Scene: Die Gerichtsſtube.
Erſter Auftritt.
Adam (ſitzt und
verbindet ſich ein Bein). Licht (tritt auf).
Licht.
Ei, was zum Henker, ſagt, Gevatter Adam!/
Was iſt mit euch geſchehn? Wie ſeht ihr aus?/
Adam.
Ja, ſeht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Fuͤße./
Auf dieſem glatten Boden, iſt ein Strauch hier?/
Geſtrauchelt bin ich hier; denn jeder traͤgt/
Den leid’gen Stein zum Anſtoß in ſich ſelbſt./
Licht.
Nein, ſagt mir, Freund! Den Stein truͤg’ jeg⸗licher —?/
Adam.
Ja, in ſich ſelbſt!
6
Licht.
Verflucht das!
Adam.
Was beliebt?/
Licht.
Ihr ſtammt von einem lockern Aeltervater,/
Der ſo beim Anbeginn der Dinge fiel,/ 10
Und wegen ſeines Falls beruͤhmt geworden;/
Ihr ſeid doch nicht —?
Adam.
Nun?
Licht.
Gleichfalls —?
Adam.
Ob ich —? Ich glaube —?/
Hier bin ich hingefallen, ſag ich euch./
Licht.
Unbildlich hingeſchlagen?
Adam.
Ja, unbildlich./
Es mag ein ſchlechtes Bild geweſen ſein./
Licht.
Wann trug ſich die Begebenheit denn zu?/
Adam.
Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett’/
Entſteig’. Ich hatte noch das Morgenlied/
7
Im Mund’, da ſtolpr’ ich in den Morgen ſchon,/
Und eh’ ich noch den Lauf des Tags beginne,/ 20
Renkt unſer Herrgott mir den Fuß ſchon aus./
Licht.
Und wohl den linken obenein?
Adam.
Den linken?/
Licht.
Hier, den geſetzten?
Adam.
Freilich!
Licht.
Allgerechter!/
Der ohnhin ſchwer den Weg der Suͤnde wandelt./
Adam.
Der Fuß! Was! Schwer! Warum?
Licht.
Der Klumpfuß?
Adam.
Klumpfuß!/
Ein Fuß iſt, wie der andere, ein Klumpen./
Licht.
Erlaubt! Da thut ihr eurem rechten Unrecht./
Der rechte kann ſich dieſer — Wucht nicht ruͤhmen,/
Und wagt ſich eh’r auf’s Schluͤpfrige.
8
Adam.
Ach, was!/
Wo ſich der Eine hinwagt, folgt der Andre./ 30
Licht.
Und was hat das Geſicht euch ſo verrenkt?/
Adam.
Mir das Geſicht?
Licht.
Wie? Davon wißt ihr nichts?/
Adam.
Ich muͤßt’ ein Luͤgner ſein — wie ſieht’s denn aus?/
Licht.
Wie’s ausſieht?
Adam.
Ja, Gevatterchen.
Licht.
Abſcheulich!/
Adam.
Erklaͤrt euch deutlicher.
Licht.
Geſchunden iſt’s,/
Ein Graͤul zu ſehn. Ein Stuͤck fehlt von der Wange,/
Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s ſchaͤtzen./
Adam.
Den Teufel auch!
9
Licht
(bringt einen Spiegel).
Hier! Ueberzeugt euch ſelbſt!/
Ein Schaaf, das, eingehetzt von Hunden, ſich/
Durch Dornen draͤngt, laͤßt nicht mehr Wolle ſitzen,/ 40
Als ihr, Gott weiß wo? Fleiſch habt ſitzen laſſen./
Adam.
Hm! Ja! S’ iſt wahr. Unlieblich ſieht es aus./
Die Naſ’ hat auch gelitten.
Licht.
Und das Auge./
Adam.
Das Auge nicht, Gevatter.
Licht.
Ei, hier liegt/
Querfeld ein Schlag, blutruͤnſtig, ſtraf mich Gott,/
Als haͤtt’ ein Großknecht wuͤthend ihn gefuͤhrt./
Adam.
Das iſt der Augenknochen. — Ja, nun ſeht,/
Das Alles hatt’ ich nicht einmal geſpuͤrt./
Licht.
Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts./
Adam.
Gefecht! Was! — Mit dem verfluchten Ziegenbock,/ 50
Am Ofen focht’ ich, wenn ihr wollt. Jetzt weiß’ ich’s./
Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichſam/
Ertrunken in den Luͤften um mich greife,/
10
Faſſ’ ich die Hoſen, die ich geſtern Abend/
Durchnaͤßt an das Geſtell des Ofens hing./
Nun faſſ ich ſie, verſteht ihr, denke mich,/
Ich Thor, daran zu halten, und nun reißt/
Der Bund; Bund jetzt und Hoſ’ und ich, wir ſtuͤrzen,/
Und Haͤuptlings mit dem Stirnblatt ſchmettr’ ich auf/
Den Ofen hin, juſt wo ein Ziegenbock/ 60
Die Naſe an der Ecke vorgeſtreckt./
Licht
(lacht).
Gut, gut.
Adam.
Verdammt!
Licht.
Der erſte Adamsfall,/
Den ihr aus einem Bett hinaus gethan./
Adam.
Mein Seel! — Doch, was ich ſagen wollte, was
giebts Neues?/
Licht.
Ja, was es Neues giebt! Der Henker hol’s,/
Haͤtt’ ich’s doch bald vergeſſen.
Adam.
Nun?/
Licht.
Macht euch bereit auf unerwarteten/
Beſuch aus Utrecht.
11
Adam.
So?
Licht.
Der Herr Gerichtsrath koͤmmt./
Adam.
Wer koͤmmt?
Licht.
Der Herr Gerichtsrath Walter
koͤmmt, aus Utrecht./
Er iſt in Reviſions⸗Bereiſung auf den Aemtern,/ 70
Und heut noch trifft er bei uns ein./
Adam.
Noch heut! Seid ihr bei Troſt?
Licht.
So wahr ich lebe./
Er war in Holla, auf dem Graͤnzdorf, geſtern,/
Hat das Juſtizamt dort ſchon revidirt./
Ein Bauer ſah zur Fahrt nach Huiſum ſchon/
Die Vorſpannpferde vor den Wagen ſchirren./
Adam.
Heut noch, er, der Gerichtsrath, her, aus Utrecht!/
Zur Reviſion, der wackre Mann, der ſelbſt/
Sein Schaͤfchen ſchiert, dergleichen Fratzen haßt./
Nach Huiſum kommen, und uns cujoniren!/ 80
Licht.
Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huiſum./
Nehmt euch in Acht.
12
Adam.
Ach geht!
Licht.
Ich ſag’ es euch./
Adam.
Geht mir mit eurem Maͤhrchen, ſag’ ich euch./
Licht.
Der Bauer hat ihn ſelbſt geſehn, zum Henker./
Adam.
Wer weiß, wen der triefaͤugige Schuft geſehn./
Die Kerle unterſcheiden ein Geſicht/
Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl iſt./
Setzt einen Huth dreieckig auf mein Rohr,/
Haͤngt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,/
So haͤlt ſo’n Schubjak ihn fuͤr wen ihr wollt./ 90
Licht.
Wohlan ſo zweifelt fort, ins Teufels Namen,/
Bis er zur Thuͤr eintritt.
Adam.
Er, eintreten! —/
Ohn’ uns ein Wort vorher geſteckt zu haben./
Licht.
Der Unverſtand! Als ob’s der vorige/
Reviſor noch, der Rath Wachholder, waͤre!/
Es iſt Rath Walter jetzt, der revidirt./
13
Adam.
Wenn gleich Rath Walter! Geht, laßt mich zu⸗frieden./
Der Mann hat ſeinen Amtseid ja geſchworen,/
Und praktiſirt, wie wir, nach den/
Beſtehenden Edikten und Gebraͤuchen./ 100
Licht.
Nun ich verſichr’ euch, der Gerichtsrath Walter/
Erſchien in Holla unvermuthet geſtern,/
Viſ’tirte Kaſſen und Regiſtraturen,/
Und ſuspendirte Richter dort und Schreiber,/
Warum? ich weiß nicht, ab officio./
Adam.
Den Teufel auch? Hat das der Bauer geſagt?/
Licht.
Dies und noch mehr —
Adam.
So?
Licht.
Wenn ihr’s wiſſen wollt./
Denn in der Fruͤhe heut ſucht man den Richter,/
Dem man in ſeinem Hauſ’ Arreſt gegeben,/
Und findet hinten in der Scheuer ihn/ 110
Am Sparren hoch des Daches aufgehangen./
Adam.
Was ſagt ihr?
14
Licht.
Huͤlf’ inzwiſchen kommt herbei,/
Man loͤſ’t ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,/
Ins nackte Leben bringt man ihn zuruͤck./
Adam.
So? Bringt man ihn?
Licht.
Doch jetzo wird verſiegelt,/
In ſeinem Haus, vereidet und verſchloſſen,/
Es iſt, als waͤr er eine Leiche ſchon,/
Und auch ſein Richteramt iſt ſchon beerbt./
Adam.
Ei, Henker, ſeht! — Ein liederlicher Hund war’s —/
Sonſt eine ehrliche Haut, ſo wahr ich lebe,/ 120
Ein Kerl, mit dem ſich’s gut zuſammen war;/
Doch grauſam liederlich, das muß ich ſagen./
Wenn der Gerichtsrath heut in Holla war,/
So ging’s ihm ſchlecht, dem armen Kauz, das glaub’ ich./
Licht.
Und dieſer Vorfall einzig, ſprach der Bauer,/
Sei Schuld, daß der Gerichtsrath noch nicht hier;/
Zu Mittag treff’ er doch ohnfehlbar ein./
Adam.
Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freund⸗ſchaft./
Ihr wißt, wie ſich zwei Haͤnde waſchen koͤnnen./
15
Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,/ 130
Und ihr verdient’s, bei Gott, ſo gut wie Einer./
Doch heut iſt noch nicht die Gelegenheit,/
Heut laßt ihr noch den Kelch voruͤbergehn./
Licht.
Dorfrichter, ich! Was denkt ihr auch von mir?/
Adam.
Ihr
ſeid
ein Freund von wohlgeſetzter Rede,/
Und euren Cicero habt ihr ſtudirt/
Trotz Einem auf der Schul’ in Amſterdam./
Druͤckt euren Ehrgeitz heut hinunter, hoͤrt’ ihr?/
Es werden wohl ſich Faͤlle noch ergeben,/
Wo ihr mit eurer Kunſt euch zeigen koͤnnt./ 140
Licht.
Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort./
Adam.
Zu ſeiner Zeit, ihr wißt’s, ſchwieg auch der große/
Demoſthenes. Folgt hierin ſeinem Muſter./
Und bin ich Koͤnig nicht von Macedonien,/
Kann ich auf meine Art doch dankbar ſein./
Licht.
Geht mir mit eurem Argwohn, ſag’ ich euch./
Hab ich jemals —?
Adam.
Seht, ich, ich, fuͤr mein Theil,/
16
Dem großen Griechen folg’ ich auch. Es ließe/
Von Depoſitionen ſich und Zinſen/
Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:/ 150
Wer wollte ſolche Perioden drehn?/
Licht.
Nun, alſo!
Adam.
Von ſolchem Vorwurf bin ich
rein,/
Der Henker hol’s! Und alles, was es gilt,/
Ein Schwank iſt’s etwa, der zur Nacht geboren,/
Des Tags vorwitz’gen Lichtſtrahl ſcheut.
Licht.
Ich weiß./
Adam.
Mein Seel! Es iſt kein Grund, warum ein Richter,/
Wenn er nicht auf dem Richtſtuhl ſitzt,/
Soll gravitaͤtiſch, wie ein Eisbaͤr, ſein./
Licht.
Das ſag ich auch.
Adam.
Nun denn, ſo kommt Gevatter,/
Folgt mir ein wenig zur Regiſtratur;/ 160
Die Aktenſtoͤße ſetz’ ich auf, denn die,/
Die liegen wie der Thurm zu Babylon./
17
Zweiter Auftritt.
Ein Bedienter
(tritt auf). Die Vorigen. — Nachher:
Zwei Maͤgde.
Der Bediente.
Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrath Walter/
Laͤßt ſeinen Gruß vermelden, gleich wird er hier ſein./
Adam.
Ei, du gerechter Himmel! Iſt er mit Holla/
Schon fertig?
Der Bediente.
Ja, er iſt in Huiſum ſchon./
Adam.
He! Lieſe! Grete!
Licht.
Ruhig, ruhig jetzt./
Adam.
Gevatterchen!
Licht.
Laßt euern Dank vermelden./
Der Bediente.
Und morgen reiſen wir nach Huſſahe./
Adam.
Was thu ich jetzt? Was laß ich?
(Er greift nach ſeinen Kleidern.)
Erſte Magd
(tritt auf.)
Hier bin ich, Herr./ 170
18
Licht.
Wollt ihr die Hoſen anziehn? Seid ihr toll?/
Zweite Magd
(tritt auf.)
Hier bin ich, Herr Dorfrichter.
Licht.
Nehmt den Rock./
Adam
(ſieht ſich um).
Wer? Der Gerichtsrath?
Licht.
Ach, die Magd iſt es./
Adam.
Die Baͤffchen! Mantel! Kragen!
Erſte Magd.
Erſt die Weſte!/
Adam.
Was? — Rock aus! Hurtig!
Licht
(zum Bedienten).
Der Herr Gerichtsrath werden/
Hier ſehr willkommen ſein. Wir ſind ſogleich/
Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das./
Adam.
Den Teufel auch! Der Richter
Adam
laͤßt ſich/
Entſchuldigen.
Licht.
Entſchuldigen!
19
Adam.
Entſchuld’gen./
Iſt er ſchon unterwegs etwa?
Der Bediente.
Er iſt/ 180
Im Wirthshaus noch. Er hat den Schmidt beſtellt;/
Der Wagen ging entzwei.
Adam.
Gut. Mein Empfehl./
Der Schmidt iſt faul. Ich ließe mich entſchuld’gen./
Ich haͤtte Hals und Beine faſt gebrochen,/
Schaut ſelbſt, s’ iſt ein Spektakel, wie ich ausſeh;/
Und jeder Schreck purgirt mich von Natur./
Ich waͤre krank.
Licht.
Seid ihr bei Sinnen? —/
Der Herr Gerichtsrath waͤr ſehr angenehm./
— Wollt ihr?
Adam.
Zum Henker!
Licht.
Was?
Adam.
Der Teufel ſoll mich holen,/
Iſt’s nicht ſo gut, als haͤtt’ ich ſchon ein Pulver!/ 190
Licht.
Das fehlt noch, daß ihr auf den Weg ihm leuchtet./
20
Adam.
Margrethe! he! Der Sack voll Knochen! Lieſe!/
Die beiden Maͤgde.
Hier ſind wir ja. Was wollt ihr?
Adam.
Fort! ſag ich./
Kuhkaͤſe, Schinken, Butter, Wuͤrſte, Flaſchen,/
Aus der Regiſtratur geſchafft! Und flink! —/
Du nicht. Die Andere. — Maulaffe! Du ja!/
— Gott’s Blitz, Margrethe! Lieſe ſoll, die Kuhmagd,/
In die Regiſtratur!
(Die erſte Magd geht ab.)
Die zweite Magd.
Sprecht, ſoll man euch verſtehn!/
Adam.
Halt’s Maul jetzt, ſag’ ich —! Fort! ſchaff mir die Peruͤcke!/
Marſch! Aus dem Buͤcherſchrank! Geſchwind! Pack dich!/ 200
(Die zweite Magd ab.)
Licht
(zum Bedienten).
Es iſt dem
Herrn
Gerichtsrath, will ich hoffen,/
Nichts Boͤſes auf der Reiſe zugeſtoßen?/
Der Bediente.
Je, nun! Wir ſind im Hohlweg umgeworfen./
Adam.
Peſt! Mein geſchundner Fuß! Ich krieg’ die Stie⸗feln —/
21
Licht.
Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, ſagt ihr?/
Doch keinen Schaden weiter —?
Der Bediente.
Nichts von Bedeutung./
Der Herr verſtauchte ſich die Hand ein wenig./
Die Deichſel brach.
Adam.
Daß er den Hals gebrochen!/
Licht.
Die Hand verſtaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmidt ſchon?/
Der Bediente.
Ja, fuͤr die Deichſel.
Licht.
Was?
Adam.
Ihr meint, der Doctor./ 210
Licht.
Was?
Der Bediente.
Fuͤr die Deichſel?
Adam.
Ach, was! Fuͤr die Hand./
Der Bediente.
Adies, ihr Herrn. — Ich glaub’, die Kerls ſind toll./
(ab).
22
Licht.
Den Schmidt meint’ ich.
Adam.
Ihr gebt euch bloß, Gevatter./
Licht.
Wie ſo?
Adam.
Ihr ſeid verlegen.
Licht.
Was!
Die erſte Magd
(tritt auf).
Adam.
He! Lieſe!
Hier hat der Setzer den Teilvers
falsch zugeordnet, möglicherweise auf Basis einer fehlerhaften Abschrift. In der
überlieferten Handschrift ist der Teilvers unzweideutig Adam zugeordnet, allerdings
in der ersten Version gestrichen worden, da Kleist wiederum bei seiner Abschrift die
Regieanweisung für den Auftritt der Magd übersehen hatte. Diese Regieanweisung hat
er nachgetragen, um im Anschluss wieder ›Adam. He! Liese!‹ anzufügen.
/
Was haſt du da?
Erſte Magd.
Braunſchweiger Wurſt, Herr
Richter./
Adam.
Das ſind Pupillenacten.
Licht.
Ich, verlegen!/
Adam.
Die kommen wieder zur Regiſtratur./
Erſte Magd.
Die Wuͤrſte?
Adam.
Wuͤrſte! Was! Der Einſchlag
hier./
23
Licht.
Es war ein Mißverſtaͤndniß.
Die zweite Magd
(tritt auf).
Im Buͤcherſchrank,/
Herr Richter, find ich die Peruͤcke nicht./ 220
Adam.
Warum nicht?
Zweite Magd.
Hm! Weil ihr —
Adam.
Nun?
Zweite Magd.
Geſtern Abend —/
Glock eilf —
Adam.
Nun? Werd ich’s hoͤren?
Zweite Magd.
Ei, ihr kamt ja,/
Beſinnt euch, ohne die Peruͤck’ ins Haus./
Adam.
Ich, ohne die Peruͤcke?
Zweite Magd.
In der That./
Da iſt die Lieſe, die’s bezeugen kann./
Und eure andr’ iſt beim Peruͤckenmacher./
Adam.
Ich waͤr —?
24
Erſte Magd.
Ja, meiner Treu, Herr Richter
Adam!
liest ›Adam.‹
liest ›Adam.‹
/
Kahlkoͤpfig wart ihr, als ihr wiederkamt;/
Ihr ſpracht, ihr waͤrt gefallen, wißt ihr nicht?/
Das Blut mußt ich euch noch vom Kopfe waſchen./ 230
Adam.
Die Unverſchaͤmte!
Erſte Magd.
Ich will nicht ehrlich ſein./
Adam.
Halt’s Maul, ſag’ ich, es iſt kein wahres Wort./
Licht.
Habt ihr die Wund’ ſeit geſtern ſchon?
Adam.
Nein, heut./
Die Wunde heut und geſtern die Peruͤcke./
Ich trug ſie weiß gepudert auf dem Kopfe,/
Und nahm ſie mit dem Huth, auf Ehre, bloß,/
Als ich ins Haus trat, aus Verſehen ab./
Was die gewaſchen hat, das weiß ich nicht./
— Scheer dich zum Satan, wo du hingehoͤrſt!/
In die Regiſtratur!
(Erſte Magd
ab).
Geh, Margarethe!/ 240
Gevatter Kuͤſter ſoll mir ſeine borgen;/
In meine haͤtt’ die Katze heute Morgen/
25
Gejungt, das Schwein! Sie laͤge eingeſaͤuet/
Mir unterm Bette da, ich weiß nun ſchon./
Licht.
Die Katze? Was? Seid ihr —?
Adam.
So wahr ich lebe./
Fuͤnf Junge, gelb und ſchwarz, und eins iſt weiß./
Die ſchwarzen will ich in der Vecht erſaͤufen./
Was ſoll man machen? Wollt ihr eine haben?/
Licht.
In die Peruͤcke?
Adam.
Der Teufel ſoll mich holen!/
Ich hatte die Peruͤcke aufgehaͤngt,/ 250
Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,/
Den Stuhl beruͤhr’ ich in der Nacht, ſie faͤllt —/
Licht.
Drauf nimmt die Katze ſie ins Maul —
Adam.
Mein Seel —/
Licht.
Und traͤgt ſie unter’s Bett und jungt darin./
Adam.
In’s Maul? Nein —
Licht.
Nicht? Wie ſonſt?
26
Adam.
Die Katz’? Ach, was!/
Licht.
Nicht? Oder ihr vielleicht?
Adam.
In’s Maul! Ich glaube —!/
Ich ſtieß ſie mit dem Fuße heut hinunter,/
Als ich es ſah.
Licht.
Gut, gut.
Adam.
Canaillen die!/
Die balzen ſich und jungen, wo ein Platz iſt./
Zweite Magd
(kichernd).
So ſoll ich hingehn?
Adam.
Ja, und meinen Gruß/ 260
An Muhme Schwarzgewand, die Kuͤſterinn./
Ich ſchickt’ ihr die Peruͤcke unverſehrt/
Noch heut zuruͤck — ihm brauchſt du nichts zu ſagen./
Verſtehſt du mich?
Zweite Magd.
Ich werd’ es ſchon beſtellen./
(ab.)
27
Dritter Auftritt.
Adam und Licht.
Adam.
Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht./
Licht.
Warum?
Adam.
Es geht bunt Alles uͤber Ecke
mir./
Iſt nicht auch heut Gerichtstag?
Licht.
Allerdings./
Die Klaͤger ſtehen vor der Thuͤre ſchon./
Adam.
— Mir traͤumt’, es haͤtt’ ein Klaͤger mich ergriffen,/
Und ſchleppte vor den Richtſtuhl mich; und ich,/ 270
Ich ſaͤße gleichwohl auf dem Richtſtuhl dort,/
Und ſchaͤlt’ und hunzt’ und ſchlingelte mich herunter,/
Und judicirt’ den Hals ins Eiſen mir./
Licht.
Wie? Ihr euch ſelbſt?
Adam.
So wahr ich ehrlich bin./
Drauf wurden Beide wir zu Eins, und flohn,/
Und mußten in den Fichten uͤbernachten./
28
Licht.
Nun? Und der Traum meint ihr?
Adam.
Der Teufel hol’s./
Wenn’s auch der Traum nicht iſt, ein Schabernack,/
Sei’s, wie es woll’, iſt wider mich im Werk!/
Licht.
Die laͤpp’ſche Furcht! Gebt ihr nur vorſchrifts⸗maͤßig,/ 280
Wenn der Gerichtsrath gegenwaͤrtig iſt,/
Recht den Partheien auf dem Richterſtuhle,/
Damit der Traum vom ausgehunzten Richter/
Auf andre Art nicht in Erfuͤllung geht./
Vierter Auftritt.
Der Gerichtsrath
Walter (tritt auf). Die Vorigen.
Walter.
Gott gruͤß euch, Richter Adam.
Adam.
Ei willkommen!/
Willkommen, gnaͤd’ger Herr, in unſerm Huiſum!/
Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte/
So freudigen Beſuches ſich gewaͤrt’gen./
29
Kein Traum, der heute fruͤh Glock achte noch/
Zu ſolchem Gluͤcke ſich verſteigen durfte./ 290
Walter.
Ich komm ein wenig ſchnell, ich weiß; und muß/
Auf dieſer Reiſ’, in unſrer Staaten Dienſt,/
Zufrieden ſein, wenn meine Wirthe mich/
Mit wohlgemeintem Abſchiedsgruß entlaſſen./
Inzwiſchen ich, was meinen Gruß betrifft,/
Ich mein’s von Herzen gut, ſchon wenn ich komme./
Das Obertribunal in Utrecht will/
Die Rechtspfleg’ auf dem platten Land verbeſſern,/
Die mangelhaft von mancher Seite ſcheint,/
Und ſtrenge Weiſung hat der Mißbrauch zu erwarten./ 300
Doch mein Geſchaͤfft auf dieſer
Reiſ’ iſt noch/
Ein ſtrenges nicht, ſehn ſoll ich bloß, nicht ſtrafen,/
Und find ich gleich nicht Alles, wie es ſoll,/
Ich freue mich, wenn es ertraͤglich iſt./
Adam.
