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Das Gesicht Karls XI. König von Schweden.
(Beschluß.)
„Wir gingen da hinein.
Allzusammen wurden wir
eines
großen Tisches gewahr, von 16 würdigen Män¬
nern umgeben; alle hatten große
Bücher vor sich, un¬5
ter ihnen ein junger König von 16, 17, 18 Jahren,
mit der Krone auf dem Haupt und dem Scepter in
der Hand. Zur rechten Seite saß
ein langer, schöner
Herr, von ungefähr 40 Jahren, sein
Angesicht verkün¬
digte Ehrlichkeit; und zu seiner linken Seite ein
alter 10
Mann von ungefähr 70 Jahren. Es war besonders,
daß der junge König
mehrmals den Kopf schüttelte,
da alle diese würdigen
Männer mit der einen Hand
hart auf die Bücher schlugen.
Ich warf dann meine
Augen von
ihnen weg, und ward straks neben dem 15
Tische Richtblock
bei Richtblock, und Henker gewahr,
alle mit aufgezogenen
Hemdärmeln, und hieben einen
Kopf nach dem andern ab, so
daß das Blut längs dem
Fußboden fortzuströmen anfing.
Gott soll mein Zeuge
seyn, daß
mir mehr, als bang war; ich sah auf mei¬20
ne Pantoffeln, ob etwa einiges Blut auf
sie gekommen
wäre; aber das war es nicht. Die, welche enthauptet
wurden, waren
meistentheils junge Edelleute. Ich
warf meine Augen davon weg, und ward hinter dem
Tisch in der Ecke eines Throns gewahr, der fast um¬25
gestürzt war, und daneben einen Mann, der aussah,
als sollte er Reichsvorsteher seyn; er war ungefähr
40 Jahre alt. Ich zitterte und
bebte, indem ich mich
zur Thüre zog, und laut rief:
welche ist des Herrn
Stimme, die ich hören soll? Gott, wann soll dieß ge¬30
schehen? Es wurde mir nicht geantwortet. Ich rief
wieder: o Gott, wann soll
dieß geschehen? Aber es
wurde
mir nicht geantwortet; allein der junge König
schüttelte
mehrmals den Kopf, indem die andern wür¬
digen
Mnäner
Männer
hart auf ihre Bücher schlugen.
Ich rief 35
wieder, stärker denn zuvor: o
Gott, wann soll dies ge¬
schehen? so sey denn, großer Gott, so
gnädig, und sage,
wie man sich dann verhalten soll.
Da antwortete mir
der junge
König: nicht soll dieß geschehen in Deiner
Zeit, sondern
in der Zeit des sechsten Regenten nach 40
[ 23 ]92Dir, und er wird seyn
von eben dem Alter und Ge¬
stalt, wie Du mich siehest; und der,
welcher hier steht,
offenbart, daß sein Vormund aussehen
wird, wie die¬
ser; und der Thron wird grade in des Vormunds
letz¬
ten Jahren an seinem Fall seyn durch einige junge 45
Edelleute; aber der Vormund, der unter seiner Regie¬
rung
den jungen Herrn verfolgt, wird sich da seiner
Sache
annehmen, und sie werden den Thron stärker
befestigen:
daß nie zuvor ein so großer König in Schwe¬
den gewesen, und nie nachher
kommen wird, als die¬50
ser werden wird, und daß das Schwedische Volk in
seiner Zeit glücklich werden wird; und er wird ein
seltnes Alter erreichen; er wird sein Reich ohne
Schul¬
den, und mehrere Millionen in der Schatzkammer
hin¬
terlassen. Aber ehe er sich
auf dem Thron befestigen 55
kann, wird es ein großes Blutbad
werden,
daß
das
nie
desgleichen im Schwedischen Lande gewesen, und
auch
nimmer werden wird. Gieb
Du ihm, als König im
Schwedenlande, Deine guten
Vermahnungen. — Und
als er
dieß gesagt, verschwand alles, und allein wir 60
mit unsern
Lichtern waren noch da. Wir gingen mit
dem allergrößten Erstaunen, wie jedermann sich vor¬
stellen kann, und als wir in das schwarze Zimmer ka¬
men, war es
auch weg, und alles in seiner gewöhnli¬
chen Ordnung. Wir gingen da hinauf in meine Zim¬65
mer, und gleich setzte
ich mich, diese folgenden Ver¬
mahnungen zu schreiben in Briefen, so gut
ich konnte.
(Die Vermahnungen
liegen versiegelt, werden von Kö¬
nig zu König erbrochen, gelesen, und
versiegelt.) Und
alles dieses
ist wahr. Dieß bekräftige ich mit meinem 70
leiblichen Eyde, so wahr mir Gott helfen soll.
Karl der Elfte,
heute König in Schweden.
Als
auf der Stelle gegenwärtige Zeugen haben
wir alles
gesehen, wie Se. Königl. Majestät es auf¬75
gezeichnet hat, und
bekräftigen es mit unserm leibli¬
chen Eyde, so wahr uns Gott helfen
soll.
Karl Bjelke,
Reichsdrost.
U. W. Bjelke,
Reichsrath.
A. Oxenstjerna,
Reichsrath.
Peter Granslén,
80
Vice-Wachtmeister.
R.
Eylert,
Königlich Preußischer Hofprediger, und Kurmärki¬
scher Consistorialrath.
