluren abzuführen,/ Ihn aber auch hinwiederum Gelüst,/ 2360 133 Nach seinen heimathlichen Fluren dich:/ So fordert er zum Kampf, auf Tod und Leben,/ Noch einmal dich ins Feld hinaus, auf daſs/ Das Schwerdt, des Schicksaals ehrne Zung’ entscheide,/ In der gerechten Götter Angesicht,/ Wer würdig sei, du oder er, von beiden,/ Den Staub nach ihrem heiligen Beschluſs,/ Zu seines Gegners Füſsen aufzulecken./ Hast du’s auf solchen Strauſs zu wagen Lust?/ Penthesilea. (mit einer fliegenden Blässe) Laſs dir vom Wetterstrahl die Zunge lösen,/ 2370 Verwünschter Redner, eh’ du wieder sprichst!/ Hört’ ich doch einen Sandblock just so gern,/ Endlosen Falls, bald hier, bald dort anschmetternd,/ Dem klafternhohen Felsenriff entpoltern./ (zu Prothoe) — Du muſst es Wort für Wort mir wiederholen./ Prothoe. (zitternd) Der Sohn des Peleus, glaub’ ich, schickt ihn her,/ Und fordert dich auf’s Feld hinaus;/ Verweig’re kurz dich ihm, und sage, nein./ Penthesilea. Es ist nicht möglich. Prothoe. Meine Königinn?/ Penthesilea. Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?/ 2380 134 Prothoe. Sag’ ich dem Mann gleich: nein, und laſs ihn gehn?/ Penthesilea. Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?/ Prothoe. Zum Kampf ja, meine Herrscherinn, so sagt’ ich./ Penthesilea. Der mich zu schwach weiſs, sich mit ihm zu messen,/ Der ruft zum Kampf mich, Prothoe, ins Feld?/ Hier diese treue Brust, sie rührt ihn erst,/ Wenn sie sein scharfer Speer zerschmetterte?/ Was ich ihm zugeflüstert, hat sein Ohr/ Mit der Musik der Rede bloſs getroffen?/ Des Tempels unter Wipfeln denkt er nicht,/ 2390 Ein steinern Bild hat meine Hand bekränzt?/ Prothoe. Vergiſs den Unempfindlichen. Penthesilea. (glühend) Nun denn,/ So ward die Kraft mir jetzo, ihm zu stehen:/ So soll er in den Staub herab, und wenn/ Lapiten und Giganten ihn beschüzten!/ Prothoe. Geliebte Königinn — 135 Meroe. Bedenkst du auch?/ Penthesilea. (sie unterbrechend) Ihr sollt all’ die Gefangnen wieder haben!/ Der Herold. Du willst im Kampf dich — ? Penthesilea. Stellen will ich mich:/ Er soll im Angesicht der Götter mich,/ Die Furien auch ruf’ ich herab, mich treffen!/ 2400 (Der Donner rollt) Die Oberpriesterinn. Wenn dich mein Wort gereitzt, Penthesilea,/ So wirst du mir den Schmerz nicht — Penthesilea. (ihre Thränen unterdrückend) Laſs, du Heilige!/ Du sollst mir nicht umsonst gesprochen haben./ Meroe. Ehrwürd’ge Priesterinn, dein Ansehen brauche./ Die Oberpriesterinn. Hörst du ihn, Königinn, der dir zürnt? Penthesilea. Ihn ruf’ ich/ Mit allen seinen Donnern mir herab!/ Erste Oberste. (in Bewegung) Ihr Fürstinnen — 136 Die Zweite. Unmöglich ist’s! Die Dritte. Es kann nicht!/ Penthesilea. (mit zuckender Wildheit) Herbei, Ananke, Führerinn der Hunde!/ Die erste Oberste. Wir sind zerstreut, geschwächt — Die Zweite. Wir sind ermüdet —/ Penthesilea. Du, mit den Elephanten, Thyrroe! Prothoe. Königinn!/ 2410 Willst du mit Hunden ihn und Elephanten —/ Penthesilea. Ihr Sichelwagen, kommt, ihr blinkenden,/ Die ihr des Schlachtfelds Erndefest bestellt,/ Kommt, kommt in gräul’gen Schnitterreih’n herbei!/ Und ihr, die ihr der Menschen Saat zerdrescht,/ Daſs Halm und Korn auf ewig untergehen,/ Ihr Reuterschaaren, stellt euch um mich her!/ Du ganzer Schreckenspomp des Kriegs, dich ruf’ ich,/ Vernichtender, entsetzlicher, herbei!/ (Sie ergreift den groſsen Bogen aus einer Amazone Hand) 137 Amazonen. (mit Meuten gekoppelter Hunde. Späterhin Elephanten, Feuerbrände, Sichelwagen u. s. w.) Prothoe. Geliebte meiner Seele! Höre mich!/ 2420 Penthesilea. (sich zu den Hunden wendend) Auf, Tigris, jetzt, dich brauch’ ich! Auf Leäne!/ Auf, mit der Zoddelmähne du, Melampus!/ Auf, Akle, die den Fuchs erhascht, auf Sphynx,/ Und der die Hirschkuh übereilt, Alektor,/ Auf, Oxus, der den Eber niederreiſst,/ Und der dem Leuen nicht erbebt, Hyrkaon!/ (Der Donner rollt heftig) Prothoe. O! Sie ist ausser sich — ! Erste Oberste. Sie ist wahnsinnig!/ Penthesilea. (kniet nieder, mit allen Zeichen des Wahnsinns, während die Hunde ein gräſsliches Geheul anstimmen) Dich, Ares, ruf’ ich jetzt, dich Schrecklichen,/ Dich, meines Hauses hohen Gründer, an!/ Oh! — — deinen erznen Wagen mir herab:/ 2430 Wo du der Städte Mauern auch und Thore/ Zermalmst, Vertilgergott, gekeilt in Straſsen,/ Der Menschen Reihen jetzt auch niedertritst;/ Oh! — — deinen erznen Wagen mir herab:/ Daſs ich den Fuſs in seine Muschel setze,/ 138 Die Zügel greife, durch die Felder rolle,/ Und wie ein Donnerkeil aus Wetterwolken,/ Auf dieses Griechen Scheitel niederfalle!/ (sie steht auf) Die erste Oberste. Ihr Fürstinnen! Die Zweite. Auf! Wehrt der Rasenden!/ Prothoe. Hör, meine groſse Königinn, mich! Penthesilea. (indem sie den Bogen spannt) Ei, lustig!/ 2440 So muſs ich sehn, ob mir der Pfeil noch trifft./ (sie legt auf Prothoe an) Prothoe. (niederstürtzend) Ihr Himmlischen! Eine Priesterinn. (indem sie sich rasch hinter die Königinn stellt) Achill ruft! Eine Zweite. (eben so) Der Pelide!/ Eine Dritte. Hier steht er hinter dir! Penthesilea. (wendet sich) Wo? 139 Die erste Priesterinn. War ers nicht?/ Penthesilea. Nein, hier sind noch die Furien nicht versammelt./ — Folg’ mir, Ananke! Folgt, ihr Anderen!/ (ab mit dem ganzen Kriegstroſs unter heftigen Gewitterschlägen) Meroe. (indem sie Prothoe aufhebt) Die Gräſsliche! Asteria. Fort! Eilt ihr nach, ihr Frauen!/ Die Oberpriesterinn. (leichenbleich) Ihr Ew’gen! Was beschloſst ihr über uns?/ (Alle ab)Einundzwanzigster Auftritt.