Fuͤrwahr, ſo edle Denkart muß man loben./
Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl’ ich,/
Den alten Brauch im Recht zu tadeln wiſſen;/
Und wenn er in den Niederlanden gleich/
Seit Kaiſer Karl dem fuͤnften ſchon beſteht:/
Was laͤßt ſich in Gedanken nicht erfinden?/ 310
Die Welt, ſagt unſer Sprichwort, wird ſtets kluͤger,/
Und Alles lieſ’t, ich weiß, den Puffendorff;/
30
Doch Huiſum iſt ein kleiner Theil der Welt,/
Auf den nicht mehr, nicht minder, als ſein Theil nur/
Kann von der allgemeinen Klugheit kommen./
Klaͤrt die Juſtiz in Huiſum guͤtigſt auf,/
Und uͤberzeugt euch, gnaͤd’ger Herr, ihr habt/
Ihr noch ſobald den Ruͤcken nicht gekehrt,/
Als ſie auch voͤllig euch befried’gen wird;/
Doch faͤndet ihr ſie heut im Amte ſchon/ 320
Wie ihr ſie wuͤnſcht, mein Seel, ſo waͤr’s ein Wunder,/
Da ſie nur dunkel weiß noch, was ihr wollt./
Walter.
Es fehlt an Vorſchriften, ganz recht. Vielmehr/
Es ſind zu viel, man wird ſie ſichten muͤſſen./
Adam.
Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel
Spreu!/
Walter.
Das iſt dort der Herr Schreiber?
Licht.
Der Schreiber Licht,/
Zu Eurer hohen Gnaden Dienſten. Pfingſten/
Neun Jahre, daß ich im Juſtizamt bin./
Adam
(bringt einen Stuhl).
Setzt euch.
Walter.
Laßt ſein.
31
Adam.
Ihr kommt von Holla ſchon./
Walter.
Zwei kleine Meilen — Woher wißt ihr das?/ 330
Adam.
Woher? Ew. Gnaden Diener —
Licht.
Ein Bauer ſagt’ es,/
Der eben jetzt von Holla eingetroffen./
Walter.
Ein Bauer?
Adam.
Aufzuwarten.
Walter.
— Ja! Es trug ſich/
Dort ein unangenehmer Vorfall zu,/
Der mir die heitre Laune ſtoͤrte,/
Die in Geſchaͤften uns begleiten ſoll. —/
Ihr werdet davon unterrichtet ſein?/
Adam.
Waͤr’s wahr, geſtrenger Herr? Der Richter Pfaul,/
Weil er Arreſt in ſeinem Hauſ’ empfing,/
Verzweiflung haͤtt’ den Thoren uͤberraſcht,/ 340
Er hing ſich auf?
Walter.
Und machte Uebel aͤrger./
32
Was nur Unordnung ſchien, Verworrenheit,/
Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,/
Die das Geſetz, ihr wißt’s, nicht mehr verſchont. —/
Wie viele Kaſſen habt ihr?
Adam.
Fuͤnf, zu dienen./
Walter.
Wie, fuͤnf! Ich ſtand im Wahn — Gefuͤllte Kaſſen?/
Ich ſtand im Wahn, daß ihr nur vier —
Adam.
Verzeiht!/
Mit der Rhein⸗Inundations⸗Collecten⸗Kaſſe?/
Walter.
Mit der Inundations⸗Collecten⸗Kaſſe!/
Doch jetzo iſt der Rhein nicht inundirt,/ 350
Und die Collecten gehn mithin nicht ein./
— Sagt doch, ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?/
Adam.
Ob wir —?
Walter.
Was?
Licht.
Ja, den erſten in der Woche./
Walter.
Und jene Schaar von Leuten, die ich draußen/
Auf eurem Flure ſah, ſind das —?
33
Adam.
Das werden —/
Licht.
Die Klaͤger ſind’s, die ſich bereits verſammeln./
Walter.
Gut. Dieſer Umſtand iſt mir lieb, ihr Herren./
Laßt dieſe Leute, wenn’s beliebt, erſcheinen./
Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich ſehe/
Wie er in eurem Huiſum uͤblich iſt./ 360
Wir nehmen die Regiſtratur, die Kaſſen,/
Nachher, wenn dieſe Sache abgethan./
Adam.
Wie ihr befehlt. — Der Buͤttel! He! Hanfriede!/
Fuͤnfter Auftritt.
Die zweite Magd
(tritt auf). Die Vorigen.
Zweite Magd.
Gruß von Frau Kuͤſterinn, Herr Richter Adam;/
So gern ſie die Peruͤck’ euch auch —
Adam.
Wie? Nicht?/
Zweite Magd.
Sie ſagt, es waͤre Morgenpredigt heute;/
34
Der Kuͤſter haͤtte ſelbſt die eine auf,/
Und ſeine andre waͤre unbrauchbar,/
Sie ſollte heut zu dem Peruͤckenmacher./
Adam.
Verflucht!
Zweite Magd.
Sobald der Kuͤſter wieder
koͤmmt,/ 370
Wird ſie jedoch ſogleich euch ſeine ſchicken./
Adam.
Auf meine Ehre, gnaͤd’ger Herr —
Walter.
Was giebt’s?/
Adam.
Ein Zufall, ein verwuͤnſchter, hat um beide/
Peruͤcken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir/
Die dritte aus, die ich mir leihen wollte:/
Ich muß kahlkoͤpfig den Gerichtstag halten./
Walter.
Kahlkoͤpfig!
Adam.
Ja, beim ewigen Gott! So ſehr/
Ich ohne der Peruͤcke Beiſtand um/
Mein Richteranſehn auch verlegen bin./
— Ich muͤßt’ es auf dem Vorwerk noch verſuchen,/ 380
Ob mir vielleicht der Paͤchter —?
35
Walter.
Auf dem Vorwerk!/
Kann jemand anders hier im Orte nicht —?/
Adam.
Nein, in der That —
Walter.
Der Prediger vielleicht./
Adam.
Der Prediger? Der —
Walter.
Oder Schulmeiſter./
Adam.
Seit der Sackzehnde abgeſchafft, Ew. Gnaden,/
Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,/
Kann ich auf beider Dienſte nicht mehr rechnen./
Walter.
Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichts⸗tag?/
Denkt ihr zu warten, bis die Haar’ euch wachſen?/
Adam.
Ja, wenn ihr mir erlaubt, ſchick’ ich auf’s Vorwerk./ 390
Walter.
— Wie weit iſt’s auf das Vorwerk?
Adam.
Ei! Ein kleines/
Halbſtuͤndchen.
36
Walter.
Eine halbe Stunde, was!/
Und Eurer Sitzung Stunde ſchlug bereits./
Macht fort! Ich muß noch heut nach Huſſahe./
Adam.
Macht fort! Ja —
Walter.
Ei, ſo pudert euch den Kopf
ein!/
Wo Teufel auch, wo ließt ihr die Peruͤcken?/
— Helft euch ſo gut ihr koͤnnt. Ich habe Eile./
Adam.
Auch das.
Der Buͤttel
(tritt auf).
Hier iſt der Buͤttel!
Adam.
Kann ich inzwiſchen/
Mit einem guten Fruͤhſtuͤck, Wurſt aus Braunſchweig,/
Ein Glaͤschen Danziger etwa —
Walter.
Danke ſehr./ 400
Adam.
Ohn’ Umſtaͤnd’!
Walter.
Dank’, ihr hoͤrt’s, hab’s ſchon
genoſſen./
Geht ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche ſie/
In meinem Buͤchlein etwas mir zu merken./
37
Adam.
Nun, wenn ihr ſo befehlt — Komm, Margarethe!/
Walter.
— Ihr ſeid ja boͤſ’ verletzt, Herr Richter Adam./
Seid ihr gefallen?
Adam.
— Hab’ einen wahren Mordſchlag/
Heut fruͤh, als ich dem Bett’ entſtieg, gethan:/
Seht, gnaͤd’ger Herr Gerichtsrath, einen Schlag/
Ins Zimmer hin, ich glaubt’ es waͤr’ ins Grab./
Walter.
Das thut mir leid. — Es wird doch weiter nicht/ 410
Von Folgen ſein?
Adam.
Ich denke nicht. Und auch/
In meiner Pflicht ſoll’s weiter mich nicht ſtoͤren. —/
Erlaubt!
Walter.
Geht, geht!
Adam
(zum Büttel).
Die Klaͤger rufſt du — Marſch!/
(Adam, die Magd und der Büttel ab.)
38
Sechſter Auftritt.
Frau Marthe, Eve,
Veit und Ruprecht (treten auf). —Walter und Licht
(im Hintergrunde).
Frau Marthe.
Ihr krugzertruͤmmerndes Geſindel, ihr!/
Ihr ſollt mir buͤßen, ihr!
Veit.
Sei ſie nur ruhig,/
Frau Marth’! Es wird ſich Alles hier entſcheiden./
Frau Marthe.
O ja. Entſcheiden. Seht doch. Den Klugſchwaͤtzer./
Den Krug mir, den zerbrochenen, entſcheiden./
Wer wird mir den geſchied’nen Krug entſcheiden?/
Hier wird entſchieden werden, daß geſchieden/ 420
Der Krug mir bleiben ſoll. Fuͤr ſo’n Schiedsurtheil/
Geb’ ich noch die geſchied’nen Scherben nicht./
Veit.
Wenn ſie ſich Recht erſtreiten kann, ſie hoͤrt’s,/
Erſetz’ ich ihn.
Frau Marthe.
Er mir den Krug erſetzen./
Wenn ich mir Recht erſtreiten kann, erſetzen./
Setz’ er den Krug mal hin, verſuch’ er’s mal,/
Setz’ er’n mal hin auf das Geſims! Erſetzen!/
39
Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,/
Zum Liegen oder Sitzen hat, erſetzen!/
Veit.
Sie hoͤrt’s! Was geifert ſie? Kann man mehr thun?/ 430
Wenn Einer ihr von uns den Krug zerbrochen,/
Soll ſie entſchaͤdigt werden.
Frau Marthe.
Ich entſchaͤdigt!/
Als ob ein Stuͤck von meinem Hornvieh ſpraͤche./
Meint er, daß die Juſtiz ein Toͤpfer iſt?/
Und kaͤmen die Hochmoͤgenden und baͤnden/
Die Schuͤrze vor, und truͤgen ihn zum Ofen,/
Die koͤnnten ſonſt was in den Krug mir thun,/
Als ihn entſchaͤdigen. Entſchaͤdigen!/
Ruprecht.
Laß er ſie, Vater. Folg’ er mir. Der Drache!/
S’ iſt der zerbrochne Krug nicht, der ſie wurmt,/ 440
Die Hochzeit iſt es, die ein Loch bekommen,/
Und mit Gewalt hier denkt ſie ſie zu flicken./
Ich aber ſetze noch den Fuß Eins drauf:/
Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme./
Frau Marthe.
Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!/
Die Hochzeit, nicht des Flickdraths, unzerbrochen/
Nicht Einen von des Kruges Scherben werth./
40
Und ſtuͤnd’ die Hochzeit blankgeſcheuert vor mir,/
Wie noch der Krug auf dem Geſimſe geſtern,/
So faßt’ ich ſie beim Griff jetzt mit den Haͤnden,/ 450
Und ſchluͤg’ ſie gellend ihm am Kopf entzwei,/
Nicht aber hier die Scherben moͤcht’ ich flicken!/
Sie flicken!
Eve.
Ruprecht!
Ruprecht.
Fort du —!
Eve.
Liebſter Ruprecht!/
Ruprecht.
Mir aus den Augen!
Eve.
Ich beſchwoͤre dich./
Ruprecht.
Die Luͤderliche —! Ich mag nicht ſagen, was./
Eve.
Laß mich ein einz’ges Wort dir heimlich —
Ruprecht.
Nichts!/
Eve.
— Du gehſt zum Regimente jetzt, o Ruprecht,/
Wer weiß, wenn du erſt die Muskete traͤgſt,/
Ob ich dich je im Leben wieder ſehe./
41
Krieg iſt’s, bedenke, Krieg, in den du ziehſt:/ 460
Willſt du mit ſolchem Grolle von mir ſcheiden?/
Ruprecht.
Groll? Nein, bewahr’ mich Gott, das will ich nicht./
Gott ſchenk’ dir ſo viel Wohlergehn, als er/
Eruͤbrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege/
Geſund, mit erzgegoßnem Leib zuruͤck,/
Und wuͤrd’ in Huiſum achtzig Jahre alt,/
So ſagt ich noch im Tode zu dir: Metze!/
Du willſt’s ja ſelber vor Gericht beſchwoͤren./
Frau MartheIm Erstdruck nicht gesperrt gedruckt.
(zu Eve).
Hinweg! Was ſagt’ ich dir? Willſt du dich noch/
Beſchimpfen laſſen? Der Herr Corporal/ 470
Iſt was fuͤr dich, der wuͤrd’ge Holzgebein,/
Der ſeinen Stock im Militair gefuͤhrt,/
Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock/
Jetzt ſeinen Ruͤcken bieten wird. Heut iſt/
Verlobung, Hochzeit, waͤre Taufe heute,/
Es waͤr’ mir recht, und mein Begraͤbniß leid’ ich,/
Wenn ich dem Hochmuth erſt den Kamm zertreten,/
Der mir bis an die Kruͤge ſchwillet.
Eve.
Mutter!/
Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt ver⸗ſuchen,/
Ob ein geſchickter Handwerksmann die
Scherben,
emendiert in ›Scherben‹. Das gesetzte Komma
könnte rhythmische Gründe haben, deshalb wird hier nicht emendiert.
/ 480
42
Nicht wieder euch zur Luſt zuſammenfuͤgt./
Und waͤr’s um ihn geſchehn, nehmt meine ganze/
Sparbuͤchſe hin, und kauft euch einen neuen./
Wer wollte doch um einen irdnen Krug,/
Und ſtammt er von Herodes Zeiten her,/
Solch einen Aufruhr, ſo viel Unheil ſtiften./
Frau Marthe.
Du ſprichſt, wie du’s verſtehſt. Willſt du etwa/
Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche/
Am naͤchſten Sonntag reuig Buße thun?/
Dein guter Name lag in dieſem Topfe,/ 490
Und vor der Welt mit ihm ward er zerſtoßen,/
Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir./
Der Richter iſt mein Handwerksmann, der Schergen,/
Der Block iſt’s, Peitſchenhiebe, die es braucht,/
Und auf den Scheiterhaufen das Geſindel,/
Wenn’s unſre Ehre weiß zu brennen gilt,/
Und dieſen Krug hier wieder zu glaſiren./
Siebenter Auftritt.
Adam (im Ornat,
doch ohne Perücke, tritt auf). Die Vorigen.
Adam
(für ſich).
Ei, Evchen. Sieh! Und der vierſchroͤt’ge Schlingel,/
43
Der Ruprecht! Ei, was Teufel, ſieh! die ganze Sipp⸗ſchaft!/
— Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?/ 500
Eve.
O liebſte Mutter, folgt mir, ich beſchwoͤr’ euch,/
Laßt dieſem Ungluͤckszimmer uns entfliehen!/
Adam.
Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die?/
Licht.
Was weiß ich? Laͤrm um nichts; Lappalien./
Es iſt ein Krug zerbrochen worden, hoͤr’ ich./
Adam.
Ein Krug! So! Ei! — Ei, wer zerbrach den Krug?/
Licht.
Wer ihn zerbrochen?
Adam.
Ja, Gevatterchen./
Licht.
Mein Seel, ſetzt euch: ſo werdet ihr’s erfahren./
Adam
(heimlich).
Evchen!
Eve
(gleichfalls).
Geh er.
Adam.
Ein Wort.
44
Eve.
Ich will nichts wiſſen./
Adam.
Was bringt ihr mir?
Eve.
Ich ſag’ ihm, er ſoll gehn./ 510
Adam.
Evchen! Ich bitte dich! Was ſoll mir das bedeuten?/
Eve.
Wenn er nicht gleich —! Ich ſag’s ihm, laß er
mich./
Adam
(zu Licht).
Gevatter, hoͤrt, mein Seel, ich halt’s nicht aus./
Die Wund’ am Schienbein macht mir Uebelkeiten;/
Fuͤhrt ihr die Sach’, ich will zu Bette gehn./
Licht.
Zu Bett —? Ihr wollt —? Ich glaub’, ihr
ſeid
verruͤckt./
Adam.
Der Henker hol’s. Ich muß mich uͤbergeben./
Licht.
Ich glaub, ihr raſ’t, im Ernſt. So eben kommt
ihr —?/
— Meinthalben. Sagt’s dem Herrn Gerichtsrath dort./
Vieleicht erlaubt er’s. — Ich weiß nicht, was euch
fehlt?/ 520
45
Adam
(wieder zu Even).
Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!/
Was iſt’s, das ihr mir bringt?
Eve.
Er wird’s ſchon hoͤren./
Adam.
Iſt’s nur der Krug dort, den die Mutter haͤlt,/
Den ich ſo viel —?
Eve.
Ja, der zerbrochne Krug nur./
Adam.
Und weiter nichts?
Eve.
Nichts weiter.
Adam.
Nichts? Gewiß nichts?/
Eve.
Ich ſag’ ihm, geh er. Laß er mich zufrieden./
Adam.
Hoͤr du, bei Gott, ſei klug, ich rath’ es dir./
Eve.
Er, Unverſchaͤmter!
Adam.
In dem Atteſt ſteht/
Der Nahme jetzt, Fracturſchrift, Ruprecht Tuͤmpel./
Hier trag’ ich’s fix und fertig in der Taſche;/ 530
46
Hoͤrſt du es knackern, Evchen? Sieh, das kannſt du,/
Auf meine Ehr’, heut uͤbers Jahr dir holen./
Dir Trauerſchuͤrz’ und Mieder zuzuſchneiden,/
Wenn’s heißt: der Ruprecht in Batavia/
Krepirt’ — ich weiß, an welchem Fieber nicht,/
War’s gelb, war’s ſcharlach, oder war es faul./
Walter.
Sprecht nicht mit den Parthei’n, Herr Richter
Adam,/
Vor der Seſſion! Hier ſetzt euch, und befragt ſie./
Adam.
Was ſagt er? — Was befehlen Ew. Gnaden?/
Walter.
Was ich befehl’? — Ich ſagte deutlich euch,/ 540
Daß ihr nicht heimlich vor der Sitzung ſollt/
Mit den Parthein zweideut’ge Sprache fuͤhren./
Hier iſt der Platz, der eurem Amt gebuͤhrt,/
Und oͤffentlich Verhoͤr, was ich erwarte./
Adam
(für ſich).
Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entſchließen —!/
— Es klirrte etwas, da ich Abſchied nahm —/
Licht
(ihn aufſchreckend).
Herr Richter! Seid ihr —?
Adam.
Ich? Auf Ehre nicht!/
47
Ich hatte ſie behutſam drauf gehaͤngt,/
Und muͤßt’ ein Ochs geweſen ſein —
Licht.
Was?
Adam.
Was?
Licht.
Ich fragte —?/
Adam.
Ihr fragtet, ob ich —?
Licht.
Ob ihr taub ſeid, fragt’ ich./ 550
Dort Sr. Gnaden haben euch gerufen./
Adam.
Ich glaubte —? Wer ruft?
Licht.
Der Herr Gerichtsrath dort./
Adam
(für ſich).
Ei! Hol’s der Henker auch! Zwei Faͤlle giebt’s,/
Mein Seel, nicht mehr, und wenn’s nicht biegt, ſo
bricht’s./
— Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Ew. Gnaden?/
Soll jetzt die Procedur beginnen?/
Walter.
Ihr ſeid ja ſonderbar zerſtreut. Was fehlt euch?/
48
Adam.
— Auf Ehr’! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,/
Das ich von einem Indienfahrer kaufte,/
Den Pips: ich ſoll es nudeln, und verſteh’s nicht,/ 560
Und fragte dort die Jungfer bloß um Rath./
Ich bin ein Narr in ſolchen Dingen, ſeht,/
Und meine Huͤhner nenn’ ich meine Kinder./
Walter.
Hier. Setzt euch. Ruft den Klaͤger und vernehmt
ihn./
Und ihr, Herr Schreiber, fuͤhrt das Protokoll./
Adam.
Befehlen Ew. Gnaden den Proceß/
Nach den Formalitaͤten, oder ſo,/
Wie er in Huiſum uͤblich iſt, zu halten?/
Walter.
Nach den geſetzlichen Formalitaͤten,/
Wie er in Huiſum uͤblich iſt, nicht anders./ 570
Adam.
Gut, gut. Ich werd’ euch zu bedienen wiſſen./
Seid ihr bereit, Herr Schreiber?
Licht.
Zu euren Dienſten./
Adam.
— So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!/
Klaͤgere trete vor.
49
Frau Marthe.
Hier, Herr Dorfrichter!/
Adam.
Wer ſeyd ihr?
Frau Marthe.
Wer —?
Adam.
Ihr.
Frau Marthe.
Wer ich —?
Adam.
Wer ihr ſeid!/
Wes Namens, Standes, Wohnorts, und ſo weiter./
Frau Marthe.
Ich glaub’, er ſpaßt, Herr Richter.
Adam.
Spaßen, was!/
Ich ſitz’ im Namen der Juſtiz, Frau Marthe,/
Und die Juſtiz muß wiſſen, wer ihr ſeid./
Licht
(halb laut).
Laßt doch die ſonderbare Frag’ —
Frau Marthe.
Ihr guckt/ 580
Mir alle Sonntag in die Fenſter ja,/
Wenn ihr auf’s Vorwerk geht!
50
Walter.
Kennt ihr die Frau?/
Adam.
Sie wohnt hier um die Ecke, Ew. Gnaden,/
Wenn man den Fußſteig durch die Hecken geht;/
Wittw’ eines Kaſtellans, Hebamme jetzt,/
Sonſt eine ehrliche Frau, von gutem Rufe./
Walter.
Wenn ihr ſo unterrichtet ſeid, Herr Richter,/
So ſind dergleichen Fragen uͤberfluͤßig./
Setzt ihren Namen in das Protokoll,/
Und ſchreibt dabei: dem Amte wohlbekannt./ 590
Adam.
Auch das. Ihr ſeid nicht fuͤr Formalitaͤten./
Thut ſo, wie Sr. Gnaden anbefohlen./
Walter.
Fragt nach dem Gegenſtand der Klage jetzt./
Adam.
Jetzt ſoll ich —?
Walter.
Ja, den Gegenſtand ermitteln!/
Adam.
Das iſt gleichfalls ein Krug, verzeiht.
Walter.
Wie? Gleichfalls!/
51
Adam.
Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,/
Und ſchreibt dabei: dem Amte wohlbekannt./
Licht.
Auf meine hingeworfene Vermuthung/
Wollt ihr, Herr Richter —?
Adam.
Mein Seel, wenn ich’s euch
ſage,/
So ſchreibt ihrs hin. Iſt’s nicht ein Krug, Frau
Marthe?/ 600
Frau Marthe.
Ja, hier der Krug —
Adam.
Da habt ihr’s.
Frau Marthe.
Der zerbrochne —/
Adam.
Pedantiſche Bedenklichkeit.
Licht.
Ich bitt’ euch —/
Adam.
Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel —?/
Frau Marthe.
Ja, er, der Schlingel dort —
Adam
(für ſich).
Mehr brauch ich nicht./
52
Ruprecht.
Das iſt nicht wahr, Herr Richter.
Adam
(für ſich).
Auf, aufgelebt, du alter Adam!/
Ruprecht.
Das luͤgt ſie in den Hals hinein —
Adam.
Schweig, Maulaffe!/
Du ſteckſt den Hals noch fruͤh genug in’s Eiſen./
— Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie geſagt,/
Zuſammt dem Namen deſſ’, der ihn zerſchlagen./
Jetzt wird die Sache gleich ermittelt ſein./ 610
Walter.
Herr Richter! Ei! Welch’ ein gewaltſames Ver⸗fahren./
Adam.
Wie ſo?
Licht.
Wollt ihr nicht foͤrmlich —?
Adam.
Nein! ſag’ ich;/
Ihr Gnaden lieben Foͤrmlichkeiten nicht./
Walter.
