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Von der
Ueberlegung.
(Eine Paradoxe.)
Man ruͤhmt den Nutzen der
Ueberlegung in alle
Himmel; beſonders der kaltbluͤtigen
und langwieri⸗
gen, vor der That. Wenn ich ein Spanier, ein 5
Italiener
oder ein Franzoſe waͤre: ſo moͤgte es
da⸗⸗
damit
da⸗
mit
ſein Bewenden haben. Da ich aber ein
Deutſcher bin, ſo denke ich meinem Sohn einſt, be⸗
ſonders wenn er ſich zum Soldaten beſtimmen
ſoll⸗
te, folgende Rede zu halten.10
„Die Ueberlegung, wiſſe, findet
ihren Zeitpunkt
weit ſchicklicher nach, als vor der That. Wenn
ſie vorher, oder in dem
Augenblick der Entſcheidung
ſelbſt, ins Spiel tritt: ſo
ſcheint ſie nur die zum
Handeln noͤthige Kraft, die aus
dem herrlichen Ge⸗15
fuͤhl quillt, zu verwirren, zu
hemmen und zu unter⸗
druͤcken; dagegen ſich
nachher, wenn die Handlung
abgethan iſt, der Gebrauch von
ihr machen laͤßt,
zu welchem ſie dem Menſchen eigentlich
gegeben iſt,
naͤmlich ſich deſſen, was in dem Verfahren
fehler⸗20
haft und gebrechlich war, bewußt zu
werden, und
das Gefuͤhl fuͤr andere kuͤnftige Faͤlle zu
reguliren.
Das Leben ſelbſt
iſt ein Kampf mit dem Schick⸗
ſal; und es verhaͤlt
ſich auch mit dem Handeln wie
mit dem Ringen. Der Athlet kann, in dem Au⸗25
genblick, da er ſeinen Gegner umfaßt haͤlt, ſchlecht⸗
hin nach keiner anderen Ruͤckſicht, als nach bloßen
augenblicklichen Eingebungen verfahren; und derje⸗
[ 59 ]
232nige, der berechnen wollte,
welche Muskeln er an⸗
ſtrengen, und welche Glieder
er in Bewegung ſez⸗30
zen
ſoll, um zu uͤberwinden, wuͤrde unfehlbar den
Kuͤrzeren
ziehen, und unterliegen. Aber nachher,
wenn er geſiegt hat oder am Boden liegt, mag es
zweckmaͤßig und an ſeinem Ort ſein, zu uͤberlegen,
durch welchen Druck er ſeinen Gegner niederwarf, 35
oder welch ein Bein er ihm haͤtte ſtellen ſollen, um
ſich aufrecht zu erhalten. Wer das Leben nicht,
wie ein ſolcher Ringer, umfaßt
haͤlt, und tauſend⸗
gliedrig, nach allen Windungen
des Kampfs, nach
allen Widerſtaͤnden, Druͤcken,
Ausweichungen und 40
Reactionen, empfindet und ſpuͤrt: der
wird, was er
will, in keinem Geſpraͤch, durchſetzen;
vielweniger
in einer Schlacht.“
x.
Anekdote.45
Ein Herr von D... in Moskau, ein ſehr reicher
Gutsbeſitzer, zeichnete ſich durch eine Menge Biſarre⸗
rien
aus.
Eine ſeiner Toͤchter
verheirathete ſich wider ſeinen
Willen. Sie erhielt alſo
auch nicht die geringſte Aus⸗50
ſtattung, und er
verbot ihr und ihrem Gemahl, ihm
jemals vor Augen zu
kommen.
Als die junge Frau von einem
Sohn entbunden
worden war, wagte ſie es, in Begleitung
ihres Gatten
zu ihrem entzuͤrnten Vater zu
fahren, in der
Hoffnnug,
Hoffnung,
55
daß nun ſein Zorn abgekuͤhlt ſein, und der Anblick ei⸗
nes Enkels ſein Herz zur Verſoͤhnung erweichen
wuͤrde.
Das junge Ehepaar uͤberraſchte
ihn und die Toch⸗
ter legte ihm den Erſtgebohrnen
in den Arm. Er ſchien
verlegen, doch bald faßte er ſich, nahm ſeine Tochter 60
und ſeinen Schwiegerſohn hoͤflich auf, bewirthete beide
233aufs Beſte, ſprach aber
kein Wort uͤber ihre Verbin⸗
dung, noch uͤber eine
Ausſtattung.
