Die Herrmannsschlacht. Ein Drama.
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Perſonen.
Erſter Akt.
Erſter Auftritt.
Wolf, Fürſt der Katten, Thuiskomar Fürſt derSicambrier, Dagobert, Fürſt der Marſen, Sel⸗
gar, Fürſt der Brukterer und Andere (treten, mit
Pfeil und Bogen, auf.)
Zweiter Auftritt.
Thusnelda (den) Ventidius aufführend. Ihr folgt) Herr⸗mann, Scäpio, ein Gefolge von Jägern und
ein leerer römiſcher Wagen mit vier breit⸗
geſpannten weißen Roſſen.
Dritter Auftritt.
Herrmann, Wolf, Thuiskomar, Dagobert undSelgar (laſſen ſich, auf eine Raſenbank, um einen ſteinernen Tiſch
nieder, der vor der Jagdhütte ſteht).
Zweiter Akt.
tigen Fürſtenzelts, mit einem Thron.
Erſter Auftritt.
Herrmann (auf dem Thron. Ihm zur Seite) Eginhardt,Ventidius, der Legat von Rom (ſteht vor ihm).
Zweiter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt.Dritter Auftritt.
Thusnelda (tritt, einen Vorhang öffnend, zur Seite auf). DieVorigen.
Vierter Auftritt.
Thusnelda (nimmt eine Laute und ſetzt ſich nieder). Ventidiusund Scäpio (treten auf).
Fünfter Auftritt.
Thusnelda und Ventidius.ten los und erhebt ſich. Thusnelda geht und klingelt.)
Sechſter Auftritt.
Gertrud und Bertha (treten auf). Die Vorigen.Siebenter Auftritt.
Thusnelda (ſetzt ſich wieder nieder, ergreift die Laute, und thut einigeGriffe darauf), Ventidius (läßt ſich hinter ihr, auf einem Seſ⸗
ſel, nieder). Gertrud.
dens Haar geſchnitten, wendet ſich ab, und drückt ſie leidenſchaftlich
an ſeine Lippe.) Thusnelda (hält inne). Was haſt Du? 138 Ventidius (entzückt). — Was ich um das Gold der Afern, Die Seide Perſiens, die Perlen von Korinth, Um alles, was die Römerwaffen Je in dem Kreis der Welt erbeuteten, nicht laſſe. Thusnelda. Ich glaub’, Du treibſt die Dreiſtigkeit ſo weit, Und nahmſt mir — (ſie legt die Laute weg.) Ventidius. Nichts, nichts, als dieſe Locke! Doch ſelbſt der Tod nicht trennt mich mehr von ihr. (er beugt ehrfurchtsvoll ein Knie vor ihr und geht ab.) Thusnelda ſteht (ſteht auf). Ventidius Carbo, Du beleidigſt mich! — Gieb ſie mir her, ſag’ ich! — Ventidius Carbo!
Achter Auftritt.
Herrmann (mit einer Pergamentrolle. Hinter ihm) Egin⸗hardt. — Die Vorigen.
Neunter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt.Zehnter Auftritt.
Luitgar (tritt auf) — Die Vorigen.Dritter Akt.
Herrmanns ſteht. Zur Seite eine Eiche, unter welcher ein
großes Polſter liegt, mit prächtigen Tigerfellen überdeckt.
Im Hintergrunde ſieht man die Wohnungen der Horde.
Erſter Auftritt.
Herrmann, Eginhardt, zwei Aelteſten derHorde und Andere (ſtehen vor dem Zelt und ſchauen in
die Ferne).
Zweiter Auftritt.
Drei Hauptleute (treten eilig nach einander auf). — DieVorigen.
Dritter Auftritt.
Thusnelda (tritt aus dem Zelt). — Die Vorigen.mir —? Herrmann. Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer, Mit denen ich alsdann verbunden bin. Thusnelda. Die Römer! Was! Herrmann. Ja, was zum Henker, denkſt Du? 157 — Die röm’ſchen Damen müſſen doch, Wenn ſie ſich ſchmücken, hübſche Haare haben? Thusnelda. Nun haben denn die röm’ſchen Damen keine? Herrmann. Nein, ſag’ ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen! Nicht hübſche, trockne, goldne, ſo wie Du! Thusnelda. Wohlan! So mögen ſie! Der trifft’ge Grund! Wenn ſie mit hübſchen nicht begabt, So mögen ſie mit ſchmutz’gen ſich behelfen. Herrmann. So! In der That! Da ſollen die Cohorten Umſonſt wohl übern Rhein gekommen ſein? Thusnelda. Wer? Die Cohorten? Herrmann. Ja, die Varus führt. Thusnelda (lacht). Das muß ich ſagen! Der wird doch Um meiner Haare nicht gekommen ſein? Herrmann. Was? Allerdings! Bei unſrer großen Hertha! Hat Dir Ventidius das noch nicht geſagt? Thusnelda. Ach, geh! Du biſt ein Affe. Herrmann. Nun, ich ſchwör’s Dir. — Wer war es ſchon, der jüngſt beim Mahl erzählte, Was einer Frau in Ubien begegnet? Thusnelda. Wem? Einer Ubierin? Herrmann. Das weißt Du nicht mehr? 158 Thusnelda. Nein, Lieber! — Daß drei Römer ſie, meinſt Du, In Staub gelegt urplötzlich und gebunden —? Herrmann. Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg, Das Haar, das goldene, die Zähne auch, Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug, Auf offner Straße, aus dem Mund genommen? Thusnelda. Ach, geh! Laß mich zufrieden. Herrmann. Das glaubſt Du nicht? Thusnelda. Ach, was! Ventidius hat mir geſagt, Das wär’ ein Mährchen. Herrmann. Ein Mährchen! So! Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig, Sein Schäfchen, für die Schurzeit, ſich zu kirren. Thusnelda. Nun, der wird doch den Kopf mir ſelber nicht —? Herrmann. Ventidius? Hm! Ich ſteh’ für nichts, mein Kind. Thusnelda (lacht). Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich geſtehn —! Herrmann. Du lachſt. Es ſei. Die Folge wird es lehren. (Pause.) Thusnelda (ernſthaft). Was denn, in aller Welt, was machen ſie In Rom, mit dieſen Haaren, dieſen Zähnen? Herrmann. Was Du für Fragen thuſt, ſo wahr ich lebe! 159 Thusnelda. Nun ja! Wie nutzen ſie, bei allen Nornen! Auf welche Art gebrauchen ſie die Dinge? Sie können doch die fremden Locken nicht An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne Aus ihrem eignen Schädel wachſen machen? Herrmann. Aus ihrem eignen Schädel wachſen machen! Thusnelda. Nun alſo! Wie verfahren ſie? So ſprich! Herrmann (mit Laune). Die ſchmutz’gen Haare ſchneiden ſie ſich ab, Und hängen unſre trocknen um die Platte! Die Zähne reißen ſie, die ſchwarzen, aus, Und ſtecken unſre weißen in die Lücken! Thusnelda. Was! Herrmann. In der That! Ein Schelm, wenn ich Dir lüge. — Thusnelda (glühend). Bei allen Rachegöttern! Allen Furien! Bei allem, was die Hölle finſter macht! Mit welchem Recht, wenn dem ſo iſt, Vom Kopf uns aber nehmen ſie ſie weg? Herrmann. Ich weiß nicht, Thuschen, wie Du heut Dich ſtellſt. Steht Auguſt nicht, mit den Cohorten, In allen Ländern ſiegreich aufgepflanzt? Für wen erſchaffen ward die Welt, als Rom? Nimmt Auguſt nicht dem Elephanten Das Elfenbein, das Oel der Biſamkatze, Dem Pantherthier das Fell, dem Wurm die Seide? Was ſoll der Deutſche hier zum voraus haben? 160 Thusnelda (ſieht ihn an). Was wir zum voraus ſollen —? Herrmann. Allerdings. Thusnelda. Daß Du verderben müßteſt, mit Vernünfteln! Das ſind ja Thiere, Queerkopf, der Du biſt, Und keine Menſchen! Herrmann. Menſchen! Ja, mein Thuschen, Was iſt der Deutſche in der Römer Augen? Thusnelda. Nun, doch kein Thier, hoff’ ich —? Herrmann. Was? — Eine Beſtie, Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft! Ein Thier, das, wo der Jäger es erſchaut, Juſt einen Pfeilſchuß werth, mehr nicht, Und ausgeweidet und gepelzt dann wird! Thusnelda. Ei, die verwünſchte Menſchenjägerei! Ei, der Dämonenſtolz! Der Hohn der Hölle! Herrmann (lacht). Nun wird ihr bang’, um ihre Zähn’ und Haare. Thusnelda. Ei, daß wir, wie die grimm’gen Eber, doch Uns über dieſe Schützen werfen könnten! Herrmann (ebenſo). Wie ſie nur ausſehn wird! Wie’n Todtenkopf! Thusnelda. Und dieſe Römer nimmſt Du bei Dir auf? Herrmann. Ja, Thuschen! Liebſte Frau, was ſoll ich machen? Soll 161 Soll ich, um Deiner gelben Haare, Mit Land und Leut’ in Kriegsgefahr mich ſtürzen? Thusnelda. Um meiner Haare! Was? Gilt es ſonſt nichts? Meinſt Du, wenn Varus ſo geſtimmt, er werde Das Fell Dir um die nackten Schultern laſſen? Herrmann. Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht’ ich nicht. Es ſei! Ich will die Sach’ mir überlegen. Thusnelda. Dir überlegen! — Er rücket ja ſchon ein! Herrmann. Je nun, mein Kind. Man ſchlägt ihn wieder ’naus. (ſie ſieht ihn an.) Thusnelda. Ach, geh! Ein Geck biſt Du, ich ſeh’s und äffſt mich! Nicht, nicht? Geſteh’s mir nur: Du ſcherzteſt bloß? Herrmann (küßt ſie). Ja. — Mit der Wahrheit, wie ein Abderit. — Warum ſoll ſich, von ſeiner Noth, Der Menſch, auf muntre Art, nicht unterhalten? — Die Sach’ iſt zehnmal ſchlimmer, als ichs machte, Und doch auch, wieder ſo betrachtet, Bei weitem nicht ſo ſchlimm. — Beruh’ge Dich. (Pauſe.) Thusnelda. Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht! Die Hand, die in den Mund mir käme, Wie jener Frau, um meiner Zähne: Ich weiß nicht, Herrmann, was ich mit ihr machte. Herrmann (lacht). Ja, liebſte Frau, da haſt Du recht! Beiß zu! Danach wird weder Hund noch Katze krähen. — Thusnelda. Doch ſieh! Wer fleucht ſo eilig dort heran?