Achilles, Diomedes (treten auf. Späterhin) Ulysses (zuletzt) Der Herold. Achilles. Hör’, thu mir den Gefallen, Diomed,/ Und sag’ dem Sittenrichter nichts, dem grämlichen/ Odyſs, von dem, was ich dir vertraue;/ 2450 Mir widersteht’s, es macht mir Übelkeiten,/ Wenn ich den Zug um seine Lippe sehe./ 140 Diomedes. Hast du den Herold ihr gesandt, Pelide?/ Ist’s wahr? Ists wirklich? Achilles. Ich will dir sagen, Freund:/ — Du aber, du erwiederst nichts, verstehst du?/ Gar nichts, kein Wort! — Dieſs wunderbare Weib,/ Halb Furie, halb Grazie, sie liebt mich —/ Und allen Weibern Hellas ich zum Trotz,/ Beim Styx! beim ganzen Hades! — Ich sie auch./ Diomedes. Was! Achilles. Ja. Ia. [nicht emendiert] Doch eine Grille, die ihr heilig,/ 2460 Will, daſs ich ihrem Schwerdt im Kampf erliege;/ Eh’ nicht in Liebe kann sie mich umfangen./ Nun schickt’ ich — Diomedes. Rasender! Achilles. Er hört mich nicht!/ Was er im Weltkreis noch, so lang er lebt,/ Mit seinem blauen Auge nicht gesehn,/ Das kann er in Gedanken auch nicht fassen./ Diomedes. Du willst — ? Nein, sprich! Du willst — ? 141 Achilles. (nach einer Pause) — Was also will ich?/ Was ist’s, daſs ich so Ungeheures will?/ Diomedes. Du hast sie in die Schranken bloſs gefordert,/ Um ihr — ? Achilles. Beim wolkenrüttelnden Kroniden,/ 2470 Sie thut mir nichts, sag’ ich! Eh’ wird ihr Arm,/ Im Zweikampf gegen ihren Busen wüthen,/ Und rufen: „Sieg!“ wenn er von Herzblut trieft,/ Als wider mich! — Auf einen Mond bloſs will ich ihr,/ In dem, was sie begehrt, zu Willen sein;/ Auf einen oder zwei, mehr nicht: das wird/ Euch ja den alten, meerzerfreſsnen Isthmus Istmus [nicht emendiert] Istmus [nicht emendiert] / Nicht gleich zusammenstürzen! — Frei bin ich dann,/ Wie ich aus ihrem eignen Munde weiſs,/ Wie Wild auf Haiden wieder; und folgt sie mir,/ 2480 Beim Jupiter! ich wär’ ein Seeliger,/ Könnt’ ich auf meiner Väter Thron sie setzen./ Ulysses. (kommt) Diomedes. Komm her, Ulyſs, ich bitte dich. Ulysses. Pelide!/ Du hast die Königinn ins Feld gerufen;/ Willst du, ermüdet, wie die Schaaren sind,/ Von Neu’m das oftmiſslung’ne Wagstück wagen?/ 142 Diomedes. Nichts, Freund, von Wagestücken, nichts von Kämpfen;/ Er will sich bloſs ihr zu gefangen geben./ Ulysses. Was? Achilles. (das Blut schieſst ihm ins Gesicht) Thu mir dein Gesicht weg, bitt’ ich dich!/ Ulysses. Er will — ? Diomedes. Du hörst’s, ja! Ihr den Helm zerkeilen;/ 2490 Gleich einem Fechter, grimmig sehn, und wüthen;/ Dem Schild aufdonnern, daſs die Funken sprühen,/ Und stumm sich, als ein Überwundener,/ Zu ihren kleinen Füssen niederlegen./ Ulysses. Ist dieser Mann bei Sinnen, Sohn des Peleus?/ Hast du gehört, was er — ? Achilles. (sich zurückhaltend) Ich bitte dich,/ Halt deine Oberlippe fest, Ulyſs!/ Es steckt mich an, bei den gerechten Göttern,/ Und bis zur Faust gleich zuckt es mir herab./ 143 Ulysses. (wild) Bei dem Kozyth, dem feurigen! Wissen will ich,/ 2500 Ob meine Ohren hören, oder nicht!/ Du wirst mir, Sohn des Tydeus, bitt’ ich, jetzt,/ Mit einem Eid, daſs ich auf’s Reine komme,/ Bekräftigen, was ich dich fragen werde./ Er will der Königinn sich gefangen geben?/ Diomedes. Du hörst’s! Ulysses. Nach Themiscyra will er gehn?/ Diomedes. So ist’s. Ulysses. Und unseren Helenenstreit,/ Vor der Dardanerburg, der Sinnentblöſste,/ Den will er, wie ein Kinderspiel, weil sich/ Was anders Buntes zeigt, im Stiche lassen?/ 2510 Diomedes. Beim Jupiter! Ich schwör’s. Ulysses. (indem er die Arme verschränkt) — Ich kann’s nicht glauben./ Achilles. Er spricht von der Dardanerburg. Ulysses. Was? 144 Achilles. Was?/ Ulysses. Mich dünckt, du sagtest was. Achilles. Ich? Ulysses. Du! Achilles. Ich sagte:/ Er spricht von der Dardanerburg. Ulysses. Nun, ja!/ Wie ein Beseſsner fragt’ ich, ob der ganze/ Helenenstreit, vor der Dardanerburg,/ Gleich einem Morgentraum, vergessen sei?/ Achilles. (indem er ihm näher trit) Wenn die Dardanerburg, Laertiade,/ Versänke, du verstehst, so daſs ein See,/ Ein bläulicher, an ihre Stelle träte;/ 2520 Wenn graue Fischer, bei dem Schein des Monds,/ Den Kahn an ihre Wetterhähne knüpften;/ Wenn im Pallast des Priamus ein Hecht/ Regiert’, ein Ottern- oder Ratzenpaar/ Im Bette sich der Helena umarmten:/ So wär’s für mich gerad’ so viel, als jetzt./ Ulysses. Beim Styx! Es ist sein voller Ernst, Tydide!/ 145 Achilles. Beim Styx! Bei dem Lernäersumpf! Beim Hades!/ Der ganzen Oberwelt und Unterwelt,/ Und jedem dritten Ort: es ist mein Ernst;/ 2530 Ich will den Tempel der Diana sehn!/ Ulysses. (halb ihm ins Ohr) Laſs ihn nicht von der Stelle, Diomed,/ Wenn du so gut willst sein. Diomedes. Wenn ich — ich glaube!/ Sei doch so gut, und leih’ mir deine Arme./ Der Herold. (trit auf) Achilles. Ha! Stellt sie sich? Was bringst du? Stellt sie sich?/ Der Herold. Sie stellt sich, ja, Neridensohn, sie naht schon;/ Jedoch mit Hunden auch und Elephanten,/ Und einem ganzen wilden Reutertroſs:/ Was die beim Zweikampf sollen, weiſs ich nicht./ Achilles. Gut. Dem Gebrauch, war sie das schuldig. Folgt mir!/ 2540 — O sie ist listig, bei den ewigen Göttern!/ — — Mit Hunden, sagst du? 146 Der Herold. Ja. Achilles. Und Elephanten?/ Der Herold. Daſs es ein Schrecken ist, zu sehn, Pelide!/ Gält’ es, die Atreïden anzugreifen,/ Im Lager vor der Trojerburg, sie könnte/ In keiner finstrern finstrem Gräuelrüstung nahn./ Achilles. (in den Bart) Die fressen aus der Hand, wahrscheinlich — Folgt mir!/ — O! Die sind zahm, wie sie. (ab mit dem Gefolge) Diomedes. Der Rasende!/ Ulysses. Laſst uns ihn knebeln, binden — hört ihr Griechen!/ Diomedes. Hier nah’n die Amazonen schon — hinweg!/ 2550 (Alle ab.)Zweiundzwanzigster Auftritt.
