[085] An Ernst v. Pfuel, 7. Januar 1805
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Du
übſt, du
guter, lieber
Junge,
mit
deiner]Deiner
Deiner
Beredſamkeit
eine
wunderliche
Gewalt
über
mein
Herz
aus, und
ob
ich
dir]Dir
gleich
die
ganze
Einſicht
in
meinen
Zuſtand
ſelber
gegeben
habe, ſo
rückſt
du]Du
mir
doch
zu⸗
weilen
mein
Bild
ſo
nahe
vor
die
Seele, daß
ich
darüber, wie
vor
der
neueſten
Erſcheinung
von
der
Welt, [SE:1993 II 749]
zuſammenfahre.
Ich
werde
jener
feierlichen
Nacht
5
niemals
vergeſſen, da
du]Du
mich
in
dem
ſchlechteſten
Loche
von
Frankreich
auf
eine
wahrhaft
erhabene
Art, beinahe
wie
der
Erzengel
ſeinen
gefallnen
Bruder
in
der
Meſſiade, ausgeſcholten
haſt.
Warum
kann
ich
dich]Dich
nicht
mehr
als
meinen
Meiſter
verehren, o
du]Du,
den
ich
immer
noch
über
Alles]alles
liebe? —
Wie
flogen
wir
vor
einem
Jahre
einander,
[Satzfehler] Jah reeinander,
in
Dreßden]Dresden,
in
die
Arme!
Wie
öffnete
10
ſich
die
Welt
unermeßlich, gleich
einer
Rennbahn, vor
unſern
in
der
Begierde
des
Wettkampfs
erzitternden
Gemüthern]Gemütern!
Und
nun
liegen
wir, übereinander
geſtürzt, mit
unſern
Blicken
den
Lauf
zum
Ziele
vollendend, das
uns
nie
ſo
glänzend
erſchien, als
jetzt, im
Staube
unſres
Sturzes
eingehüllt!
Mein,
mein
iſt
die
Schuld,
ich
habe
dich]Dich
verwickelt, ach, ich
kann
dir]Dir
dies
nicht
ſo
ſagen, wie
15
ich
es
empfinde. —
Was
ſoll
[MA II 832]
ich,
liebſter
Pfuël,
mit
allen
dieſen
Thränen]Tränen
anfangen?
Ich
mögte]möchte
mir, zum
Zeitvertreib, wie
jener
nackte
König
Richard,
mit
ihrem
minutenweiſen
Falle
eine
Gruft
aushöhlen, mich
und
dich]Dich
und
unſern
unendlichen
[DKV IV 336]
Schmerz
darin
zu
verſenken.
So
umarmen
wir
uns
nicht
wieder!
So
nicht, wenn
wir
einſt, von
unſerm
Sturze
erholt, denn
wovon
heilte
der
20
Menſch
nicht! einander, auf
Krücken, wieder
begegnen.
Damals
[2]
[BKA IV/2 335]
liebten
wir
ineinander
das
Höchſte
in
der
[Heimböckel:1999 (Reclam) 345]
Menſchheit; denn
wir
liebten
die
ganze
Ausbildung
unſrer
Naturen, ach! in
ein
Paar]paar
glücklichen
Anlagen, die
ſich
eben
entwickelten.
Wir
empfanden, ich
wenigſtens, den
lieblichen
Enthu⸗
ſiasmus
der
Freundſchafft]Freundschaft!
Du
ſtellteſt
das
Zeitalter
der
Griechen
in
25
meinem
Herzen
wieder
her, ich
hätte
bei
dir]Dir
ſchlafen
können, du
lieber
Junge;
ſo
umarmte
dich]Dich
meine
ganze
Seele!
Ich
habe
deinen]Deiner
ſchönen
Leib
oft, wenn
du]Du
in
Thun
vor
meinen
Augen
in
den
See
ſtiegeſt, mit
wahrhaft
mädchen
haften
Gefühlen
betrachtet.