Wenn ihr die Inſtruction, Herr Richter Adam,/
Nicht des Prozeſſes einzuleiten wißt,/
53
Iſt hier der Ort jetzt nicht, es euch zu lehren./
Wenn ihr Recht anders nicht, als ſo, koͤnnt geben,/
So tretet ab: vielleicht kann’s euer Schreiber./
Adam.
Erlaubt! Ich gab’s, wie’s hier in Huiſum uͤblich;/
Ew. Gnaden haben’s alſo mir befohlen./ 620
Walter.
Ich haͤtt’ —?
Adam.
Auf meine Ehre!
Walter.
Ich befahl euch,/
Recht hier nach den Geſetzen zu ertheilen;/
Und hier in Huiſum glaubt’ ich die Geſetze,/
Wie anderswo in den vereinten Staaten./
Adam.
Da muß ſubmiß ich um Verzeihung bitten!/
Wir haben hier, mit Ew. Erlaubniß,/
Statuten, eigenthuͤmliche, in Huiſum,/
Nicht aufgeſchriebene, muß ich geſtehn, doch durch/
Bewaͤhrte Tradition uns uͤberliefert./
Von dieſer Form, getrau ich mir zu hoffen,/ 630
Bin ich noch heut kein Jota abgewichen./
Doch auch in eurer andern Form bin ich,/
Wie ſie im Reich mag uͤblich ſein, zu Hauſe./
54
Verlangt ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!/
Ich kann Recht ſo jetzt, jetzo ſo ertheilen./
Walter.
Ihr gebt mir ſchlechte Meinungen, Herr Richter./
Es ſei. Ihr fangt von vorn die Sache an. —/
Adam.
Auf Ehr’! Gebt Acht, ihr ſollt zufrieden ſein./
— Frau Marthe Rull! Bringt eure Klage vor./
Frau Marthe.
Ich klag’, ihr wißt’s, hier wegen dieſes Krugs;/ 640
Jedoch vergoͤnnt, daß ich, bevor ich melde/
Was dieſem Krug geſchehen, auch beſchreibe/
Was er vorher mir war.
Adam.
Das Reden iſt an euch./
Frau Marthe.
Seht ihr den Krug, ihr werthgeſchaͤtzten Herren?/
Seht ihr den Krug?
Adam.
O ja, wir ſehen ihn./
Frau Marthe.
Nichts ſeht ihr, mit Verlaub, die Scherben ſeht ihr;/
Der Kruͤge ſchoͤnſter iſt entzwei geſchlagen./
Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,/
Sind die geſammten niederlaͤndiſchen Provinzen/
Dem ſpan’ſchen Philipp uͤbergeben worden./ 650
55
Hier im Ornat ſtand Kaiſer Carl der fuͤnfte:/
Von dem ſeht ihr nur noch die Beine ſtehn./
Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:/
Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil,/
Und auch noch der hat einen Stoß empfangen./
Dort wiſchten ſeine beiden Muhmen ſich,/
Der Franzen und der Ungarn Koͤniginnen,/
Geruͤhrt die Augen aus; wenn man die Eine/
Die Hand noch mit dem Tuch empor ſieht heben,/
So iſt’s, als weinete ſie uͤber ſich./ 660
Hier im Gefolge ſtuͤtzt ſich Philibert,/
Fuͤr den den Stoß der Kaiſer aufgefangen,/
Noch auf das Schwerdt; doch jetzo muͤßt’ er fallen,/
So gut wie Maximilian: der Schlingel!/
Die Schwerdter unten jetzt ſind weggeſchlagen./
Hier in der Mitte, mit der heil’gen Muͤtze,/
Sah man den Erzbiſchof von Arras ſtehn;/
Den hat der Teufel ganz und gar geholt,/
Sein Schatten nur faͤllt lang noch uͤbers Pflaſter./
Hier ſtanden rings, im Grunde, Leibtrabanten,/ 670
Mit Hellebarden, dicht gedraͤngt, und Spießen,/
Hier Haͤuſer, ſeht, vom großen Markt zu Bruͤſſel,/
Hier guckt noch ein Neugier’ger aus dem Fenſter:/
Doch was er jetzo ſieht, das weiß ich nicht./
Adam.
Frau Marth! Erlaßt uns das zerſcherbte Pactum,/
56
Wenn es zur Sache nicht gehoͤrt./
Uns geht das Loch — nichts die Provinzen an,/
Die darauf uͤbergeben worden ſind./
Frau Marthe.
Erlaubt! Wie ſchoͤn der Krug, gehoͤrt zur Sache! —/
Den Krug erbeutete ſich Childerich,/ 680
Der Keſſelflicker, als Oranien/
Briel mit den Waſſergeuſen uͤberrumpelte./
Ihn hatt’ ein Spanier, gefuͤllt mit Wein,/
Juſt an den Mund geſetzt, als Childerich/
Den Spanier von hinten niederwarf,/
Den Krug ergriff, ihn leert’, und weiter ging./
Adam.
Ein wuͤrd’ger Waſſergeuſe.
Frau Marthe.
Hierauf vererbte/
Der Krug auf Fuͤrchtegott, den Todtengraͤber;/
Der trank zu dreimal nur, der Nuͤchterne,/
Und ſtets vermiſcht mit Waſſer aus dem Krug./ 690
Das erſtemal, als er im Sechzigſten/
Ein junges Weib ſich nahm; drei Jahre drauf,/
Als ſie noch gluͤcklich ihn zum Vater machte;/
Und als ſie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,/
Trank er zum drittenmale, als ſie ſtarb./
Adam.
Gut. Das iſt auch nicht uͤbel.
57
Frau Marthe.
Drauf fiel der Krug/
An den Zachaͤus, Schneider in Tirlemont,/
Der meinem ſeel’gen Mann, was ich euch jetzt/
Berichten will, mit eignem Mund erzaͤhlt./
Der warf, als die Franzoſen pluͤnderten,/ 700
Den Krug, ſamt allem Hausrath, aus dem Fenſter,/
Sprang ſelbſt, und brach den Hals, der Ungeſchickte,/
Und dieſer irdne Krug, der Krug von Thon,/
Auf’s Bein kam er zu ſtehen, und blieb ganz./
Adam.
Zur Sache,
wenn’s
beliebt, Frau Marthe Rull!
Zur Sache!/
Frau Marthe.
Drauf in der Feuersbrunſt von Sechs und ſechszig,/
Da hatt’ ihn ſchon mein Mann, Gott hab’ ihn ſelig —/
Adam.
Zum Teufel! Weib! So ſeid ihr noch nicht fertig?/
Frau Marthe.
— Wenn ich nicht reden ſoll, Herr Richter Adam,/
So bin ich unnuͤtz hier, ſo will ich gehn,/ 710
Und ein Gericht mir ſuchen, das mich hoͤrt./
Walter.
Ihr ſollt hier reden: doch von Dingen nicht,/
Die eurer Klage fremd. Wenn ihr uns ſagt,/
58
Daß jener Krug euch werth, ſo wiſſen wir/
So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen./
Frau Marthe.
Wie viel ihr brauchen moͤget, hier zu richten,/
Das
weiß ich nicht, und unterſuch’ es nicht;/
Das
aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,/
Muß vor euch ſagen duͤrfen, uͤber was./
Walter.
Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geſchah dem
Krug?/ 720
Was? — Was geſchah dem Krug im Feuer/
Von Anno ſechs und ſechszig? Wird man’s hoͤren?/
Was iſt dem Krug geſchehn?
Frau Marthe.
Was ihm geſchehen?/
Nichts iſt dem Krug, ich bitt’ euch ſehr, ihr Herren,/
Nichts Anno ſechs und ſechszig ihm geſchehen./
Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,/
Und aus des Hauſes Aſche zog ich ihn/
Hervor, glaſirt, am andern Morgen, glaͤnzend,/
Als kaͤm’ er eben aus dem Toͤpferofen./
Walter.
Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wiſſen/ 730
Wir Alles, was dem Krug geſchehn, was nicht./
Was giebt’s jetzt weiter?
59
Frau Marthe.
Nun dieſen Krug jetzt
ſeht
— den Krug,/
Zertruͤmmert einen Krug noch werth, den Krug/
Fuͤr eines Fraͤuleins Mund, die Lippe ſelbſt,/
Nicht der Frau Erbſtatthalterin zu ſchlecht,/
Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,/
Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen./
Adam.
Wer?
Frau Marthe.
Er, der Ruprecht dort.
Ruprecht.
Das iſt gelogen,/
Herr Richter.
Adam.
Schweig’ er, bis man ihn fragen
wird./
Auch heut an ihn noch wird die Reihe kommen./ 740
— Habt ihr’s im Protocoll bemerkt?
Licht.
O ja./
Adam.
Erzaͤhlt den Hergang, wuͤrdige Frau Marthe./
Frau Marthe.
Es war Uhr eilfe geſtern —
Adam.
Wann, ſagt ihr?/
60
Frau Marthe.
Uhr eilf.
Adam.
Am Morgen!
Frau Marthe.
Nein, verzeiht am Abend,/
Und ſchon die Lamp’ im Bette wollt’ ich loͤſchen,/
Als laute Maͤnnerſtimmen, ein Tumult,/
In meiner Tochter abgelegnen Kammer,/
Als ob der Feind einbraͤche, mich erſchreckt./
Geſchwind’ die Trepp’ eil’ ich hinab, ich finde/
Die Kammerthuͤr gewaltſam eingeſprengt,/ 750
Schimpfreden ſchallen wuͤthend mir entgegen,/
Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte,/
Was find’ ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find’ ich?/
Den Krug find’ ich zerſcherbt im Zimmer liegen,/
In jedem Winkel liegt ein Stuͤck,/
Das Maͤdchen ringt die Haͤnd’, und er der Flaps dort,/
Der trotzt, wie toll, euch in des Zimmers Mitte./
Adam.
Ei, Wetter!
Frau Marthe.
Was?
Adam.
Sieh da, Frau Marthe!
61
Frau Marthe.
Ja! —/
Drauf iſt’s, als ob in ſo gerechtem Zorn,/
Mir noch zehn Arme wuͤchſen, jeglichen/ 760
Fuͤhl’ ich mir wie ein Geier ausgeruͤſtet./
Ihn ſtell’ ich dort zu Rede, was er hier/
In ſpaͤter Nacht zu ſuchen, mir die Kruͤge/
Des Hauſes tobend einzuſchlagen habe:/
Und er, zur Antwort giebt er mir, jetzt rathet?/
Der Unverſchaͤmte! Der Hallunke, der!/
Aufs Rad will ich ihn ſehen, oder mich/
Nicht mehr geduldig auf den Ruͤcken legen:/
Er ſpricht, es hab’ ein Anderer den Krug/
Vom Simſ’ geſtuͤrzt — ein Anderer, ich bitt’ euch,/ 770
Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;/
— Und uͤberhaͤuft mit Schimpf mir da das Maͤdchen./
Adam.
O! faule Fiſche — Hierauf?
Frau Marthe.
Auf dies Wort/
Seh’ ich das Maͤdchen fragend an; die ſteht/
Gleich einer Leiche da, ich ſage: Eve! —/
Sie ſetzt ſich; iſt’s ein Anderer geweſen,/
Frag’ ich? Und Joſeph und Marie, ruft ſie,/
Was denkt ihr Mutter auch? — So ſprich! Wer
war’s?/
62
Wer ſonſt, ſagt ſie, — und wer auch konnt’ es anders?/
Und ſchwoͤrt mir zu, daß er’s geweſen iſt./ 780
Eve.
Was ſchwor ich euch? Was hab’ ich euch geſchwo⸗ren?/
Nichts ſchwor ich, nichts euch —
Frau Marthe.
Eve!
Eve.
Nein! Dies luͤgt ihr. —/
Ruprecht.
Da hoͤrt ihr’s.
Adam.
Hund, jetzt, verfluchter,
ſchweig,/
Soll hier die Fauſt den Rachen dir noch ſtopfen!/
Nachher iſt Zeit fuͤr dich, nicht jetzt./
Frau Marthe.
Du haͤtteſt nicht —?
Eve.
Nein, Mutter! Dies verfaͤlſcht
ihr./
Seht, leid thut’s in der That mir tief zur Seele,/
Daß ich es oͤffentlich erklaͤren muß:/
Doch nichts ſchwor ich, nichts, nichts hab’ ich ge⸗ſchworen./
Adam.
Seid doch vernuͤnftig, Kinder.
63
Licht.
Das iſt ja ſeltſam./ 790
Frau Marthe.
Du haͤtteſt mir, o Eve, nicht verſichert?/
Nicht Joſeph und Marie angerufen?/
Eve.
Beim Schwur nicht! Schwoͤrend nicht! Seht dies jetzt ſchwoͤr’ ich,/
Und Joſeph und Maria ruf ich an./
Adam.
Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht ſie?/
Wie ſchuͤchtert ſie das gute Kind auch ein./
Wenn ſich die Jungfer wird beſonnen haben,/
Erinnert ruhig deſſen, was geſchehen,/
— Ich ſage was geſchehen iſt, und
was,/
Spricht ſie nicht, wie ſie ſoll, geſchehn noch kann:/ 800
Gebt Acht, ſo ſagt ſie heut uns aus, wie geſtern,/
Gleichviel, ob ſie’s beſchwoͤren kann ob nicht./
Laßt Joſeph und Maria aus dem Spiele./
Walter.
Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den/
Partheien ſo zweideut’ge Lehren geben./
Frau Marthe.
Wenn ſie in’s Angeſicht mir ſagen kann,/
Schamlos, die liederliche Dirne, die,/
64
Daß es ein Andrer, als der Ruprecht war,/
So mag meintwegen ſie — ich mag nicht ſagen, was./
Ich aber, ich verſichr’ es euch, Herr Richter,/ 810
Und kann ich gleich nicht,
daß
ſie’s ſchwor, behaupten,/
Daß ſie’s geſagt hat geſtern,
das
beſchwoͤr’ ich,/
Und Joſeph und Maria ruf’ ich an./
Adam.
Nun weiter will ja auch die Jungfer —
Walter.
Herr Richter!/
Adam.
Ew. Gnaden? — Was ſagt er? Nicht, Herzens⸗Evchen?/
Frau Marthe.
Heraus damit! Haſt du’s mir nicht geſagt?/
Haſt du’s mir geſtern nicht, mir nicht geſagt?/
Eve.
Wer laͤugnet euch, daß ich’s geſagt —
Adam.
Da habt ihr’s./
Ruprecht.
Die Metze, die!
Adam.
Schreibt auf.
Veit.
Pfui, ſchaͤm’ ſie ſich./
65
Walter.
Von eurer Auffuͤhrung, Herr Richter Adam,/ 820
Weiß ich nicht, was ich denken ſoll. Wenn ihr ſelbſt/
Den Krug zerſchlagen haͤttet, koͤnntet ihr/
Von euch ab den Verdacht nicht eifriger/
Hinwaͤlzen auf den jungen Mann, als jetzt. —/
Ihr ſetzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber,/
Als nur der Jungfer Eingeſtaͤndniß, hoff’ ich,/
Vom geſtrigen Geſtaͤndniß, nicht vom Facto./
— Iſt’s an die Jungfer jetzt ſchon auszuſagen?/
Adam.
Mein Seel, wenn’s ihre Reihe noch nicht iſt,/
In ſolchen Dingen irrt der Menſch, Ew. Gnaden./ 830
Wen haͤtt’ ich fragen ſollen jetzt? Beklagten?/
Auf Ehr’! Ich nehme gute Lehre an./
Walter.
Wie unbefangen! — Ja, fragt den Beklagten./
Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt’ euch ſehr:/
Dies iſt die letzte Sache, die ihr fuͤhrt./
Adam.
Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!/
Wohin auch, alter Richter, dachteſt du?/
Verflucht, das pips’ge Perlhuhn mir! Daß es/
Krepirt waͤr an der Peſt in Indien!/
Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn./ 840
66
Walter.
Was liegt? Was fuͤr ein Kloß liegt euch —?
Adam.
Der Nudelkloß,/
Verzeiht, den ich dem Huhne geben ſoll./
Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,/
Mein Seel, ſo weiß ich nicht, wie’s werden wird./
Walter.
Thut eure Schuldigkeit, ſag ich, zum Henker!/
Adam.
Beklagter trete vor.
Ruprecht.
Hier, Herr Dorfrichter./
Ruprecht, Veits des Koſſaͤthen Sohn, aus Huiſum./
Adam.
Vernahm er dort, was vor Gericht ſo eben/
Frau Marthe gegen ihn hat angebracht?/
Ruprecht.
Ja, Herr Dorfrichter, das hab’ ich.
Adam.
Getraut er ſich/ 850
Etwas dagegen aufzubringen, was?/
Bekennt er, oder unterfaͤngt er ſich,/
Hier wie ein gottvergeßner Menſch zu laͤugnen?/
Ruprecht.
Was ich dagegen aufzubringen habe,/
67
Herr Richter? Ei! Mit euerer Erlaubniß,/
Daß ſie kein wahres Wort geſprochen hat./
Adam.
So? Und das denkt er zu beweiſen?/
Ruprecht.
O ja.
Adam.
Die wuͤrdige Frau Marthe, die./
Beruhige ſie ſich. Es wird ſich finden./
Walter.
Was geht ihn die Frau Marthe an, Herr Richter?/ 860
Adam.
Was mir —? Bei Gott! Soll ich als Chriſt —?
Walter.
Bericht’/
Er, was er fuͤr ſich anzufuͤhren hat. —/
Herr Schreiber, wißt ihr den Prozeß zu fuͤhren?/
Adam.
Ach, was!
Licht.
Ob ich — ei nun, wenn Ew. Gnaden
—/
Adam.
Was glotzt er da? Was hat er aufzubringen?/
Steht nicht der Eſel, wie ein Ochſe, da?/
Was hat er aufzubringen?
68
Ruprecht.
Was ich aufzubringen?/
Walter.
Er ja, er ſoll den Hergang jetzt erzaͤhlen./
Ruprecht.
Mein Seel’, wenn man zu Wort mich kommen
ließe./
Walter.
S’ iſt in der That, Herr Richter, nicht zu dulden./ 870
Ruprecht.
Glock zehn Uhr mogt’ es etwa ſein zu Nacht, —/
Und warm, juſt dieſe Nacht des Januars/
Wie Mai, als ich zum Vater ſage: Vater!/
Ich will ein Biſſel noch zur Eve gehn./
Denn heuren wollt’ ich ſie,
das
muͤßt ihr wiſſen,/
Ein ruͤſtig Maͤdel iſt’s, ich hab’s beim Erndten/
Geſehn, wo Alles von der Fauſt ihr ging,/
Und ihr das Heu man flog, als wie gemauſ’t./
Da ſagt’ ich: willſt du? Und ſie ſagte: ach!/
Was du da gakelſt. Und nachher ſagt’ ſie, ja./ 880
Adam.
Bleib er bei ſeiner Sache. Gakeln! Was!/
Ich ſagte, willſt du? Und ſie ſagte, ja./
Ruprecht.
Ja, meiner Treu, Herr Richter.
69
Walter.
Weiter! Weiter!
Ruprecht.
Nun —/
Da ſagt’ ich: Vater, hoͤrt er? Laß er mich./
Wir ſchwatzen noch am Fenſter was zuſammen./
Na, ſagt er, lauf; bleibſt du auch draußen, ſagt er?/
Ja, meiner Seel’, ſag’ ich, das iſt geſchworen./
Na, ſagt’ er, lauf, um eilfe biſt du hier./
Adam.
Na, ſo ſag’ du, und gakle, und kein Ende./
Na, hat er bald ſich ausgeſagt?
Ruprecht.
Na, ſag’ ich,/ 890
Das iſt ein Wort, und ſetz’ die Muͤtze auf,/
Und geh; und uͤber’n Steig will ich, und muß/
Durch’s Dorf zuruͤckgehn, weil der Bach geſchwollen./
Ei, alle Wetter, denk’ ich, Ruprecht, Schlag!/
Nun iſt die Gartenthuͤr bei Marthens zu:/
Denn bis um zehn laͤßt’s Maͤdel ſie nur offen,/
Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht./
Adam.
Die liederliche Wirthſchaft, die.
Walter.
Drauf weiter?/
70
Ruprecht.
Drauf — wie ich uͤber’n Lindengang mich naͤh’re,/
Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewoͤlbt,/ 900
Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, ſind,/
Hoͤr’ ich die Gartenthuͤre fernher knarren./
Sieh da! Da iſt die Eve noch! ſag’ ich,/
Und ſchicke freudig euch, von wo die Ohren/
Mir Kundſchaft brachten, meine Augen nach —/
— Und ſchelte ſie, da ſie mir wiederkommen,/
Fuͤr blind, und ſchicke auf der Stelle ſie/
Zum zweitenmal, ſich beſſer umzuſehen,/
Und ſchimpfe ſie nichtswuͤrdige Verlaͤumder,/
Aufhetzer, niedertraͤcht’ge Ohrenblaͤſer,/ 910
Und ſchicke ſie zum drittenmal, und denke,/
Sie werden, weil ſie ihre Pflicht gethan,/
Unwillig los ſich aus dem Kopf mir reißen,/
Und ſich in einen andern Dienſt begeben:/
Die Eve iſt’s, am Latz erkenn ich ſie,/
Und Einer iſt’s noch obenein./
Adam.
So? Einer noch? Und wer, er Klugſchwaͤtzer?/
Ruprecht.
Wer? Ja, mein Seel, da fragt ihr mich —
Adam.
Nun alſo!/
Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen./
71
Walter.
Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!/ 920
Was unterbrecht ihr ihn, Herr Dorfrichter?/
Ruprecht.
Ich kann das Abendmal darauf nicht nehmen,/
Stockfinſter war’s, und alle Katzen grau./
Doch muͤßt ihr wiſſen, daß der Flickſchuſter,/
Der Lebrecht, den man kuͤrzlich losgeſprochen,/
Dem Maͤdel laͤngſt mir auf die Faͤhrte ging./
Ich ſagte vor’gen Herbſt ſchon: Eve, hoͤre,/
Der Schuft ſchleicht mir um’s Haus, das mag ich nicht;/
Sag’ ihm, daß du kein Braten biſt fuͤr ihn,/
Mein Seel’, ſonſt werf ich ihn vom Hof herunter./ 930
Die ſpricht: ich glaub’, du ſchierſt mich, ſagt ihm was,/
Das iſt nicht hin, nicht her, nicht Fiſch, nicht Fleiſch:/
Drauf geh ich hin, und werf’ den Schlingel herunter./
Adam.
So? Lebrecht heißt der Kerl?
Ruprecht.
Ja, Lebrecht.
Adam.
Gut./
Das iſt ein Nam’. Es wird ſich Alles finden./
— Habt ihr’s bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?/
Licht.
O ja, und Alles Andere, Herr Richter./
72
Adam.
Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.
Ruprecht.
Nun ſchießt,/
Da ich Glock eilf das Paͤrchen hier begegne,/
— Glock zehn Uhr zog ich immer ab — das Blatt mir./ 940
Ich denke, halt, jetzt iſt’s noch Zeit, o Ruprecht,/
Noch wachſen dir die Hirſchgeweihe nicht: —/
Hier mußt du ſorgſam dir die Stirn befuͤhlen,/
Ob dir von fern hornartig etwas keimt./
Und druͤcke ſacht mich durch die Gartenpforte,/
Und berg’ in einen Strauch von Taxus mich:/
Und hoͤr euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,/
Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,/
Mein Seel, ich denk’, ich ſoll vor Luſt —
Eve.
Du Boͤſ’wicht!/
Was das, o ſchaͤndlich iſt von dir!
Frau Marthe.
Hallunke!/ 950
Dir weiſ’ ich noch einmal, wenn wir allein ſind,/
Die Zaͤhne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir/
Die Haare wachſen! Du ſollſt’s erfahren!/
Ruprecht.
Ein Viertelſtuͤndchen dauert’s ſo, ich denke,/
Was wird’s doch werden, iſt doch heut nicht Hochzeit?/
73
Und eh’ ich den Gedanken ausgedacht,/
Huſch! ſind ſie beid’ in’s Haus ſchon, vor dem Paſtor./
Eve.
Geht, Mutter, mag es werden, wie es will —/
Adam.
Schweig du mir dort, rath’ ich, das Donnerwetter/
Schlaͤgt uͤber dich ein, unberufne Schwaͤtzerin!/ 960
Wart, bis ich auf zur Red’ dich rufen werde./
Walter.
Sehr ſonderbar, bei Gott!
Ruprecht.