Die Oberpriesterinn (bleich im Gesicht) mehrereandere Priesterinnen und Amazonen. Die Oberpriesterinn. Schafft Stricke her, ihr Frauen! Die erste Priesterinn. Hochwürdigste!/ Die Oberpriesterinn. Reiſst sie zu Boden nieder! Bindet sie!/ Eine Amazone. Meinst du die Königinn? Die Oberpriesterinn. Die Hündinn, mein’ ich!/ — Der Menschen Hände bänd’gen sie nicht mehr./ Die Amazonen. Hochheil’ge Mutter! Du scheinst ausser dir./ Die Oberpriesterinn. Drei Jungfraun trat sie wüthend in den Staub,/ Die wir geschickt, sie aufzuhalten; Meroe,/ Weil sie auf Knien sich in den Weg ihr warf,/ Bei jedem süssen Namen sie beschwörend,/ Mit Hunden hat sie sie hinweggehetzt./ 2560 Als ich von fern der Rasenden nur nahte,/ Gleich einen Stein, gebückt, mit beiden Händen,/ Den grimmerfüllten Blick auf mich gerichtet,/ 148 Riſs sie vom Boden auf — verloren war ich,/ Wenn ich im Haufen nicht des Volks verschwand./ Die erste Priesterinn. Es ist entsetzlich! Die Zweite. Schrecklich ist’s, ihr Fraun./ Die Oberpriesterinn. Jetzt unter ihren Hunden wüthet sie,/ Mit schaumbedeckter Lipp’, und nennt sie Schwestern,/ Die heulenden, und der Mänade gleich,/ Mit ihrem Bogen durch die Felder tanzend,/ 2570 Hetzt sie die Meute, die mordathmende,/ Die sie umringt, das schönste Wild zu fangen,/ Das je die Erde, wie sie sagt, durchschweift./ Die Amazonen. Ihr Orkusgötter! Wie bestraft ihr sie!/ Die Oberpriesterinn. Drum mit dem Strick, ihr Arestöchter, schleunig/ Dort auf den Kreuzweg hin, legt Schlingen ihr,/ Bedeckt mit Sträuchern, vor der Füsse Tritt./ Und reiſst, wenn sich ihr Fuſs darin verfängt,/ Dem wuthgetroffnen Hunde gleich, sie nieder:/ Daſs wir sie binden, in die Heimath bringen,/ 2580 Und sehen, ob sie noch zu retten sei./ Das Heer der Amazonen. (auſserhalb der Scene) Triumph! Triumph! Triumph! Achilleus stürzt!/ 149 Gefangen ist der Held! Die Siegerinn,/ Mit Rosen wird sie seine Scheitel kränzen!/ (Pause) Die Oberpriesterinn. (mit freudebeklemmter Stimme) Hört’ ich auch recht? Die Priesterinnen und Amazonen. Ihr hochgeprieſsnen Götter!/ Die Oberpriesterinn. War dieser Jubellaut der Freude nicht?/ Die erste Priesterinn. Geschrei des Siegs, o du Hochheilige,/ Wie noch mein Ohr keins seeliger vernahm!/ Die Oberpriesterinn. Wer schafft mir Kund’, ihr Jungfraun? Die zweite Priesterinn. Terpi! rasch!/ Sag’ an, was du auf jenem Hügel siehst?/ 2590 Eine Amazone. (die während dessen den Hügel erstiegen erstiegen, [emendiert] erstiegen, [emendiert] mit Entsetzen) Euch, ihr der Hölle grauenvolle Götter,/ Zu Zeugen ruf’ ich nieder — was erblick’ ich!/ Die Oberpriesterinn. Nun denn — als ob sie die Medus’ erblickte!/ 150 Die Priesterinnen. Was siehst du? Rede! Sprich! Die Amazone. Penthesilea,/ Sie liegt, den grimm’gen Hunden beigesellt,/ Sie, die ein Menschenschooſs gebahr, und reiſst, —/ Die Glieder des Achills reiſst sie in Stücken!/ Die Oberpriesterinn. Entsetzen! o Entsetzen! Alle. Fürchterlich!/ Die Amazone. Hier kommt es, bleich, wie eine Leiche, schon/ Das Wort des Gräuel-Räthsels uns heran./ 2600 (sie steigt vom Hügel herab)
Dreiundzwanzigster Auftritt.
