[103] An Christoph Martin Wieland, d. 10. März 1807
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Ich küsse Ihnen voll Rührung und Ehrfurcht die Hände. Verzeihen / Sie, daß ich, seit nun fast zwei Jahren, nichts von mir hören ließ. Ich / war im Begriff, in Weimar so, wie es meine Seele wünscht, wieder / vor Ihnen zu erscheinen; doch der sonderbarste Zufall hat mich daran / verhindert. /
Ich bin auf meiner Durchreise durch Berlin mit noch zwei jungen / Landsleuten, auf Befehl des General-Gouverneurs Clark, arretirt]arretiert / und, als ein Staatsgefangener, nach diesem festen Schloße]Schlosse abgeführt / worden. Erschrecken Sie nicht, es muß ein Misverständnis dieser / 10 Sache zu]zugrunde Grunde][] [Heimböckel:1999 (Reclam) 381] liegen, denn auch nicht in Gedanken, wie Sie sich / leicht überzeugen werden, mischt’]mischt ich mich in den Streit der Welt. / [Perels:1986] S. 182 Unsre Ordre]Order lautet auch auf weiter nichts, als Gefangenschaft bis / zum Frieden, und wenn wir unsre Gefängnisse nur mit Zimmern / verwechseln dürfen, wie wir auszuwir[DKV IV 372] ken hoffen]hoffen, so sind wir völlig / zufrieden. Die ganze Veränderung mindestens, die ich dadurch / erleide, besteht darin, daß ich nunmehr in Joux, statt in Dresden oder / Weimar dichte; und wenn es nur gute Verse sind, was gilt das / Uebrige]Übrige? /
Die Absicht dieses Schreibens ist, Ihnen, mein würdigster Freund, / 20 zu melden, dass]daß Sie von einer Freundin, der Frau von Kleist, zu / Potsdam, ein Paar]paar Manuscripte]Manuscripte erhalten werden, die ich im vergangenen / Sommer zu Königsberg dichtete. Würdigen Sie sie gefälligst / Ihrer Durchsicht. Ich würde seelig gewesen sein, wenn ich, wie in / jenem mir ewig unvergesslichen]unvergeßlich Winter vor 5 Jahren, einen Augenblick / hätte finden können, Sie Ihnen vorzutragen. Wenn Sie sie für / die öffentliche Erscheinung geeignet finden und der Zeitpunkt nicht / ganz ungünstig ist, so führen Sie mich gütigst bei einem Buchhändler / ein; ich habe mich schon mit Gessner deshalb in Correspondenz / gesetzt, und wenn er mit Cotta verbunden ist, so würd’]würd ich mit / 30 Niemandem]niemandem lieber, für die ganze Zukunft, Geschäfte dieser Art / betreiben, als mit ihm. /
[Perels:1986] S. 183Erfreuen Sie mich, in meiner einsamen Wohnung, mit einem Paar]paar / Zeilen von Ihrer Hand. Ich bin ein Kaiser, wenn Sie mir sagen, daß / ich Ihnen etwas werth]wert bin. Ihr Brief [BKA IV/2 471] geht am [MA II 865] Sichersten]sichersten, adressirt]adressiert / an Commandant du Château de Joux (Doubs) Ms. v. Bureau. / Grüßen Sie alle die Ihrigen, Madame Schorch]Schorch, Louise — [SE:1993 II 1050] auch Louis — / er soll mir schreiben, wie es ihm geht, und was er für die Zukunft / für Pläne hat. /
Möge Frieden und Heiterkeit den Rest Ihrer Tage krönen, wie der / 40 Ruhm ihn krönt! /
Ihr ergebenster / Heinrich von Kleist ehemals pr]pr. Officier]Offizier. / Im Château de Joux (Doubs) ]Doubs, Den]den 10]10 März 1807. ]1807 /