Vierter Auftritt.
Ein Cherusker (tritt auf). Die Vorigen.Fünfter Auftritt.
Varus (tritt auf. Ihm folgen) Ventidius, der Legat;Craſſus und Septimius, zwei römiſche Haupt⸗
leute; und die deutſchen Fürſten Fuſt, Gueltar
und Ariſtan. — Die Vorigen.
ven, und bringt ſie der Thusnelda.) Hier, meine Fürſtin, überreich’ ich Dir, Von Auguſt, meinem hohen Herrn. Herrn, Was er für Dich mir jüngſthin zugeſandt, Es ſind Geſteine, Perlen, Federn, Oele — Ein kleines Rüſtzeug, ſchreibt er, Cupido’s. Auguſt, erlauchte Frau, bewaffnet Deine Schönheit, Damit Du Herrmanns großes Herz, Stets in der Freundſchaft Banden ihm erhalteſt. Thusnelda (empfängt das Kiſſen und betrachtet die Geſchenke). Quintilius! Dein Kaiſer macht mich ſtolz. Thusnelda nimmt die Waffen an, Mit dem Verſprechen, Tag und Nacht, Damit geſchirrt, für ihn zu Feld’ zu ziehn. (ſie übergiebt das Kiſſen ihren Frauen.) 166 Varus (zu Herrmann). Hier ſtell’ ich Gueltar, Fuſt Dir und Ariſtan, Die tapfern Fürſten Deutſchlands vor, Die meinem Heereszug ſich angeſchloſſen. (er tritt zurück und ſpricht mit Ventidius.) Herrmann (indem er ſich dem Fürſten der Cimbern nähert). Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fuſt, Aus Gallien, von der Schlacht des Arioviſt. Fuſt. Mein Prinz, ich kämpfte dort an Deiner Seite. Herrmann (lebhaft). Ein ſchöner Tag, beim hohen Himmel, An den Dein Helmbuſch lebhaft mich erinnert! — Der Tag, an dem Germanien zwar Dem Cäſar ſank, doch der zuerſt Den Cäſar die Germanier ſchätzen lehrte. Fuſt (niedergeſchlagen). Mir kam er theuer, wie Du weißt, zu ſtehn. Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder, Den ich nur Auguſts Gnade jetzt verdanke. — Herrmann (indem er ſich zu dem Fürſten der Nervier wendet). Dich, Gueltar, auch ſah ich an dieſem Tag? Gueltar. Auf einen Augenblick. Ich kam ſehr ſpät. Mich koſtet’ er, wie Dir bekannt ſeyn wird, Den Thron von Nervien; doch Auguſt hat Mich durch den Thron von Aeduen entſchädigt. Herrmann (indem er ſich zu dem Fürſten der Ubier wendet). Wo war Ariſtan an dem Tag der Schlacht? Ariſtan (kalt und ſcharf). Ariſtan war in Ubien, Diesſeits des Rheines, wo er hingehörte. Ariſtan hat das Schwerdt niemals Den Cäſarn Roms gezückt, und er darf kühnlich ſagen: 167 Er war ihr Freund, ſobald ſie ſich Nur an der Schwelle von Germania zeigten. Herrmann (mit einer Verbeugung). Arminius bewundert ſeine Weisheit. — Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter ſprechen. (ein Marſch in der Ferne).
Sechſter Auftritt.
Ein Herold (tritt auf. Bald darauf) das Römerheer. —Die Vorigen.
ſprechen.) Thusnelda. Wer ſind die erſten dort? Craſſus. Varus Liktoren, königliche Frau, Die des Geſetzes heil’ges Richtbeil tragen. Thusnelda. Das Beil? Wem! Uns? Septimius. Vergieb! Dem Heere, Dem ſie ins Lager feierlich voranziehn. (das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.) 168 Varus (zu Ventidius). Was alſo, ſag’ mir an, was hab’ ich Von jenem Herrmann dort mir zu verſehn? Ventidius. Quitilius! Quintilius! Das faſſ’ ich in zwei Worten! Er iſt ein Deutſcher. In einem Hämmling iſt, der an der Tiber graſet, Mehr Lug’ und Trug, muß ich Dir ſagen, Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. — Varus. So kann ich, meinſt Du, dreiſt der Sueven Fürſten Entgegenrücken? Habe nichts von dieſem, Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten? Ventidius. So wenig, wiederhol’ ich Dir, Als hier vor BKA emendiert in ›von‹. dieſem Dolch in meinem Gurt. — Varus. Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland, Beſchaun, nach des Auguſts Gebot, Auf welchem ein Kaſtell erbaut ſoll werden. — Marbod iſt mächtig, und nicht weiß ich, Wie ſich am Weſerſtrom das Glück entſcheiden wird. (er ſieht ihn fragend an.) Ventidius. Das lob’ ich ſehr. Solch’ eine Anſtalt Wird ſtets, auch wenn Du ſiegſt, zu brauchen ſein. Varus. Wie ſo? Meinſt Du vielleicht, die Abſicht ſei, Cheruska Als ein erobertes Gebiet —? Ventidius. Quintilius, Die Abſicht, dünkt mich, läßt ſich faſt errathen. Varus. — Ward Dir etwa beſtimmte Kund’ hierüber? 169 Ventidius. Nicht, nicht! Mißhör’ mich nicht! Ich theile bloß, Was ſich in dieſer Bruſt prophetiſch regt, Dir mit Und Freunde mir aus Rom beſtätigen. Varus. Sei’s! Was bekümmert’s mich? Es iſt nicht meines Amtes Den Willen meines Kaiſers zu erſpähn. Er ſagt ihn, wenn er ihn vollführt will wiſſen. — Wahr iſt’s, Rom wird auf ſeinen ſieben Hügeln, Vor dieſen Horden nimmer ſicher ſein, Bis ihrer kecken Fürſtenhand Auf immerdar der Scepterſtab entwunden. Ventidius. So denkt Auguſt, ſo denket der Senat. Varus. Laß uns in ihre Mitte wieder treten. (ſie treten wieder zu Herrmann und Thusnelda, welche, von
Feldherrn und Fürſten umringt, dem Zuge des Heers zuſehen.) Thusnelda. Septimius! Was bedeutet dieſer Adler? Septimius. Das iſt ein Kriegspanier, erhabne Frau! Jedweder der drei Legionen Fleucht ſolch’ metallnes Adlerbild voran. Thusnelda. So, ſo! Ein Kriegspanier! Sein Anblick hält Die Schaaren in der Nacht des Kampfs zuſammen? Septimius. Du trafſt’s. Er führet ſie den Pfad des Siegs. — Thusnelda. Wie jedes Land doch ſeine Sitte hat! — Bei uns thut es der Chorgeſang der Barden. (Pauſe. Der Zug ſchließt, die Muſik ſchweigt.) Herrmann (indem er ſich zu dem Feldherrn Roms wendet). Willſt Du Dich in das Zelt verfügen, Varus? 170 Ein Mahl iſt, nach Cheruskerſitte, Für Dich und Dein Gefolge drin bereitet. Varus. Ich werde kurz jedoch mich faſſen müſſen. (er nimmt ihn vertraulich bei der Hand.) Ventidius hat Dir geſagt, Wie ich den Plan für dieſen Krieg entworfen? Herrmann. Ich weiß um jeden ſeiner weiſen Puncte. Varus. Ich breche morgen mit dem Römerheer Aus dieſem Lager auf, und übermorgen Rückſt Du mit dem Cheruskervolk mir nach. Jenſeits der Weſer, in des Feindes Antlitz, Hörſt Du das Weitre. — Wünſcheſt Du vielleicht, Daß ein geſchickter Römerfeldherr, Für dieſen Feldzug, ſich in Dein Gefolge miſche? Sag’s dreiſt mir an. Du haſt nur zu befehlen. Herrmann. Quintilius, in der That, Du wirſt Durch eine ſolche Wahl mich glücklich machen. Varus. Wohlan, Septimius, Schick’ ſchick’ Dich an, Dem Kriegsbefehl des Königs zu gehorchen. — (er wendet ſich zu Craſſus) Und daß die Teutoburg geſichert ſei, Indeſſen wir entfernt ſind, laſſ’ ich, Craſſus, Mit drei Cohorten, Dich darin zurück. — Weißt Du noch ſonſt was anzumerken, Freund? Herrmann. Nichts, Feldherr Roms! Dir übergab ich Alles, So ſei die Sorge auch, es zu beſchützen, Dein. 171 Varus (zu Thusnelda). Nun, ſchöne Frau, ſo bitt’ ich — Eure Hand! (er führt die Fürſtin ins Zelt.) Herrmann. Holla, die Hörner! Dieſer Tag Soll für Cheruska ſtets ein Feſttag ſein! (Hörnermuſik. Alle ab.)
Vierter Akt.
rechten Ufer der Weſer.
Erſter Auftritt.
Marbod (den Brief Herrmanns, mit dem Dolch, in der Hand haltend.Neben ihm) Attarin (ſein Rath. Im Hintergrunde) zwei
Hauptleute. — (Auf der andern Seite des Zeltes) Luit⸗
gar (mit Herrmanns Kindern) Rinold und Adelhart.
Zweiter Auftritt.
Komar (tritt auf). Die Vorigen.Dritter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt (treten auf).Vierter Auftritt.
Ein Auflauf. — (Zuerſt) ein Greis und Andere,(bald darauf) zwei Cherusker, (welche) eine Perſon
(aufführen, die ohnmächtig iſt). Fackeln. Volk jeden
Alters und Geſchlechts.
Fünfter Auftritt.