Meroe (trit auf) Die Vorigen. Meroe. O ihr, der Diana heil’ge Priesterinnen,/ Und ihr, Mars reine Töchter, hört mich an:/ Die afrikanische Gorgone bin ich,/ Und wie ihr steht, zu Steinen starr’ ich euch./ Die Oberpriesterinn. Sprich, Gräſsliche! was ist geschehn? 151 Meroe. Ihr wiſst,/ Sie zog dem Jüngling, den sie liebt, entgegen,/ Sie, die fortan kein Name nennt —/ In der Verwirrung ihrer jungen Sinne,/ Den Wunsch, den glühenden, ihn zu besitzen,/ Mit allen Schrecknissen der Waffen rüstend./ 2610 Von Hunden rings umheult und Elephanten,/ Kam sie daher, den Bogen in der Hand:/ Der Krieg, der unter Bürgern ras’t, wenn er,/ Die blutumtriefte Graungestalt, einher,/ Mit weiten Schritten des Entsetzens geht,/ Die Fackel über blühnde Städte schwingend,/ Er sieht so wild und scheuſslich nicht, als sie./ Achilleus, der, wie man im Heer versichert,/ Sie blos ins Feld gerufen, um freiwillig/ Im Kampf, der junge Thor, ihr zu erliegen:/ 2620 Denn er auch, o wie mächtig sind die Götter!/ Er liebte sie, gerührt von ihrer Jugend,/ Zu Dianas Tempel folgen wollt’ er ihr:/ Er naht sich ihr, voll süsser Ahndungen,/ Und läſst die Freunde hinter sich zurück./ Doch jetzt, da sie mit solchen Gräulnissen/ Auf ihn herangrollt, ihn, der nur zum Schein/ Mit einem Spieſs sich arglos ausgerüstet:/ Stutzt er, und dreht den schlanken Hals, und horcht,/ Und eilt entsetzt, und stutzt, und eilet wieder:/ 2630 Gleich einem jungen Reh, das im Geklüfft/ Fern das Gebrüll des grimmen Leu’n vernimmt./ Er ruft: Odysseus! mit beklemmter Stimme,/ Und sieht sich schüchtern um, und ruft: Tydide!/ Und will zurück noch zu den Freunden fliehn;/ Und steht, von einer Schaar schon abgeschnitten,/ 152 Und hebt die Händ’ empor, und duckt und birgt/ In eine Fichte sich, der Unglückseel’ge,/ Die schwer mit dunkeln Zweigen niederhangt. —/ Inzwischen schritt die Königinn heran,/ 2640 Die Doggen hinter ihr, Gebirg’ und Wald/ Hochher, gleich einem Jäger, überschauend;/ Und da er eben, die Gezweige öffnend,/ Zu ihren Füssen niedersinken will:/ Ha! sein Geweih verräth verräth’ [nicht emendiert] den Hirsch, ruft sie,/ Und spannt mit Kraft der Rasenden, sogleich/ Den Bogen an, daſs sich die Enden küssen,/ Und hebt den Bogen auf und zielt und schieſst,/ Und jagt den Pfeil ihm durch den Hals; er stürzt:/ Ein Siegsgeschrei schallt roh im Volk empor./ 2650 Jetzt gleichwohl lebt der Aermste noch der Menschen,/ Den Pfeil, den weit vorragenden, im Nacken,/ Hebt er sich röchelnd auf, und überschlägt sich,/ Und hebt sich wiederum und will entfliehn;/ Doch, hetz! schon ruft sie: Tigris! hetz, Leäne!/ Hetz, Sphynx! Melampus! Dirke! Hetz, Hyrkaon!/ Und stürzt — stürzt mit der ganzen Meut’, o Diana!/ Sich über ihn, und reiſst — reiſst ihn beim Helmbusch,/ Gleich einer Hündinn, Hunden beigesellt,/ Der greift die Brust ihm, dieser greift den Nacken,/ 2660 Daſs von dem Fall der Boden bebt, ihn nieder!/ Er, in dem Purpur seines Bluts sich wälzend,/ Rührt ihre sanfte Wange an, und ruft:/ Penthesilea! meine Braut! was thust du?/ Ist dies das Rosenfest, das du versprachst?/ Doch sie — die Löwinn hätte ihn gehört,/ Die hungrige, die wild nach Raub umher,/ 153 Auf öden Schneegefilden heulend treibt;/ Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reissend,/ Den Zahn schlägt sie in seine weiſse Brust,/ 2670 Sie und die Hunde, die wetteifernden,/ Oxus und Sphynx den Zahn in seine rechte,/ In seine linke sie; als ich erschien,/ Troff Blut von Mund und Händen ihr herab./ (Pause voll Entsetzen) Vernahmt ihr mich, ihr Fraun, wohlan so redet,/ Und gebt ein Zeichen eures Lebens mir./ (Pause) Die erste Priesterinn. (am Busen der Zweiten weinend) Solch eine Jungfrau, Hermia! So sittsam!/ In jeder Kunst der Hände so geschickt!/ So reizend, wenn sie tanzte, wenn sie sang!/ So voll Verstand und Würd’ und Grazie!/ 2680 Die Oberpriesterinn. O die gebahr Otrere nicht! Die Gorgo/ Hat im Pallast der Hauptstadt sie gezeugt!/ Die erste Priesterinn. (fortfahrend) Sie war wie von der Nachtigall gebohren,/ Die um den Tempel der Diana wohnt./ Gewiegt im Eichenwipfel saſs sie da,/ Und flötete, und schmetterte, und flötete,/ Die stille Nacht durch, daſs der Wandrer horchte,/ Und fern die Brust ihm von Gefühlen schwoll./ Sie trat den Wurm nicht, den gesprenkelten,/ Der unter ihrer Füsse Sohle spielte,/ 2690 Den Pfeil, der eines Ebers Busen traf,/ Rief sie zurück, es hätte sie sein Auge,/ 154 Im Tod gebrochen, ganz zerschmelzt in Reue,/ Auf Knieen vor ihn niederziehen können!/ (Pause) Meroe. Jetzt steht sie lautlos da, die Grauenvolle,/ Bei seiner Leich’, umschnüffelt von der Meute,/ Und blicket starr, als wär’s ein leeres Blatt,/ Den Bogen siegreich auf der Schulter tragend,/ In das Unendliche hinaus, und schweigt./ Wir fragen mit gesträubten Haaren, sie,/ 2700 Was sie gethan? Sie schweigt. Ob sie uns kenne?/ Sie schweigt. Ob sie uns folgen will? Sie schweigt./ Entsetzen griff mich, und ich floh zu euch./Vierundzwanzigster Auftritt.
