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Theater.
Aus einem Schreiben von
Dresden den 25. Octob. 1810.
— — — —
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Der Aufsatz in Ihrem 15ten Blatt, worin
gezeigt 5
wird, wie gefährlich der Grundsatz sei, allein für die
Füllung der Theaterkasse zu sorgen, und wie leicht
eben
dadurch das Schauspiel selbst abhanden kom¬
men und verloren gehen könnte; dieser Aufsatz, mein
Herr, hat mir, aus mancherlei Gründen, sehr gefal¬10
len. Derselbe hat
eine Ansicht bei mir aufs Neue
erregt, die ich niederzuschreiben
versuchen will; und
da ich der Hoffnung bin, daß Sie einem alten
Manne seine schlichte Gedanken nicht mißdeuten
werden,
so spare ich den Eingang. — — — — 15
— — — — — — — — — — —
Ob mehrere Theater in einer großen Stadt; ob die
Mühe, welche sich jeder der verschiedenen Directoren
geben müßte, um
das Publikum von Whist- und
l’Hombre, von Thee- Wein- und Biertischen
in ihr 20
Schauspielhaus zu locken, der Kunst und den Ein¬
wohnern ersprießlich seyn
mögten; ob die Pachtgel¬
der, welche diese Bühnen geben würden, dem Staate
Nutzen verschaffen könnten, will ich hier ununter¬
sucht lassen. Leute,
die von Paris und London, von 25
Wien ⁊c. kommen, rühmen dergleichen gar
sehr. — Es
mag sein! Ich aber bin, wie gesagt, ein alter Mann
und lobe
mir alten Brauch und Weise. Mit Einem
Worte:
mir ist ein Hoftheater die liebste Bühne, ge¬
rade wie eine monarchische Regierung mir der liebste 30
Staat ist; und ist ein Hoftheater nur ein ächtes Hof¬
theater, so wird es schon ganz von selbst
auch ein Na¬
tionaltheater sein. Was aber National-Regierungen,
Versammlungen u. dgl. betrifft, so haben wir in
unsrer Zeit unter diesem lockenden Titel große Ty¬35
ranneien ausüben sehen. — Das Wort Hoftheater
[ 33 ] 132 bezeichnet die Verbindung des
Hofs mit dem Thea¬
ter,
also nichts Geringeres, als den seegenbringenden
Einfluß der besten
vornehmsten Gesellschaft auf Ver¬
vollkommnung der Bühne und des ihr gegenüber¬40
sitzenden Volks. Der Antheil des Hofes an dem
Theater adelt die
Sitte des Schauspielers; mildert
die Zügellosigkeit des Dichters;
verbreitet Würde,
Anstand, Feinheit, Anmuth über das Ganze, und
erhebt so eine leicht ausartende Spielerei zu einer 45
Kunstanstalt, die das Volk erfreuet und bildet. — Da¬
her entstand auch in alter, edler
Zeit das schöne eh¬
renwerthe, hohe Hofamt eines Maitre de
spectacle,
welcher der Repräsentant ist und das Organ jenes
Antheils, den der Fürst und seine Großen, den zart¬50
sinnige und vornehme Frauen nehmen an den
leben¬
dig gewordnen
Werken dramatischer Kunst. Seine
Aufgabe ist
nicht allein die äußere Würde der An¬
stalt durch den Glanz seines hohen Standes zu er¬
halten, dem Fürsten voran in die Loge zu treten und
55
den Wink zum Beginnen des Schauspiels zu geben,
nein, auch das Innere dieser Anstalt muß sein vor¬
nehmes Wesen sowohl, als sein geprüfter Geschmack,
sein Kunstsinn, seine Partheilosigkeit bedingen und
beseelen. Er muß die
Wahl der aufzuführenden 60
Stücke leiten, Er die schicklichen Subjecte für die
Bühne suchen; Er bestimmen wo auf äußre Pracht
der Darstellung Etwas verwendet werden soll, oder
wo
sie überflüssig, wo sie ausschweifend, wo sie ver¬
führerisch und schädlich wird. Denn nur Er der 65
Sinnige, der Vornehm-Partheilose,
der nicht in,
der über dem Ganzen stehet, nur Er kann es un¬
befangen übersehn und
regieren. Dieser Dichter an
seiner Stelle
würde nur mistisch-phantastische Tra¬
gödien und Burlesken; Jener nur haidnische Stücke; 70
ein
Andrer uns nur häusliche Familienscenen aufti¬
schen, während ein Musiker nur einzig und allein
und auch wiederum nur seinem
Geschmacke nach,
einseitig für die Oper sorgen würde. Ein Schau¬
spieler aber dürfte, entweder jedes Machwerk auf¬75
führen, sobald er nur eine Rolle darin
fände, in
der er sich schon zum voraus beklatscht sähe, oder
doch wenigstens so ausschließend für den hergebrach¬
133ten Theatereffect sorgen, daß darüber manch wahr¬
haftiges Meisterwerk zu Grunde ginge; —
abgerechnet 80
die Vorliebe und den Haß zu einzelnen Subjecten der
Bühne; abgerechnet, daß, wenn der Schauspieler
seine
Rollen fleißig und redlich lernen und studi¬
ren will, ihm durchaus keine Zeit übrig bleibt, die
anderweitigen Theatergeschäfte treu
und prompt 85
zu besorgen;
abgerechnet, daß er mitten innen in
dem Werk stehet und daher durchaus
keine Ueber¬
sicht des
Ganzen haben kann. Welche Fühlhörner —
wenn
ich mich so ausdrücken darf — stehen ihm zu
Gebote, sich diese
Uebersicht zu verschaffen? Wie¬90
der ein Schauspieler, den er zu Rathe ziehet? oder
wieder ein einseitiger Dichter; oder, wenn es aufs
Höchste kommt ein technisch-gebildeter Theatermeister
oder Soufleur,
u. dgl.? Welche Gesellschaften sieht
er und
hat er die Zeit zu sehen; und in welcher 95
Gesellschaft wird er die Wahrheit hören? — —
Diese
nothwendige Umsicht aber, diese Ueber¬
sicht des Ganzen hat der vornehme Maitre de
spectacle, der über all den kleinen Verhältnissen
schwebt, der kaum ein Individuum zu nennen ist, 100
der, indem er die
beste Gesellschaft sieht, ihr Ur¬
theil hört und sich danach richtet und modelt, so
zu
sagen eine Gesammtperson wird, würdig einer
Anstalt vorzustehn, die in
alter und neuer Zeit, alle
gesitteten Völker, als die Blüthe ihrer
Bildung an¬105
sahen und
verehrten. — — — — — — —
— — — — — — — — —
Ihr ergebenster
Gr. v.