Teuthold und zwei andre Männer (treten auf).Teuthold ſteht, wie vom Donner gerührt. Die Vettern, die
ihm gefolgt waren, erſtarren gleichfalls. Pauſe.) Der zweite Cherusker. Genug! Die Fackeln weg! Führt ſie ins Haus! Ihr aber eilt den Herrmann herzurufen! Teuthold (indem er ſich plötzlich wendet). Halt dort! Der erſte Cherusker. Was giebt’s? Teuthold. Halt, ſag’ ich, ihr Cherusker! Ich will ſie führen, wo ſie hingehört. (er zieht den Dolch.) — Kommt, meine Vettern, folgt mir! 186 Der zweite Cherusker. Mann, was denkſt Du? Teuthold (zu den Vettern). Rudolf, Du nimmſt die Rechte, Ralf, die Linke! — Seid Ihr bereit, ſagt an? Die Vettern (indem ſie die Dolche ziehn). Wir ſind’s! Brich’ auf! Teuthold (bohrt ſie nieder). Stirb! Werde Staub! Und über Deiner Gruft Schlag’ ewige Vergeſſenheit zuſammen! (ſie fällt, mit einem kurzen Laut, übern Haufen.) Das Volk. Ihr Götter! Der erſte Cherusker (fällt ihm in den Arm). Ungeheuer! Was beginnſt Du? Eine Stimme (aus dem Hintergrunde). Was iſt geſchehn? Eine andere. Sprecht! Eine dritte. Was erſchrickt das Volk? Das Volk (durcheinander). Weh! Weh! Der eigne Vater hat, mit Dolchen, Die eignen Vettern, ſie in Staub geworfen! Teuthold (indem er ſich über die Leiche wirft). Hally! Mein Einz’ges! Hab’ ich’s recht gemacht?
Sechſter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt (treten auf). Die Vo⸗rigen.
Siebenter Auftritt.
Herrmann (tritt auf, mit Schild und Spieß. Hinter ihm) Sep⸗timius. — Gefolge.
Achter Auftritt.
Herrmann (nachdem er Schild und Spieß weggelegt). Nun wär’ ich fertig, wie ein Reiſender. Cheruska, wie es ſteht und liegt, Kommt mir, wie eingepackt in eine Kiſte, vor: Um einen Wechſel könnt’ ich es verkaufen. Denn käm’s heraus, daß ich auch nur Davon geträumt, Germanien zu befrein: Roms Feldherr ſteckte gleich mir alle Plätze an, Erſchlüge, was die Waffen trägt, Und führte Weib und Kind gefeſſelt übern Rhein. — Auguſt ſtraft den Verſuch, ſo wie die That! (er zieht eine Klingel; ein Trabant tritt auf.) Ruf’ mir die Fürſtin! Der Trabant. Hier erſcheint ſie ſchon!Neunter Auftritt.
Herrmann und Thusnelda.Thuschen! Ich muß Dich küſſen. — Doch, was ich ſagen wollte — — Hier iſt die Locke wieder, ſchau, Die Er Dir jüngſt vom Scheitel abgelöſ’t, Sie war, als eine Probe Deiner Haare, Schon auf dem Weg nach Rom; jedoch ein Schütze bringt, Der in den Sand den Boten ſtreckte, Sie wieder in die Hände mir zurück. (er giebt ihr den Brief, worin die Locke eingeſchlagen.) Thusnelda (indem ſie den Brief entfaltet). Die Lock’? O was! Um die ich Ihn verklagt? N 2 196 Herrmann. Dieſelbe, ja! Thusnelda. Sieh da! Wo kommt ſie her? Du haſt ſie dem Arkadier abgefordert? Herrmann. Ich? O behüte! Thusnelda. Nicht? — Ward ſie gefunden? Herrmann. Gefunden, ja, in einem Brief, Du ſiehſt, Den Er nach Rom hin, geſtern früh, An Livia, ſeine Kaiſ’rin, abgefertigt. Thusnelda. In einem Brief? An Kaiſerin Livia? Herrmann. Ja, lies die Aufſchrift nur. Du hältſt den Brief. (indem er mit dem Finger zeigt.) „An Livia, Roms große Kaiſerin.“ Thusnelda. Nun? Und? Herrmann. Nun? Und? Thusnelda. — Freund, ich verſteh’ kein Wort! — Wie kamſt Du zu dem Brief? Wer gab ihn Dir? Herrmann. Ein Zufall, Thuschen, hab’ ich ſchon geſagt! Der Brief, mit vielen andern noch, Ward einem Boten abgejagt, Der nach Italien ihn bringen ſollte. Den Boten warf ein guter Pfeilſchuß nieder, Und ſein Packet, worin die Locke, Hat mir der Schütze eben überbracht. 197 Thusnelda. Das iſt ja ſeltſam, das, ſo wahr ich lebe! — Was ſagt Ventidius denn darin? Herrmann. Er ſagt —: Laß ſehn! Ich überflog ihn nur. Was ſagt er? (er guckt mit hinein.) Thusnelda (lieſ’t). „Varus, o Herrſcherin, ſteht, mit den Legionen, „Nun in Cheruska ſiegreich da; „Cheruska, faſſ’ mich wohl, der Heimath jener Locken, „Wie Gold ſo hell und weich wie Seide, „Die Dir der heitre Markt von Rom verkauft. „Nun bin ich jenes Wortes eingedenk, „Das Deinem ſchönen Mund’, Du weißt, „Als ich zuletzt Dich ſah, im Scherz entfiel. „Hier ſchick’ ich von dem Haar, das ich Dir zugedacht, „Und das ſogleich, wenn Herrmann ſinkt, „Die Scheere für Dich erndten wird, „Dir eine Probe zu, mir klug verſchafft; „Beim Styx! ſo legt’s am Capitol, „Phaon, der Krämer, Dir nicht vor: „Es iſt vom Haupt der erſten Frau des Reichs, „Vom Haupt der Fürſtin ſelber der Cherusker!“ — Ei der Verfluchte! (ſie ſieht Herrmann an, und wieder in den Brief hinein.) Nein, ich las wohl falſch? Herrmann. Was? Thusnelda. Was! Herrmann. — Steht’s anders in dem Briefe da? Er ſagt —: 198 Thusnelda. „Hier ſchick’ ich von dem Haar,“ ſagt er, „Das ich Dir zugedacht, und das ſogleich, „Wenn Herrmann ſinkt — die Scheere für Dich erndten
„wird —“ (die Sprache geht ihr aus.) Herrmann. Nun ja; er will —! Verſtehſt Du’s nicht? Thusnelda (ſie wirft ſich auf einen Seſſel nieder). O Hertha! Nun mag ich dieſe Sonne nicht mehr ſehn. (ſie verbirgt ihr Haupt). Herrmann (leiſe, flüſternd). Thuschen! Thuschen! Er iſt ja noch nicht fort. (er folgt ihr und ergreift ihre Hand.) Thusnelda. Geh, laß mich ſein. Herrmann (beugt ſich ganz über ſie). Heut, wenn die Nacht ſinkt, Thuschen, Schlägt Dir der Rache ſüße Stunde ja! Thusnelda. Geh, geh, ich bitte Dich! Verhaßt iſt Alles, Die Welt mir, Du mir, ich: laß mich allein! Herrmann (er fällt vor ihr nieder). Thuschen! Mein ſchönes Weib! Wie rührſt Du mich! (Kriegsmuſik draußen.)
