Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Berliner Abendblätter.
38tes Blatt. Den 13ten November 1810.
Uebersicht der Kunstausstellung.
(Fortsetzung.)
Wir schließen mit Ludwig am besten die Reihe der Oehlporträts und historischen Bilder und wenden uns zu den Pastell- und Miniaturbildern. Die Aehnlichkeit mehrerer Pastellbilder von Ternite wurde allgemein anerkannt, das Bild seiner Mutter erhielt vorzügliches Lob der Wahrheit und Ausführung; diese Wahrheit bei vorzüglicher Behandlung der Farbe machte auch auf mehrere Bildnisse der M. Robert aufmerksam. Unter den vielen artigen Miniatüren war das Bildniß der Königinn von Dähling eins der anziehendsten. Heusingers kleine Familienbilder in Sepia befriedigten alle Anforderungen, die an so kleinen Raum gemacht werden konnten. Das Natürliche in der Zusammenstellung der artigsten Mädchengestalten machte seine Arbeiten zu willkommenen Ruhepunkten für jedes Auge, das an dem Wechsel der verschiedensten Bestrebungen ermüdete. Unter den Landschaftern müssen wir wohl Friedrich zuerst aufführen, weil seine Kraft, ausgezeichnete Momente der Himmelsconstellation, die selbst arme Gegenden für einzelne Stunden sehr anziehend machen können, aufzufassen und seine Ungeschicklichkeit in der Behandlung der Farben, zu den widersprechendsten Urtheilen hinriß; die Wirkung seiner Winterlandschaft war meist entschieden, seine viel ausgezeichnetere Landschaft in Sepia wurde meist übersehen. Von Rheinhardt in Rom waren eine große und zwei kleine Gegenden ausgestellt; Farbelosigkeit und Willkührlichkeit der Farben wurde allen dreyen vorgeworfen; überhaupt erhielten sie weniger Beifall als die Erfindung und Vollendung mancher einzelnen Theile gefordert hätte. Ein seltenes Talent, die Manier zweier so entgegengesetzter Meister wie Claude und Ruisdael in eigenthümlichen Erfindungen darzustellen, bewährte Wolter; unserem Gefühle war der Wasserfall besonders zusprechend, undein Oelporträt von ihm bewährte die seltene Verbindung des mannichfaltigsten Talents in diesem ausgezeichneten 148 jungen Künstler. Die beiden großen Phantasiebilder von Weitsch, zwei entfernte Gegenden darstellend, machten die größte Wirkung auf die Jugend, die gern ihre Sehnsucht nach der Ferne befriedigt, ohne gerade mit Ernst zu fordern: ob es wirklich dort ganz so aussehe, wie es ihr vorgestellt wird. Es sind Bilder nach Beschreibung und Umrissen, die Gegenstände aber fast einzig und über alles Maaß, und wie wir schon in der Natur bei großen Bergen so leicht das Augenmaaß der Entfernung bis zu ihnen verlieren, so ist es schwer, von einem Maler zu verlangen, daß er uns die Weite der Ebene bis zum Chimbarasso kenntlich machen soll. Die Landschaften von Lüttke erinnern sehr treu an Gegenden, die unsrer Geschichte wichtig geworden sind. — Den Landschaften schließen sich ein Paar treffliche architektonische Zeichnungen von Schinkel an. Der Plan seines Denkmals auf die verewigte Königinn vereinigt den Kirchendienst, der den Ort nach einer ehrwürdigen Volksgesinnung heiligen muß, wo die Herrscher begraben liegen, mit der Gesinnung, daß diese Kirche ausschließlich zu ihrem Andenken erbaut sey; allgemein war das Bedauern, daß derselbe nicht ausgeführt worden. Eine Zeichnung von ihm auf Stein, eine alte Kirche halb von Bäumen versteckt, hat gleichviel Verdienstliches in Erfindung und Ausführung. Der Münster in Freiburg von Moller ist zierlich und treu.
(Beschluß folgt.)
Von einem Kinde, das kindlicher Weise ein anderes Kind umbringt.