Jetzt hebt, Herr Richter Adam,/
Jetzt hebt ſich’s, wie ein Blutſturz, mir. Luft!/
Da mir der Knopf am
Bruſtlatz
ſpringt: Luft jetzt!/
Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt ſag’ ich!/
Und geh, und druͤck, und tret’ und donnere,/
Da ich der Dirne Thuͤr, verriegelt finde,/
Geſtemmt, mit Macht, auf einen Tritt, ſie ein./
Adam.
Blitzjunge, du!
Ruprecht.
Juſt da ſie auf jetzt raſſelt,/
Stuͤrzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,/ 970
Und huſch! ſpringt Einer aus dem Fenſter euch:/
Ich ſeh die Schoͤße noch vom Rocke wehn./
74
Adam.
War das der Leberecht?
Ruprecht.
Wer ſonſt, Herr Richter?/
Das Maͤdchen ſteht, die werf’ ich uͤber’n Haufen,/
Zum Fenſter eil’ ich hin, und find’ den Kerl/
Noch in den Pfaͤhlen hangen, am Spalier,/
Wo ſich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach./
Und da die Klinke in der Hand mir blieb,/
Als ich die Thuͤr eindonnerte, ſo reiß’ ich/
Jetzt mit dem Stahl Eins pfundſchwer uͤber’n Detz ihm:/ 980
Den juſt, Herr Richter, konnt’ ich noch erreichen./
Adam.
Wars eine Klinke?
Ruprecht.
Was?
Adam.
Ob’s —
Ruprecht.
Ja, die Thuͤrklinke./
Adam.
Darum.
Licht.
Ihr glaubtet wohl, es war ein
Degen?/
Adam.
Ein Degen? Ich — wie ſo?
75
Ruprecht.
Ein Degen!
Licht.
Je nun!/
Man kann ſich wohl verhoͤren. Eine Klinke/
Hat ſehr viel Aehnlichkeit mit einem Degen./
Adam.
Ich glaub’ —!
Licht.
Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr
Richter?/
Adam.
Der Stiel!
Ruprecht.
Der Stiel! Der wars nun aber
nicht./
Der Klinke umgekehrtes Ende war’s./
Adam.
Das umgekehrte Ende war’s der Klinke!/ 990
Licht.
So! So!
Ruprecht.
Doch auf dem Griffe lag ein
Klumpen/
Blei, wie ein Degengriff, das muß ich ſagen./
Adam.
Ja, wie ein Griff.
Licht.
Gut. Wie ein Degengriff./
76
Doch irgend eine tuͤckſche Waffe mußt’ es/
Geweſen ſein. Das wußt’ ich wohl./
Walter.
Zur Sache ſtets, ihr Herrn, doch! Zur Sache!/
Adam.
Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! — Er,
weiter!/
Ruprecht.
Jetzt ſtuͤrzt der Kerl, und ich ſchon will mich wenden,/
Als ich’s im Dunkeln auf ſich rappeln ſehe./
Ich denke, lebſt du noch? und ſteig auf’s Fenſter/ 1000
Und will dem Kerl das Gehen unten legen:/
Als jetzt, ihr Herrn, da ich zum Sprung juſt aushol’,/
Mir eine Handvoll grobgekoͤrnten Sandes —/
— Und Kerl und Nacht und Welt und Fenſterbrett,/
Worauf ich ſteh, denk’ ich nicht, ſtraf mich Gott,/
Das Alles faͤllt in einen Sack zuſammen —/
Wie Hagel, ſtiebend, in die Augen fliegt./
Adam.
Verflucht! Sieh da! Wer that das?
Ruprecht.
Wer? Der Lebrecht./
Adam.
Hallunke!
Ruprecht.
Meiner Treu! Wenn er’s
geweſen./
77
Adam.
Wer ſonſt!
Ruprecht.
Als ſtuͤrzte mich ein
Schloſſenregen/ 1010
Von eines Bergs zehn Klaftern hohen Abhang,/
So ſchlag’ ich jetzt vom Fenſter euch ins Zimmer:/
Ich denk’ ich ſchmettere den Boden ein./
Nun brech’ ich mir den Hals doch nicht, auch nicht/
Das Kreuz mir, Huͤften, oder ſonſt, inzwiſchen/
Konnt’ ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden,/
Und ſitze auf, und wiſche mir die Augen./
Die kommt, und ach, Herr Gott! ruft ſie, und Ru⸗precht!/
Was iſt dir auch? Mein Seel’, ich hob den Fuß,/
Gut war’s,
daß
ich nicht ſah, wohin ich ſtieß./ 1020
Adam.
Kam das vom Sande noch?
Ruprecht.
Vom Sandwurf, ja./
Adam.
Verdammt! Der traf!
Ruprecht.
Da ich jetzt auferſteh’/
Was ſollt’ ich auch die Faͤuſte hier mir ſchaͤnden?/
So ſchimpf’ ich ſie, und ſage liederliche Metze,/
Und denke, das iſt gut genug fuͤr ſie./
78
Doch Thraͤnen, ſeht, erſticken mir die Sprache./
Denn da Frau Marthe jetzt in’s Zimmer tritt,/
Die Lampe hebt, und ich das Maͤdchen dort/
Jetzt ſchlotternd, zum Erbarmen vor mir ſehe,/
Sie, die ſo herzhaft ſonſt wohl um ſich ſah,/ 1030
So ſag’ ich zu mir, blind iſt auch nicht uͤbel./
Ich haͤtte meine Augen hingegeben,/
Knippkuͤgelchen, wer will, damit zu ſpielen./
Eve.
Er iſt nicht werth, der Boͤſ’wicht —
Adam.
Sie ſoll ſchweigen./
Ruprecht.
Das Weitre wißt ihr.
Adam.
Wie, das Weitere?/
Ruprecht.
Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte,/
Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar,/
Und Muhme Suſ’ und Muhme Lieſe kamen,/
Und Knecht und Maͤgd’ und Hund’ und Katzen kamen,/
S’ war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte/ 1040
Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerſchlagen,/
Und die, die ſprach, ihr wißt’s,
daß
ich’s geweſen./
Mein Seel’, ſie hat ſo Unrecht nicht, ihr Herren./
79
Den Krug, den ſie zu Waſſer trug, zerſchlug ich,/
Und der Flickſchuſter hat im Kopf ein Loch. —/
Adam.
Frau Marthe! Was entgegnet ihr der Rede?/
Sagt an!
Frau Marthe.
Was ich der Red entgegene?
Daß ſie, Herr Richter, wie der Marder einbricht,/
Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwuͤrgt./
Was Recht liebt, ſollte zu den Keulen greifen,/ 1050
Um dieſes Ungethuͤm der Nacht zu tilgen./
Adam.
Da wird ſie den Beweis uns fuͤhren muͤſſen./
Frau Marthe.
O ja, ſehr gern. Hier iſt mein Zeuge. — Rede!/
Adam.
Die Tochter? Nein, Frau Marthe.
Walter.
Nein? Warum nicht?/
Adam.
Als Zeuginn, gnaͤd’ger Herr? Steht im Geſetzbuch/
Nicht titulo, iſt’s quarto? oder quinto?/
Wenn Kruͤge oder ſonſt, was weiß ich?/
Von jungen Bengeln ſind zerſchlagen worden,/
So zeugen Toͤchter ihren Muͤttern nicht?/
80
Walter.
In eurem Kopf liegt Wiſſenſchaft
und
Das ›u‹ in ›und‹ ist kopfstehend
montiert.
Irrthum/ 1060
Geknetet, innig, wie ein Teig, zuſammen;/
Mit jedem Schnitte gebt ihr mir von beidem./
Die Jungfer zeugt noch nicht, ſie deklarirt jetzt;/
Ob, und fuͤr wen, ſie zeugen will und kann,/
Wird erſt aus der Erklaͤrung ſich ergeben./
Adam.
Ja, deklariren. Gut. Titulo sexto./
Doch was ſie ſagt, das glaubt man nicht./
Walter.
Tritt vor, mein junges Kind.
Adam.
He! Liſ’ —! — Erlaubt!/
Die Zunge wird ſehr trocken mir — Margrethe!/
Achter Auftritt.
Eine MagdIm Erstdruck gesperrt gedruckt, ebenso wie
›Die Vorigen‹. (tritt auf). Die
Vorigen.
Adam.
Ein Glas mit Waſſer! —
Die Magd.
Gleich!
Adam.
Kann ich euch gleichfalls —!/ 1070
81
Walter.
Ich danke.
Adam.
Franz? oder Moſ’ler? Was ihr
wollt.
Walter (verneigt ſich; die
Magd bringt Waſſer und entfernt ſich.)
Neunter Auftritt.
Walter. Adam. Frau
Marthe u. ſ. w. ohne die Magd.
Adam.
— Wenn ich freimuͤthig reden darf, Ihr Gnaden,/
Die Sache eignet gut ſich zum Vergleich./
Walter.
Sich zum Vergleich? Das iſt nicht klar, Herr Richter./
Vernuͤnft’ge Leute koͤnnen ſich vergleichen;/
Doch wie ihr den Vergleich ſchon
wollt bewirken,/
Da noch durchaus die Sache nicht entworren,/
Das haͤtt’ ich wohl von euch zu hoͤren Luſt./
Wie denkt ihr’s anzuſtellen, ſagt mir an?/
Habt ihr ein Urtheil ſchon gefaßt?
Adam.
Mein Seel!/ 1080
Wenn ich, da das Geſetz im Stich mich laͤßt,/
82
Philoſophie zu Huͤlfe nehmen ſoll,/
So war’s — der Leberecht —
Walter.
Wer?
Adam.
Oder Ruprecht —/
Walter.
Wer?
Adam.
Oder Lebrecht, der den Krug
zerſchlug.
Walter.
Wer alſo war’s? Der Lebrecht oder Ruprecht?/
Ihr greift, ich ſeh, mit eurem Urtheil ein,/
Wie eine Hand in einen Sack voll Erbſen./
Adam.
Erlaubt!
Walter.
Schweigt, ſchweigt, ich bitt’ euch.
Adam.
Wie ihr wollt./
Auf meine Ehr, mir waͤr’s vollkommen recht,/
Wenn ſie es alle beid’ geweſen waͤren./ 1090
Walter.
Fragt dort, ſo werdet ihr’s erfahren.
Adam.
Sehr gern./
83
Doch wenn ihr’s heraus bekommt, bin ich ein Schuft./
— Habt ihr das Protokoll da in Bereitſchaft?/
Licht.
Vollkommen.
Adam.
Gut.
Licht.
Und brech’ ein eignes Blatt
mir,/
Begierig, was darauf zu ſtehen kommt./
Adam.
Ein eignes Blatt? Auch gut.
Walter.
Sprich dort, mein Kind./
Adam.
Sprich, Evchen, hoͤrſt du, ſprich jetzt, Jungfer
Evchen!/
Gieb Gotte, hoͤrſt du, Herzchen, gieb, mein Seel,/
Ihm und der Welt, gieb ihm was von der Wahrheit./
Denk, daß du hier vor Gottes Richtſtuhl biſt,/ 1100
Und
daß
du deinen Richter nicht mit Laͤugnen,/
Und Plappern, was zur Sache nicht gehoͤrt,/
Betruͤben mußt. Ach, was! Du biſt vernuͤnftig./
Ein Richter immer, weißt du, iſt ein Richter,/
Und Einer braucht ihn heut, und Einer morgen./
Sagſt du, daß es der Lebrecht war: nun gut;/
Und ſagſt du, daß es Ruprecht war: auch gut!/
84
Sprich ſo, ſprich ſo, ich bin kein ehrlicher Kerl,/
Es wird ſich Alles, wie du’s wuͤnſcheſt finden./
Willſt du mir hier von einem andern traͤtſchen,/ 1110
Und dritten etwa, dumme Namen nennen:/
Sieh, Kind, nimm dich in Acht, ich ſag’ nichts weiter./
In Huiſum, hol’s der Henker, glaubt dir’s keiner,/
Und Keiner, Evchen, in den Niederlanden,/
Du weißt, die weißen Waͤnde zeugen nicht,/
Der auch wird zu vertheidigen ſich wiſſen:/
Und deinen Ruprecht holt die Schwerenoth!/
Walter.
Wenn ihr doch eure Reden laſſen wolltet./
Geſchwaͤtz, gehauen nicht und nicht geſtochen./
Adam.
Verſtehen’s Ew. Gnaden nicht?
Walter.
Macht fort!/ 1120
Ihr habt zulaͤngſt hier auf dem Stuhl geſprochen./
Adam.
Auf Ehr! Ich habe nicht ſtudirt, Ew. Gnaden./
Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verſtaͤndlich,/
Mit dieſem Volk vielleicht verhaͤlt ſich’s anders:/
Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will./
Frau Marthe.
Was ſoll das? Dreiſt heraus jetzt mit der Sprache!/
85
Eve.
O liebſte Mutter!
Frau Marthe.
Du —! Ich rathe dir!/
Ruprecht.
Mein Seel, ’s iſt ſchwer, Frau Marthe, dreiſt zu
ſprechen,/
Wenn das Gewiſſen an der Kehl’ uns ſitzt./
Adam.
Schweig’ er jetzt, Naſ’weis, muckſ’ er nicht.
Frau Marthe.
Wer war’s?/ 1130
Eve.
O Jeſus!
Frau Marthe.
Maulaffe, der! Der
niedertraͤchtige!/
O Jeſus! Als ob ſie eine Hure waͤre./
War’s der Herr Jeſus?
Adam.
Frau Marthe! Unvernunft!/
Was das fuͤr —! Laß ſie die
Jungfer
doch gewaͤhren!/
Das Kind einſchrecken — Hure — Schaafsgeſicht!/
So wird’s uns nichts. Sie wird ſich ſchon beſinnen./
Ruprecht.
O ja, beſinnen.
86
Adam.
Flaps dort, ſchweig er jetzt./
Ruprecht.
Der Flickſchuſter wird ihr ſchon einfallen./
Adam.
Der Satan! Ruft den Buͤttel! He! Hanfriede!/
Ruprecht.
Nun, nun! Ich ſchweig’, Herr Richter, laßt’s nur
ſein./ 1140
Sie wird euch ſchon auf meinen Nahmen kommen./
Frau Marthe.
Hoͤr du, mach mir hier kein Spektakel, ſag’ ich./
Hoͤr, neun und vierzig bin ich alt geworden/
In Ehren: funfzig moͤcht’ ich gern erleben./
Den dritten Februar iſt mein Geburtstag;/
Heut iſt der erſte. Mach es kurz. Wer war’s?/
Adam.
Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull!/
Frau Marthe.
Der Vater ſprach, als er verſchied: Hoͤr’, Marthe,/
Dem Maͤdel ſchaff mir einen wackern Mann;/
Und wird ſie eine liederliche Metze,/ 1150
So gieb dem Todtengraͤber einen Groſchen,/
Und laß mich wieder auf den Ruͤcken legen:/
Mein Seel, ich glaub ich kehr’ im Grab mich um./
87
Adam.
Nun, das iſt auch nicht uͤbel.
Frau Marthe.
Willſt du Vater/
Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten/
Gebot hoch ehren, gut, ſo
ſprich:
in meine Kammer/
Ließ ich den Schuſter, oder einen dritten,/
Hoͤrſt du? Der Braͤut’gam aber war es nicht./
Ruprecht.
Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt’ euch;/
Ich will’n nach Utrecht tragen. Solch’ ein Krug —./ 1160
Ich wollt’ ich haͤtt’ ihn nur entzwei geſchlagen./
Eve.
Unedelmuͤth’ger, du! Pfui, ſchaͤme dich,/
Daß du nicht ſagſt, gut, ich zerſchlug den Krug!/
Pfui, Ruprecht, pfui, o ſchaͤme dich, daß du/
Mir nicht in meiner That vertrauen kannſt./
Gab’ ich die Hand dir nicht, und ſagte, ja,/
Als du mich fragteſt, Eve, willſt du mich?/
Meinſt du, daß du den Flickſchuſter nicht werth biſt?/
Und haͤtteſt du durch’s Schluͤſſelloch mich mit/
Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken ſehen,/ 1170
Du haͤtteſt denken ſollen: Ev’ iſt brav,/
Es wird ſich alles ihr zum Ruhme loͤſen,/
Und iſt’s im Leben nicht, ſo iſt es jenſeits,/
Und wenn wir auferſtehn iſt auch ein Tag./
88
Ruprecht.
Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen./
Was ich mit Haͤnden greife, glaub’ ich gern./
Eve.
Geſetzt, es waͤr der Leberecht geweſen,/
Warum — des Todes will ich ewig ſterben,/
Haͤtt’ ich’s dir Einzigem nicht gleich vertraut;/
Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht und Maͤgden —/ 1180
Geſetzt, ich haͤtte Grund, es zu verbergen,/
Warum, o Ruprecht, ſprich, warum nicht ſollt’ ich,/
Auf dein Vertraun hin ſagen, daß du’s warſt?/
Warum nicht ſollt’ ich’s? Warum ſollt’ ich’s nicht?/
Ruprecht.
Ei, ſo zum Henker, ſag’s, es iſt mir Recht,/
Wenn du die Fiedel dir erſparen kannſt./
Eve.
O du Abſcheulicher! Du Undankbarer!/
Werth, daß ich mir die Fiedel ſpare! Werth,/
Daß ich mit einem Wort zu Ehren mich,/
Und dich in ewiges Verderben bringe./ 1190
Walter.
Nun —? Und dies einz’ge Wort —? Halt uns
nicht auf./
Der Ruprecht alſo war es nicht?/
Eve.
Nein gnaͤd’ger Herr, weil ers denn ſelbſt ſo will,/
Um ſeinetwillen nur verſchwieg ich es:/
89
Den irdnen Krug zerſchlug der Ruprecht nicht,/
Wenn er’s euch ſelber laͤugnet, koͤnnt ihr’s glauben./
Frau Marthe.
Eve! Der Ruprecht nicht?
Eve.
Nein, Mutter, nein!/
Und wenn ich’s geſtern ſagte, war’s gelogen./
Frau Marthe.
Hoͤr, dir zerſchlag’ ich alle Knochen!/
(ſie ſetzt den Krug nieder).
Eve.
Thut, was ihr wollt.
Walter
(drohend).
Frau Marthe!
Adam.
He! Der Buͤttel! —/ 1200
Schmeißt ſie heraus dort, die verwuͤnſchte Vettel!/
Warum ſoll’s Ruprecht juſt geweſen ſein./
Hat ſie das Licht dabei gehalten, was?/
Die Jungfer, denk’ ich, wird es wiſſen muͤſſen:/
Ich bin ein Schelm, wenn’s nicht der Lebrecht war./
Frau Marthe.
War es der Lebrecht etwa? War’s der Lebrecht?/
Adam.
Sprich, Evchen, war’s der Lebrecht nicht, mein
Herzchen?/
90
Eve.
Er Unverſchaͤmter, er! Er Niedertraͤcht’ger!/
Wie kann er ſagen, daß es Lebrecht —
Walter.
Jungfer!/
Was unterſteht ſie ſich? Iſt das mir der/ 1210
Reſpekt, den ſie dem Richter ſchuldig iſt?/
Eve.
Ei, was! Der Richter dort! Werth, ſelbſt vor dem/
Gericht, ein armer Suͤnder, dazuſtehn —/
— Er, der wohl beſſer weiß, wer es geweſen!/
(ſich zum Dorfrichter wendend:)
Hat er den Lebrecht in die Stadt nicht geſtern/
Geſchickt nach Utrecht, vor die Commiſſion,/
Mit dem Atteſt, die die Rekruten aushebt?/
Wie kann er ſagen, daß es Lebrecht war,/
Wenn er wohl weiß, daß der in Utrecht iſt?/
Adam.
Nun wer denn ſonſt? Wenn’s Lebrecht nicht, zum
Henker —/ 1220
Nicht Ruprecht iſt, nicht Lebrecht iſt — — Was machſt du?/
Ruprecht.
Mein Seel’, Herr Richter Adam, laßt euch ſagen,/
Hierin mag doch die Jungfer juſt nicht luͤgen,/
Dem Lebrecht bin ich ſelbſt begegnet geſtern,/
Als er nach Utrecht ging, fruͤh war’s Glock acht,/
91
Und wenn er auf ein Fuhrwerk ſich nicht lud,/
Hat ſich der Kerl, krumbeinig wie er iſt,/
Glock zehn Uhr Nachts noch nicht zuruͤck gehaspelt./
Es kann ein dritter wohl geweſen ſein./
Adam.
Ach, was! Krumbeinig! Schaafsgeſicht! Der Kerl/ 1230
Geht ſeinen Stiefel, der, trotz Einem./
Ich will von ungeſpaltnem Leibe ſein,/
Wenn nicht ein Schaͤferhund von maͤß’ger Groͤße/
Muß ſeinen Trab gehen, mit ihm fortzukommen./
Walter.
Erzaͤhl’ den Hergang uns.
Adam.
Verzeih’n Ew. Gnaden!/
Hierauf wird euch die Jungfer ſchwerlich dienen./
Walter.
Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht?/
Adam.
Ein twatſches Kind. Ihr ſeht’s. Gut, aber twatſch./
Blutjung, gefirmelt kaum; das ſchaͤmt ſich noch,/
Wenn’s einen Bart von weitem ſieht. So’n Volk/ 1240
Im Finſtern leiden ſie’s, und wenn es Tag wird,/
So laͤugnen ſie’s vor ihrem Richter ab./
Walter.
Ihr ſeid ſehr nachſichtsvoll, Herr Richter Adam,/
Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht./
92
Adam.
Die Wahrheit euch zu ſagen, Herr Gerichtsrath,/
Ihr Vater war ein guter Freund von mir./
Wollen Ew. Gnaden heute huldreich ſein,/
So thun wir hier nicht mehr, als unſre Pflicht,/
Und laſſen ſeine Tochter gehn./
Walter.
Ich ſpuͤre große Luſt in mir, Herr Richter,/ 1250
Der Sache voͤllig auf den Grund zu kommen. —/
Sei dreiſt, mein Kind; ſag, wer den Krug zerſchlagen./
Vor niemand ſtehſt du, in dem Augenblick,/
Der einen Fehltritt nicht verzeihen koͤnnte./
Eve.
Mein lieber, wuͤrdiger und gnaͤd’ger Herr,/
Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzaͤhlen./
Von dieſer Weig’rung denkt uneben nicht./
Es iſt des Himmels wunderbare Fuͤgung,/
Die mir den Mund in dieſer Sache ſchließt./
Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich/ 1260
Mit einem Eid, wenn ihr’s verlangt,/
Auf heiligem Altar bekraͤftigen./
Jedoch die geſtrige Begebenheit,/
Mit jedem andern Zuge, iſt mein eigen,/
Und nicht das ganze Garnſtuͤck kann die Mutter,/
Um eines einz’gen Fadens willen, fordern,/
Der, ihr gehoͤrig, durch’s Gewebe laͤuft./
93
Ich kann hier, wer den Krug zerſchlug, nicht melden,/
Geheimniſſe, die nicht mein Eigenthum,/
Muͤßt’ ich, dem Kruge voͤllig fremd, beruͤhren./ 1270
Fruͤh oder ſpaͤt, will ich’s ihr anvertrauen,/
Doch hier das Tribunal iſt nicht der Ort,/
Wo ſie das Recht hat, mich darnach zu fragen./
Adam.
Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht./
Die Jungfer weiß, wo unſre Zaͤume haͤngen./
Wenn ſie den Eid hier vor Gericht will ſchwoͤren,/
So faͤllt der Mutter Klage weg:/
Dagegen iſt nichts weiter einzuwenden./
Walter.
Was ſagt zu der Erklaͤrung ſie, Frau Marthe?/
Frau Marthe.
Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring’,/ 1280
Geſtrenger Herr, ſo glaubt, ich bitt’ euch ſehr,/
Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge laͤhmte./
Beiſpiele giebts, daß ein verlohrner Menſch,/
Um vor der Welt zu Ehren ſich zu bringen,/
Den Meineid vor dem Richterſtuhle wagt; doch daß/
Ein falſcher Eid ſich ſchwoͤren kann, auf heil’gem/
Altar, um an den Pranger hinzukommen,/
Das heut erfaͤhrt die Welt zum erſtenmal./
Waͤr’, daß ein Andrer, als der Ruprecht ſich/
In ihre Kammer geſtern ſchlich, gegruͤndet,/ 1290
94
Waͤr’s uͤberall nur moͤglich, gnaͤd’ger Herr,/
Verſteht mich wohl, — ſo ſaͤumt ich hier nicht laͤnger./
Den Stuhl ſetzt’ ich, zur erſten Einrichtung,/
Ihr vor die Thuͤr’, und ſagte, geh, mein Kind,/
Die Welt iſt weit, da zahlſt du keine Miethe,/
Und lange Haare haſt du auch geerbt,/
Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rath, kannſt haͤngen./
Walter.