Penthesilea. — Die Leiche des Achills (mit einem rothen Teppich bedeckt). — Prothoe und Andere. Die erste Amazone. Seht, seht, ihr Frau’n! — Da schreitet sie heran,/ Bekränzt mit Nesseln, die Entsetzliche,/ Dem dürren Reif des Hag’dorns eingewebt,/ An Lorbeer-Schmuckes statt, und folgt der Leiche,/ Die Gräſsliche, den Bogen festlich schulternd,/ Als wärs der Todfeind, den sie überwunden!/ Die zweite Priesterinn. O diese Händ’ — ! Die erste Priesterinn. O wendet euch ihr Frauen!/ 2710 155 Prothoe. (der Oberpriesterinn an den Busen sinkend) O meine Mutter! Die Oberpriesterinn. (mit Entsetzen) Diana ruf’ ich an:/ Ich bin an dieser Gräuelthat nicht schuldig!/ Die erste Amazone. Sie stellt sich grade vor die Oberpriesterinn./ Die Zweite. Sie winket, schaut! Die Oberpriesterinn. Hinweg, du Scheuſsliche!/ Du Hades-Bürgerinn! Hinweg, sag’ ich!/ Nehmt diesen Schleier, nehmt, und deckt sie zu./ (sie reiſst sich den Schleier ab, und wirft ihn der Königinn ins Gesicht) Die erste Amazone. O die lebend’ge Leich’. Es rührt sie nicht — !/ Die Zweite. Sie winket immer fort — Die Dritte. Winkt immer wieder —/ Die Erste. Winkt immer zu der Priestrinn Füssen nieder —/ Die Zweite. Seht, seht! 156 Die Oberpriesterinn. Was willst du mir? hinweg, sag’ ich!/ 2720 Geh’ zu den Raben, Schatten! Fort! Verwese!/ Du blickst die Ruhe meines Lebens todt./ Die erste Amazone. Ha! man verstand sie, seht — Die Zweite. Jetzt ist sie ruhig./ Die Erste. Den Peleïden sollte man, das wars,/ Vor der Diana-Priestrinn Füſsen legen./ Die Dritte. Warum just vor der Diana-Priest’rinn Füssen?/ Die Vierte. Was meint sie auch damit? Die Oberpriesterinn. Was soll mir das?/ Was soll die Leiche hier vor mir? Laſs sie/ Gebirge decken, unzugängliche,/ Und den Gedanken deiner That dazu!/ 2730 War ich’s, du — Mensch nicht mehr, wie nenn’ ich dich?/ Die diesen Mord dir schrecklich abgefordert? —/ Wenn ein Verweis, sanft aus der Liebe Mund,/ Zu solchen Gräuelnissen treibt, so sollen/ Die Furien kommen, und uns Sanftmuth lehren!/ 157 Die erste Amazone. Sie blicket immer auf die Priestrinn ein./ Die Zweite. Grad’ ihr ins Antlitz — Die Dritte. Fest und unverwandt,/ Als ob sie durch und durch sie blicken wollte. —/ Die Oberpriesterinn. Geh’, Prothoe, ich bitte dich, geh’, geh’,/ Ich kann sie nicht mehr sehn, entferne sie./ 2740 Prothoe. (weinend) Weh mir! Die Oberpriesterinn. Entschlieſse dich! Prothoe. Die That, die sie/ Vollbracht hat, ist zu scheuſslich; laſs mich sein./ Die Oberpriesterinn. Fass’ dich. — Sie hatte eine schöne Mutter./ — Geh, biet’ ihr deine Hülf’ und führ’ sie fort./ Prothoe. Ich will sie nie mit Augen wiedersehn! —/ Die zweite Amazone. Seht, wie sie jetzt den schlanken Pfeil betrachtet!/ 158 Die Erste. Wie sie ihn dreht und wendet — Die Dritte. Wie sie ihn miſst!/ Die erste Priesterinn. Das scheint der Pfeil, womit sie ihn erlegt./ Die erste Amazone. So ist’s, ihr Fraun! Die Erste. Wie sie vom Blut ihn säubert!/ Wie sie an seiner Flecken jeden wischt!/ 2750 Die Dritte. Was denkt sie wohl dabei? Die Zweite. Und das Gefieder,/ Wie sie es trocknet, kräuselt, wie sie’s lockt!/ So zierlich! Alles, wie es sich gehört./ O seht doch! Die Dritte. — Ist sie das gewohnt zu thun?/ Die Erste. That sie das sonst auch selber? Die erste Priesterinn. Pfeil und Bogen,/ Sie hat sie stets mit eigner Hand gereinigt./ 159 Die Zweite. O heilig hielt sie ihn, das muſs man sagen! — —/ Die zweite Amazone. Doch jetzt den Köcher nimmt sie von der Schulter,/ Und stellt den Pfeil in seinen Schafft zurück./ Die Dritte. Nun ist sie fertig — Die Zweite. Nun ist es geschehen —/ 2760 Nun sieht sie wieder in die Welt hinaus — !/ Mehrere Frauen. O jammervoller Anblick! O so öde/ Wie die Sandwüste, die kein Gras gebiehrt!/ Lustgärten, die der Feuerstrom verwüstet,/ Gekocht im Schoos der Erd’ und ausgespieen,/ Auf alle Blüthen ihres Busens hin,/ Sind anmuthsvoller als ihr Angesicht./ Penthesilea. (ein Schauer schüttelt sie zusammen; sie läſst den Bogen fallen) Die Oberpriesterinn. O die Entsetzliche! Prothoe. (erschrocken) Nun, was auch giebt’s?/ Die erste Amazone. Der Bogen stürzt’ ihr aus der Hand danieder!/ 160 Die Zweite. Seht, wie er taumelt — Die Vierte. Klirrt, und wankt, und fällt — !/ 2770 Die Zweite. Und noch einmal am Boden zuckt — Die Dritte. Und stirbt,/ Wie er der Tanaïs gebohren ward./ (Pause) Die Oberpriesterinn. (sich plötzlich zu ihr wendend) Du, meine groſse Herrscherinn, vergieb mir!/ Diana ist, die Göttinn, dir zufrieden,/ Besänftigt wieder hast du ihren Zorn./ Die groſse Stifterinn des Frauenreiches,/ Die Tanaïs, das gesteh’ ich jetzt, sie hat/ Den Bogen würd’ger nicht geführt als du./ Die erste Amazone. Sie schweigt — Die Zweite. Ihr Auge schwillt — Die Dritte. Sie hebt den Finger,/ Den blutigen, was will sie — Seht, o seht!/ 2780 Die Zweite. O Anblick, herzzerreiſsender, als Messer!/ 161 Die Erste. Sie wischt sich eine Thräne ab. Die Oberpriesterinn. (an Prothoes Busen zurück sinkend) O Diana!/ Welch eine Thräne! Die erste Priesterinn. O eine Thräne, du Hochheil’ge,/ Die in der Menschen Brüste schleicht,/ Und alle Feuerglocken der Empfindung zieht,/ Und: Jammer! rufet, daſs das ganze/ Geschlecht, das leicht bewegliche, hervor/ Stürzt aus den Augen, und in Seen gesammelt,/ Um die Ruine ihrer Seele weint./ Die Oberpriesterinn. (mit einem bittern Ausdruck) Nun denn — wenn Prothoe ihr nicht helfen will,/ 2790 So muſs sie hier in ihrer Noth vergehn./ Prothoe. (drückt den heftigsten Kampf aus. Drauf, indem sie sich ihr nähert, mit einer immer von Thränen unterbrochenen, Stimme) Willst du dich niederlassen, meine Königinn?