Bei den
unendlich mannigfachen Strebungen un¬85
sres vielseitig und fein gebildeten Zeitalters giebt es
unter andern Erscheinungen im Reiche der Geister
auch noch Christen,
ernste Christen, die es mit ihrem
Glauben ohne alle Umschreibung
treuherzig so halten,
wie es die Bibel als Urquell des Christenthums
gebeut. 90
Solche Leute verlangen von
Christlichen Predigern ein
Gleiches, weil ihnen sonst alles Vertrauen
auf Lehrer
ausgehen müßte, welche evangelische Prediger hießen,
ohne es nach vollster, unbedingtester Ueberzeugung zu
sein. Der Zweifler, oder der Indifferentist, der un¬95
ser positives Christenthum nur
negativ gelten läßt,
müsse, — meinen die oberwähnten Leute, — schon
nach dem pflichtmäßigen Sinne des ehrlichen Mannes
abtreten, sprechend: „Ihr mögt nicht Unrecht haben,
Ihr Christen,
aber überzeugt bin ich nicht, und leh¬100
ren also kann ich nicht in Euern Kirchen. — „Also
ei¬
nen Christen, nach dem
strengsten Begriffe des Wor¬
tes, wollen sie zu ihrem Prediger, und das soll er vor
allen andern Dingen voraus unbedingt und uner¬
laßlich sein. Sie finden auch wohl
öfters solche Män¬105
ner
nach ihrem Herzen, aber weil es des Guten nie
zu viel geben kann, will
der Einsender, der selbst zu
jenen Leuten gehört, ihnen den Namen
nennen, der
an der Spitze dieses Aufsatzes stehet. Nicht, als könnte
ein Mann von Eylerts Herz und
Geist und der eine 110
solche Stelle bekleidet, in den Preussischen
Hauptstäd¬
ten
unbekannt sein, aber es geschieht, weil ihm doch
wohl Einzelne nicht
die gebührende Aufmerksamkeit
geschenkt haben möchten, und weil die
Abendblätter
ja auch durch die Provinzen des Reiches gehn.115
Es ist hiemit
nichts gemeint, als ein Wink an
solche, die sich in der oben
geschilderten Sinnesart
selbst wiederfinden. Aber das sei noch erlaubt zu be¬
merken, daß man selten eine so tiefe Durchdringung
der höchsten religiösen Klarheit und der innigsten be¬120
sondersten Individualität
finden wird, als in Eylerts
Predigten. Er
ist es ganz und eigenthümlich selbst,
der spricht, es sind ganz und
eigenthümlich die gegebe¬
nen Zuhörer, zu denen er spricht, aber in hoher gei¬
stiger Verklärung nähert er diese
Einzelnheiten dem 125
Lichte des einzig Wahren und Guten, bis sie darin zu
seligem Frieden geläutert, aufgelös’t und so erst wie¬
94der für Zeit und Ewigkeit wahr geworden sind. —
Gedruckt sind außer frühern Arbeiten zwei Bände
Predigten, — zu Potsdam in den Jahren 8, 9 und 10 130
gehalten, — von
ihm erschienen, und wer sich dem
Einsender durch Wunsch und Sinnesart
verwandt
fühlt, wird dringend zu deren Lesung aufgefordert.
Wer aber Eylert selbst hören kann, thut um Vieles
besser. Er findet diesen Freund des Himmels
mit rei¬135
chen Gaben des
Himmels ausgerüstet. Gestalt, Stim¬
me, Kraft des Geistes und Ausdrucks erinnert
an
Luther, Weichheit und Milde des Gemüthes an den
Jünger, welchen Jesus lieb hatte.
Daß aber ein
solcher Mann auf dem Posten steht, 140
wo er steht, muß das Herz jedwedes
frommen Preus¬
sen mit
inniger Freude und mit erneuerter Liebe ge¬
gen seinen guten König erfüllen.
d. l. M.
F.
Kriegsregel.145
Ein alter ausgedienter Kriegsknecht sagte zu seinem Sohne:
Höre
Fritz, du bist nun auch ein Reiter geworden, wie ich war, und
übermorgen marschiert die Schwadron gegen den Feind. Da will
ich
dir was sagen. Wenn wir sonst einhauen
sollten, pflegte unser Ritt¬
meister zu sprechen: „haut die Hunde zusammen, daß sie die Schwe¬150
renoth kriegen!“ — Der Herr Wachtmeister rief auch wohl: „Drauf!
In’s
Teufel Namen!“ — Ich habe mir aber nie was Sonderliches
dabei denken können. Meine Manier war die, daß
ich den Pallasch
recht fest faßte, und ganz stille aber recht
inbrünstig zu mir sagte:
„nun mit Gott.“ — Ich wollte, du thätest das auch; es haut sich 155
ganz prächtig
darnach.
Miscellen.
Französische Blätter enthielten schon längst, und
russische Briefe
(S. Liste der Börsenh.) bestätigen die
Nachricht, daß der Gr. Gottorp
sich in Riga eingeschifft habe.160
Hr. P. Schmid, aus Stettin, der Mahler des
trefflichen Vieh¬
stücks nach Potter, das kürzlich zur Ausstellung
gebracht worden ist,
auch als Schriftsteller (Anleitung
zur Zeichenkunst, Leipzig, bei Feind,
1809,) rühmlich
bekannt, befindet sich, seit einiger Zeit in Berlin.
Se. Königl. Hoheit der Kronprinz von Schweden sind
in Ko¬165
penhagen eingetroffen.
In Riga hat man, durch einen Kourier, die Nachricht
erhalten,
daß die Festungen
Rutschuck
Ruschtschuck
und Giurgewo sich den siegreichen Rus¬
sischen Waffen unterworfen haben.
Polizeiliche
Tages-Mittheilungen.170
Beim Nachmessen des Torfs fehlten einem hiesigen Bürger am
½ Haufen 11½ Kiepen.
Zweien Bäckern ist für resp. 6 und 4 Gr. verbackenes Brod
zerschnitten; und dem einen von ihnen überdies für 12 Gr. Brod,
woran 1 Pfd. 6 Lth. fehlten, konfiszirt.175