Ruhig, ruhig, Frau Marthe.
Frau Marthe.
Da ich jedoch/
Hier den Beweis noch anders fuͤhren kann,/
Als bloß durch ſie, die dieſen Dienſt mir weigert,/ 1300
Und uͤberzeugt bin voͤllig, daß nur er/
Mir, und kein Anderer den Krug zerſchlug,/
So bringt die Luſt, es kurz hin abzuſchwoͤren,/
Mich noch auf einen ſchaͤndlichen Verdacht./
Die Nacht von geſtern birgt ein anderes/
Verbrechen noch, als bloß die Krugverwuͤſtung./
Ich muß euch ſagen, gnaͤd’ger Herr, daß Ruprecht/
Zur Conſcription gehoͤrt, in wenig Tagen/
Soll er den Eid zur Fahn’ in Utrecht ſchwoͤren./
Die jungen Landesſoͤhne reißen aus./ 1310
Geſetzt, er haͤtte geſtern Nacht geſagt:/
Was meinſt du, Evchen? Komm. Die Welt iſt groß./
95
Zu Kiſt’ und Kaſten haſt du ja die Schluͤſſel —/
Und ſie, ſie haͤtt’ ein wenig ſich geſperrt:/
So haͤtte ohngefaͤhr, da ich ſie ſtoͤrte,/
— Bei ihm aus Rach’, aus Liebe noch bei ihr —/
Der Reſt, ſo wie geſchehn, erfolgen koͤnnen./
Ruprecht.
Das Rabenaas! Was das fuͤr Reden ſind!/
Zu Kiſt’ und Kaſten —
Walter.
Still!
Eve.
Er, austreten!/
Walter.
Zur Sache hier. Vom Krug iſt hier die Rede. —/ 1320
Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach!/
Frau Marthe.
Gut, gnaͤd’ger Herr. Erſt will ich hier beweiſen,/
Daß Ruprecht mir den Krug zerſchlug,/
Und dann will ich im Hauſe unterſuchen. —/
Seht eine Zunge, die mir Zeugniß redet,/
Bring’ ich fuͤr jedes Wort auf, das er ſagte,/
Und haͤtt’ in Reihen gleich ſie aufgefuͤhrt,/
Wenn ich von fern geahndet nur, daß dieſe/
Die ihrige fuͤr mich nicht brauchen wuͤrde./
Doch wenn ihr Frau Brigitte jetzo ruft,/ 1330
Die ihm die Muhm’ iſt, ſo genuͤgt mir die,/
96
Weil die den Hauptpunkt juſt beſtreiten wird./
Denn die, die hat Glock halb auf eilf im Garten,/
Merkt wohl, bevor der Krug zertruͤmmert worden,/
Wortwechſelnd mit der Ev’ ihn ſchon getroffen;/
Und wie die Fabel, die er aufgeſtellt,/
Vom Kopf zu Fuß dadurch geſpalten wird,/
Durch dieſe einz’ge Zung’, ihr hohen Richter,/
Das uͤberlaß’ ich ſelbſt euch einzuſehn./
Ruprecht.
Wer hat mich —?
Veit.
Schweſter Briggy?
Ruprecht.
Mich mit Ev’? Im Garten?/ 1340
Frau Marthe.
Ihn mit der Ev’, im Garten, Glock halb eilf,/
Bevor er noch, wie er geſchwaͤtzt, um eilf/
Das Zimmer uͤberrumpelnd eingeſprengt:/
Im Wortgewechſel, koſend bald, bald zerrend,/
Als wollt’ er ſie zu etwas uͤberreden./
Adam
(für ſich).
Verflucht! Der Teufel iſt mir gut./
Walter.
Schafft dieſe Frau herbei.
97
Ruprecht.
Ihr Herrn, ich bitt’ euch:/
Das iſt kein wahres Wort, das iſt nicht moͤglich./
Adam.
O wart, Hallunke! — He! Der Buͤttel! Han⸗fried! —/
Denn auf der Flucht zerſchlagen ſich die Kruͤge —/ 1350
— Herr Schreiber, geht, ſchafft Frau Brigitt’ herbei!/
Veit.
Hoͤr, du verfluchter Schlingel, du, was machſt du?/
Dir brech ich alle Knochen noch.
Ruprecht.
Weshalb auch?/
Veit.
Warum verſchwiegſt du, daß du mit der Dirne/
Glock halb auf eilf im Garten ſchon ſcharwenzt?/
Warum verſchwiegſt du’s?
Ruprecht.
Warum ich’s verſchwieg?/
Gott’s Schlag und Donner, weil’s nicht wahr iſt, Vater!/
Wenn das die Muhme Briggy zeugt, ſo haͤngt mich./
Und bei den Beinen ſie meinthalb dazu./
Veit.
Wenn aber ſie’s bezeugt — nimm dich in Acht!/ 1360
Du und die ſaub’re Jungfer Eve dort,/
Wie ihr auch vor Gericht euch ſtellt, ihr ſteckt/
98
Doch unter einer Decke noch. S’ iſt irgend/
Ein ſchaͤndliches Geheimniß noch, von dem/
Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts ſagt./
Ruprecht.
Geheimniß! Welches?
Veit.
Warum haſt du eingepackt?/
He? Warum haſt du geſtern Abend eingepackt?/
Ruprecht.
Die Sachen?
Veit.
Roͤcke, Hoſen, ja, und
Waͤſche;/
Ein Buͤndel, wie’s ein Reiſender juſt auf/
Die Schultern wirft?
Ruprecht.
Weil ich nach Utrecht ſoll!/ 1370
Weil ich zum Regiment ſoll! Himmel⸗Donner —!/
Glaubt er, daß ich —?
Veit.
Nach Utrecht? Ja, nach
Utrecht!/
Du haſt geeilt, nach Utrecht hinzukommen!/
Vorgeſtern wußteſt du noch nicht, ob du/
Den fuͤnften oder ſechſten Tag wirſt reiſen./
Walter.
Weiß er zur Sache was zu melden, Vater?/
99
Veit.
— Geſtrenger Herr, ich will noch nichts behaupten./
Ich war daheim, als ſich der Krug zerſchlug,/
Und auch von einer andern Unternehmung/
Hab’ ich, die Wahrheit
zu geſtehn,
noch nichts,/ 1380
Wenn ich jedweden Umſtand wohl erwaͤge,/
Das meinen Sohn verdaͤchtig macht, bemerkt./
Von ſeiner Unſchuld voͤllig uͤberzeugt,/
Kam ich hieher, nach abgemachtem Streit/
Sein ehelich Verloͤbniß aufzuloͤſen,/
Und ihm das Silberkettlein einzufordern,/
Zuſamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer/
Bei dem Verloͤbniß vor’gen Herbſt verehrt./
Wenn jetzt von Flucht was, und Verraͤtherei/
An meinem grauen Haar zu Tage kommt,/ 1390
So iſt mir das ſo neu, ihr Herrn, als euch:/
Doch dann der Teufel ſoll den Hals ihm brechen./
Walter.
Schafft Frau Brigitt’ herbei, Herr Richter Adam./
Adam.
— Wird Ew. Gnaden dieſe Sache nicht/
Ermuͤden? Sie zieht ſich in die Laͤnge./
Ew. Gnaden haben meine Kaſſen noch,/
Und die Regiſtratur — Was iſt die Glocke?/
Licht.
Es ſchlug ſo eben halb.
100
Adam.
Auf eilf!
Licht.
Verzeiht, auf zwoͤlfe./
Walter.
Gleichviel.
Adam.
Ich glaub’, die Zeit iſt, oder ihr
verruͤckt./
(er ſieht nach der Uhr)
Ich bin kein ehrlicher Mann. — Ja, was befehlt ihr?/ 1400
Walter.
Ich bin der Meinung —
Adam.
Abzuſchließen? Gut —!/
Walter.
Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren./
Adam.
Ihr ſeid der Meinung — Auch gut. Sonſt wuͤrd’
ich/
Auf Ehre, morgen fruͤh, Glock neun, die Sache,/
Zu euerer Zufriedenheit beend’gen./
Walter.
Ihr wißt um meinen Willen.
Adam.
Wie ihr befehlt./
101
Herr Schreiber, ſchickt die Buͤttel ab; ſie ſollen/
Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden./
Walter.
Und nehmt euch — Zeit, die mir viel werth, zu ſparen —/
Gefaͤlligſt ſelbſt der Sach’ ein wenig an./ 1410
(Licht ab).
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen (ohne)
Licht. (Späterhin) Einige Maͤgde.
Adam
(aufſtehend).
Inzwiſchen koͤnnte man, wenn’s ſo gefaͤllig,/
Vom Sitze ſich ein wenig luͤften —?
Walter.
Hm! O ja./
Was ich ſagen wollt’ —
Adam.
Erlaubt ihr gleichfalls,/
Daß die Parthei’n, bis Frau Brigitt’ erſcheint —?/
Walter.
Was? Die Parthei’n?
Adam.
Ja, vor die Thuͤr, wenn ihr —/
102
Walter
(für ſich).
Verwuͤnſcht!
(laut.)
Herr Richter Adam, wißt ihr
was?/
Gebt ein Glas Wein mir in der Zwiſchenzeit./
Adam.
Von ganzem Herzen gern. He! Margarethe!/
Ihr macht mich gluͤcklich, gnaͤd’ger Herr. — Margrethe!/
(Die Magd tritt auf.)
Die Magd.
Hier.
Adam.
Was befehlt ihr? — Tretet ab, ihr
Leute./ 1420
Franz? — Auf
dem
emendiert in ›den‹
Diese Kasus-Vertauschung findet sich oft bei Kleist und wird
hier nicht emendiert.
Vorſaal draußen. — Oder Rhein?/
Walter.
Von unſerm Rhein.
Adam.
Gut. — Bis ich rufe. Marſch!/
Walter.
Wohin?
Adam.
Geh, vom Verſiegelten, Margrethe.
—/
Was? Auf den Flur bloß draußen. — Hier. — Der Schluͤſſel./
Walter.
Hm! Bleibt.
103
Adam.
Fort! Marſch, ſag ich! — Geh,
Margarethe!/
Und Butter, friſch geſtampft, Kaͤſ’ auch aus Limburg,/
Und von der fetten pommerſchen Raͤuchergans./
Walter.
Halt! Einen Augenblick! Macht nicht ſo viel/
Umſtaͤnd’ ich bitt euch ſehr, Herr Richter.
Adam.
Schert/
Zum Teufel euch, ſag’ ich! Thu, wie ich ſagte./ 1430
Walter.
Schickt ihr die Leute fort, Herr Richter?
Adam.
Ew. Gnaden?/
Walter.
Ob ihr —?
Adam.
Sie treten ab, wenn ihr
erlaubt./
Bloß ab, bis Frau Brigitt’ erſcheint./
Wie, oder ſoll’s nicht etwa —?
Walter.
Hm! Wie ihr wollt./
Doch ob’s der Muͤhe ſich verlohnen wird?/
Meint ihr, daß es ſo lange Zeit wird waͤhren,/
Bis man im Ort ſie trifft?
104
Adam.
S’ iſt heute Holztag,/
Geſtrenger Herr. Die Weiber groͤßtentheils/
Sind in den Fichten, Straͤucher einzuſammeln./
Es koͤnnte leicht —
Ruprecht.
Die Muhme iſt zu Hauſe./ 1440
Walter.
Zu Hauſ’. Laßt ſein.
Ruprecht.
Die wird ſogleich erſcheinen./
Walter.
Die wird uns gleich erſcheinen. Schafft den Wein./
Adam
(für ſich).
Verflucht!
Walter.
Macht fort. Doch nichts zum Imbiß,
bitt ich,/
Als ein Stuͤck trocknen Brodes nur, und Salz./
Adam
(für ſich).
Zwei Augenblicke mit der Dirn’ allein —/
(laut).
Ach trocknes Brod! Was! Salz! Geht doch.
Walter.
Gewiß./
105
Adam.
Ei, ein Stuͤck Kaͤſ’ aus Limburg — mindſtens Kaͤſe —/
Macht erſt geſchickt die Zunge, Wein zu
ſchmecken.
/
Walter.
Gut. Ein Stuͤck Kaͤſe denn, doch weiter nichts./
Adam.
So geh. Und weiß, von Damaſt, aufgedeckt./ 1450
Schlecht alles zwar, doch recht.
(Die Magd ab).
Das iſt der Vortheil/
Von uns verrufnen hageſtolzen Leuten,/
Daß wir, was Andre knapp und kummervoll,/
Mit Weib und Kindern taͤglich theilen muͤſſen,/
Mit einem Freunde zur gelegnen Stunde,/
Vollauf genießen.
Walter.
Was ich ſagen wollte —/
Wie kamt ihr doch zu eurer Wund’, Herr Richter?/
Das iſt ein boͤſes Loch, fuͤrwahr, im Kopf, das!/
Adam.
— Ich fiel.
Walter.
Ihr fielt. Hm! So. Wann? Geſtern
Abend?/
Adam.
Heut, Glock halb ſechs, verzeiht, am Morgen, fruͤh,/ 1460
Da ich ſo eben aus dem Bette ſtieg./
106
Walter.
Woruͤber?
Adam.
Ueber — gnaͤd’ger Herr
Gerichtsrath,/
Die Wahrheit euch zu ſagen, uͤber mich./
Ich ſchlug euch haͤuptlings an den Ofen nieder,/
Bis dieſe Stunde weiß ich nicht, warum?/
Walter.
Von hinten?
Adam.
Wie? Von hinten —
Walter.
Oder vorn?/
Ihr habt zwo Wunden, vorne ein’ und hinten./
Adam.
Von vorn und hinten. —
Margarethe!
Die beiden Maͤgde
(mit Wein u. ſ. w. Sie decken auf, und gehen wieder ab.)
Walter.
Wie?/
Adam.
Erſt ſo, dann ſo. Erſt auf die Ofenkante,/
Die vorn die Stirn mir einſtieß, und ſodann/ 1470
Vom Ofen ruͤckwaͤrts auf den Boden wieder,/
Wo ich mir noch den Hinterkopf zerſchlug./
(Er ſchenkt ein.)
Iſt’s euch gefaͤllig?
107
Walter
(nimmt das Glas).
Haͤttet ihr ein Weib,/
So wuͤrd’ ich wunderliche Dinge glauben,/
Herr Richter.
Adam.
Wie ſo?
Walter.
Ja, bei meiner Treu,/
So rings ſeh’ ich zerkritzt euch und zerkratzt./
Adam
(lacht).
Nein,
Gott
ſei Dank! Fraunnaͤgel ſind es nicht./
Walter.
Glaub’s. Auch ein Vortheil noch der Hageſtolzen./
Adam
(fortlachend).
Strauchwerk, fuͤr Seidenwuͤrmer, das man trock⸗nend/
Mir an dem Ofenwinkel aufgeſetzt. —/ 1480
Auf euer Wohlergehn!
(Sie trinken.)
Walter.
Und grad’ auch heut/
Noch die Peruͤcke ſeltſam einzubuͤßen!/
Die haͤtt’ euch eure Wunde noch bedeckt./
Adam.
Ja, ja. Jedwedes Uebel iſt ein Zwilling. —/
Hier — von dem fetten jetzt — kann ich —?
108
Walter.
Ein Stuͤckchen./
Aus Limburg?
Adam.
Rect’ aus Limburg, gnaͤd’ger
Herr./
Walter.
— Wie Teufel aber, ſagt mir, ging das zu?/
Adam.
Was?
Walter.
Daß ihr die Peruͤcke
eingebuͤßt./
Adam.
Ja
liest ›Ja,‹
liest ›Ja,‹
ſeht. Ich ſitz’ und leſe geſtern Abend/
Ein Actenſtuͤck, und weil ich mir die Brille/ 1490
Verlegt, duck’ ich ſo tief mich in den Streit,/
Daß bei der Kerze Flamme lichterloh/
Mir die Peruͤcke angeht. Ich, ich denke,/
Feu’r faͤllt vom Himmel auf mein ſuͤndig Haupt,/
Und greife ſie, und will ſie von mir werfen;/
Doch eh ich noch das Nackenband geloͤßt,/
Brennt ſie wie Sodom und Gomorrha ſchon./
Kaum daß ich die drei Haare noch mir rette./
Walter.
Verwuͤnſcht! Und eure andre iſt in der Stadt./
Adam.
Bei dem Peruͤckenmacher. — Doch zur Sache./ 1500
109
Walter.
Nicht allzuraſch, ich bitt’, Herr Richter Adam./
Adam.
Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Glaͤschen hier./
(er ſchenkt ein).
Walter.
Der Lebrecht — wenn der Kauz dort wahr geſpro⸗chen —/
Er auch hat einen boͤſen Fall gethan./
Adam.
Auf meine Ehr’ (er trinkt).
Walter.
Wenn hier die Sache,/
Wie ich faſt fuͤrchte, unentworren bleibt,/
So werdet ihr, in eurem Ort, den Thaͤter/
Leicht noch aus ſeiner Wund’ entdecken koͤnnen./
(er trinkt).
Nierſteiner?
Adam.
Was?
Walter.
Oder guter Oppenheimer?/
Adam.
Nierſtein. Sieh da! Auf Ehre! Ihr verſteht’s./ 1510
Aus Nierſtein, gnaͤd’ger Herr, als haͤtt’ ich ihn ge⸗holt./
110
Walter.
Ich pruͤft’ ihn, vor drei Jahren, an der Kelter./
Adam
(ſchenkt wieder ein).
Walter.
— Wie hoch iſt euer Fenſter — dort! Frau Marthe./
Frau Marthe.
Mein Fenſter?
Walter.
Das Fenſter jener Kammer ja,/
Worin die Jungfer ſchlaͤft?
Frau Marthe.
Die Kammer zwar/
Iſt nur vom erſten Stock, ein Keller drunter,/
Mehr als neun Fuß das Fenſter nicht vom Boden;/
Jedoch die ganze, wohlerwogene/
Gelegenheit ſehr ungeſchickt zum Springen./
Denn auf zwei Fuß ſteht von der Wand ein Weinſtock,/ 1520
Der ſeine knot’gen Aeſte rankend hin/
Durch ein Spalier treibt, laͤngs der ganzen Wand:/
Das Fenſter ſelbſt iſt noch davon umſtrickt./
Es wuͤrd’ ein Eber, ein gewaffneter,/
Muͤh mit den Faͤngern haben, durchzubrechen./
Adam.
Es hing auch keiner drin.
(er ſchenkt ſich ein).
Walter.
Meint ihr?
111
Adam.
Ach, geht!/
(er trinkt).
Walter
(zu Ruprecht).
Wie traf er denn den Suͤnder? Auf den Kopf?/
Adam.
Hier.
Walter.
Laßt.
Adam.
Gebt her.
Walter.
S’ iſt halb noch voll.
Adam.
Wills fuͤllen./
Walter.
Ihr hoͤrt’s.
Adam.
Ei, fuͤr die gute Zahl.
Walter.
Ich bitt’ euch./
Adam.
Ach, was! Nach der Pythagoraͤer⸗Regel./ 1530
(er ſchenkt ihm ein).
Walter
(wieder zu Ruprecht).
Wie oft traf er dem Suͤnder denn den Kopf?/
112
Adam.
Eins iſt der Herr. Zwei iſt das finſtre Chaos;/
Drei iſt die Welt. Drei Glaͤſer lob’ ich mir./
Im dritten trinkt man mit den Tropfen Sonnen,/
Und Firmamente mit den uͤbrigen./
Walter.
Wie oftmals auf den Kopf traf er den Suͤnder?/
Er, Ruprecht, ihn dort frag’ ich!
Adam.
Wird man’s hoͤren?/
Wie oft trafſt du den Suͤndenbock? Na, heraus!/
Gott’s
Blitz,
ſeht, weiß der Kerl wohl ſelbſt, ob er —/
Vergaßt du’s?
Ruprecht.
Mit der Klinke?
Adam.
Ja, was weiß ich./ 1540
Walter.
Vom Fenſter, als er nach ihm herunter hieb?/
Ruprecht.
Zweimal, ihr Herrn.
Adam.
Hallunke! das behielt er!/
(er trinkt).
113
Walter.
Zweimal! Er
konnt’
ihn mit zwei ſolchen Hieben/
Erſchlagen, weiß er —?
Ruprecht.
Haͤtt’ ich ihn erſchlagen,/
So haͤtt’ ich ihn. Es waͤr mir grade recht./
Laͤg’ er hier vor mir, todt, ſo koͤnnt’ ich ſagen,/
Der war’s, ihr Herrn, ich hab euch nicht belogen./
Adam.
Ja, todt! das glaub’ ich. Aber ſo —/
(er ſchenkt ein).
Walter.
Konnt’ er ihn denn im dunkeln nicht erkennen?/
Ruprecht.
Nicht einen Stich, geſtrenger Herr. Wie ſollt ich?/ 1550
Adam.
Warum ſperrt’ſt du nicht die Augen auf — Stoßt an!/
Ruprecht.
Die Augen auf! Ich hatt’ ſie aufgeſperrt./
Der Satan warf ſie mir voll Sand.
Adam
(in den Bart).
Voll Sand, ja!/
Warum ſperrt’ſt du deine großen Augen auf./
— Hier. Was wir lieben, gnaͤd’ger Herr! Stoßt an!/
114
Walter.
— Was recht und gut und treu iſt, Richter Adam!/
(ſie trinken).
Adam.
Nun denn, zum Schluß jetzt, wenns gefaͤllig iſt./
(er ſchenkt ein).
Walter.
Ihr ſeid zuweilen bei Frau Marthe wohl,/
Herr Richter Adam. Sagt mir doch,/
Wer, außer Ruprecht, geht dort aus und ein./ 1560
Adam.
Nicht allzuoft, geſtrenger Herr, verzeiht./
Wer aus und eingeht, kann ich euch nicht ſagen./
Walter.
Wie? Solltet ihr die Wittwe nicht zuweilen/
Von eurem ſeel’gen Freund beſuchen?/
Adam.
Nein, in der That, ſehr ſelten nur.
Walter.
Frau Marthe!/
Habt ihr’s mit Richter Adam hier verdorben?/
Er ſagt, er ſpraͤche nicht mehr bei euch ein?/
Frau Marthe.
Hm! Gnaͤd’ger Herr, verdorben? Das juſt nicht./
Ich denk er nennt mein guter Freund ſich noch./
Doch daß ich oft in meinem Hauſ’ ihn ſaͤhe,/ 1570
115
Das vom Herrn Vetter kann ich juſt nicht ruͤhmen./
Neun Wochen ſind’s, daß er’s zuletzt betrat,/
Und auch nur da noch im Voruͤbergehn./
Walter.
Wie ſagt ihr?
Frau Marthe.
Was?
Walter.
Neun Wochen waͤren’s —?
Frau Marthe.
Neun,/
Ja — Donnerſtag ſind’s zehn. Er bat ſich Saamen/
Bei mir, von Nelken und Aurikeln aus./
Walter.
Und — Sontags — wenn er auf das Vorwerk geht —?/
Frau Marthe.
Ja, da — da gukt er mir in’s Fenſter wohl,/
Und ſaget guten Tag zu mir und meiner Tochter;/
Doch dann ſo geht er wieder ſeiner Wege./ 1580
Walter
(für ſich).
Hm! Sollt ich auch dem Manne wohl —
(er trinkt).
Ich glaubte,/
Weil ihr die Jungfer Muhme dort zuweilen/
116
In eurer Wirthſchaft braucht, ſo wuͤrdet ihr/
Zu Dank die Mutter dann und wann beſuchen./
Adam.
Wie ſo, geſtrenger Herr?
Walter.
Wie ſo? Ihr ſagtet,/
Die Jungfer helfe euren Huͤhnern auf,/
Die euch im Hof erkranken. Hat ſie nicht/
Noch heut in dieſer Sach’ euch Rath ertheilt?/
Frau Marthe.
Ja, allerdings, geſtrenger Herr, das thut ſie./
Vorgeſtern ſchickt’ er ihr ein krankes Perlhuhn/ 1590
Ins Haus, das ſchon den Tod im Leibe hatte./
Vorm Jahr rettete ſie ihm eins vom Pips,/
Und dies auch wird ſie mit der Nudel heilen:/
Jedoch zum Dank iſt er noch nicht erſchienen./
Walter
(verwirrt).