/ Willst du an meiner treuen Brust nicht ruhn?/ Viel kämpftest du, an diesem Schreckenstag,/ Viel, auch viel littest du — von so viel Leiden/ Willst du an meiner treuen Brust nicht ruhn?/ Penthesilea. (sie sieht sich um, wie nach einem Sessel) Prothoe. Schafft einen Sitz herbei! Ihr seht, sie wills./ (Die Amazonen wälzen einen Stein herbei. Penthesilea läſst sich an Prothoes Hand darauf nieder. Hierauf setzt sich auch Prothoe) 162 Prothoe. Du kennst mich doch, mein Schwesterherz? Penthesilea. (sieht sie an, ihr Antlitz erheitert sich ein wenig) Prothoe. Prothoe/ Bin ich, die dich so zärtlich liebt. Penthesilea. (streichelt sanft ihre Wange) Prothoe. O du,/ Vor der mein Herz auf Knien niederfällt,/ 2800 Wie rührst du mich! (sie küſst die Hand der Königinn) — Du bist wohl sehr ermüdet?/ Ach, wie man dir dein Handwerk ansieht, Liebe!/ Nun freilich — Siegen geht so rein nicht ab,/ Und jede Werkstatt kleidet ihren Meister./ Doch wie, wenn du dich jetzo reinigtest,/ Händ’ und Gesicht? — Soll ich dir Wasser schaffen?/ — — Geliebte Königinn! Penthesilea. (sie besieht sich und nickt) Prothoe. Nun ja. Sie will’s./ (sie winkt den Amazonen; diese gehen Wasser zu schöpfen) — Das wird dir wohlthun, das wird dich erquicken,/ Und sanft, auf kühle Teppiche gestreckt,/ Von schwerer Tagesarbeit wirst du ruhn./ 2810 Die erste Priesterinn. Wenn man mit Wasser sie besprengt, gebt Acht,/ Besinnt sie sich. Die Oberpriesterinn. O ganz gewiſs, das hoff’ ich./ 163 Prothoe. Du hoffst’s, hochheil’ge Priesterinn? — Ich fürcht’ es. / Die Oberpriesterinn. (indem sie zu überlegen scheint) Warum? Weshalb? — Es ist nur nicht zu wagen,/ Sonst müſste man die Leiche des Achills —/ Penthesilea. (blickt die Oberpriesterinn blitzend an) Prothoe. Laſst, laſst — ! Die Oberpriesterinn. Nichts, meine Königinn, nichts, nichts!/ Es soll dir Alles bleiben, wie es ist. —/ Prothoe. Nimm dir den Lorbeer ab, den dornigen,/ Wir alle wissen ja, daſs du gesiegt./ Und auch den Hals befreie dir — So, so!/ 2820 Schau! Eine Wund’ und das recht tief! Du Arme!/ Du hast es dir recht sauer werden lassen —/ Nun dafür triumphirst du jetzo auch!/ — O Artemis! Zwei Amazonen. (bringen ein groſses flaches Marmorbecken, gefüllt mit Wasser) Prothoe. Hier setzt das Becken her. —/ Soll ich dir jetzt die jungen Scheitel netzen?/ Und wirst du auch erschrecken nicht — — ? Was machst du?/ Penthesilea. (läſst sich von ihrem Sitz auf Knien vor das Becken niederfallen, und begieſst sich das Haupt mit Wasser) Prothoe. Sieh da! Du bist ja traun recht rüstig, Königinn!/ — Das thut dir wohl recht wohl? 164 Penthesilea. (sie sieht sich um) Ach Prothoe!/ (sie begieſst sich von Neuem mit Wasser) Meroe. (froh) Sie spricht! Die Oberpriesterinn. Dem Himmel sei gedankt! Prothoe. Gut, gut!/ Meroe. Sie kehrt ins Leben uns zurück! Prothoe. Vortrefflich!/ 2830 Das Haupt ganz unter Wasser, Liebe! So!/ Und wieder! So, so! Wie ein junger Schwan! —/ Meroe. Die Liebliche! Die erste Priesterinn. Wie sie das Köpfchen hängt!/ Meroe. Wie sie das Wasser niederträufeln läſst!/ Prothoe. — Bist du jetzt fertig? Penthesilea. Ach! — Wie wunderbar./ Prothoe. Nun denn, so komm’ mir auf den Sitz zurück! —/ Rasch eure Schleier mir, ihr Priesterinnen,/ Daſs ich ihr die durchweichten Locken trockne!/ So, Phania, deinen! Terpi! helft mir, Schwestern!/ 165 Laſst uns ihr Haupt und Nacken ganz verhüllen!/ 2840 So, so! — Und jetzo auf den Sitz zurück!/ (sie verhüllt die Königinn, hebt sie auf den Sitz, und drückt sie fest an ihre Brust) Penthesilea. Wie ist mir? Prothoe. Wohl denk’ ich — nicht? Penthesilea. (lispelnd) Zum Entzücken!/ Prothoe. Mein Schwesterherz! Mein Süsses! O mein Leben!/ Penthesilea. O sagt mir! — Bin ich in Elisium?/ Bist du der ewig jungen Nymphen Eine,/ Die unsre hehre Königinn bedienen,/ Wenn sie von Eichen-Wipfeln still umrauscht,/ In die krystallne Grotte niedersteigt?/ Nahmst du die Züge bloſs, mich zu erfreuen,/ Die Züge meiner lieben Prothoe an?/ 2850 Prothoe. Nicht, meine beste Königinn, nicht, nicht./ Ich bin es, deine Prothoe, die dich/ In Armen hält, und was du hier erblickst,/ Es ist die Welt noch, die gebrechliche,/ Auf die nur fern die Götter niederschaun./ Penthesilea. So, so. Auch gut. Recht sehr gut. Es thut nichts./ Prothoe. Wie, meine Herrscherinn? Penthesilea. Ich bin vergnügt./ 166 Prothoe. Erkläre dich, Geliebte. Wir verstehn nicht —/ Penthesilea. Daſs ich noch bin, erfreut mich. Laſst mich ruhn./ (Pause) Meroe. Seltsam! Die Oberpriesterinn. Welch’ eine wunderbare Wendung!/ 2860 Meroe. Wenn man geschickt ihr doch entlocken könnte — ?/ Prothoe. — Was war es denn, das dir den Wahn erregt,/ Du sei’st ins Reich der Schatten schon gestiegen?/ Penthesilea. (nach einer Pause, mit einer Art von Verzückung) Ich bin so seelig, Schwester! Ueberseelig!/ Ganz reif zum Tod’ o Diana, fühl’ ich mich!/ Zwar weiſs ich nicht, was hier mit mir geschehn geschehn, [emendiert] geschehn, [emendiert] / Doch gleich des festen Glaubens könnt’ ich sterben,/ Daſs ich mir den Peliden überwand./ Prothoe. (verstohlen zur Oberpriesterinn) Rasch jetzt die Leich’ hinweg! Penthesilea. (sich lebhaft aufrichtend) O Prothoe!