Zehnter Auftritt.
Eginhardt und Aſtolf (treten auf). Die Vorigen.Fünfter Akt.
Erſter Auftritt.
Varus und mehrere Feldherrn, an der Spitze desrömiſchen Heeres, mit Fackeln (treten auf).
Zweiter Auftritt.
Der Hauptmann (mit den) drei cheruskiſchenBoten. — Die Vorigen.
Dritter Auftritt.
Die Vorigen (ohne die Boten).Vierter Auftritt.
Eine Alraune (tritt auf, mit Krücke und Laterne). Die Vo⸗rigen.
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen (ohne die Alraune).Sechſter Auftritt.
Ein Römer (tritt auf). Die Vorigen.Tagen, Als ich den Lippſtrom überſchifft, geahnt! Erſter Feldherr. Pfui doch, Quintilius, des unrömerhaften Worts! Marbod und Herrmann! In den Staub Dich werfen! Wer weiß, ob Einer noch von beiden In Deiner Nähe iſt! — Gieb mir ein Häuflein Römer, Den Wald, der Dich umdämmert, zu durchſpähn: Die Schaar, auf die Dein Vordertrapp geſtoßen, Iſt eine Horde noch zuletzt, Die hier den Uhren oder Bären jagt. Varus (ſammelt ſich). Auf! — Drei Centurien geb’ ich Dir! O 210 — Bring’ Kunde mir, wenn Du’s vermagſt, Von ſeiner Zahl; verſtehſt Du mich? Und ſeine Stellung auch im Wald’ erforſche; Jedoch vermeide ſorgſam ein Gefecht. (der erſte Feldherr ab.)
Siebenter Auftritt.
Varus. — (Im Hintergrunde) das Römerheer.Achter Auftritt.
Ein zweiter Römer (tritt auf). Die Vorigen.Neunter Auftritt.
Ariſtan, Fürſt der Ubier (tritt eilig auf). Die Vorigen.Zehnter Auftritt.
Egbert (mit mehreren) Feldherrn und Hauptleuten(ſtehen verſammelt). Fackeln. (Im Hintergrunde) das Che⸗
ruskerheer.
Eilfter Auftritt.
Herrmann und Winfried (treten auf). Die Vorigen.Zwölfter Auftritt.
Ein Cherusker (tritt auf). Die Vorigen.Dreizehnter Auftritt.
Septimius (tritt auf). Die Vorigen.Vierzehnter Auftritt.