Er
könnte
wirklich
einem
Künſtler
zur
Studie
dienen.
Ich
hätte, wenn
ich
Einer]einer
geweſen
wäre, vielleicht
die
Idee
30
eines
Gottes
durch
ihn
empfangen.
Dein
kleiner, krauſer
Kopf, einem
feiſten
Halſe
aufgeſetzt, zwei
breite
Schultern, ein
nerviger
Leib, das
Ganze
ein
muſterhaftes
Bild
der
Stärke, als
ob
du]Du
dem
ſchönſten
jungen
Stier, der
jemals
dem
Zevs]Zeus
geblutet, nachgebildet
wäreſt.
Mir
iſt
die
ganze
Geſetzgebung
des
Lykurgus,
u.
und
]und
ſein
Begriff
von
der
Liebe
der
35
Jünglinge, durch
die
Empfindung, die
du]Du
mir
geweckt
haſt, klar
geworden.
Komm
zu
mir!
Höre, ich
will
dir]Dir
[SE:1993 II 750]
was
ſagen.
Ich
habe
mir
dieſen
Altenſtein
lieb
gewonnen, mir
ſind
die
Abfaſſung
einiger
Reſcripte]Reskripte
übertragen
worden, ich
zweifle
nicht
mehr, daß
ich
die
ganze
Probe, nach
jeder
vernünftigen
Erwartung
beſtehen
werde.
Ich
kann
ein
Differentiale
finden, und
einen
Vers
machen; 40
ſind
das
nicht
die
beiden
Enden
der
menſchlichen
Fähigkeit?
Man
wird
mich
gewiß, und
bald, und
mit
Gehalt
anſtellen, geh
mit
mir
nach
Anſpach,
und
laß
uns
der
ſüßen
Freundſchafft]Freundschaft
genießen.
Laß
mich
mit
allen
dieſen
Kämpfen
etwas
erworben
haben, das
mir
das
Leben
wenigſtens
erträglich
[3]
[BKA IV/2 336]
macht.
Du
haſt
in
Leipzig
mit
mir
getheilt]geteilt,
oder
haſt
es
doch
gewollt, welches
45
gleichviel
iſt; nimm
von
mir
ein
Gleiches
an!
Ich
heirathe]heirate
niemals, ſei
du]Du
die
Frau
mir, die
[DKV IV 337]
Kinder, und
die
Enkel!
Geh
nicht
weiter
auf
dem
Wege,
den
du
betreten
haſt.
Wirf
dich]Dich
dem
[MA II 833]
Schickſal
nicht
unter
die
Füße, es
iſt
ungroßmüthig]ungroßmütig,
und
zertrit]zertritt
dich]Dich.
Laß
es
an
Einem]einem
Opfer
genug
ſein.
Erhalte
dir]Dir
die
Ruinen
deiner]Deiner
Seele, ſie
ſollen
uns
ewig
mit
[Heimböckel:1999 (Reclam) 346]
Luſt
an
die
romantiſche
50
Zeit
unſres
Lebens
erinnern.
Und
wenn
dich]Dich
einſt
ein
guter
Krieg
in’s]ins
Schlacht⸗
feld
ruft, deiner]Deiner
Heimath]Heimat,
ſo
geh, man
wird
deinen]Deinen
Werth]Wert
empfinden, wenn
die
Noth]Not
drängt. —
Nimm
meinen
Vorſchlag
an.
Wenn
du]Du
dies
nicht
thuſt]tust,
ſo
fühl
ich, daß
mich
niemand
auf
der
Welt
liebt.
Ich
mögte]möchte
dir]Dir
noch
mehr
ſagen, aber
es
taugt
nicht
für
das
Briefformat.
Adieu.
Mündlich
ein
Mehreres]mehreres.
55
Berlin,
d.
d
]den
7t
]7.
Januar,
]Januar
1805
Heinrich
v]v.
Kleiſt.