/ Mit wem sprichst du? Prothoe. (da die beiden Trägerinnen noch säumen) Fort, Rasende! Penthesilea. O Diana!/ 2870 So ist es wahr? 167 Prothoe. Was, fragst du, wahr, Geliebte?/ — Hier! Drängt euch dicht heran! (sie winkt den Priesterinnen, die Leiche, die aufgehoben wird, mit ihren Leibern zu verbergen) Penthesilea. (hält ihre Hände freudig vor’s Gesicht) Ihr heil’gen Götter!/ Ich habe nicht das Herz mich umzusehn./ Prothoe. Was hast du vor? Was denkst du, Königinn?/ Penthesilea. (sich umsehend) O Liebe, du verstellst dich. Prothoe. Nein, beim Zevs,/ Dem ewgen Gott der Welt! Penthesilea. (mit immer steigender Ungeduld) O ihr Hochheiligen,/ Zerstreut euch doch! Die Oberpriesterinn. (sich dicht mit den übrigen Frauen zusammendrängend) Geliebte Königinn!/ Penthesilea. (indem sie aufsteht) O Diana! Warum soll ich nicht? O Diana!/ Er stand schon einmal hinterm Rücken mir./ Meroe. Seht, seht! Wie sie Entsetzen faſst! Penthesilea. (zu den Amazonen, welche die Leiche tragen) Halt dort! —/ 2880 Was tragt ihr dort? Ich will es wissen. Steht!/ (sie macht sich Platz unter den Frauen und dringt bis zur Leiche vor) 168 Prothoe. O meine Königinn! Untersuche nicht!/ Penthesilea. Ist er’s, ihr Jungfraun? Ist er’s? Eine Trägerinn. (indem die Leiche niedergelassen wird) Wer, fragst du?/ Penthesilea. — Es ist unmöglich nicht, das seh’ ich ein./ Zwar einer Schwalbe Flügel kann ich lähmen,/ So, daſs der Flügel noch zu heilen ist;/ Den Hirsch lock’ ich mit Pfeilen in den Park./ Doch ein Verräther ist die Kunst der Schützen;/ Und gilt’s den Meisterschuſs ins Herz des Glückes,/ So führen tück’sche Götter uns die Hand./ 2890 — Traf ich zu nah’ ihn, wo es gilt? Sprecht ist ers?/ Prothoe. O bei den furchtbarn Mächten des Olymps,/ Frag’ nicht — ! Penthesilea. Hinweg! Und wenn mir seine Wunde,/ Ein Höllenrachen, gleich entgegen gähnte:/ Ich will ihn sehn!/ (sie hebt den Teppig auf) Wer von euch that das, ihr Entsetzlichen!/ Prothoe. Das fragst du noch? Penthesilea. O Artemis! Du Heilige!/ Jetzt ist es um dein Kind geschehn!/ Die Oberpriesterinn. Da stürzt sie hin! Prothoe. Ihr ew’gen Himmelsgötter!/ 169 Warum nicht meinem Rathe folgtest du?/ 2900 O dir war besser, du Unglückliche,/ In des Verstandes Sonnenfinsterniſs/ Umher zu wandeln, ewig, ewig, ewig,/ Als diesen fürchterlichen Tag zu sehn!/ — Geliebte, hör’ mich! Die Oberpriesterinn. Meine Königinn!/ Meroe. Zehntausend Herzen theilen deinen Schmerz!/ Die Oberpriesterinn. Erhebe dich! Penthesilea. (halb aufgerichtet) Ach, diese blut’gen Rosen!/ Ach, dieser Kranz von Wunden um sein Haupt!/ Ach, wie die Knospen, frischen Grabduft streuend,/ Zum Fest für die Gewürme, niedergehn!/ 2910 Prothoe. (mit Zärtlichkeit) Und doch war es die Liebe, die ihn kränzte?/ Meroe. Nur allzufest — ! Prothoe. Und mit der Rose Dornen,/ In der Beeif’rung, daſs es ewig sei!/ Die Oberpriesterinn. Entferne dich! Penthesilea. Das aber will ich wissen,/ Wer mir so gottlos neben hat gebuhlt! —/ Ich frage nicht, wer den Lebendigen/ Erschlug; bei unsern ewig hehren Göttern!/ Frei, wie ein Vogel, geht er von mir weg./ Wer mir den Todten tödtete, frag’ ich,/ Und darauf gieb mir Antwort, Prothoe./ 2920 170 Prothoe. Wie, meine Herrscherinn? Penthesilea. Versteh mich recht./ Ich will nicht wissen, wer aus seinem Busen/ Den Funken des Prometheus stahl. Ich will’s nicht,/ Weil ichs nicht will; die Laune steht mir so:/ Ihm soll vergeben sein, er mag entflieh’n./ Doch wer, o Prothoe, bei diesem Raube/ Die offne Pforte ruchlos mied, durch alle/ Schneeweiſsen Alabasterwände mir/ In diesen Tempel brach; wer diesen Jüngling,/ Das Ebenbild der Götter, so entstellt,/ 2930 Daſs Leben und Verwesung sich nicht streiten,/ Wem er gehört, wer ihn so zugerichtet,/ Daſs ihn das Mitleid nicht beweint, die Liebe/ Sich, die unsterbliche, gleich einer Metze,/ Im Tod noch untreu, von ihm wenden muſs:/ Den will ich meiner Rache opfern. Sprich!/ Prothoe. (zur Oberpriesterinn) Was soll man nun der Rasenden erwiedern? —/ Penthesilea. Nun, werd’ ich’s hören? Meroe. — O meine Königinn,/ Bringt es Erleichterung der Schmerzen dir,/ In deiner Rache opf’re, wen du willst./ 2940 Hier steh’n wir all’ und bieten dir uns an./ Penthesilea. Gebt Acht, sie sagen noch, daſs ich es war./ Die Oberpriesterinn. (schüchtern) Wer sonst, du Unglückseelige, als nur — ?/ 171 Penthesilea. Du Höllenfürstinn, im Gewand’ des Lichts,/ Das wagst du mir — ? Die Oberpriesterinn. Diana ruf’ ich an!/ Laſs es die ganze Schaar, die dich umsteht,/ Bekräftigen! Dein Pfeil war’s der ihn traf,/ Und Himmel! wär’ es nur dein Pfeil gewesen!/ Doch, als er niedersank, warf’st warfst du dich noch,/ In der Verwirrung deiner wilden Sinne,/ 2950 Mit allen Hunden über ihn und schlugst —/ O meine Lippe zittert auszusprechen,/ Was du gethan. Frag’ nicht! Komm’, laſs uns gehn./ Penthesilea. Das muſs ich erst von meiner Prothoe hören./ Prothoe. O meine Königinn! Befrag’ mich nicht./ Penthesilea. Was! Ich? Ich hätt’ ihn — ? Unter meinen Hunden — ?/ Mit diesen kleinen Händen hätt’ ich ihn — ?/ Und dieser Mund hier, den die Liebe schwellt — ?/ Ach, zu ganz anderm Dienst gemacht, als ihn — !