Die Vorigen (ohne den Septimius).Eiche gelehnt. — Feierliche Pauſe. — Die Feldherren ſprechen
heimlich mit einander.) Winfried (nähert ſich ihm). Mein Fürſt, vergieb! Die Stunde drängt, Du wollteſt uns den Plan der Schlacht — 221 Herrmann (wendet ſich). Gleich, gleich! — — Du, Bruder, ſprich für mich, ich bitte Dich. (er ſinkt, heftig bewegt, wieder an die Eiche zurück.) Ein Hauptmann. Was ſagt er? Ein Anderer. Was? Winfried. Laßt ihn. — Er wird ſich faſſen. Kommt her, daß ich den Schlachtplan Euch entdecke! (er verſammelt die Anführer um ſich.) Wir ſtürzen uns, das Heer zum Keil geordnet, Herrmann und ich, vorn an der Spitze, Grad auf den Feldherrn des Auguſtus ein! Sobald ein Riß das Römerheer geſprengt, Nimmſt Du die erſte Legion, Die zweite Du, die dritte Du! In Splittern völlig fällt es auseinander. Das Endziel iſt, den Marbod zu erreichen; Wenn wir zu dieſem, mit dem Schwerdt, Uns kämpfend einen Weg gebahnt, Wird der uns weitere Befehle geben. Chor der Barden (fällt wieder ein). Du wirſt nicht wanken und nicht weichen, Vom Amt, das Du Dir kühn erhöht, Die Regung wird Dich nicht beſchleichen, Die Dein getreues Volk verräth; Du biſt ſo mild, o Sohn der Götter, Der Frühling kann nicht milder ſein: Sei ſchrecklich heut, ein Schloſſenwetter, Und Blitze laß Dein Antlitz ſpein! (die Muſik ſchweigt. — Kurze Pauſe. — Ein Hörnertuſch in der Ferne.) Egbert. Ha! Was war das? 222 Herrmann (in ihre Mitte tretend). Antwortet! Das war Marbod! (ein Hörnertuſch in der Nähe.) Auf! — Mana und die Helden von Walhalla! (er bricht auf.) Egbert (tritt ihn an). Ein Wort, mein Herr und Herrſcher! Winfried! Hört mich! Wer nimmt die Deutſchen, das vergaßt Ihr, Die ſich dem Zug’ der Römer angeſchloſſen? Herrmann. Niemand, mein Freund! Es ſoll kein deutſches Blut, An dieſen Tag, von deutſchen Händen fließen! Egbert. Was! Niemand! hört’ ich recht? Es wär Dein Wille —? Herrmann. Niemand! So wahr mir Wodan helfen mög’! Sie ſind mir heilig; ich berief ſie, Sich muthig unſern Schaaren anzuſchließen! Egbert. Was! Die Verräther, Herr, willſt Du verſchonen, Die grimm’ger, als die Römer ſelbſt, In der Cheruska Herzen wütheten? Herrmann. Vergebt! Vergeßt! Verſöhnt, umarmt und liebt Euch! Das ſind die Wackerſten und Beßten, Wenn es nunmehr die Römerrache gilt! — Hinweg! — Verwirre das Gefühl mir nicht! Varus und die Cohorten, ſag’ ich Dir; Das iſt der Feind, dem dieſer Buſen ſchwillt! (Alle ab.)
Hintergrund ein eiſernes Gitter, das in einen, von Felſen
eingeſchloſſenen, öden Eichwald führt.
Funfzehnter Auftritt.
Thusnelda und Gertrud (treten auf).Sechzehnter Auftritt.
Childerich (tritt auf, eine Bärin an einer Kette führend). DieVorigen.
Siebzehnter Auftritt.
Ventidius (tritt auf.) — Thusnelda und Gertrud.ſie dieſelbe mit Heftigkeit zu, und zieht den Schlüſſel ab.)
Achtzehnter Auftritt.
Ventidius (innerhalb des Gitters). — Thusnelda undGertrud. — (Nachher) Childerich, der Zwin⸗
gerwärter.
Neunzehnter Auftritt.
Aſtolf und ein Haufen cheruskiſcher Krieger(treten auf). — Die Vorigen.
Leiche des Ventidius, von den Cheruskern getragen, und Chil⸗
derich mit der Bärin.) Aſtolf (läßt die Leiche vor ſich niederlegen). Ventidius, der Legate Roms! — Nun, bei den Göttern von Walhalla, So hab’ ich einen Spieß an ihm geſpart! Gertrud (aus dem Hintergrund). Helft mir, Ihr Leut’, ins Zelt die Fürſtin führen! Aſtolf. Helft Ihr! Ein Cherusker. Bei allen Göttern, welch’ ein Vorfall? Aſtolf. Gleichviel! Gleichviel! Auf! Folgt zum Craſſus mir, Ihn, eh’ er noch die That erfuhr, Ventidius, dem Legaten, nachzuſchicken! (Alle ab.)
Zwanzigſter Auftritt.
Marbod (von) Feldherren (umringt, ſteht auf einem Hügel undſchaut in die Ferne). — Komar (tritt auf).
Einundzwanzigſter Auftritt.
Varus (tritt verwundet auf). Da ſinkt die große Weltherrſchaft von Rom Vor eines Wilden Witz zuſammen, Und kommt, die Wahrheit zu geſtehn, Mir wie ein dummer Streich der Knaben vor! Rom, wenn, gebläht von Glück, Du mit drei Würfeln doch, Nicht neunzehn Augen werfen wollteſt! Die Zeit noch kehrt ſich, wie ein Handſchuh um, Und über uns ſeh’ ich die Welt regieren, Jedwede Horde, die der Kitzel treibt. — Da naht der Derwiſch mir, Armin, der Fürſt der Uhren, Der dieſe Sprüche mich gelehrt. — Der Rhein, wollt’ ich, wär’ zwiſchen mir und ihm! Ich warf, von Schaam erfüllt, dort in dem Schilf desMoors, Mich in des eignen Schwerdtes Spitze ſchon; Doch meine Ribbe, ihm verbunden, Beſchirmte mich; mein Schwerdt zerbrach, Und nun bin ich dem Seinen aufgeſpart. — Fänd’ ich ein Pferd nur, das mich rettete.
Zweiundzwanzigſter Auftritt.
Herrmann (mit bloßem Schwerdt, von der einen Seite) Fuſt,Fürſt der Cimbern, und Gueltar, Fürſt der Ner⸗
vier (von der andern, treten hitzig auf). — Varus.
Dreiundzwanzigſter Auftritt.