In einer Stadt Franecker genannt, gelegen in Westfriesland, da ist es geschehen, daß junge Kinder, fünf, sechsjährige, Mägdlein und Knaben mit einander spielten. Und sie ordneten ein Büblein an, das solle der Metzger sein, ein anderes Büblein, das solle Koch sein, und ein drittes Büblein, das solle eine Sau sein. Ein Mägdlein, ordneten sie, solle Köchin sein, wieder ein anderes, das solle Unterköchin sein; und die Unterköchin solle in einem Geschirrlein das Blut von der Sau empfahen, daß man Würste könne machen. Der Metzger gerieth nun verabredetermaßen an das Büblein, das die Sau sollte sein, riß es nieder und schnitt ihm mit einem Messerlein die Gurgel auf; und die Unterköchinn empfing das Blut in ihrem Geschirrlein. 149Ein Rathsherr, der von ungefähr vorübergeht, sieht dies Elend; er nimmt von Stund’ an den Metzger mit sich, und führt ihn in des Obersten Haus, welcher sogleich den ganzen Rath versammeln ließ. Sie saßen all über diesen Handel, und wußten nicht, wie sie ihm thun sollten, denn sie sahen wohl, daß es kindlicher Weise geschehen war. Einer unter ihnen, ein alter weiser Mann, gab den Rath, der oberste Richter solle einen schönen, rothen Apfel in die eine Hand nehmen, in die andere einen rheinischen Gulden, solle das Kind zu sich rufen, und beide Hände gleich gegen dasselbe ausstrecken; nehme es den Apfel, so solle es ledig erkannt werden, nehme es aber den Gulden, so solle man es auch tödten. Dem wird gefolgt; das Kind aber ergreift den Apfel lachend, wird also aller Strafe ledig erkannt.“
Diese rührende Geschichte aus einem alten Buche gewinnt ein neues Interesse durch das letzte kleine Trauerspiel Werners, der vier und zwanzigste Februar genannt, welches in Weimar und Lauchstädt schon oft mit einem so lebhaften Antheil gesehen worden ist, als vielleicht kein Werk eines modernen Dichters. Das unselige Mordmesser, welches in jener Tragödie der unruhige Dolch des Schicksals ist, (vielleicht derselbe, den Mackbeth vor sich her zur Schlafkammer des Königs gehen sieht) ist dasselbe Messer, womit der eine Knabe den andern getödtet, und er empfängt in jener That seine erste blutige Weihe. Wir wissen nicht, ob Werner die obige Geschichte ganz gekannt oder erzählt hat, denn jenes treflichste und darstellbarste Werk Werners, zu dem nur drei Personen, Vater und Mutter und Sohn, nur eine doppelte durchgeschlagene Schweizer Bauerstube, ein Schrank, ein Messer und etwas Schnee, den der Winter gewiß bald bringen wird, die nöthigen Requisite sind, ist auf unsrer Bühne noch nicht aufgeführt worden. Gleichwohl besitzen wir mehr, als die Weimaraner, um es zu geben, einen Iffland, eine Bethmann und Schauspieler, um den Sohn darzustellen, im Ueberfluß. Möge diese kleine Mittheilung den Sinn und den guten Willen dazu anregen.
Theater-Neuigkeit. [liest ›Theater-Nenigkeit‹]
Das Singspiel: die Schweizerfamilie, vom Hrn. Kapellm. Weigl, das in Wien, Stuttgart, München, Frankfurt u. s. w. mit lebhaftem fast ausschweifendem Beifall aufgeführt worden ist, wird nun auch 150auf dem hiesigen Königl. Nationaltheater einstudirt. Die Direktion verdient dafür den lebhaftesten Dank; wir zweifeln, daß im Fach des Gefälligen und Anmuthigen etwas Vorzüglicheres geleistet worden ist. Wie nun die Rolle der Emeline (von welcher, als der Hauptfigur, das ganze Glück dieses Stückes abhängt) besetzt werden wird, und ob sie der Mmslle. Schmalz, wegen des Umfangs und der Gediegenheit ihrer Stimme — wegen Uebung und Gewandheit im Spiel der Mdm. Müller, oder wegen der glücklichen Verbindung beider der Mdm. Eunicke (welches wohl das Zweckmäßigste [liest ›Zweckmäßigste‹] wäre) zufallen wird, steht dahin; in Wien ist sie der Mmslle. Milder übertragen, eine der tüchtigsten, von Seiten der musikalischen sowohl als mimischen Kunst, trefflichsten Schauspielerinnen, die Deutschland in diesem Augenblicke besitzt.
rz.
Glückwunsch.
Ich gratulire, Stax, denn ewig wirst du leben; Wer keinen Geist besitzt, hat keinen aufzugeben.
Miscellen.
London, den 22 u. 23. Oct.
Die Stärke Lord Wellingtons in seiner Position zu Torres Vedras, zwischen dem Tago und dem Meere, ist 30000 Engländer und Deutsche, ohne die portug. Truppen zu erwähnen. La Romana ist mit 10000 Mann am Ufer des Tago, und setzt hinüber, um sich mit der engl. Armee zu vereinigen. Der Admiral Berkeley, der mit den Schaluppen der Linienschiffe sowohl als andern Canonierschaluppen den Tago heraufsegelt, sucht den rechten Flügel Wellingtons damit zu decken und zu unterstützen. Massena der 50000 M. Inf. und 10000 M. Cavallerie zählt, hat sich 3 Meilen von der engl. Armee zwischen Villanova und Lourihna aufgestellt. Binnen weniger als 10 Tagen wird eine Hauptschlacht statt gefunden haben.
(Moniteur.)
Petersburg, d. 25. Oct.
In der Nacht vom 14ten auf den 15ten Sept. wüthete ein so entsetzlicher Sturm zu Archangel, daß die Meeresfluth 6 Fuß höher stieg, als gewöhnlich. Alle umliegenden Inseln wurden plötzlich überschwemmt, und ein Schiff nebst einer großen Menge Balken, Holz und Heu, das auf den Inseln befindlich war, ging verloren.
Gusdal in Norwegen d. 11. Oct.
Den 8ten Nachm. 5½ Uhr hatten wir hier einen sehr fühlbaren Erdstoß, der ohngefähr 10 bis 15 Secunden währte, doch ohne Schaden zu thun. Seine Richtung war von Norden nach Süden.
(Liste der Börsenh.)
Paris, den 3. Nov.
Es heißt S. Maj. der Kaiser werden bald nach ihrer Zurückkunft von Fontainebleau eine Reise nach Cherbourg vornehmen.
(Jour. de l’Emp.)