— Schenkt ein, Herr Richter Adam, ſeid ſo gut./
Schenkt gleich mir ein. Wir wollen eins noch trinken./
Adam.
Zu eurem Dienſt. Ihr macht mich gluͤcklich. Hier./
(er ſchenkt ein).
Walter.
Auf euer Wohlergehn! — Der Richter Adam,/
Er wird fruͤh oder ſpaͤt ſchon kommen.
117
Frau Marthe.
Meint ihr? Ich zweifle./
Koͤnnt’ ich Nierſteiner, ſolchen, wie ihr trinkt,/ 1600
Und wie mein ſeel’ger Mann, der Caſtellan,/
Wohl auch, von Zeit zu Zeit, im Keller hatte,/
Vorſetzen dem Herrn Vetter, waͤr’s was anders:/
Doch ſo beſitz’ ich nichts, ich arme Wittwe,/
In meinem Hauſe, das ihn lockt./
Walter.
Um ſo viel beſſer.
Eilfter Auftritt.
Licht. Frau
Brigitte (mit einer Perücke in der Hand).
Die Maͤgde. Die Vorigen.
Licht.
Hier, Frau Brigitte, herein./
Walter.
Iſt das die Frau, Herr Schreiber Licht?/
Licht.
Das iſt die Frau Brigitte, Ew. Gnaden./
Walter.
Nun denn, ſo laßt die Sach’ uns jetzt beſchließen./
Nehmt ab, ihr Maͤgde. Hier.
(Die Maͤgde mit Gläſern u. ſ. w. ab).
118
Adam
(während deſſen).
Nun, Evchen, hoͤre,/ 1610
Dreh du mir deine Pille ordentlich,/
Wie ſich’s gehoͤrt, ſo ſprech ich heute Abend/
Auf ein Gericht Karauſchen bei euch ein./
Dem Luder muß ſie ganz jetzt durch die Gurgel,/
Iſt ſie zu groß, ſo mag’s den Tod dran freſſen./
Walter
(erblickt die Perücke).
Was bringt uns Frau Brigitte dort fuͤr eine/
Peruͤcke?
Licht.
Gnaͤd’ger Herr?
Walter.
Was jene Frau uns dort fuͤr
eine/
Peruͤcke bringt?
Licht.
Hm!
Walter.
Was?
Licht.
Verzeiht —/
Walter.
Werd ich’s erfahren?
Licht.
Wenn Ew. Gnaden guͤtigſt/
Die Frau, durch den Herrn Richter fragen wollen,/ 1620
119
So wird, wem die Peruͤcke angehoͤrt,/
Sich, und das Weitre, zweifl’ ich nicht ergeben./
Walter.
— Ich will nicht wiſſen, wem ſie angehoͤrt./
Wie kam die Frau dazu? Wo fand ſie ſie?/
Licht.
Die Frau fand die Peruͤcke im Spalier/
Bei Frau Margrethe Rull. Sie hing geſpießt,/
Gleich einem Neſt, im Kreuzgeflecht des Weinſtocks,/
Dicht unterm Fenſter, wo die Jungfer ſchlaͤft./
Frau Marthe.
Was? Bei mir? Im Spalier?
Walter
(heimlich).
Herr Richter Adam,/
Habt ihr mir etwas zu vertraun,/ 1630
So bitt’ ich, um die Ehre des Gerichtes,/
Ihr ſeid ſo gut, und ſagt mir’s an./
Adam.
Ich euch —?
Walter.
Nicht? Habt ihr nicht —?
Adam.
Auf meine Ehre —/
(er ergreift die Perücke).
Walter.
Hier die Peruͤcke iſt die eure nicht?/
120
Adam.
Hier die Peruͤck’ ihr Herren, iſt die meine!/
Das iſt, Blitz⸗Element, die nemliche,/
Die ich dem Burſchen vor acht Tagen gab,/
Nach Utrecht ſie zum Meiſter Mehl zu bringen./
Walter.
Wem? Was?
Licht.
Dem Ruprecht?
Ruprecht.
Mir?
Adam.
Hab ich ihm Schlingel,/
Als er nach Utrecht vor acht Tagen ging,/ 1640
Nicht die Peruͤck’ hier anvertraut, ſie zum/
Friſeur, daß er ſie renovire, hinzutragen?/
Ruprecht.
Ob er —!
liest ›Ob er —?‹
liest ›Ob er —?‹
Nun ja. Er gab mir —
Adam.
Warum hat er/
Nicht die Peruͤck’, Hallunke, abgegeben?/
Warum nicht hat er ſie, wie ich befohlen,/
Beim Meiſter in der Werkſtatt abgegeben?/
Ruprecht.
Warum ich ſie —? Gott’s, Himmel⸗Donner — Schlag!/
121
Ich hab’ ſie in der Werkſtatt abgegeben./
Der Meiſter Mehl nahm ſie —
Adam.
Sie abgegeben?/
Und jetzt haͤngt ſie im Weinſpalier bei Marthens?/ 1650
O wart, Canaille! So entkommſt du nicht./
Dahinter ſteckt mir von Verkappung was,/
Und Meuterei, was weiß ich? — Wollt ihr erlauben,/
Daß ich ſogleich die Frau nur inquirire?/
Walter.
Ihr haͤttet die Peruͤcke —?
Adam.
Gnaͤd’ger Herr,/
Als jener Burſche dort, vergangnen Dienſtag,/
Nach Utrecht fuhr mit ſeines Vaters Ochſen,/
Kam er in’s Amt, und ſprach, Herr Richter Adam,/
Habt ihr im Staͤdtlein etwas zu beſtellen?/
Mein Sohn, ſag ich, wenn du ſo gut willt ſein,/ 1660
So laß mir die Peruͤck’ hier auftoupiren —/
Nicht aber ſagt’ ich ihm, geh und bewahre/
Sie bei dir auf, verkappe dich darin,/
Und laß ſie im Spalier bei Marthens haͤngen./
Frau Brigitte.
Ihr Herrn, der Ruprecht, mein’ ich, halt zu Gnaden,/
Der war’s wohl nicht. Denn da ich geſtern Nacht/
Hinaus auf’s Vorwerk geh’, zu meiner Muhme,/
122
Die ſchwer im Kindbett liegt, hoͤrt’ ich die Jungfer/
Gedaͤmpft, im Garten hinten jemand ſchelten:/
Wuth ſcheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben./ 1670
Pfui, ſchaͤm’ er ſich, er Niedertraͤchtiger,/
Was macht er? Fort. Ich werd’ die Mutter rufen;/
Als ob die Spanier im Lande waͤren./
Drauf: Eve! durch den Zaun hin: Eve! ruf’ ich./
Was haſt du? Was auch giebt’s? — Und ſtill wird es:/
Nun? Wirſt du antworten? — Was wollt ihr, Muhme?/
Was haſt du vor, frag’ ich? — Was werd’ ich haben./
Iſt es der Ruprecht? — „Ei ſo ja, der Ruprecht./
Geht euren Weg doch nur.“ — So koch dir Thee./
Das liebt ſich, denk’ ich, wie ſich andre zanken./ 1680
Frau Marthe.
Mithin —?
Ruprecht.
Mithin —?
Walter.
Schweigt! Laßt die Frau
vollenden./
Frau Brigitte.
Da ich vom Vorwerk nun zuruͤckekehre/
Zur Zeit der Mitternacht etwa, und juſt,/
Im Lindengang, bei Marthens
Garten
bin,/
Huſcht euch ein Kerl bei mir vorbei, kahlkoͤpfig,/
Mit einem Pferdefuß, und hinter ihm/
Erſtinkt’s wie Dampf von Pech und Haar und Schwefel./
123
Ich ſprech’ ein Gott ſei bei uns aus, und drehe/
Entſetzensvoll mich um, und ſeh’, mein Seel’,/
Die Glatz ihr Herrn im Verſchwinden noch,/ 1690
Wie faules Holz, den Lindengang durchleuchten./
Ruprecht.
Was! Himmel — Tauſend —!
Frau Marthe.
Iſt ſie toll, Frau Briggy?/
Ruprecht.
Der Teufel, meint ſie, waͤr’s —?
Licht.
Still! Still!
Frau Brigitte.
Mein Seel!/
Ich weiß, was ich geſehen und gerochen./
Walter
(ungeduldig).
Frau, ob’s der Teufel war, will ich nicht unter⸗ſuchen,/
Ihn aber, ihn
denuncirt
man nicht./
Kann ſie von einem andern melden, gut:/
Doch mit dem Suͤnder da verſchont ſie uns./
Licht.
Wollen Ew. Gnaden ſie vollenden laſſen./
Walter.
Bloͤdſinnig Volk, das!
124
Frau Brigitte.
Gut, wie ihr befehlt./ 1700
Doch der Herr Schreiber Licht ſind mir ein Zeuge./
Walter.
Wie? Ihr ein Zeuge?
Licht.
Gewiſſermaßen, ja./
Walter.
Fuͤrwahr, ich weiß nicht —
Licht.
Bitte ganz ſubmiß,/
Die Frau in dem Berichte nicht zu ſtoͤren./
Daß es der Teufel war, behaupt’ ich nicht;/
Jedoch mit Pferdefuß, und kahler Glatze/
Und hinten Dampf, wenn ich nicht ſehr mich irre,/
Hat’s ſeine voͤll’ge Richtigkeit! — Fahrt fort!/
Frau Brigitte.
Da ich nun mit Erſtaunen heut vernehme,/
Was bei Frau Marthe Rull geſchehn, und ich/ 1710
Den Krugzertruͤmmrer auszuſpioniren,/
Der mir zu Nacht begegnet am Spalier/
Den Platz, wo er geſprungen, unterſuche,/
Find ich im Schnee, ihr Herrn, euch eine Spur —/
Was find ich euch fuͤr eine Spur im Schnee?/
Rechts fein und ſcharf und nett gekantet immer,/
Ein ordentlicher Menſchenfuß,/
125
Und links unfoͤrmig grobhin eingetoͤlpelt/
Ein ungeheurer klotz’ger Pferdefuß./
Walter
(ärgerlich).
Geſchwaͤtz, wahnſinniges, verdammenswuͤrd’ges —!/ 1720
Veit.
Es iſt nicht moͤglich, Frau!
Frau Brigitte.
Bei meiner Treu!/
Erſt am Spalier, da, wo der Sprung geſchehen,/
Seht, einen weiten, ſchneezerwuͤhlten Kreis,/
Als ob ſich eine Sau darin gewälzt;/
Und Menſchenfuß und Pferdefuß von hier,/
Und Menſchenfuß und Pferdefuß, und Menſchenfuß und Pferdefuß,/
Quer durch den Garten, bis in alle Welt./
Adam.
Verflucht! — hat ſich der Schelm vielleicht erlaubt,/
Verkappt des Teufels Art —?
Ruprecht.
Was! Ich!
Licht.
Schweigt! Schweigt!/
Frau Brigitte.
Wer einen Dachs ſucht, und die Faͤhrt’ entdeckt,/ 1730
Der Waidmann, triumphirt nicht ſo, als ich./
Herr Schreiber Licht, ſag’ ich, denn eben ſeh’ ich/
126
Von euch geſchickt, den Wuͤrd’gen zu mir treten,/
Herr Schreiber Licht, ſpart eure Seſſion,/
Den Krugzertruͤmmerer judicirt ihr nicht,/
Der ſitzt nicht ſchlechter euch, als in der Hoͤlle:/
Hier iſt die Spur die er gegangen iſt./
Walter.
So habt ihr ſelbſt euch uͤberzeugt?
Licht.
Ew. Gnaden,/
Mit dieſer Spur hat’s voͤll’ge Richtigkeit./
Walter.
Ein Pferdefuß?
Licht.
Fuß eines Menſchen, bitte,/ 1740
Doch praeter propter wie ein
Pferdehuf./
Adam.
Mein Seel, ihr Herrn, die Sache ſcheint mir ernſt⸗haft./
Man hat viel beißend abgefaßte Schriften,/
Die, daß ein Gott ſei, nicht geſtehen wollen;/
Jedoch den Teufel hat, ſo viel ich weiß,/
Kein Atheiſt noch buͤndig wegbewieſen./
Der Fall, der vorliegt, ſcheint beſonderer/
Eroͤrtrung werth. Ich trage darauf an,/
Bevor wir ein Concluſum faſſen,/
Im Haag bei der Synode anzufragen/ 1750
127
Ob das Gericht befugt ſei, anzunehmen,/
Daß Belzebub den Krug zerbrochen hat./
Walter.
Ein Antrag, wie ich ihn von euch erwartet./
Was wohl meint ihr, Herr Schreiber?
Licht.
Ew. Gnaden werden/
Nicht die Synode brauchen, um zu urtheil’n./
Vollendet — mit Erlaubniß! — den Bericht,/
Ihr Frau Brigitte, dort; ſo wird der Fall/
Aus der Verbindung, hoff’ ich, klar conſtiren./
Frau Brigitte.
Hierauf: Herr Schreiber Licht, ſag’ ich, laßt uns/
Die Spur ein wenig doch verfolgen, ſehn,/ 1760
Wohin der Teufel wohl entwiſcht mag ſein./
Gut, ſagt er, Frau Brigitt’, ein guter Einfall;/
Vieleicht gehn wir uns nicht weit um,/
Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn./
Walter.
Nun? Und jetzt fand ſich —?
Frau Brigitte.
Zuerſt jetzt finden wir/
Jenſeits des Gartens, in dem Lindengange,/
Den Platz, wo Schwefeldaͤmpfe von ſich laſſend,/
Der Teufel bei mir angeprellt: ein Kreis,/
Wie ſcheu ein Hund etwa zur Seite weicht,/
Wenn ſich die Katze pruſtend vor ihm ſetzt.
128
Walter.
Drauf weiter?/ 1770
Frau Brigitte.
Nicht weit davon jetzt ſteht ein Denkmal ſeiner,/
An einem Baum, daß ich davor erſchrecke./
Walter.
Ein Denkmal? Wie?
Frau Brigitte.
Wie? Ja, da werdet ihr —/
Adam
(für ſich).
Verflucht mein Unterleib.
Licht.
Voruͤber, bitte,/
Voruͤber hier, ich bitte, Frau Brigitte./
Walter.
Wohin die Spur euch fuͤhrte, will ich wiſſen!/
Frau Brigitte.
Wohin? Mein Treu, den naͤchſten Weg zu euch,/
Juſt wie Herr Schreiber Licht geſagt./
Walter.
Zu uns? Hierher?
Frau Brigitte.
Vom Lindengange, ja,/
Auf’s Schulzenfeld, den Karpfenteich entlang,/ 1780
Den Steg, quer uͤber’n Gottesacker dann,/
Hier, ſag’ ich, her, zum Herrn Dorfrichter Adam./
129
Walter.
Zum Herrn Dorfrichter Adam?
Adam.
Hier zu mir?/
Frau Brigitte.
Zu euch, ja.
Ruprecht.
Wird doch der Teufel nicht/
In dem Gerichtshof wohnen?
Frau Brigitte.
Mein Treu, ich weiß nicht,/
Ob er in dieſem Hauſe wohnt; doch hier,/
Ich bin nicht ehrlich, iſt er abgeſtiegen:/
Die Spur geht hinten ein bis an die Schwelle./
Adam.
Sollt’ er vielleicht hier durchpaſſirt —?/
Frau Brigitte.
Ja, oder durchpaſſirt. Kann ſein. Auch das./ 1790
Die Spur vornaus —
Walter.
War eine Spur vornaus?/
Licht.
Vornaus, verzeihn Ew. Gnaden, keine Spur./
Frau Brigitte.
Ja, vornaus war der Weg zertreten./
130
Adam.
Zertreten. Durchpaſſirt. Ich bin ein Schuft./
Der Kerl, paßt auf, hat den Geſetzen hier/
Was angehaͤngt. Ich will nicht ehrlich ſein,/
Wenn es nicht ſtinkt in der Regiſtratur./
Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle,/
Verwirrt befunden werden ſollten,/
Auf meine Ehr’, ich ſtehe fuͤr nichts ein./ 1800
Walter.
Ich auch nicht. (für ſich).
Hm! Ich weiß nicht, war’s der
Linke,/
War es der Rechte? Seiner Fuͤße Einer —/
Herr Richter! Eure Doſe! — Seid ſo gefaͤllig./
Adam.
Die Doſe?
Walter.
Die Doſe. Gebt! hier!
Adam
(zu Licht).
Bringt dem Herrn Gerichtsrath./
Walter.
Wozu die Umſtaͤnd’? Einen Schritt gebraucht’s./
Adam.
Es iſt ſchon abgemacht. Gebt. Sr. Gnaden./
Walter.
Ich haͤtt euch was ins Ohr geſagt./
Adam.
Vielleicht, daß wir nachher Gelegenheit —
131
Walter.
Auch gut./
(nachdem ſich Licht wieder geſetzt).
Sagt doch, ihr Herrn, iſt jemand hier im Orte,/
Der mißgeſchaffne Fuͤße hat?/ 1810
Licht.
Hm! Allerdings iſt jemand hier in Huiſum —/
Walter.
So? Wer?
Licht.
Wollen Ew. Gnaden den Herrn
Richter fragen —/
Walter.
Den Herrn Richter Adam?
Adam.
Ich weiß von nichts./
Zehn Jahre bin ich hier im Amt zu Huiſum,/
So viel ich weiß, iſt Alles grad gewachſen./
Walter
(zu Licht).
Nun? Wen hier meint ihr?
Frau Marthe.
Laß er doch ſeine Fuͤße
draußen!/
Was ſteckt er unter’n Tiſch verſtoͤrt ſie hin,/
Daß
man faſt meint, er waͤr die Spur gegangen./
Walter.
Wer? Der Herr Richter Adam?
132
Adam.
Ich? die Spur?/
Bin ich der Teufel? Iſt das ein Pferdefuß?/ 1820
(er zeigt ſeinen linken Fuß).
Walter.
Auf meine Ehr’. Der Fuß iſt gut./
(heimlich)
Macht jetzt mit der Seſſion ſogleich ein Ende./
Adam.
Ein Fuß, wenn den der Teufel haͤtt’,/
So koͤnnt’ er auf die Baͤlle gehn und tanzen./
Frau Marthe.
Das
Der Rest der Zeile ist im Erstdruck überwiegend ohne
Wortabstände gesetzt worden.
ſag’ ich auch. Wo wird der Herr Dorfrichter —/
Adam.
Ach, was! Ich!
Walter.
Macht’,
emendiert mit Verweis auf Handschrift in ›Macht,‹
ſag’ ich, gleich ein Ende./
Frau Brigitte.
Den einz’gen Skrupel nur, ihr wuͤrd’gen Herrn,/
Macht, duͤnkt mich, dieſer feierliche Schmuck!/
Adam.
Was fuͤr ein feierlicher —?
Frau Brigitte.
Hier, die Peruͤcke!/
Wer ſah den Teufel je in ſolcher Tracht?/ 1830
Ein Bau, gethuͤrmter, ſtrotzender von Talg,/
Als eines Domdechanten auf der Kanzel!/
133
Adam.
Wir wiſſen hier zu Land nur unvollkommen,/
Was in der Hoͤlle Mod’ iſt, Frau Brigitte!/
Man ſagt, gewoͤhnlich traͤgt er eignes Haar./
Doch auf der Erde, bin ich uͤberzeugt,/
Wirft er in die Peruͤcke ſich, um ſich/
Den Honoratioren beizumiſchen./
Walter.
Nichtswuͤrd’ger! Werth, vor allem Volk ihn ſchmachvoll/
Vom Tribunal zu jagen! Was euch ſchuͤtzt,/ 1840
Iſt einzig nur die Ehre des Gerichts./
Schließt eure Seſſion!
Adam.
Ich will nicht hoffen —/
Walter.
Ihr hofft jetzt nichts. Ihr zieht euch aus der Sache./
Adam.
Glaubt ihr, ich haͤtte, ich, der Richter, geſtern,/
Im Weinſtock die Peruͤcke eingebuͤßt?/
Walter.
Behuͤte Gott! Die eur’ iſt ja im Feuer,/
Wie Sodom und Gomorrha, aufgegangen./
Licht.
Vielmehr — vergebt mir, gnaͤd’ger Herr! die Katze/
Hat geſtern in die ſeinige gejungt./
Adam.
Ihr Herrn, wenn hier der Anſchein mich verdammt:/ 1850
134
Ihr uͤbereilt euch nicht, bitt’ ich. Es gilt/
Mir Ehre oder Proſtitution./
So lang die Jungfer ſchweigt, begreif’ ich nicht,/
Mit welchem Recht ihr mich beſchuldiget./
Hier auf dem Richtſtuhl von Huiſum ſitz’ ich,/
Und lege die Peruͤcke auf den Tiſch:/
Den der behauptet, daß ſie mein gehoͤrt/
Fordr’ ich vor’s Oberlandgericht in Utrecht./
Licht.
Hm! Die Peruͤcke paßt euch doch, mein Seel,/
Als waͤr auf euren Scheiteln ſie gewachſen./ 1860
(er ſetzt ſie ihm auf).
Adam.
Verlaͤumdung!
Licht.
Nicht?
Adam.
Als Mantel um die Schultern/
Mir noch zu weit, wie viel mehr um den Kopf./
(er beſieht ſich im Spiegel).
Ruprecht.
Ei, ſolch ein Donnerwetter⸗Kerl!
Walter.
Still, er!/
Frau Marthe.
Ei, ſolch ein Blitz verfluchter Richter, das!/
135
Walter.
Noch einmal, wollt ihr gleich,
ſoll ich die Sache enden?/
Adam.
Ja, was befehlt ihr?
Ruprecht
(zu Eve).
Eve, ſprich, iſt er’s?/
Walter.
Was unterſteht der Unverſchaͤmte ſich?/
Veit.
Schweig du, ſag’ ich.
Adam.
Wart, Beſtie! Dich faſſ’ ich./
Ruprecht.
Ei, du Blitz⸗Pferdefuß!
Walter.
Heda! der Buͤttel!/
Veit.
Halt’s Maul, ſag’ ich.
Ruprecht.
Wart! Heute reich’ ich dich./ 1870
Heut’ ſtreuſt du keinen Sand mir in die Augen./
Walter.
Habt ihr nicht ſo viel Witz, Herr Richter —?
136
Adam.
Ja, wenn Ew. Gnaden/
Erlauben, faͤll ich jetzo die Sentenz./
Walter.
Gut. Thut das. Faͤllt ſie.
Adam.
Die Sache jetzt conſtirt,/
Und Ruprecht dort, der Racker, iſt der Thaͤter./
Walter.
Auch gut das.
Weiter.
Adam.
Den Hals erkenn ich/
Ins Eiſen ihm, und weil er ungebuͤhrlich/
Sich gegen ſeinen Richter hat betragen,/
Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefaͤngniß./
Wie lange, werd ich noch beſtimmen./ 1880
Eve.
Den Ruprecht —?
Ruprecht.
In’s Gefaͤngniß mich?
Eve.
In’s Eiſen?/
Walter.
Spart eure Sorgen Kinder, — Seid ihr fertig?/
Adam.
Den Krug meinthalb mag er erſetzen, oder nicht./
137
Walter.
Gut denn. Geſchloſſen iſt die Seſſion./
Und Ruprecht appellirt an die Inſtanz zu Utrecht./
Eve.
Er ſoll, er, erſt nach Utrecht appelliren?/
Ruprecht.
Was? Ich —?
Walter.
Zum Henker, ja! Und bis dahin
—/
Eve.
Und bis dahin —?
Ruprecht.
In das Gefaͤngniß gehn?/
Eve.
Den Hals in’s Eiſen ſtecken? Seid ihr auch Richter?/
Er dort, der Unverſchaͤmte, der dort ſitzt,/ 1890
Er ſelber war’s —
Walter.
Du hoͤrſt’s, zum Teufel!
Schweig!/
Ihm bis dahin kruͤmmt ſich kein Haar —
Eve.
Auf, Ruprecht!/
Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!/
Ruprecht.
Ei, wart, du!
138
Frau Marthe.
Er?
Frau Brigitte.
Der dort?
Eve.
Er, ja! Auf Ruprecht!/
Er war bei deiner Eve geſtern!/
Auf! Faſſ’ ihn! Schmeiß ihn jetzo, wie du willſt./
Walter
(ſteht auf).