Als die jungen Leute wieder wegfuhren, fanden
ſie ein friſch geſchlachtetes Schwein in ihrem
Wagen.65
Der Mann, der ſich hoͤchſt
beleidigt hielt, wollte
es herauswerfen laſſen, ſeine
Gattin beruhigte ihn in⸗
deſſen, und brachte es
endlich dahin, dieſe Laune des
Schwiegervaters zu dulden
und kein Aufſehn zu machen.
Als ſie zu Hauſe gekommen waren,
ſollten die Be⸗70
dienten das Schwein forttragen,
keiner aber vermogte
es aufzuheben. Man unterſuchte es naͤher und fand es
mit einigen tauſend Goldſtuͤcken angefuͤllt. — Dieſe
Geſchichte iſt ſinnreicher,
als mancher glaubt.
(Gem.
Unterh. Blaͤtter.)75
Miscellen.
Die Aufmerkſamkeit aller Staatskundigen iſt in
dieſem
Augenblick auf das innere Schickſal der Oeſtreich⸗
iſchen Monarchie gerichtet: die Banknoten, welche am
24ten Nov. ſchon 880 ſtanden fallen mehr und mehr 80
und
ihre voͤllige Werthloſigkeit iſt mit Sicherheit vor⸗
auszuſehn, wenn nicht alle großen Eigenthuͤmer der
Monarchie ins Mittel treten. Der diesjaͤhrige Miß⸗
credit der Papiere hatte drei
Hauptveranlaßungen
1) die Stipulationen des Wiener Friedens und 85
den
Verluſt von Trieſt; dann
vorzuͤglich
2) den 5ten §. des erſten Kaiſerl. Koͤnigl. Finanz⸗
patents, der zwar noch nicht ausgefuͤhrt, aber
doch auch noch nicht feierlich zuruͤckgenommen
worden; endlich90
3) den Kaiserl. Franzoͤſiſchen Colonial⸗Tarif und
die
Maasregeln in deſſen Gefolge das Wiener
Papier auf ſeinen
vorzuͤglichſten auslaͤndiſchen
Maͤrkten, in Augsburg, Strasburg, Frankfurt,
Livorno ⁊c. außer Cours geſetzt worden iſt.95
Unbegreiflich hat es laͤngſt ſcheinen muͤſſen, warum
man
nicht aus den Getreide⸗, Fleiſch⸗ und anderen
Conſumtions⸗Artikel⸗Preiſen auf den vorzuͤglichſten
234Plaͤtzen im innern Umfange der
Monarchie, einen in⸗
nern Cours zu berechnen
bedacht geweſen iſt, waͤre es 100
auch nur um der
furchtbaren Augsburger Zahl ein
troͤſtliches
Gegengewicht und der oͤffentlichen Meinung
der Nation
eine beſſere Richtung zu geben. — Da nun
einmal die Schickſale aller Familien im Umfange der
Monarchie an das Schickſal der Bankzettel gebunden 105
ſind, ſo
ſieht man einer ſchleunigen Vereinigung aller
großen
Geld und Guͤterbeſitzer entgegen, die ſich, nach
Art der
Brittiſchen Handlungshaͤuser im J. 1797 ver⸗
pflichten muͤßten die Bankzettel in allen Faͤllen zu ei⸗
nem mittleren Courſe etwa zu 300 anzunehmen, wo 110
alsdann die projectirten Einloͤſungsſcheine leicht in
Cours geſetzt werden koͤnnten und die Monarchie zu
ihrer innern Conſolidation den bedeutendſten Schritt
gemacht haben wuͤrde.
Praͤliminarbedingung iſt indeß
die feierliche Zuruͤcknahme des erwaͤhnten 5ten
§s.115
A. M.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Der Koͤnig von Schweden
Guſtav Adolph hat
vorlaͤufig in der Gegend von Colcheſter bleiben und
nicht nach London kommen duͤrfen.
Herr Pierrepoint
120
(vormaliger Geſandter in Schweden) beſorgt ſeine
Angelegenheiten. (Mon.)
Bis zum 21ter November war das Fieber des Koͤ⸗
nigs von
England, weder im Zu⸗ noch im Abnehmen.
(Mon.)125
Laut Nachrichten vom 25. Nov. aus
Stockholm,
liest ohne Komma
ſollte nunmehr das feierliche Leichenbegaͤngniß
de
des
Grafen Axel
Ferſen vor ſich gehn. (L. d.
B.)