S.
Tages-Ereigniß.110
Das Verbrechen
des Uhlanen Hahn, der heute hin¬
gerichtet ward, bestand darin, daß er dem Wachtmei¬
ster Pape, der ihn, eines kleinen Dienstversehens we¬
gen, auf höheren Befehl, arretiren wollte, und
des¬
halb, von der Straße
her, zurief, ihm in die Wache 115
zu folgen, indem er das Fenster, an dem
er stand, zu¬
warf,
antwortete: von einem solchen Laffen ließe er
sich nicht in Arrest
bringen. Hierauf verfügte der
134 Wachtmeister Pape, um ihn mit Gewalt fortzuschaf¬
fen, sich in das Zimmer desselben:
stürzte aber, von ei¬120
ner
Pistolenkugel des Rasenden getroffen, sogleich todt
zu Boden nieder.
Ja, als auf den Schuß, mehrere
Soldaten
seines Regiments herbeieilten, schien er sie,
mit den Waffen in der
Hand, in Respect halten zu
wollen, und jagte noch eine Kugel durch das
Hirn des 125
in seinem Blute schwimmenden Wachtmeisters; ward
aber gleichwohl, durch einige beherzte Cameraden, ent¬
waffnet und ins Gefängniß gebracht. Se. Maj. der
König haben, wegen der
Unzweideutigkeit des Rechts¬
falls, befohlen, ungesäumt mit der Vollstreckung des, 130
von den Militair-Gerichten gefällten, Rechtsspruchs,
der ihm das Rad
zuerkannte, vorzugehen.
Miscellen.
Hr. Capellmeister Reichardt wird, im Laufe dieses Winters die
Oper: der Taucher (der bekannte, alte, sicilianische Stoff) von Hr. 135
Bürde bearbeitet, auf die Bühne bringen. Das
Publicum von Ber¬
lin, das
diesen Gegenstand schon, aus der Ballade von Schiller
kennt, ist mit
Recht auf diese poetische Erscheinung begierig.
Es heißt, der Herzog v. Reggio, Marschall Oudinot, sei zum
General-Gouverneur der holländischen Departements ernannt.140
Die Methode, nach welcher der Präfect von Rom in seinem
Palais,
nicht bloß Syrup, sondern auch Cassonade und weißen Zuk¬
ker, aus Weintrauben gewinnt,
ist so leicht, daß jede Hausmutter
sie erlernen kann.
Dourhi
Dourbi
Effendi, ehemaliger Scheh Islam, ist, seines hohen 145
Alters
wegen, zu Constantinopel abgesetzt, und seine wichtige Stelle
(eines
Oberhaupts der muselmännischen Religion) einem jüngern
Mann von großen
Verdiensten, Oglou, ertheilt worden.
Polizeiliche
Tages-Mittheilungen.
Bei der Tochter eines verstorbenen Uhrmachers fanden sich 150
gestern Nachmittag zwei noch nicht ausgemittelte Juden ein, un¬
ter dem Vorwande, Uhren zu
kaufen. Als sie sich ohne Handels eins
zu
werden, entfernt hatten, wurden mehrere goldene und eine sil¬
berne Uhr vermißt.
Bei einem Parasolfabrikanten hat ein Unbekannter ein uner¬155
fahrnes Mädchen, dem die
Aufsicht über die Waaren anvertraut
war, durch falsche Angaben über
seinen Stand und Wohnung zu
disponiren gewußt, ihm einen Parasol ohne
Bezahlung zu verab¬
folgen.
Einem Bäcker ist für einige Groschen verbackenes Brod zer¬160
schnitten.
Ein Viehhändler aus Pommern hat einem andern Viehhänd¬
ler in Schönhausen 37
Stück hieher bestimmte Schweine verkauft,
und ist deshalb zur
Verantwortung gezogen.