/ Die hätten, lustig stets einander helfend,/ 2960 Mund jetzt und Hand, und Hand und wieder Mund — ? / Prothoe. O Königinn! Die Oberpriesterinn. Ich rufe Wehe! dir./ Penthesilea. Nein, hört, davon nicht überzeugt ihr mich./ Und stünd’s mit Blitzen in die Nacht geschrieben,/ Und rief es mir des Donners Stimme zu,/ So rief ich doch noch beiden zu: ihr lügt!/ 172 Meroe. Laſs ihn, wie Berge, diesen Glauben stehn;/ Wir sind es nicht, die ihn erschüttern werden./ Penthesilea. — Wie kam es denn, daſs er sich nicht gewehrt?/ Die Oberpriesterinn. Er liebte dich, Unseeligste! Gefangen/ 2970 Wollt’ er sich dir ergeben, darum naht’ er!/ Darum zum Kampfe fordert’ er dich auf!/ Die Brust voll süssen Friedens kam er her,/ Um dir zum Tempel Artemis zu folgen./ Doch du — Penthesilea. So, so — Die Oberpriesterinn. Du trafst ihn — Penthesilea. Ich zerriſs ihn./ Prothoe. O meine Königinn! Penthesilea. Oder war es anders?/ Meroe. Die Gräſsliche! Penthesilea. Küſst’ ich ihn todt? Die erste Priesterinn. O Himmel!/ Penthesilea. Nicht? Küſst’ ich nicht? Zerrissen wirklich? sprecht?/ Die Oberpriesterinn. Weh’! Wehe! ruf’ ruf ich dir. Verberge dich!/ Laſs fürder ew’ge Mitternacht dich decken!/ 2980 173 Penthesilea. — So war es ein Versehen. Küsse, Bisse,/ Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt,/ Kann schon das Eine für das Andre greifen./ Meroe. Helf’t Helft ihr, ihr Ew’gen, dort! Prothoe. (ergreift sie) Hinweg! Penthesilea. Laſst, laſst!/ (sie wickelt sich los, und läſst sich auf Knieen vor der Leiche nieder) Du Aermster aller Menschen, du vergiebst mir!/ Ich habe mich, bei Diana, bloſs versprochen,/ Weil ich der raschen Lippe Herr nicht bin;/ Doch jetzt sag’ ich dir deutlich, wie ichs meinte:/ Dies, du Geliebter, war’s, und weiter nichts./ (sie küſst ihn) Die Oberpriesterinn. Schafft sie hinweg! Meroe. Was soll sie länger hier?/ 2990 Penthesilea. Wie Manche, die am Hals des Freundes hängt,/ Sagt wohl das Wort: sie lieb’ ihn, o so sehr,/ Daſs sie vor Liebe gleich ihn essen könnte;/ Und hinterher, das Wort beprüft, die Närrinn!/ Gesättigt sein zum Eckel ist sie schon./ Nun, du Geliebter, so verfuhr ich nicht./ Sieh her: als ich an deinem Halse hieng,/ Hab’ ich’s wahrhaftig Wort für Wort gethan;/ Ich war nicht so verrückt, als es wohl schien./ Meroe. Die Ungeheuerste! Was sprach sie da?/ 3000 174 Die Oberpriesterinn. Ergreift sie! Bringt sie fort! Prothoe. Komm, meine Königinn!/ Penthesilea. (sie läſst sich aufrichten) Gut, gut. Hier bin ich schon. Die Oberpriesterinn. So folgst du uns?/ Penthesilea. Euch nicht! — —/ Geht ihr nach Themiscyra, und seid glücklich,/ Wenn ihr es könnt —/ Vor allen meine Prothoe —/ Ihr Alle —/ Und — — — im Vertraun ein Wort, das niemand höre,/ Der Tanaïs Asche, streut sie in die Luft!/ Prothoe. Und du, mein theures Schwesterherz?/ 3010 Penthesilea. Ich? Prothoe. Du! Penthesilea. — Ich will dir sagen, Prothoe,/ Ich sage vom Gesetz der Fraun mich los,/ Und folge diesem Jüngling hier./ Prothoe. Wie, meine Königinn? Die Oberpriesterinn. Unglückliche!/ Prothoe. Du willst — ? 175 Die Oberpriesterinn. Du denkst — Penthesilea. Was? Allerdings! Meroe. O Himmel!/ Prothoe. So laſs mich dir ein Wort, mein Schwesterherz —/ (sie sucht ihr den Dolch wegzunehmen) Penthesilea. Nun denn, und was? — — Was suchst du mir am Gurt? / — Ja, so. Wart’ gleich! Verstand ich dich doch nicht./ — — Hier ist der Dolch. (sie löſst sich den Dolch aus dem Gurt, und giebt ihn der Prothoe) Willst du die Pfeile auch?/ (sie nimmt den Köcher von der Schulter) Hier schütt’ ich ihren ganzen Köcher aus!/ 3020 (sie schüttet die Pfeile vor sich nieder) Zwar reitzend wär’s von Einer Seite —/ (sie hebt einige davon wieder auf) Denn dieser hier — nicht? Oder war es dieser — ?/ Ja, der! Ganz recht — Gleichviel! Da! Nimm sie hin!/ Nimm alle die Geschosse zu dir hin! (sie rafft den ganzen Bündel wieder auf, und giebt ihn der Prothoe in die Hände) Prothoe. Gieb her./ Penthesilea. Denn jetzt steig’ ich in meinen Busen nieder,/ Gleich einem Schacht, und grabe, kalt wie Erz,/ Mir ein vernichtendes Gefühl hervor./ Dies Erz, dies läutr’ ich in der Glut des Jammers/ Hart mir zu Stahl; tränk’ es mit Gift sodann,/ 176 Heiſsätzendem, der Reue, durch und durch;/ 3030 Trag’ es der Hoffnung ew’gem Amboſs zu,/ Und schärf’ schärf und spitz es mir zu einem Dolch;/ Und diesem Dolch jetzt reich’ ich meine Brust:/ So! So! So! So! Und wieder! — Nun ist’s gut./ (sie fällt und stirbt) Prothoe. (die Königinn auffassend) Sie stirbt! Meroe. Sie folgt ihm, in der That! Prothoe. Wohl ihr!/ Denn hier war ihres fernern Bleibens nicht./ (sie legt sie auf den Boden nieder) Die Oberpriesterinn. Ach! Wie gebrechlich ist der Mensch, ihr Götter!/ Wie stolz, die hier geknickt liegt, noch vor Kurzem,/ Hoch auf des Lebens Gipfeln, rauschte sie!/ Prothoe. Sie sank, weil sie zu stolz und kräftig blühte!/ 3040 Die abgestorbne Eiche steht im Sturm,/ Doch die gesunde stürzt er schmetternd nieder,/ Weil er in ihre Krone greifen kann./Verbesserungen.
Seite 7, Vers 11 von oben; statt: Sie an dem Zorn der Amazone Schuld, lies: Sei an dem Zorn u. s. w.
— 13, — 22 v. o.
statt: Des Istums ganze vielgeübte Kunst,
lies: Des Isthmus ganze u. s. w.
— 31, — 7 v.
unten; statt: Wo sie, nun, in beider
Heere
Mitte, lies: Wo sie in beider Heere Mitte nun
— 59, — 6 v. u.
statt: Ein Gott hat in der enggekeilten
Brust, lies: Ein Gott hat in der erzgekeilten Brust.
— 93, — 3 v. u. statt: Nun denn, so sei mir, frischer Lebenszeit, lies: Nun denn, so sei mir, frischer Lebensreiz.