Thusnelda (mit ihren) Frauen. — (Ihr zur Seite) Egin⸗hardt und Aſtolf. — (Im Hintergrunde) Wolf, Thuis⸗
komar, Dagobert, Selgar. — Herrmann
(tritt auf. Ihm folgen) Fuſt, Gueltar, Winfried, Eg⸗
bert und Andere.
Letzter Auftritt.
Marbod mit Gefolge (tritt auf. Hinter ihm, von einer Wachegeführt) Ariſtan, Fürſt der Ubier (in Feſſeln). — Die
Vorigen. Herrmann (beugt eine ein Knie vor ihm). Heil, Marbod, meinem edelmüth’gen Freund! Und wenn Germanien meine Stimme hört: Heil ſeinem großen Oberherrn und König! Marbod. Steh’ auf, Arminius, wenn ich reden ſoll! Herrmann. Nicht eh’r, o Herr, als bis Du mir gelobt, Nun den Tribut, der uns entzweite, Von meinem Kämmrer huldreich anzunehmen! Marbod. Steh auf, ich wiederhol’s! Wenn ich Dein König, So iſt mein erſt Gebot an Dich: ſteh’ auf! (Herrmann ſteht auf.) Marbod (beugt ein Knie vor ihm). Heil, ruf’ ich, Herrmann, Dir, dem Retter von Germanien! Und wenn es meine Stimme hört: Heil ſeinem würd’gen Oberherrn und König! Das Vaterland muß einen Herrſcher haben, Und weil die Krone ſonſt, zur Zeit der grauen Väter, Bei Deinem Stamme rühmlich war: Auf Deine Scheitel falle ſie zurück! Die ſueviſchen Feldherrn. Heil, Herrmann! Heil Dir, König von Germanien! So ruft der Suev’, auf König Marbods Wort! Fuſt (vortretend). Heil, ruf’ auch ich, beim Jupiter! 240 Gueltar. Und ich! Wolf und Thuiskomar. Heil, König Herrmann, alle Deutſchen Dir! (Marbod ſteht auf.) Herrmann (umarmt ihn). Laß dieſe Sach’, beim nächſten Mondlicht, uns, Wenn die Druiden Wodan opfern, In der geſammten Fürſten Rath, entſcheiden! Marbod. Es ſei! Man ſoll im Rath die Stimmen ſammeln. Doch bis dahin, das weigre nicht, Gebeutſt Du als Regent und führſt das Heer! Dagobert und Selgar. So ſei’s! — Beim Opfer ſoll die Wahl entſcheiden. Marbod (indem er einige Schritte zurückweicht). Hier übergeb’ ich, Oberſter der Deutſchen, (er winkt der Wache.) Den ich in Waffen aufgefangen, Ariſtan, Fürſten Dir der Ubier! Herrmann (wendet ſich ab). Weh mir! Womit muß ich mein Amt beginnen? Marbod. Du wirſt nach Deiner Weisheit hier verfahren. Herrmann (zu Ariſtan). — Du hatteſt, Du Unſeeliger, vielleicht Den Ruf, den ich den deutſchen Völkern, Am Tag der Schlacht erlaſſen, nicht geleſen? Ariſtan (keck). Ich las, mich dünkt, ein Blatt von Deiner Hand, Das für Germanien in den Kampf mich rief! Jedoch was galt Germanien mir? Der Fürſt bin ich der Ubier, Be⸗ 241 Beherrſcher eines freien Staats, In Fug und Recht, mich jedem, wer es ſei, Und alſo auch dem Varus zu verbinden! Herrmann. Ich weiß, Ariſtan. Dieſe Denkart kenn’ ich. Du biſt im Stand’ und treibſt mich in die Enge, Fragſt, wo und wann Germanien geweſen? Ob in dem Mond? Und zu der Rieſen Zeiten? Und was der Witz ſonſt an die Hand Dir giebt; Doch jetzo, ich verſichre Dich, jetzt wirſt Du Mich ſchnell begreifen, wie ich es gemeint: Führt ihn hinweg und werft das Haupt ihm nieder! Ariſtan (erblaßt). Wie, Du Tyrann! Du ſcheuteſt Dich ſo wenig —? Marbod (halblaut, zu Wolf). Die Lektion iſt gut. Wolf. Das ſag’ ich auch. Fuſt. Was gilts, er weiß jetzt, wo Germanien liegt? Ariſtan. Hört mich, Ihr Brüder —! Herrmann. Führt ihn hinweg! Was kann er ſagen, das ich nicht ſchon weiß? (Ariſtan wird abgeführt.) Ihr aber kommt, ihr wackern Söhne Teuts, Und laßt, im Hain der ſtillen Eichen, Wodan für das Geſchenk des Siegs uns danken! — Uns bleibt der Rhein noch ſchleunig zu ereilen, Damit vorerſt der Römer keiner Von der Germania heil’gem Grund entſchlüpfe: Q 242 Und dann — nach Rom ſelbſt muthig aufzubrechen! Wir oder unſre Enkel, meine Brüder! Denn eh’ doch, ſeh’ ich ein, erſchwingt der Kreis der Welt Vor dieſer Mordbrut keine Ruhe, Als bis das Raubneſt ganz zerſtört, Und nichts, als eine ſchwarze Fahne, Von ſeinem öden Trümmerhaufen weht!