Halt dort! Wer hier Unordnungen —
Eve.
Gleichviel!/
Das Eiſen iſt verdient, geh Ruprecht!/
Geh ſchmeiß ihn von dem Tribunal herunter./
Adam.
Verzeiht, ihr Herrn. (läuft
weg).
Eve.
Hier! Auf!
Ruprecht.
Halt’ ihn!
Eve.
Geſchwind!
Adam.
Was?/ 1900
Ruprecht.
Blitz⸗Hinketeufel!
139
Eve.
Haſt du ihn?
Ruprecht.
Gotts Schlag und Wetter!/
Es iſt ſein Mantel bloß!
Walter.
Fort! Ruft den Buͤttel!/
Ruprecht
(ſchlägt den Mantel).
Ratz! Das iſt Eins. Und Ratz! Und Ratz! Noch Eins./
Und noch Eins! In Ermangelung des Buckels./
Walter.
Er ungezogner Menſch! — Schafft hier mir Ord⸗nung!/
— An ihm, wenn er ſogleich nicht ruhig iſt,/
Ihm wird der Spruch vom Eiſen heut noch wahr./
Veit.
Sei ruhig, du vertrackter Schlingel!
Zwoͤlfter Auftritt.
Die Vorigen (ohne
Adam. — Sie begeben ſich alle in den
Vordergrund der Bühne).
Ruprecht.
Ei, Evchen!/
140
Wie hab’ ich heute ſchaͤndlich dich beleidigt!/
Ei Gott’s Blitz, alle Wetter; und wie geſtern!/ 1910
Ei, du mein goldnes Maͤdchen, Herzens⸗Braut!/
Wirſt du dein Lebtag mir vergeben koͤnnen?/
Eve
(wirft ſich dem Gerichtsrath zu Füßen).
Herr! Wenn ihr jetzt nicht helft, ſind wir verloren!/
Walter.
Verloren? Warum das?
Ruprecht.
Herr Gott! Was giebt’s?/
Eve.
Errettet Ruprecht von der Conſcription!/
Denn dieſe Conſcription — der Richter Adam/
Hat mir’s als ein Geheimniß anvertraut,/
Geht nach Oſtindien; und von dort, ihr wißt,/
Kehrt von drei Maͤnnern Einer nur zuruͤck!/
Walter.
Was! Nach Oſtindien! Biſt du bei Sinnen?/ 1920
Eve.
Nach Bantam, gnaͤd’ger Herr; verlaͤugnet’s nicht!/
Hier iſt der Brief, die ſtille heimliche/
Inſtruction, die Landmiliz betreffend,/
Die die Regierung juͤngſt deshalb erließ:/
Ihr ſeht, ich bin von Allem unterrichtet./
141
Walter
(nimmt den Brief und lieſ’t ihn).
O unerhoͤrt, argliſtiger Betrug! —/
Der Brief iſt falſch!
Eve.
Falſch?
Walter.
Falſch, ſo wahr ich lebe!/
Herr Schreiber Licht, ſagt ſelbſt, iſt das die Ordre,/
Die man aus Utrecht juͤngſt an euch erließ?/
Licht.
Die Ordre! Was! Der Suͤnder, der! Ein Wiſch,/ 1930
Den er mit eignen Haͤnden aufgeſetzt! —/
Die Truppen, die man anwarb, ſind beſtimmt/
Zum Dienſt im Landesinneren; kein Menſch/
Denkt dran, ſie nach Oſtindien zu ſchicken!/
Eve.
Nein, nimmermehr, ihr Herrn?
Walter.
Bei meiner Ehre!/
Und zum Beweiſe meines Worts: den Ruprecht,/
Waͤrs ſo, wie du mir ſagſt: ich kauf’ ihn frei!/
Eve
(ſteht auf).
O Himmel! Wie belog der Boͤswicht mich!/
Denn mit der ſchrecklichen Beſorgniß eben,/
Quaͤlt er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht,/ 1940
Mir ein Atteſt fuͤr Ruprecht aufzudringen;/
142
Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugniß,/
Von allem Kriegsdienſt ihn befreien koͤnnte;/
Erklaͤrte und verſicherte und ſchlich,/
Um es mir auszufert’gen, in mein Zimmer:/
So Schaͤndliches, ihr Herren, von mir fordernd,/
Daß es kein Maͤdchenmund wagt auszuſprechen!/
Frau Brigitte.
Ei, der nichtswuͤrdig⸗ſchaͤndliche Betruͤger!/
Ruprecht.
Laß, laß den Pferdehuf, mein ſuͤßes Kind!/
Sieh, haͤtt’ ein Pferd bei dir den Krug zertruͤmmert,/ 1950
Ich waͤr’ ſo eiferſuͤchtig juſt, als jetzt!/
(ſie küſſen ſich).
Veit.
Das ſag’ ich auch! Kuͤßt und verſoͤhnt und liebt euch;/
Und Pfingſten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit ſein!/
Licht
(am Fenſter).
Seht, wie der Richter Adam, bitt’ ich euch,/
Berg auf, Berg ab, als floͤh er Rad und Galgen,/
Das aufgepfluͤgte Winterfeld durchſtampft!/
Walter.
Was? Iſt das Richter Adam?
Licht.
Allerdings!/
143
Mehrere.
Jetzt kommt er auf die Straße. Seht! ſeht!/
Wie die Peruͤcke ihm den Ruͤcken peitſcht!/
Walter.
Geſchwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zuruͤck!/ 1960
Daß er nicht
Uebel
rettend aͤrger mache./
Von ſeinem Amt zwar iſt er ſuspendirt,/
Und euch beſtell’ ich, bis auf weitere/
Verfuͤgung, hier im Ort es zu verwalten;/
Doch ſind die Caſſen richtig, wie ich hoffe,/
Zur Deſertion ihn zwingen will ich nicht./
Fort! Thut mir den Gefallen, holt ihn wieder!/
Letzter Auftritt.
Die Vorigen (ohne
Licht).
Frau Marthe.
Sagt doch, geſtrenger Herr, wo find’ ich auch/
Den Sitz in Utrecht der Regierung?/
Walter.
Weshalb, Frau Marthe?
Frau Marthe
(empfindlich).
Hm! Weshalb? Ich weiß nicht —/ 1970
Soll hier dem Kruge nicht ſein Recht geſchehn?/
144
Walter.
Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,/
Und Dienſtag iſt und Freitag Seſſion./
Frau Marthe.
Gut! Auf die Woche ſtell’ ich dort mich ein./
(Alle ab).
Ende.
/
145
Variant.
liest ›Variant‹
Zwoͤlfter Auftritt.
Die
Vorigen (ohne Adam. — Sie bewegen ſich Alle
in den
Vordergrund
liest ›Vordergund‹
der Bühne.)
Ruprecht.
Ei, Evchen!/ 1908v
Wie hab’ ich heute ſchaͤndlich dich beleidigt!/ 1909v
Ei, Gott’s Blitz, alle Wetter, und wie geſtern!/ 1910v
Ei, du mein goldnes Maͤdchen, Herzens⸗Braut!/ 1911v
Wirſt du dein Lebtag mir vergeben koͤnnen?/ 1912v
Eve.
Geh, laß mich ſein.
Ruprecht.
Ei, ich verfluchter
Schlingel!/ 1913v
Koͤnnt’ ich die Haͤnde brauchen, mich zu pruͤgeln./ 1914v
Nimm, weißt du was? hoͤr: thu mir den Gefallen,/ 1915v
Dein Paͤtſchchen, hol’s der Henker, nimm’s und ball’s,/ 1916v
Und ſchlage tuͤchtig Eins mir hinters Ohr./ 1917v
Willſt du’s mir thun? Mein Seel, ich bin nicht ruhig./ 1918v
146
Eve.
Du hoͤr’ſt. Ich will nichts von dir wiſſen.
Ruprecht.
Ei, ſolch ein Toͤlpel!/ 1919v
Der Lebrecht denk’ ich, Schaafsgeſicht, und geh./ 1920v
Mich beim Dorfrichter ehrlich zu beklagen,/ 1921v
Und er, vor dem ich klage, iſt es ſelbſt:/ 1922v
Den Hals noch judicirt er mir in’s Eiſen./ 1923v
Walter.
Wenn ſich die Jungfer geſtern gleich der Mutter/ 1924v
Eroͤffnet haͤtte zuͤchtiglich, ſo haͤtte/ 1925v
Sie dem Gerichte Schand’ erſpart, und ſich/ 1926v
Zweideut’ge Meinungen von ihrer Ehre./ 1927v
Ruprecht.
Sie ſchaͤmte ſich. Verzeiht ihr, gnaͤd’ger Herr!/ 1928v
Es war ihr Richter doch, ſie mußt’ ihn ſchonen. —/ 1929v
Komm nur jetzt fort zu Hauſ’. Es wird ſich finden./ 1930v
Eve.
Ja, ſchaͤmen!
Ruprecht.
Gut. So war’s was Anderes./ 1931v
Behalts fuͤr dich, was brauchen wir’s zu wiſſen./ 1932v
Du wirſt’s ſchon auf der Flieder⸗Bank mir Eins,/ 1933v
Wenn von dem Thurm die Vesper geht, erzaͤhlen./ 1934v
Komm, ſei nur gut.
147
Walter.
Was wir’s zu wiſſen brauchen?/ 1935v
So denk’ ich nicht. Wenn Jungfer Eve will,/ 1936v
Daß wir an ihre Unſchuld glauben ſollen:/ 1937v
So wird ſie, wie der Krug zerbrochen worden,/ 1938v
Umſtaͤndlich nach den Hergang uns berichten./ 1939v
Ein Wort keck hingeworfen, macht den Richter/ 1940v
In meinem Aug’ der Suͤnd’ noch gar nicht ſchuldig./ 1941v
Ruprecht.
Nun denn, ſo faß’ ein Herz! Du biſt ja ſchuldlos./ 1942v
Sag’s, was er dir gewollt, der Pferdefuß./ 1943v
Sieh, haͤtt’ ein Pferd bei dir den Krug zertruͤmmert,/ 1944v
Ich waͤr’ ſo eiferſuͤchtig juſt, als jetzt./ 1945v
Eve.
Was hilft’s, daß ich jetzt ſchuldlos mich erzaͤhle?/ 1946v
Ungluͤcklich ſind wir beid’ auf immerdar./ 1947v
Ruprecht.
Ungluͤcklich, wir?
Walter.
Warum ihr ungluͤcklich?/ 1948v
Ruprecht.
Was gilt’s, da iſt die Conſcription im Spiele./ 1949v
Eve
(wirft ſich Waltern zu Füßen).
Herr, wenn ihr jetzt nicht helft, ſind wir verloren!/ 1950v
Walter.
Wenn ich nicht —?
148
Ruprecht.
Ewiger Gott!
Walter.
Steh auf, mein Kind./ 1951v
Eve.
Nicht eher, Herr, als bis ihr eure Zuͤge,/ 1952v
Die menſchlichen, die euch vom Antlitz ſtrahlen,/ 1953v
Wahr macht durch eine That der Menſchlichkeit./ 1954v
Walter.
Mein liebenswerthes Kind! Wenn du mir deine/ 1955v
Unſchuldigen bewaͤhrſt, wie ich nicht zweifle,/ 1956v
Bewaͤhr’ ich auch dir meine menſchlichen./ 1957v
Steh auf!
Eve.
Ja, Herr, das werd ich.
Walter.
Gut. So ſprich./ 1958v
Eve.
Ihr wißt, daß ein Edict juͤngſt iſt erſchienen,/ 1959v
Das von je hundert Soͤhnen jeden Orts/ 1960v
Zehn fuͤr dies Fruͤhjahr zu den Waffen ruft,/ 1961v
Der ruͤſtigſten. Denn der Hispanier/ 1962v
Verſoͤhnt ſich mit dem Niederlaͤnder nicht,/ 1963v
Und die Tyrannenruthe will er wieder/ 1964v
Sich, die zerbrochene, zuſammenbinden./ 1965v
Kriegshaufen ſieht man ziehn auf allen Wegen,/ 1966v
149
Die Flotten rings, die er uns zugeſendet,/ 1967v
Von unſrer
Staaten
Kuͤſten abzuhalten,/ 1968v
Und die Miliz ſteht auf, die Thor’ inzwiſchen/ 1969v
In den verlaßnen Staͤdten zu beſetzen./ 1970v
Walter.
So iſt es.
Eve.
Ja, ſo heißt’s, ich weiß.
Walter.
Nun? Weiter?/ 1971v
Eve.
Wir eben ſitzen, Mutter, Vater, Ruprecht/ 1972v
Und ich, an dem Camin, und halten Rath,/ 1973v
Ob Pfingſten ſich, ob Pfingſten uͤbers Jahr,/ 1974v
Die Hochzeit feiern ſoll: als ploͤtzlich jetzt/ 1975v
Die Commiſſion, die die Rekruten aushebt,/ 1976v
In’s Zimmer tritt, und Ruprecht aufnotirt,/ 1977v
Und unſern frohen Streit mit ſchneidendem/ 1978v
Machtſpruch, juſt da er ſich zu Pfingſten neigte,/ 1979v
Fuͤr, Gott weiß, welches Pfingſtfeſt nun? — entſcheidet./ 1980v
Walter.
Mein Kind —
Eve.
Gut, gut.
Walter.
Das allgemeine Loos./ 1981v
150
Eve.
Ich weiß.
Walter.
Dem kann ſich Ruprecht gar nicht
weigern./ 1982v
Ruprecht.
Ich denk’ auch nicht daran.
Eve.
Er denkt nicht dran,/ 1983v
Geſtrenger Herr, und Gott behuͤte mich,/ 1984v
Daß ich in ſeiner Sinnesart ihn ſtoͤrte./ 1985v
Wohl uns, daß wir was Heil’ges, jeglicher,/ 1986v
Wir freien Niederlaͤnder, in der Bruſt,/ 1987v
Des Streites werth bewahren: ſo gebe jeder denn/ 1988v
Die Bruſt auch her, es zu vertheidigen./ 1989v
Muͤßt’ er dem Feind’ im Treffen ſelbſt begegnen,/ 1990v
Ich ſpraͤche noch, zieh hin, und Gott mit dir:/ 1991v
Was werd’ ich jetzt ihn weigern, da er nur/ 1992v
Die Waͤlle, die geebneten, in Utrecht,/ 1993v
Vor Knaben ſoll, und ihren Spielen ſchuͤtzen./ 1994v
Inzwiſchen, lieber Herr, ihr zuͤrnt mir nicht —/ 1995v
Wenn ich die Mai’n in unſerm Garten rings/ 1996v
Dem Pfingſtfeſt roͤthlich ſeh’ entgegen knospen,/ 1997v
So kann ich mich der Thraͤnen nicht enthalten:/ 1998v
Denk’ ich doch ſonſt, und thue, wie ich ſoll./ 1999v
Walter.
Verhuͤt’ auch Gott, daß ich darum dir zuͤrne./ 2000v
Sprich weiter.
151
Eve.
Nun ſchickt die Mutter
geſtern/ 2001v
Mich in gleichguͤltigem Geſchaͤft in’s Amt,/ 2002v
Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete,/ 2003v
„Gott gruͤß dich, Evchen! Ei, warum ſo traurig?“/ 2004v
Spricht er. „Das Koͤpfchen haͤngt dir ja wie’n Maien⸗gloͤckchen!/ 2005v
Ich glaubte faſt, du weißt, daß es dir ſteht./ 2006v
Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!“ — Je nun freilich,/ 2007v
Der Ruprecht, ſag’ ich; wenn der Menſch was liebt,/ 2008v
Muß er ſchon auch auf Erden etwas leiden./ 2009v
Drauf er: „du armes Ding! Hm! Was wohl gaͤbſt du,/ 2010v
Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite?“/ 2011v
Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet?/ 2012v
Ei nun, dafuͤr moͤgt’ ich euch ſchon was geben./ 2013v
Wie fingt ihr das wohl an? — „Du Naͤrrchen, ſagt er,/ 2014v
Der Phyſikus, der kann, und ich kann ſchreiben,/ 2015v
Verborgne Leibesſchaͤden ſieht man nicht,/ 2016v
Und bringt der Ruprecht ein Atteſt daruͤber/ 2017v
Zur
Comiſſion,
emendiert in ›Commission‹. Bis 1800 findet sich häufig die
Schreibung mit einfachem ›ſ‹, deshalb wird hier nicht emendiert.
ſo giebt die ihm den Abſchied:/ 2018v
Das iſt ein Handel, wie um eine Semmel.“ —/ 2019v
So, ſag ich. — „Ja“ — So, ſo! Nun, laßt’s nur ſein,/ 2020v
Herr Dorfrichter, ſprech’ ich. Daß Gott der Herr/ 2021v
Gerad’ den Ruprecht mir zur Luſt erſchaffen,/ 2022v
Mag ich nicht vor der Commiſſion verlaͤugnen./ 2023v
152
Des Herzens innerliche Schaͤden ſieht er,/ 2024v
Und ihn irrt kein Atteſt vom Phyſikus./ 2025v
Walter.
Recht! Brav!
Eve.
„Gut,“ ſpricht er. „Wie du
willſt. So mag/ 2026v
Er ſeiner Wege gehn. Doch was ich ſagen wollte —/ 2027v
Die hundert Gulden, die er kuͤrzlich erbte,/ 2028v
Laͤßt du dir doch, bevor er geht, verſchreiben?“ —/ 2029v
Die hundert Gulden, frag’ ich? Ei, warum?/ 2030v
Was hat’s mir fuͤr Gefahr auch mit den Gulden?/ 2031v
Wird er denn weiter, als nach Utrecht gehn? —/ 2032v
„Ob er dir weiter als nach Utrecht geht?/ 2033v
Ja, du gerechter Gott, ſpricht er, was weiß ich,/ 2034v
Wohin der jetzo geht. Folgt er einmal der Trommel/ 2035v
Die Trommel folgt dem Faͤhndrich, der dem Hauptmann,/ 2036v
Der Hauptmann folgt dem Oberſten, der folgt/ 2037v
Dem General, und der folgt den vereinten Staaten wieder,/ 2038v
Und die vereinten Staaten, hol’s der Henker,/ 2039v
Die ziehen in Gedanken weit herum./ 2040v
Die laſſen trommeln, daß die Felle platzen.“/ 2041v
Walter.
Der Schaͤndliche.
Eve.
Bewahr mich Gott, ſprech’
ich,/ 2042v
Ihr habt, als ihr den Ruprecht aufnotirt,/ 2043v
153
Ja die Beſtimmung deutlich ihm verkuͤndigt./ 2044v
„Ja! Die Beſtimmung!“ ſpricht er: „Speck fuͤr Maͤuſe!/ 2045v
Wenn ſie die Landmiliz in Utrecht haben,/ 2046v
So klappt die Falle hinten ſchnappend zu./ 2047v
Laß du die hundert Gulden dir verſchreiben.“ —/ 2048v
Iſt das gewiß, frag’ ich, Herr Richter Adam?/ 2049v
Will man zum Kriegsdienſt foͤrmlich ſie gebrauchen?/ 2050v
„Ob man zum Kriegsdienſt ſie gebrauchen will?“ —/ 2051v
„Willſt du Geheimniß, unverbruͤchliches,/ 2052v
Mir angeloben gegen jedermann?“/ 2053v
Ei, Herr Gott, ſprech’ ich, was auch giebt’s, Herr Richter!/ 2054v
Was ſieht er ſo bedenklich? Sag’ er’s heraus./ 2055v
Walter.
Nun? Nun? Was wird das werden?
Eve.
Was das wird werden?/ 2056v
Herr, jetzo ſagt er mir, was ihr wohl wißt,/ 2057v
Daß die Miliz ſich einſchifft nach Batavia,/ 2058v
Den eingebornen Koͤn’gen dort, von Bantam,/ 2059v
Von Java,
Jakarta,
was weiß ich? Raub/ 2060v
Zum Heil der Haager Kraͤmer abzujagen./ 2061v
Walter.
Was? nach Batavia?
Ruprecht.
Ich, nach Aſien?/ 2062v
154
Walter.
Davon weiß ich kein Wort.
Eve.
Geſtrenger Herr,/ 2063v
Ich weiß, ihr ſeid verbunden, ſo zu reden./ 2064v
Walter.
Auf meine Pflicht!
Eve.
Gut, gut. Auf eure Pflicht./ 2065v
Und die iſt, uns, was wahr iſt, zu verbergen./ 2066v
Walter.
Du hoͤrſt’s. Wenn ich —
Eve.
Ich ſah den Brief, verzeiht, den
ihr/ 2067v
Aus Utrecht an die Aemter habt erlaſſen./ 2068v
Walter.
Welch einen Brief?
Eve.
Den Brief, Herr, die geheime/ 2069v
Inſtruction, die Landmiliz betreffend,/ 2070v
Und ihre Stellung aus den Doͤrfern rings./ 2071v
Walter.
Den haſt du?
Eve.
Herr, den ſah ich.
155
Walter.
Und darinn?/ 2072v
Eve.
Stand, daß die Landmiliz, im Wahn, ſie ſei/ 2073v
Zum innern Friedensdienſte nur beſtimmt,/ 2074v
Soll hingehalten werden bis zum Maͤrz:/ 2075v
Im Maͤrz dann ſchiffe ſie nach Aſien ein./ 2076v
Walter.
Das in dem Brief ſelbſt haͤtteſt du geleſen?/ 2077v
Eve.
Ich nicht. Ich las es nicht. Ich kann nicht leſen./ 2078v
Doch er, der Richter, las den Brief mir vor./ 2079v
Walter.
So. Er, der Richter.
Eve.
Ja. Und Wort vor Wort./ 2080v
Walter.
Gut, gut. Nun weiter.
Eve.
Gott im Himmel, ruf’ ich,/ 2081v
Das junge Volk, das bluͤh’nde, nach Batavia!/ 2082v
Das Eiland, das entſetzliche, wovon/ 2083v
Jedweden Schiffes Mannſchaft, das ihm naht,/ 2084v
Die eine Haͤlfte ſtets die andere begraͤbt./ 2085v
Das iſt ja keine offen ehrliche/ 2086v
Conſcription, das iſt Betrug, Herr Richter,/ 2087v
156
Geſtohlen iſt dem Land’ die ſchoͤne Jugend,/ 2088v
Um Pfeffer und Muskaten einzuhandeln./ 2089v
Liſt gegen Liſt jetzt, ſchaff’ er das Atteſt/ 2090v
Fuͤr Ruprecht mir, und alles geb ich ihm/ 2091v
Zum Dank, was er nur redlich fordern kann./ 2092v
Walter.
Das machteſt du nicht gut.
Eve.
Liſt gegen Liſt./ 2093v
Walter.
Drauf er?
Eve.
„Das wird ſich finden,“ ſpricht
er, „Evchen,/ 2094v
Vom Dank nachher, jetzt gilt es das Atteſt./ 2095v
Wann ſoll der Ruprecht gehn?“ — In dieſen Tagen./ 2096v
„Gut,“ ſpricht er, „gut. Es trifft ſich eben guͤnſtig./ 2097v
Denn heut noch kommt der Phyſikus in’s Amt;/ 2098v
Da kann ich gleich mein Heil mit ihm verſuchen./ 2099v
Wie lange bleibt der Garten bei dir offen?“/ 2100v
Bei mir der Garten, frag’ ich? — „Ja, der Garten.“/ 2101v
Bis gegen Zehn, ſag’ ich. Warum, Herr Richter?/ 2102v
„Vielleicht kann ich den Schein dir heut noch bringen.“ —/ 2103v
Er mir den Schein! Ei, wohin denkt er auch?/ 2104v
Ich werd’ den Schein mir morgen fruͤh ſchon holen. —/ 2105v
„Auch gut,“ ſpricht er. „Gleichviel. So holſt du ihn./ 2106v
Glock halb auf neun fruͤh Morgens bin ich auf.“/ 2107v
157
Walter.
Nun?
Eve.
Nun — geh’ ich zur Mutter heim,
und harre,/ 2108v
Den Kummer, den verſchwiegnen, in der Bruſt,/ 2109v
In meiner Klauſe, durch den Tag, und harre,/ 2110v
Bis zehn zu Nacht auf Ruprecht, der nicht koͤmmt./ 2111v
Und geh verſtimmt Glock zehn die Trepp’ hinab,/ 2112v
Die Gartenthuͤr zu ſchließen, und erblicke,/ 2113v
Da ich ſie oͤffn’, im Dunkel fernhin wen,/ 2114v
Der ſchleichend von den Linden her mir naht./ 2115v
Und ſage: Ruprecht! — „Evchen,“ heiſert es. —/ 2116v
Wer iſt da? frag ich. — „St! Wer wird es ſein?“ —/ 2117v
Iſt er’s, Herr Richter? — „Ja, der alte Adam“ —/ 2118v
Ruprecht.
Gott’s Blitz!
Eve.
Er ſelbſt —
Ruprecht.
Gott’s Donnerwetter!
Eve.
Iſt’s,/ 2119v
Und kommt, und ſcherzt, und kneipt mir in die Backen,/ 2120v
Und fragt, ob Mutter ſchon zu Bette ſei./ 2121v
Ruprecht.
Seht, den Hallunken!
158
Eve.
Drauf ich: Ei, was Herr
Richter,/ 2122v
Was will er auch ſo ſpaͤt zu Nacht bei mir?/ 2123v
„Je, Naͤrrchen,“ ſpricht er — Dreiſt heraus, ſag’ ich;/ 2124v
Was hat er hier Glock zehn bei mir zu ſuchen?/ 2125v
„Was ich Glock zehn bei dir zu ſuchen habe?“ —/ 2126v
Ich ſag’, laß er die Hand mir weg! Was will er? —/ 2127v
„Ich glaube wohl, du biſt verruͤckt,“ ſpricht er./ 2128v
„Warſt du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir,/ 2129v
Und wollteſt ein Atteſt fuͤr Ruprecht haben?“/ 2130v
Ob ich? — Nun ja. — „Nun gut. Das bring ich dir.“/ 2131v
Ich ſagt’s ihm ja, daß ich’s mir holen wollte. —/ 2132v
„Bei meiner Treu! Die iſt nicht recht geſcheut./ 2133v
Ich muß Glock fuͤnf Uhr morgen fruͤh verreiſen,/ 2134v
Und ungewiß, wann ich zuruͤcke kehre,/ 2135v
Liefr’ ich den Schein noch heut ihr in die Haͤnde;/ 2136v
Und ſie, nichts fehlt, ſie zeigt die Thuͤre mir;/ 2137v
Sie will den Schein ſich morgen bei mir holen.“ —/ 2138v
Wenn er verreiſen will Glock fuͤnf Uhr morgen —/ 2139v
Davon ja wußt’ er heut noch nichts Glock eilf?/ 2140v
„Ich ſag’s,“ ſpricht er, „die iſt nicht recht bei Troſte./ 2141v
Glock zwoͤlf bekam ich heut die Ordre erſt.“ —/ 2142v
Das iſt was Anderes, das wußt’ ich nicht./ 2143v
„Du hoͤrſt es ja,“ ſpricht er. — Gut, gut, Herr Richter./ 2144v
So dank’ ich herzlich ihm fuͤr ſeine Muͤhe./ 2145v
Verzeih er mir. Wo hat er das Atteſt?/ 2146v
159
Walter.
Wißt ihr was von der Ordre?
Licht.
Nicht ein Wort./ 2147v
Vielmehr bekam er kuͤrzlich noch die Ordre,/ 2148v
Sich nicht von ſeinem Amte zu entfernen./ 2149v
Auch habt ihr heut zu Hauſ’ ihn angetroffen./ 2150v
Walter.
Nun?
Eve.
Wenn er log, ihr Herrn, konnt
ich’s nicht pruͤfen./ 2151v
Ich mußte ſeinem Wort vertraun.
Walter.
Ganz recht./ 2152v
Du konnteſt es nicht pruͤfen. Weiter nur./ 2153v
Wo iſt der Schein, ſprachſt du?
Eve.
„Hier,“ ſagt er, „Evchen;“/ 2154v
Und zieht ihn vor. „Doch hoͤre,“ faͤhrt er fort,/ 2155v
„Du mußt, ſo wahr ich lebe, mir vorher/ 2156v
Noch ſagen, wie der Ruprecht zubenamſ’t?/ 2157v
Heißt er nicht Ruprecht Gimpel?“ — Wer? Der Ru⸗precht?/ 2158v
„Ja. Oder Simpel? Simpel oder Gimpel.“/ 2159v
Ach, Gimpel! Simpel! Tuͤmpel heißt der Ruprecht./ 2160v
„Gott’s Blitz, ja,“ ſpricht er; „Tuͤmpel! Ruprecht Tuͤmpel!/ 2161v
160
Hab ich, Gott toͤdt mich, mit dem Wetternamen/ 2162v
Auf meiner Zunge nicht Verſteck geſpielt!“ —/ 2163v
Ich ſag’, Herr Richter Adam, weiß er nicht —?/ 2164v
„Der Teufel ſoll mich holen, nein!“ ſpricht er. —/ 2165v
Steht denn der Nam’ hier im Atteſt noch nicht?/ 2166v
„Ob er in dem Atteſt —?“ — Ja, hier im Scheine./ 2167v
„Ich weiß nicht, wie du heute biſt,“ ſpricht er./ 2168v
„Du hoͤrſt’s, ich ſucht’ und fand ihn nicht, als ich/ 2169v
Heut Nachmittag bei mir den Schein hier mit/ 2170v
Dem Phyſikus zuſammen fabricirte.“/ 2171v
Das iſt ja aber dann kein Schein, ſprech’ ich./ 2172v
Das iſt, nehm er’s mir uͤbel nicht, ein Wiſch, das!/ 2173v
Ich brauch’ ein ordentlich Atteſt, Herr Richter. —/ 2174v
„Die iſt, mein Seel, heut,“ ſpricht er, „ganz von Sinnen./ 2175v
Der Schein iſt fertig, ge⸗ und unterſchrieben,/ 2176v
Datirt, beſiegelt auch, und in der Mitte/ 2177v
Ein Platz, ſo groß juſt, wie ein Tuͤmpel, offen;/ 2178v
Den fuͤll ich jetzt mit Dinte aus, ſo iſt’s/ 2179v
Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchſt.“ —/ 2180v
Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter,/ 2181v
Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfuͤllen? —/ 2182v
„Gott’s Menſchenkind auch, unvernuͤnftiges!“/ 2183v
Spricht er; „du haſt ja in der Kammer Licht,/ 2184v
Und Dint und Feder fuͤhr’ ich in der Taſche./ 2185v
Fort! Zwei Minuten braucht’s, ſo iſt’s geſchehn./ 2186v
161
Ruprecht.
Ei, ſolch ein blitz⸗verfluchter Kerl!/ 2187v
Walter.
Und darauf gingſt du mit ihm in die Kammer?/ 2188v
Eve.
Ich ſag: Herr Dorfrichter, was das auch fuͤr/ 2189v
Anſtalten ſind! Ich werde jetzt mit ihm,/ 2190v
Da Mutter ſchlaͤft, in meine Kammer gehn./ 2191v
Daraus wird nichts, das konnt’ er ſich wohl denken./ 2192v
„Gut,“ ſpricht er, „wie du willſt. Ich bins zufrieden./ 2193v
So bleibt die Sach’ bis auf ein andermal./ 2194v
In Tagner drei bis acht bin ich zuruͤck.“ —/ 2195v
Herr Gott, ſag’ ich, er in acht Tagen erſt!/ 2196v
Und in drei Tagen geht der Ruprecht ſchon —/ 2197v
Walter.
Nun, Evchen, kurz —
Eve.
Kurz, gnaͤd’ger Herr —
Walter.
Du gingſt —/ 2198v
Eve.
Ich ging. Ich fuͤhrt’ ihn in die Kammer ein./ 2199v
Frau Marthe.
Ei, Eve! Eve!
Eve.
Zuͤrnt nicht!
162
Walter.
Nun jetzt — weiter?/ 2200v
Eve.
Da wir jetzt in der Stube ſind — zehnmal/ 2201v
Verwuͤnſcht’ ich’s ſchon, eh wir ſie noch erreicht —/ 2202v
Und ich die Thuͤr behutſam zugedruͤckt,/ 2203v
Legt er Atteſt und Dint’ und Feder auf den Tiſch,/ 2204v
Und ruͤckt den Stuhl herbei ſich, wie zum Schreiben./ 2205v
Ich denke, ſetzen wird er ſich: doch er,/ 2206v
Er geht und ſchiebt den Riegel vor die Thuͤre,/ 2207v
Und raͤuspert ſich, und luͤftet ſich die Weſte,/ 2208v
Und nimmt ſich die Peruͤcke foͤrmlich ab,/ 2209v
Und haͤngt, weil der Peruͤckenſtock ihm fehlt,/ 2210v
Sie auf den Krug dort, den zum Scheuern ich/ 2211v
Bei mir auf’s Wandgeſimſe hingeſtellt./ 2212v
Und da ich frag’, was dies auch mir bedeute?/ 2213v
Laͤßt er am Tiſch jetzt auf den Stuhl ſich nieder,/ 2214v
Und faßt mich ſo, bei beiden Haͤnden, ſeht,/ 2215v
Und ſieht mich an.
Frau Marthe.
Und ſieht —?
Ruprecht.
Und ſieht dich an —?/ 2216v
Eve.
Zwei abgemeſſene Minuten ſtarr mich an./ 2217v
163
Frau Marthe.
Und ſpricht —?
Ruprecht.
Spricht nichts —?
Eve.
Er, Niedertraͤcht’ger, ſag’
ich,/ 2218v
Da er jetzt ſpricht; was denkt er auch von mir?/ 2219v
Und ſtoß’ ihm, vor die Bruſt daß er euch taumelt —/ 2220v
Und: Jeſus Chriſtus! ruf’ ich: Ruprecht koͤmmt!/ 2221v
— Denn an der
Thuͤr
liest ›Tür‹
liest ›Tür‹
ihn draußen hoͤr’ ich donnern./ 2222v
Ruprecht.
Ei, ſieh! da kam ich recht.
Eve.
„Verflucht!“ ſpricht er,/ 2223v
„Ich bin verrathen!“ — und ſpringt, den Schein er⸗greifend,/ 2224v
Und Dint’ und Feder, zu dem Fenſter hin./ 2225v
„Du!“ ſagt er jetzt, „ſei klug!“ — und oͤffnet es./ 2226v
„Den Schein holſt du dir morgen bei mir ab./ 2227v
Sagſt du ein Wort, ſo nehm’ ich ihn, und reiß’ ihn,/ 2228v
Und mit ihm deines Lebens Gluͤck, entzwei.“/ 2229v
Ruprecht.
Die Beſtie!
Eve.
Und tappt ſich auf die
Huͤtſche,/ 2230v
Und auf den Stuhl, und ſteigt auf’s Fenſterbrett,/ 2231v
164
Und unterſucht, ob er wohl ſpringen mag./ 2232v
Und wendet ſich, und beugt ſich zum Geſimſe,/ 2233v
Wo die Peruͤck’ haͤngt, die er noch vergaß./ 2234v
Und greift und reißt vom Kruge ſie, und reißt/ 2235v
Von dem Geſims den Krug herab:/ 2236v
Der ſtuͤrzt; er ſpringt; und Ruprecht kracht ins Zimmer./ 2237v
Ruprecht.
Gott’s Schlag und Wetter!
Eve.
Jetzt will, ich jetzt will
reden,/ 2238v
Gott der Allwiſſende bezeugt es mir!/ 2239v
Doch dieſer — ſchnaubend fliegt er euch durch’s Zimmer,/ 2240v
Und ſtoͤßt —
Ruprecht.
Verflucht!
Eve.
Mir vor die Bruſt —
Ruprecht.
Mein Evchen!/ 2241v
Eve.
Ich taumle ſinnlos nach dem Bette hin./ 2242v
Veit.
Verdammter Hitzkopf, du!
Eve.
Jetzt ſteh’ ich noch,/ 2243v
Goldgruͤn, wie Flammen rings, umſpielt es mich,/ 2244v
165
Und wank’, und halt’ am Bette mich; da ſtuͤrzt/ 2245v
Der von dem Fenſter ſchmetternd ſchon herab;/ 2246v
Ich denk’, er ſteht im Leben nicht mehr auf./ 2247v
Ich ruf’: Heiland der Welt! und ſpring’ und neige/ 2248v
Mich uͤber ihn, und nehm’ ihn in die Arme,/ 2249v
Und ſage: Ruprecht! Lieber Menſch! Was fehlt dir?/ 2250v
Doch er —
Ruprecht.
Fluch mir!
Eve.
Er wuͤthet —
Ruprecht.
Traf ich dich?/ 2251v
Eve.
Ich weiche mit Entſetzen aus./ 2252v
Frau Marthe.
Der Grobian!
Ruprecht.
Daß mir der Fuß erlahmte!/ 2253v
Frau Marthe.
Nach ihr zu ſtoßen!
Eve.
Jetzt erſcheint die Mutter,/ 2254v
Und ſtutzt, und hebt die Lamp’ und faͤllt ergrimmt,/ 2255v
Da ſie den Krug in Scherben ſieht, den Ruprecht/ 2256v
Als den unzweifelhaften Thaͤter an./ 2257v
166
Er, wuthvoll ſteht er, ſprachlos da, will ſich/ 2258v
Vertheidigen: doch Nachbar Ralf faͤllt ihn,/ 2259v
Vom Schein getaͤuſcht, und Nachtbar Hinz ihn an,/ 2260v
Und Muhme Suſ’ und Lieſ’ und Frau Brigitte,/ 2261v
Die das Geraͤuſch zuſammt herbeigezogen,/ 2262v
Sie Alle, taub, ſie ſchmaͤhen ihn und ſchimpfen,/ 2263v
Und ſehen großen Auges auf mich ein,/ 2264v
Da er mit Fluͤchen, ſchaͤumenden, betheuert,/ 2265v
Daß nicht er, daß ein Andrer das Geſchirr,/ 2266v
Der eben nur entwichen ſei, zerſchlagen./ 2267v
Ruprecht.
Verwuͤnſcht! Daß ich nicht ſchwieg! Ein Anderer!/ 2268v
Mein liebes Evchen!
Eve.
Die Mutter ſtellt ſich vor
mich,/ 2269v
Blaß, ihre Lippe zuckt, ſie ſtemmt die Arme./ 2270v
„Iſts,“ fragt ſie, „iſts ein Anderer geweſen?“/ 2271v
Und: Joſeph, ſag’ ich, und Maria, Mutter;/ 2272v
Was denkt ihr auch? — „Und was noch fragt ihr ſie,“/ 2273v
Schreit Muhme Suſ’ und Lieſe: „Ruprecht war’s!“/ 2274v
Und alle ſchrein: „der Schaͤndliche! Der Luͤgner!“/ 2275v
Und ich — ich ſchwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß,/ 2276v
Doch log ich anders nicht, ich ſchwoͤr’s, als ſchweigend./ 2277v
Ruprecht.
Mein Seel, ſie ſprach kein Wort, das muß ich ſagen./ 2278v
167
Frau Marthe.
Sie ſprach nicht, nein, ſie nickte mit dem Kopf bloß,/ 2279v
Wenn man ſie, obs der Ruprecht war, befragte./ 2280v
Ruprecht.
Ja, nicken. Gut.
Eve.
Ich nickte? Mutter!
Ruprecht.
Nicht?/ 2281v
Auch gut.
Eve.
Wann haͤtt’ ich —?
Frau Marthe.
Nun? Du haͤtteſt nicht,/ 2282v
Als Muhme Suſe vor dir ſtand, und fragte:/ 2283v
Nicht, Evchen, Ruprecht war es? ja genickt?/ 2284v
Eve.
Wie? Mutter? Wirklich? Nickt’ ich? Seht —
Ruprecht.
Beim Schnauben,/ 2285v
Beim Schnauben, Evchen! Laß die Sache gut ſein./ 2286v
Du hieltſt das Tuch, und ſchneutzteſt heftig drein;/ 2287v
Mein Seel, es ſchien, als ob du’n biſſel nickteſt./ 2288v
Eve
(verwirrt).
Es muß unmerklich nur geweſen ſein./ 2289v
168
Frau Marthe.
Es war zum Merken juſt genug.
Walter.
Zum Schluß jetzt —?/ 2290v
Eve.
Nun war auch heut am Morgen noch mein erſter/ 2291v
Gedanke, Ruprecht alles zu vertraun./ 2292v
Denn weiß er nur der Luͤge wahren Grund,/ 2293v
Was gilt’s, denk ich, ſo luͤgt er ſelbſt noch mit,/ 2294v
Und ſagt, nun ja, den irdnen Krug zerſchlug ich,/ 2295v
Und dann ſo kriegt’ ich auch wohl noch den Schein./ 2296v
Doch Mutter, da ich in das Zimmer trete,/ 2297v
Die haͤlt den Krug ſchon wieder, und befiehlt,/ 2298v
Sogleich zum Vater Tuͤmpel ihr zu folgen;/ 2299v
Dort fordert ſie den Ruprecht vor Gericht./ 2300v
Vergebens, daß ich um Gehoͤr ihn bitte,/ 2301v
Wenn ich ihm nah, ſo ſchmaͤht und ſchimpft er mich.,/ 2302v
Und wendet ſich, und will nichts von mir wiſſen./ 2303v
Ruprecht.
Vergieb mir.
Walter.
Nun laß dir ſagen, liebes
Kind,/ 2304v
Wie zu ſo viel, ſtets tadelnswerthen, Schritten —/ 2305v
— Ich ſage tadelnswerth, wenn ſie auch gleich/ 2306v
Verzeihlich ſind — dich ein gemeiner, grober/ 2307v
Betrug verfuͤhrt.
169
Eve.
So? Wirklich?
Walter.
Die Miliz/ 2308v
Wird nach Batavia nicht eingeſchifft:/ 2309v
Sie bleibt, bleibt in der That bei uns, in Holland./ 2310v
Eve.
Gut, gut, gut. Denn der Richter log; nicht wahr?/ 2311v
So oft: und alſo log er geſtern
mir./ 2312v
Der Brief, den ich geſehen, war verfaͤlſcht;/ 2313v
Er las mir’s aus dem Stegreif nur ſo vor./ 2314v
Walter.
Ja, ich verſichr’ es dich.
Eve.
O gnaͤd’ger Herr! —/ 2315v
O Gott! Wie koͤnnt ihr mir das thun? O ſagt —/ 2316v
Walter.
Herr Schreiber Licht! Wie lautete der Brief?/ 2317v
Ihr muͤßt ihn kennen.
Licht.
Ganz unverfaͤnglich./ 2318v
Wie’s uͤberall bekannt iſt. Die Miliz/ 2319v
Bleibt in dem Land, ’s iſt eine Landmiliz./ 2320v
Eve.
O Ruprecht! O mein Leben! Nun iſt’s aus./ 2321v
170
Ruprecht.
Evchen! Haſt du dich wohl auch uͤberzeugt?/ 2322v
Beſinne dich!
Eve.
Ob ich —? Du wirſt’s
erfahren.
Ruprecht.
Stand’s wirklich ſo —?
Eve.
Du hoͤrſt es, Alles, Alles;/ 2324v
Auch dies, daß ſie uns taͤuſchen ſollen, Freund./ 2325v
Walter.
Wenn ich mein Wort dir gebe —
Eve.
O gnaͤd’ger Herr!/ 2326v
Ruprecht.
Wahr iſt’s, es waͤr das erſtemal wohl nicht —/ 2327v
Eve.
Schweig! S’ iſt umſonſt —
Walter.
Das erſtemal waͤr’s nicht?/ 2328v
Ruprecht.
Vor ſieben Jahren ſoll was Aehnliches/ 2329v
Im Land geſchehen ſein —
Walter.
Wenn die Regierung/ 2330v
Ihn hinterginge, waͤr’s das erſtemal./ 2331v
171
So oft ſie Truppen noch nach Aſien ſchickte,/ 2332v
Hat ſie’s den Truppen noch gewagt zu ſagen./ 2333v
Er geht —
Eve.
Du gehſt. Komm.
Walter.
Wo er hinbeordert;/ 2334v
In Utrecht wird er merken, daß er bleibt./ 2335v
Eve.
Du gehſt nach Utrecht. Komm. Da wirſt du’s merken./ 2336v
Komm, folg’. Es ſind die letzten Abſchiedsſtunden,/ 2337v
Die die Regierung uns zum Weinen laͤßt;/ 2338v
Die wird der Herr uns nicht verbittern wollen./ 2339v
Walter.
Sieh da! So arm dein Buſen an Vertrauen?/ 2340v
Eve.
O Gott! Gott! Daß ich jetzt nicht ſchwieg./ 2341v
Walter.
Dir glaubt’ ich Wort vor Wort, was du mir ſagteſt;/ 2342v
Ich fuͤrchte faſt, daß ich mich uͤbereilt./ 2343v
Eve.
Ich glaub’ euch ja, ihr hoͤrt’s, ſo wie ihr’s meint./ 2344v
Komm fort.
Walter.
Bleib. Mein Verſprechen will ich
loͤſen./ 2345v
172
Du haſt mir deines Angeſichtes Zuͤge/ 2346v
Bewaͤhrt, ich will die meinen dir bewaͤhren;/ 2347v
Muͤßt ich auf andere Art dir den Beweis/ 2348v
Auch fuͤhren, als du mir. Nimm dieſen Beutel./ 2349v
Eve.
Ich ſoll —
Walter.
Den Beutel hier mit zwanzig
Gulden!/ 2350v
Mit ſo viel Geld kaufſt du den Ruprecht los./ 2351v
Eve.
Wie? Damit —?
Walter.
Ja, befreiſt du ganz vom Dienſt
ihn./ 2352v
Doch ſo. Schifft die Miliz nach Aſien ein,/ 2353v
So iſt der Beutel ein Geſchenk, iſt dein./ 2354v
Bleibt ſie im Land’, wie ich’s vorher dir ſagte,/ 2355v
So traͤgſt du deines boͤſen Mißtrauns Strafe,/ 2356v
Und zahlſt, wie billig, Beutel, ſamt Intreſſen,/ 2357v
Vom Hundert vier, terminlich mir zuruͤck./ 2358v
Eve.
Wie, gnaͤd’ger Herr? Wenn die —
Walter.
Die Sach iſt klar./ 2359v
Eve.
Wenn die Miliz nach Aſien ſich einſchifft,/ 2360v
173
So iſt der Beutel ein Geſchenk, iſt mein./ 2361v
Bleibt ſie im Land, wie ihrs vorher mir ſagtet,/ 2362v
So ſoll ich boͤſen Mißtrauns Straf’ erdulden,/ 2363v
Und Beutel, ſamt, wie billig, Intereſſen —/ 2364v
(ſie ſieht Ruprecht an).
Ruprecht.
Pfui! S’ iſt nicht wahr! Es iſt kein wahres Wort!/ 2365v
Walter.
Was iſt nicht wahr?
Eve.
Da nehmt ihn! Nehmt ihn! Nehmt
ihn!/ 2366v
Walter.
Wie?
Eve.
Nehmt, ich bitt’ euch, gnaͤd’ger
Herr, nehmt, nehmt ihn!/ 2367v
Walter.
Den Beutel?
Eve.
O Herr Gott!
Walter.
Das Geld? Warum das?/ 2368v
Vollwichtig neugepraͤgte Gulden ſind’s./ 2369v
Sieh her, das Antlitz hier des Spanierkoͤnigs:/ 2370v
Meinſt du, daß dich der Koͤnig wird betruͤgen?/ 2371v
174
Eve.
O lieber, guter, edler Herr, verzeiht mir./ 2372v
— O der verwuͤnſchte Richter!
Ruprecht.
Ei, der Schurke!/ 2373v
Walter.
So glaubſt du jetzt, daß ich dir Wahrheit gab?/ 2374v
Eve.
Ob ihr mir Wahrheit gabt? O ſcharfgepraͤgte,/ 2375v
Und Gottes leuchtend Antlitz drauf. O Himmel!/ 2376v
Daß ich nicht ſolche Muͤnze mehr erkenne!/ 2377v
Walter.
Hoͤr’, jetzt geb’ ich dir einen Kuß. Darf ich?/ 2378v
Ruprecht.
Und einen tuͤchtigen. So. Das iſt brav./ 2379v
Walter.
Du alſo gehſt nach Utrecht?
Ruprecht.
Nach Utrecht geh’ ich,/ 2380v
Und ſteh ein Jahrlang auf den Waͤllen Schildwach,/ 2381v
Und wenn ich das gethan, u.ſ.w....... iſt Eve mein!/ 2382v